Teleskope gibt es seit knapp 400 Jahren. Die Astronomie aber schon viel länger. Und auch vor den Teleskopen gab es astronomische Instrumente. Zum Beispiel die Armillarsphäre – ein Planetarium im Kleinformat…

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Sternengeschichten Folge 181: Die Armillarsphäre

Astronomen benutzen Teleskope. Das stimmt, auch wenn nicht alle Astronomen auch selbst beobachten. Viele kommen auch wunderbar mit Papier, Bleistift und Computer aus. Aber Teleskope sind die Grundlage astronomischer Forschung. Zumindest in den letzten knapp 400 Jahren. Denn Teleskope gibt es erst seit dem 17. Jahrhundert, wie ich in Folge 107 der Sternengeschichten erzählt habe. Astronomie existiert aber schon viel länger und auch vor der Erfindung des Teleskops gab es astronomische Instrumente. Zum Beispiel die Armillarsphäre.

Das lateinische Wort Armilla bedeutet „Ring“ und eine Armillarsphäre ist daher eine Kugel, die aus Ringen besteht. Als Erfinder dieses Geräts gilt der griechische Forscher Eratosthenes, der im zweiten und dritten Jahrhundert vor unsere Zeit gelebt hat. Aber wie so oft bei solch alter Geschichte, ist es nicht ganz eindeutig, wann die Armillarsphäre das erste Mal aufgetaucht ist.

Armillarsphäre aus dem Jahr 1585 (Bild: Public Domain)
Armillarsphäre aus dem Jahr 1585 (Bild: Public Domain)

Aber wer auch immer sie erfunden hat: Sie dient dazu, den Himmel besser zu verstehen. Eine Armillarsphäre ist im Prinzip nichts anderes als ein Planetarium im Kleinformat. Sie bildet den Himmel ab und erlaubt es, die Bewegung von Himmelskörpern zu verstehen und vorherzusagen.

Die Grundlage der Armillarsphäre bildet die scheinbare Bewegung der Sonne am Himmel der Erde. Stellen wir uns vor, es ist gerade Winteranfang. Im Winter sind die Tage kürzer und die Sonne zeigt sich nur kurz. Sie geht im Südosten auf, steigt ein wenig über den Horizont und erreicht im Süden ihren höchsten Punkt bevor sie im Südwesten wieder untergeht. Wenn dann ein paar Monate später der Frühling anfängt, sieht die Sache schon anders aus. Zur sogenannten Tagundnachtgleiche sind heller Tag und Nacht – wie der Name schon sagt – gleich lang. Die Sonne geht im Osten auf, steigt am Horizont weiter nach oben als zu Winterbeginn und steht an ihrem höchsten Punkt im Süden auch über dem höchsten Punkt, den sie im Winter erreicht hat. Untergehen sehen wir sie dann im Westen.

Wenn wir uns den Lauf der Sonne als Bogen vorstellen, dann ist der Bogen, den sie zu Frühlingsbeginn am Himmel zieht größer als der zum Winteranfang. Noch größer ist der Bogen, den wir am ersten Tag des Sommers sehen können. Hier ist der helle Tag am längsten, die Sonne geht im Nordosten auf, steigt im Süden hoch über den Horizont und geht im Nordwesten unter. Zum Herbstanfang sind Tag und Nacht wieder gleich lang und die Sonne folgt dem gleichen Bogen, dem sie auch schon zur Tagundnachtgleiche im Frühling gefolgt ist.

Es gibt also drei ineinander verschachtelte Bögen: am kleinsten ist der dem die Sonne im Winter folgt, am größten der im Sommer und dazwischen liegt der für Frühlings- und Herbstanfang. An den anderen Tagen des Jahres folgt die Sonne einem Bogen, der irgendwie zwischen diesen Bögen liegt. Das wir Bögen beobachten liegt daran, dass wir die Sonne immer nur dann sehen können, wenn sie über dem Horizont ist. Und sie bewegt sich auch nicht wirklich; es erscheint uns nur so, weil die Erde sich einmal in 24 Stunden um ihre Achse dreht.

