Es hat sich vermutlich schon herum gesprochen: Die NASA hat gestern die bisher größte Sammlung an neu entdecken Planeten veröffentlicht. Zu den bisher bekannten 2125 extrasolaren Planeten sind nun auf einen Schlag 1248 neue Planeten anderer Sterne hinzu gekommen. Das ist ein schönes Resultat und wichtiges Resultat. Aber eine „Entdeckung“ im eigentlichen Sinn ist es nicht. Denn „entdeckt“ wurde nichts, auch wenn das der Fokus der meisten Berichte über das Thema ist, die ich bisher gelesen habe. Was an dieser Arbeit meiner Meinung nach eigentlich interessant ist, möchte ich in diesem Artikel kurz erklären.

Hurra! Bei der NASA gibts viele neue künstlerische Darstellungen von Planeten; angeordnet in einem himmelsmechanisch komplett instabilen und überfüllten System! (Bild: NASA/W.Stenzel)
Hurra! Bei der NASA gibts viele neue künstlerische Darstellungen von Planeten; angeordnet in einem himmelsmechanisch komplett instabilen und überfüllten System! (Bild: NASA/W.Stenzel)

Die wissenschaftliche Facharbeit von Timothy Morton von der Uni Princeton und seinen Kollegen, die gestern präsentiert wurde trägt den Titel „False Positive Probabilities for all Kepler Objects of Interest: 1284 Newly Validated Planets and 428 Likely False Positives“ (hier als pdf verfügbar). Der etwas lange Titel fasst gut zusammen, um was geht: Um „Kepler Objects of Interest“, die „validiert“ wurden, in dem man „Falsch-Positiv-Wahrscheinlichkeiten“ berechnet hat.

Keplers interessante Objekte

Fangen wir mit dem Anfang an: Was sind „Kepler Objects of Interest“ bzw. kurz „KOIs“? Das Weltraumteleskop Kepler befindet sich seit 2009 im Weltall und sucht dort nach extrasolaren Planeten. Das hat es in den vergangenen Jahren höchst erfolgreich gemacht; Keplers Daten haben unser Wissen über die fremden Welten revolutioniert. Die Entdeckung eines neuen Planeten, die noch vor kaum 20 Jahren eine große Sensation war, ist dank Kepler (und der anderen tollen Teleskope) mittlerweile Routine. Schwierig bleibt es trotzdem. Denn ein Planet entdeckt sich nicht einfach so. Man kann sie in den allermeisten Fällen nicht direkt sehen; dafür sind sie zu weit weg und reflektieren zu wenig Licht. Wenn aber so ein Planet von uns aus gesehen direkt vor seinem Stern vorüber zieht, verdeckt er dabei kurzfristig ein klein wenig des Sternenlichts und das kann man messen. Besonders gut wenn man, wie Kepler, vom Weltall aus sehr, sehr viele Sterne regelmäßig beobachtet.

Das Problem an der Sache ist nun, dass es viele Gründe geben kann, warum ein Stern ab und zu ein wenig dunkler wird. Die Helligkeit eines Sterns kann sich zum Beispiel auch ändern, wenn es sich um ein enges Doppelsternsystem handelt. Für uns sieht das dann aus wie ein einziger Stern, aber je nachdem wie die beiden sich gerade bedecken kommt mal mehr und mal weniger Licht zu uns. Genau so könnte das verdunkelnde Objekt kein Planet sein, sondern ein brauner Zwerg (ein Mittelding zwischen Planet und Stern). Kurz gesagt: Um wirklich sicher sein zu können, dass man einen Planeten entdeckt hat und nicht irgendwas anderes, muss man die Beobachtungen von Kepler überprüfen. Idealerweise passiert das mit Teleskopen von der Erde aus. Dort kann man Methoden nutzen, die die Existenz des Planeten nicht nur verifizieren, sondern auch seine Masse genau bestimmen können. Erst wenn das passiert ist, kann man eigentlich von der „Entdeckung“ eines Planeten sprechen.

Dinge die erscheinen wie Planeten aber keine sind (bis auf den Planeten oben links natürlich) (Bild: NASA Ames/W.Stenzel)
Dinge die erscheinen wie Planeten aber keine sind (bis auf den Planeten oben links natürlich) (Bild: NASA Ames/W.Stenzel)

Solange das nicht geschehen ist, handelt es sich nur um einen „Planetenkandidaten“. Oder eben ein „Kepler Object of Interest“. Von denen hat Kepler im Laufe der Zeit jede Menge angesammelt. Da all die Sterne die das Weltraumteleskop beobachtet aber sehr lichtschwach sind, ist es normalerweise schwer bis unmöglich, sie mit den Teleskopen von der Erde aus zu beobachten. Die wenigstens KOIs lassen sich also auf diesem Weg verifizieren und man hat sich andere Methoden ausdenken müssen.

Wahrscheinlichkeitsvalidierung

Ganz vereinfacht gesagt läuft diese Methode so ab: Man sieht sich die Verdunkelung des Sterns an und überlegt sich, wie sie zustande kommen könnten. Dann berechnet man, wie wahrscheinlich es ist, dass das durch einen Planeten geschehen ist. Und wenn diese Wahrscheinlichkeit groß genug ist, ist der KOI validiert und zu einem echten Planeten geworden. Die NASA hat das in ihrer Pressmitteilung in einer wunderbar absurden Grafik dargestellt:

Bild: NASA Ames/W. Stenzel; Princeton University/T. Morton
Bild: NASA Ames/W. Stenzel; Princeton University/T. Morton

Folgt man dieser Grafik, sieht es fast so aus, als würden die Wissenschaftler am Ende einfach auswürfeln, was sich „Planet“ nennen darf und was nicht… Aber ok, es ist auch ein wenig schwer, alle Details zu erklären. Das werde auch ich nicht tun – aber die Grundidee ist nicht so kompliziert zu verstehen. Morton und seine Kollegen haben zuerst ein paar Annahmen über mögliche Phänomene getroffen, die eine Verdunkelung des Sterns verursachen können. Zum Beispiel, dass es sich um ein Doppelsternsystem handelt. Oder ein Dreifachsternsystem. Oder das einfach zufällig zwei eigentlich komplett unterschiedlich weit entfernte Sterne beide in unserer Sichtlinie liegen und sich so aneinander vorbei bewegen, dass es aussieht wie eine Verdunkelung. Für jeden dieser Fälle haben sie eine Lichtkurve erstellt; also ein Diagramm (wie das in der Grafik oben links), das den Abfall des Sternenlichts beschreibt. Dann haben sie aus bekannten Daten über die Verteilung und Häufigkeiten von Mehrfachsternsystemen, usw, berechnet, wie wahrscheinlich es ist, dass Kepler zufällig auf so ein System blickt, das aussieht als wäre da ein Planet obwohl da keiner ist. Außerdem wurden diese simulierten Lichtkurven mit den konkreten Messungen verglichen und man hat berechnet, wie gut sie zusammenpassen.

Es geht also um zwei Wahrscheinlichkeiten:

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass die simulierte Lichtkurve die Realität beschreibt. Das heißt: Wie wahrscheinlich ist es, dass Kepler zum Beispiel zufällig gerade auf ein Doppelsternsystem blickt.
  • Wie wahrscheinlich ist es, dass die gemessenen Datenpunkte genau zu dieser simulierte Lichtkurve passen.

Das wird dann mathematisch kombiniert und am Ende bekommt man eine weiter Zahl die angibt, wie wahrscheinlich ist es, dass die Daten tatsächlich von einem der vielen Phänomene verursacht worden sind, die nichts mit einem Planeten zu tun haben.