Bis jetzt haben wir die Situation von der Oberfläche der Erde aus betrachtet. Wenn wir uns nun auf einen weiter entfernten Standpunkt zurückziehen und die Sache von außen betrachten, sehen wir keine Bögen mehr, sondern Kreise. Wenn wir uns die Erde unbewegt im Zentrum denken und die scheinbare Bahn der Sonne ansehen, erhalten wir anstatt der drei Bögen drei Kreise, die um die Erde herum liegen. Die beiden äußeren Kreise, die die Bahn der Sonne zu Winter- und Sommerbeginn markieren, sind die sogenannten Wendekreise. Der nördliche Wendekreis, der auch „Wendekreis des Krebses“ genannt wird und der südliche Wendekreise oder „Wendekreis des Steinbocks“. In der Mitte liegt der Himmelsäquator, der dem auf den Himmel projizierten Äquator der Erde entspricht. Den nördlichen und südlichen Wendekreis findet man 23,5 Grad nördlich und südlich des Äquators.

Diese drei Kreise bilden das astronomische Fundament einer Armillarsphäre. Außerdem braucht es noch den Meridian und den Horizont. Es ist vielleicht ein wenig schwierig, sich ohne Bilder vorstellen zu können, wie so eine Armillarsphäre aussieht. Aber es ist auch nicht wahnsinng kompliziert. Stellen wir uns vor, wir stünden irgendwo auf einer Ebene, unter uns flacher Boden und über uns der Himmel. Wir bilden nun das Zentrum unserer fiktiven Armillarsphäre. Jetzt ziehen wir einen horizontalen Ring um uns herum – entlang des Horizonts (darum heißt es ja auch „horizontal“). Jetzt ziehen wir einen zweiten, vertikalen Ring, der zum Beispiel von Norden direkt über unseren Kopf nach Süden verläuft und dann unter unseren Füßen wieder zurück nach Norden. Wenn wir uns das nicht nur vorstellen, sondern diese beiden Ringe auch tatsächlich herstellen und passend verbinden, bekommen wir die Grundstruktur der Armillarsphäre. Jetzt nehmen wir unsere drei Kreisringe von vorhin, die beiden Wendekreise und den Himmelsäquator und passen sie in die Grundstruktur ein. Dazu müssen wir berücksichtigen, wo auf der Erde wir uns befinden. Stehen wir zum Beispiel genau am Äquator, dann fällt der Ring für den Himmelsäquator mit den Ring für den Horizont zusammen. Befinden wir uns nördlich oder südlich vom Äquator, müssen wir die drei Ringe entsprechend der geografischen Breite gegenüber dem Horizont neigen.

Diagramm einer Armillarsphäre (Bild: Public Domain)
Diagramm einer Armillarsphäre (Bild: Public Domain)

Eine vernünftige Armillarsphäre ist so konstruiert, dass die Ringe beweglich sind und man sie für jeden Ort auf der Erde passend einstellen kann. In der bisher beschriebenen Form ist sie schon recht hübsch, aber damit man wirklich damit arbeiten kann, braucht es auf jeden Fall noch einen weiteren Kreis: Die Ekliptik. Das ist die scheinbare Bahn, die die Sonne im Lauf eines Jahres um die Erde herum zieht. Wieder nur scheinbar, denn in Wahrheit ist es ja die Erde, die sich bewegt. Die Ekliptik entspricht also der Ebene, in der die Erde um die Sonne herum läuft. Diese Ebene ist um 23,5 Grad gegenüber dem Himmelsäquator geneigt und wird auch in der Armillarsphäre entsprechend eingepasst.