Diese Methode ist nicht neu und wurde – zumindest was das Grundprinzip angeht – auch schon früher verwendet. Morton und seine Kollegen haben sie aber nun verbessert und sie vor allem das erste Mal auf den kompletten Katalog von KOIs angewandt. Mit interessanten Resultaten!

Falsch und Positiv (und keine zweite Erde!)

Der komplette Katalog an KOIs der in der Arbeit verwendet wurde, enthält 7470 Einträge. Die wurden aber nicht alle für die Analyse verwendet. Ein paar davon eignen sich aus verschiedenen Gründen nicht für diese Art der Untersuchung. Und bei vielen waren die Daten nicht gut genug. Morton und seine Kollegen haben sich auf die beschränkt, die schon mit anderen Methoden zumindest vorläufig untersucht wurden und bei denen man sich halbwegs sicher war, dass es sich um Planeten handelt. Aber eben nicht wirklich sicher… Das waren immerhin noch 2857 Objekte und die Wahrscheinlichkeitsvalidierung zeigte, dass 1935 davon mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99 Prozent auch tatsächlich Planeten sind. Von diesen 1935 wurden 651 schon vorher durch andere Methoden verifiziert. Es bleiben also 1284 neue Validierungen und das sind genau die „1248 neu entdeckten Planeten“ von denen in der Pressemitteilung und den Medien die Rede ist.

Diese Grafiken fassen die Ergebnisse und bekannten Eigenschaften der neu verifizierten Planeten zusammen:

Bild: NASA Ames/W. Stenzel
Bild: NASA Ames/W. Stenzel

Das erste Bild zeigt in blau die bisher von Kepler entdeckten Planeten und in orange die neu dazugekommen. Man sieht ihre Anzahl in Bezug auf ihre Größe und erkennt, dass in Relation im Wesentlichen überall gleich viel dazu gekommen sind. Das ist ein gutes Zeichen, denn es heißt, dass wir mittlerweile wirklich einen halbwegs vollständigen Blick auf die Lage haben. Je länger wir beobachten, desto mehr Planeten entdecken wir. Aber die Natur der Planeten bleibt gleich; es tauchen nicht plötzlich Unmengen an Gasriesen oder Supererden auf. Eine Ausnahme dürfte das linke Ende des Diagramms sein. Um die wirklich kleinen Planeten zu finden, sind die Teleskope noch nicht gut genug; hier werden die Balken in Zukunft vermutlich (hoffentlich!) überproportional anwachsen.

Bild: NASA Ames/N. Batalha and W. Stenzel
Bild: NASA Ames/N. Batalha and W. Stenzel

Das zweite Bild zeigt die ungefähr erdgroßen (bis zur doppelten Größe der Erde) Planeten die sich in der habitablen Zone ihres Sterns befinden. Wieder sind blau die alten und orange die neuen Daten und wieder sehen wir keine fundamentalen Änderungen; nur einen Zuwachs in der Menge. Und vor allem sehen wir keine „Zweite Erde“! Das muss man immer wieder extra betonen: Nur weil ein Planet so groß wie die Erde ist und sich im richtigen Abstand von seinem Stern befindet, folgt daraus nicht, dass dort auch die gleichen Bedingungen herrschen wie bei uns! Das hängt von so enorm vielen anderen Eigenschaften ab (der Atmosphäre, der Masse, dem Magnetfeld, etwaigen Monden, der Entstehungsgeschichte, der planetaren Aktivität, usw) von denen wir überhaupt keine Ahnung haben und auch so gut wie nicht können. Um herauszufinden, wie die Bedingungen auf einem anderen Planeten sind, müssen wir auf die nächste Generation der Teleskope warten.

Ich finde vor allem dieses Bild interessant:

Bild: NASA Ames/W. Stenzel; Princeton University/T. Morton
Bild: NASA Ames/W. Stenzel; Princeton University/T. Morton

Besser kann man den Fortschritt bei der Erforschung der Exoplaneten kaum illustrieren. Die ganzen spektakulären Entdeckungen neuer Planeten die zwischen 1995 und 2005 gemacht worden sind, sind in dem Diagramm kaum mehr zu sehen. Es wird ganz von den Beobachtungen der Weltraumteleskopen im letzten Jahrzehnt dominiert und dort von den Kepler-Daten. Planeten sind überall. Planeten sind extrem häufig. Das Universum ist voll davon und nachdem wir so lange (wirklich lange; im Prinzip Jahrtausende lang) danach gesucht haben, füllen sich unsere Kataloge nun schneller, als wir die Daten verstehen oder auswerten können. Und es gibt keinen Grund davon auszugehen, dass das in Zukunft anders (oder gar langsamer) werden sollte.

Wahrscheinlichkeit ist gut. Daten sind besser

Aber bei aller Euphorie: Wir müssen die Daten trotzdem immer noch genau ansehen. Denn Morton und seine Kollegen haben in der Liste der 2857 vermuteten Planeten nicht nur 1935 (und 1248 neue) tatsächliche Planeten identifiziert. Sondern auch gezeigt, dass immerhin 428 davon mit 90% Wahrscheinlichkeit keine Planeten sind. Das sind nicht wenige – und demonstriert einmal mehr, dass wir uns nicht auf ein einziges Instrument verlassen dürfen. Selbst wenn es so eindrucksvoll und großartig ist wie Kepler. Wir brauchen weiterhin Teleskope auf der Erde die in der Lage sind, unabhängige Verifikation oder Falsifikation zu liefern. Wir brauchen neue und bessere (Weltraum)Teleskop um all die schwachen Sterne zu beobachten, die wir jetzt nicht beobachten können. Eine Technik wie die Wahrscheinlichkeitsvalidierung ist ein tolles Instrument. Aber wenn wir die tausenden Planeten irgendwann auch verstehen wollen, brauchen wir echte Daten und keine Wahrscheinlichkeiten…

19 Gedanken zu „Die Falsch-Positiv-Wahrscheinlichkeiten der Kepler „Objects of Interest“ (aka Die Entdeckung von 1248 neuen Planeten)“
  1. @Florian: dass in Relation im Wesentlichen überall gleich viel dazu gekommen sind. Das ist ein gutes Zeichen, denn es heißt, dass wir mittlerweile wirkliche einen halbwegs vollständigen Blick auf die Lage haben. Je länger wir beobachten, desto mehr Planeten entdecken wir. Aber die Natur der Planeten bleibt gleich;

    Dass sich die Verteilung nicht wesentlich geändert hat ist je erst einmal nicht überraschend, da die Daten ja auch von Kepler stammen, genauso wie die Mehrzahl der schon verifizierten Planeten. Daraus zu schließen, dass unser Bild über extrasolare Planeten schon vollständig sei halte ich für etwas gewagt. Bist Du sicher, dass das kein Zirkelschluss ist? Du hast ja schon erwähnt, dass wir viele kleine Planeten noch nicht entdecken können. Es kommt in meinen Augen aber noch hinzu, dass die beschriebene Verifikation rein statistischer Natur ist. Als Grundlage für diese Statistik wurden soweit ich das verstanden habe die Daten über bekannte Planeten herangezogen. Insofern ist doch die Verteilung der neu verifizierten Planeten zwangsläufig die gleiche wie die Verteilung der bisher bekannten Planeten oder sehe ich da etwas falsch?

    1. @Till: „Daraus zu schließen, dass unser Bild über extrasolare Planeten schon vollständig sei halte ich für etwas gewagt.“

      Ich hab nicht „vollständig“ im Sinne von „Wir kennen alle!!“ gemeint. Das ist Blödsinn. Aber ich vergleich das mit der Situation Ende der 1990er bzw. vor 2005. Da hatte man keinen Schimmer, ob unser Sonnensystem speziell ist oder nicht. Man fand immer nur riesige Hot Jupiters und sonst nix. Heute wissen wir, dass die Hot Jupiters ne Ausnahme sind. Die Balken der Häufigkeit bei Hot Jupiters, Supererden, etc haben in den letzten Jahren ziemlich geschwankt. Aber jetzt nicht mehr so.