Wer nun ein besonders gutes räumliches Vorstellungsvermögen hat, der Anleitung im Geist gefolgt ist und die Armillarsphäre in Gedanken vor sich sieht, wird nun merken, dass der Ring der Ekliptik genau zwischen nördlichen und südlichen Wendkreis passt. Dort wo der Ring der Ekliptik den nördlichen Wendekreis berührt, befindet sich die Sonne genau zu Winterbeginn. Am südlichen Berührungspunkt ist sie am Sommeranfang und die beiden Berührungspunkte mit dem Himmelsäquator durchläuft die Sonne an der Frühlings- bzw. Herbsttagundnachtgleiche.

Und damit haben wir schon den ersten Einsatzbereich für die Armillarsphäre. Wenn man auf dem Ring für die Ekliptik eine entsprechende Skala anbringt, an der die 365 Tage des Jahres aufgeschrieben sind, kann man so ablesen, an welchem Tag sie Himmelsäquator bzw. einen der Wendekreise erreicht und so den Beginn der Jahreszeiten vorhersagen. Man kann aber auch feststellen, wie hoch sie an einem irgendeinem anderen Tag des Jahres am Himmel stehen wird. Dazu gibt es bei vielen Armillarsphären eine kleine Kugel, die man – als Markierung für die Sonne – an den Ekliptikring stecken kann. Will man wissen, wie ihr Weg zum Beispiel am 13. Mai aussieht, platziert man sie dort, wo auf der Ekliptik der 13. Mai markiert ist. Wenn ich den Ring dann einmal herum drehe, was einer Drehung der Erde um ihre Achse, also einem vollen Tag entspricht, kann man mit der Armillarsphäre direkt beobachten, wann die Sonne über dem Horizont aufgeht, wie hoch sie am Himmel steigen wird, in welcher Himmelsrichtung sie wieder untergeht, und so weiter.

Was mit der Sonne geht, geht natürlich auch mit anderen Himmelskörpern. Man kann auf der Sphäre entsprechende Ringe und Markierungen für anderen Planeten und Sterne anbringen und sich damit ansehen, wo und wann sie zu bestimmten Zeiten im Jahr auf- und untergehen.

Auch wenn das alles ein wenig kompliziert klingt, ist es doch nicht allzu schwer zu verstehen, wenn man so eine Armillarsphäre direkt vor sich hat. Vor allem deswegen war sie lange Zeit ein beliebtes Instrument und Hilfsmittel in der Astronomie, um die Bewegung der Himmelskörper anschaulich und vorhersehbar zu machen. Nach dem antiken Griechenland wurde die Armillarsphäre vor allem in der islamischen Welt eingesetzt und verbessert. Nach Europa kam sie erst im 15. Jahrhundert und im 16. Jahrhundert baute der dänische Astronom Tycho Brahe – über den ich in Folge 167 der Sternengeschichten mehr erzählt habe – die besten und präzisesten dieser Sphären.

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Danach wurde sie aber ziemlich bald durch das Teleskop abgelöst. Heute findet man die Armillarsphären nur noch in Museen. Verwendet wird sie in der Praxis nicht mehr und man sieht sie auch kaum noch irgendwo. Es sei denn, man befindet sich in Portugal! Für eine Seefahrernation wie Portugal war die Astronomie und die damit mögliche Navigation auf den Meeren dieser Welt von so großer Bedeutung, dass sie die Armillarsphäre als Symbol in ihre Nationalflagge übernommen haben. Ein würdiger Platz für so ein wichtiges astronomisches Instrument!

7 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 181: Die Armillarsphäre“
  1. @Florian

    Dort wo der Ring der Ekliptik den nördlichen Wendekreis berührt, befindet sich die Sonne genau zu Winterbeginn. Am südlichen Berührungspunkt ist sie am Sommeranfang und die beiden Berührungspunkte

    Eher umgekehrt.

  2. „Stehen wir zum Beispiel genau am Äquator, dann fällt der Ring für den Himmelsäquator mit den Ring für den Horizont zusammen“
    Müsste am Äquator stehend der Himmelsäquator nicht genau von Ost nach West über den Zenit ziehen?
    Also genau rechtwinkelig zum Horizont?

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