  2. Genau, ich erinnere mich noch an die Zeiten, als es noch fraglich war, ob die Existenz von Planeten in unserem Sonnensystem nur ein riesiger Zufall ist, der glücklichen Umständen (Sonne flog zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Abstand durch Supernova-Staubwolke o.ä.) zu verdanken war, oder ob Planeten etwas völlig normales sind. Wenn man abschätzen will, ob es außerirdisches Leben geben kann, ist das ja einer der entscheidenden Faktoren (in der Drake-Gleichung).

    Was mir noch etwas unklar ist: Wie „normal“ ist die Verteilung der von Kepler beobachteten Sterne in der Milchstraße? Vielleicht sind in unserer von Kepler beobachtbaren Umgebung der Milchstraße aus irgendwelchen Gründen mehr oder weniger Planeten als im Rest der Milchstraße? Und wie typisch ist unsere Milchstraße in dieser Hinsicht? Kann man dazu schon etwas sagen?

    Die Methodik, bei der Annahmen über die zu untersuchenden Objekte in das Untersuchungsergebnis einfließen (ohne diese Annahmen hätte man ja keine Wahrscheinlichkeiten) ist grundsätzlich auch nicht ganz unkritisch. Diese Annahmen müssen unabhängig sein und ausreichend durch andere Arten von Beobachtungen gesichert sein. Das ist hier sicher der Fall, aber ich kann mir vorstellen, dass man sich Zirkelschlüsse einhandeln kann, wenn man mit solchen Wahrscheinlichkeitsvalidierungen unsauber arbeitet.

  3. „Wahrscheinlichkeit ist gut. Daten sind besser.“

    Tatsächlich sind die 1248 Planetenkandidaten noch nicht als „tatsächliche Planeten identifiziert„, sondern jeder Kandidat für sich ist mit „über 99% Wahrscheinlichkeit“ tatsächlich ein Planet. Grob gerechnet („über 99%“ konstant als „99,5%“ angenommen): Mit (1 – 0,995^1248) = 99,8% Wahrscheinlichkeit, also fast sicher, ist mindestens einer von denen kein Planet, und überschlägig sind damit mit deutlich über 90% Wahrscheinlichkeit mindestens zehn keiner. Für eine Pressemeldung „Über 1200 neue Exoplaneten nachgewiesen“ reicht das allemal, aber „entdeckt“ bzw. „als Planet identifiziert“ würde ich für jeden einzelnen Kandidaten (für den die individuellen Daten nicht „100% mit 5σ“ hergeben) erst bei erfolgreicher Nachbeobachtung gelten lassen.

  4. @Florian Ich hab nicht “vollständig” im Sinne von “Wir kennen alle!!” gemeint.

    So habe ich das auch nicht gemeint. Ich meinte die Größenverteilung der Planeten. Konkret meine ich, dass die neuen Daten im Bezug auf die Größenverteilung der Planeten keinen Erkenntnisgewinn bringen, da die neuen Daten statistisch auf den bekannten Daten beruhen und somit nicht unabhängig sind.

  5. @Christoph

    Was mir noch etwas unklar ist: Wie “normal” ist die Verteilung der von Kepler beobachteten Sterne in der Milchstraße? Vielleicht sind in unserer von Kepler beobachtbaren Umgebung der Milchstraße aus irgendwelchen Gründen mehr oder weniger Planeten als im Rest der Milchstraße? Und wie typisch ist unsere Milchstraße in dieser Hinsicht? Kann man dazu schon etwas sagen?

    Ich denke nicht. Kepler misst Sterne bis 12. Größe, und die sind mit höchstens ein paar tausend Lichtjahren Entfernung in relativer Nähe zu uns. Über Planeten z.B. im Zentrum der Milchstraße kann uns Kepler (und auch sonst kein Gerät bisher) etwas verraten. Es gab zumindest einen beobachteten Stern mit Planeten, der aufgrund seiner Bewegung einer Zwerggalaxie zugeordnet wird, die früher von der Milchstraße verschluckt wurde, und diese Planeten sind Gesteinsplaneten und 11,5 Milliarden Jahre alt (man hatte angenommen, so früh in der Geschichte des Universums hätte es noch nicht genug schwere Elemente für die Entstehung solcher Planeten gegeben – hier war dies aber offenbar der Fall).

    Aber wie typisch dieser Fall ist, dafür gibt’s keine ausreichend große Stichprobe. Ich habe noch einen zweiten ähnlichen Fall gefunden, aber das sind dann eben nur 2 Datenpunkte (vielleicht gibt’s eine handvoll, mehr sicher nicht). Planeten in der Andromedagalaxie oder auch nur in den Magellanschen Wolken können wir derzeit noch nicht nachweisen, die sind einfach zu weit weg und damit zu lichtsschwach.

  6. Und hier habe ich mal eine neugierige Frage.
    Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte die uns sagen wie viele der anderen Systeme so geneigt sind, dass wir die Planetentransits sehen können?
    Haben die Systeme eine Standardneigung wegen der Umlaufbahn um den Milchstraßenkern und den zugehörigen Kräften, oder sind die zufällig angeordnet?

    1. @Andreas: „Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte die uns sagen wie viele der anderen Systeme so geneigt sind, dass wir die Planetentransits sehen können?“

      Da es keinen Grund gibt davon auszugehen, dass es eine bevorzugte Orientierung von Systemen gibt, geht man davon aus, dass sie alle zufällig orientiert sind. Und das kann man auch entsprechend abschätzen, wenn man Häufigkeiten haben will.

  7. @Anderas

    Man geht von zufälligen Orientierungen der Inklinationswinkel aus. Ist bei Doppelsternen genau so.

    Was die Wahrscheinlichkeit betrifft, dass ein Planet von der Erde aufs gesehen einen Transit vollführt, dies hängt im wesentlichen vom Durchmesser des Sterns und vom Abstand des Planeten zu seinem Stern ab.

    Beispielsweise beträgt der Durchmesser der Sonne knapp 1,4 Millionen km, der Abstand der Erde zur Sonne rund 150 Millionen km. Aus großer Entfernung gesehen führt die Erde genau dann einen Transit vor der Sonne aus, wenn sie innerhalb von 0,7 Millionen km oberhalb oder unterhalb der Sichtlinie der Sonne zum Beobachter durchliefe. 1,4 Millionen km machen den 336. Teil (150 Millionen * Pi / 1,4 Millionen) des Halbkreisbogens aus, den die Erde ziehen würde, wenn sie exakt vor der Sonne stünde und man die Erdbahn dann in Gedanken um eine Achse in der Himmelsebene zwischen -90° bis +90° neigen würde, wobei die Erde dann auf einem 1,4 Millionen km langen Teilstück des Halbkreisbogens vor der Sonne zu finden wäre. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Bahnneigung der Erdbahn so liegt, dass Erde von einem fernen Stern aus gesehen einmal im Jahr vor der Sonne durchläuft, beträgt also ca. 1/336.

    Bei Merkur beträgt der Sonnenabstand rund 58 Millionen km, hier wäre die Wahrscheinlichkeit 1,4 Millionen / (58 Millionen * Pi) = 1/130. Bei einem kleinen roten Zwerg von 1/10 Sonnendurchmesser wäre die Wahrscheinlichkeit jeweils nur ein Zehntel dieser Zahlen.

  8. @Andreas, Alderamin
    Die Frage hatte ich auch schon mal vor geraumer Zeit genau so gestellt…sollte doch aber heißen, dass für jeden entdeckten „Transit“-Planeten noch 100 (e) „Nichttransit“-Planeten geben sollte/könnte.

  9. @SkeptikSkeptiker

    Ja, genau. Deswegen ist es so wichtig, eine große Zahl solcher Planeten zu finden, denn dann kann man statistische Aussagen zu ihrer Häufigkeit machen. Man kann gewissermaßen für jeden gefundenen Planeten eine Dunkelziffer an nicht entdeckten, ähnlichen Planeten in ähnlichem Abstand von ihrem Stern bestimmen, wenn man eine genügend große Basis solcher Planeten tatsächlich beobachtet hat – man muss nur wissen, wie wahrscheinlich die nötigen beobachtungs-geometrischen Verhältnisse für so einen Planeten sind. Aus einem Einzelfall kann man hingegen sehr schlecht auf eine unbekannte Menge schließen.

    Eben deswegen hat Kepler anfangs ein sehr dichtes Sternenfeld beobachtet, wo sich genügend viele Sterne mit der richtigen Inklination ihrer Planetenbahnen finden mussten. Außerdem beobachtete Kepler nur gute drei Jahre lang, und damit Transits als periodisch erkannt werden konnten, forderte man mindestens 3 Durchgänge jedes Planeten vor seinem Stern. Damit wurden also Planeten mit mehr als 1 bis 1,5 Jahren Umlaufzeit ausgeklammert. In einem Spiegelsystem unseres Sonnensystems hätte man also nur Merkur, Venus und Erde finden können, ein gutes Drittel der vorhandenen Planeten.

    1. Ist es eigentlich klar, dass die Ebenen der Planetensysteme im Raum vollkommen zufällig ist? Könnten sie nicht durch die Art der Enstehung des Sonnensystems oder so etwas wie Gezeiteneffekte oder irgendeinen anderen noch unbekannten Effekt doch irgendwie zumindest schwach mit der galaktischen Ebene korrelieren, so dass bestimmte Winkel häufiger auftreten?

  10. @Christoph

    Wenn man davon ausgeht, dass die Senkrechten der Planetenebenen mit der Rotationsachsen der Sterne zusammen fallen, dann deutet z.B. diese Untersuchung darauf hin, dass die Sternachsen in einem Sternhaufen (wo neue Sterne entstehen bzw. entstanden sind) keine Korrelation der Ausrichtungen zeigen.

  11. Hurra! Bei der NASA gibts viele neue künstlerische Darstellungen von Planeten; angeordnet in einem himmelsmechanisch komplett instabilen und überfüllten System!

    Aua, jetzt habe ich einen Lachkrampf!
    ymmd

  12. @nnF

    Dinge die erscheinen wie Planeten aber keine sind (bis auf den Planeten oben links natürlich)

    …da hatte heute einer einen KasPar gefrühstückt 🙂
    (und nach aktueller reformierter Rächtschreibung sogar zurächt!)

  13. @Anderas, genau die frage hab ich mir auch gestellt. @Alderamin, danke für die Erklärung.

    Bei der NASA gibts viele neue künstlerische Darstellungen von Planeten

    Man vergleiche mal das Bild oben mit dem nebenstehenden Buchcover … ;))

  14. Sehr interessant! Das heißt nicht nur von der Beobachtungsgenauigkeit sondern auch von der Beobachtungsdauer hat man systematisch zu wenige Planeten gefunden und es gibt noch weitaus mehr Planeten in den außenbereichen. Außerdem hat man durch die inklination eine mehr als 1 zu 100 dunkelziffer. Das Weltall ist voll! Danke!

  15. […] Nicht alles was das Kepler-Teleskop fotografiert hat und was wie ein Planet aussah, war auch einer. Forscher haben sich der über 7000 entdeckten Planeten angenommen und konnten einige ausschließen. Andere jedoch konnten verifiziert werden, und so ist die Zahl der Exoplaneten die uns bekannt sind auf über 3000 angestiegen, berichtet Astrodicticum Simplex. […]

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