Ein Blick in den Nachthimmel könnte uns glauben machen, im Universum gäbe es nur Sterne. Aber schon im Teleskop erkennt man, dass zum Inventar des Kosmos noch jede Menge andere Objekte gehören. Da sind große kosmische Wolken. Oder (vergleichsweise) kleine Asteroiden und Kometen. Seit ein paar Jahren wissen wir auch, dass Planeten mindestens so zahlreich sind wie die Sterne selbst. Und dann sind da noch die Braunen Zwerge. Himmelskörper, von denen es vermutlich deutlich mehr gibt, als wir bisher dachten.

Künstlerische Darstellung verschiedener Brauner Zwerge (Bild: AIP/J. Fohlmeister)
Künstlerische Darstellung verschiedener Brauner Zwerge (Bild: AIP/J. Fohlmeister)

Braune Zwerge (über die ich hier mehr erzählt habe) sind ein Mittelding zwischen Planeten und Sternen. Das, was Sterne und Planeten voneinander unterscheidet ist die Fähigkeit zur atomaren Fusion. Ein Stern hat genug Masse um in seinem Inneren die nötigen Temperaturen für eine lang andauernde Fusion von Wasserstoff zu Helium zu erzeugen. Ein Planet kann das nicht. Ein Brauner Zwerg dagegen ist massereich genug, um ein bisschen fusionieren zu können. Er schafft das nicht lange und er kann auch keinen Wasserstoff fusionieren sondern nur das Wasserstoff-Isotop Deuterium. Aber immerhin erzeugt er ein wenig Energie, die ihn schwach leuchten lässt.

Die für diese schwache Fusion nötige Masse ist erreicht, wenn ein Himmelskörper ungefähr 13 mal schwerer als Jupiter ist. Erreicht ein Objekt die 75fache Jupitermasse, beginnt die „echte“ Kernfusion. Alles was leichter als 13 Jupitermassen ist, wird daher als „Planet“ kategorisiert; alles was schwerer als 75 Jupitermassen ist als „Stern“. Dazwischen findet man die Braunen Zwerge. Wenn man sie denn findet.

Denn auch wenn sie selbst Energie erzeugen können, tun sie das nur sehr sparsam und sind daher bei weitem nicht so hell wie Sterne. Sie leuchten hauptsächlich im Infrarotlicht und sind schwer zu finden. Aber finden wollen wir sie, denn wir können von ihnen viel über die Entstehung von Planeten und Sternen lernen. Sterne sind gut verstanden und auch bei den Planeten haben wir mittlerweile genug gefunden um gute statistische Aussagen machen zu können. Die „Zwischenstufe“ der Braunen Zwerge begreifen wir aber noch nicht so gut und damit fehlt uns ein wesentliches Puzzleteil für das Verständnis der Entstehung von Stern/Planetensysteme. Warum werden manche Sterne von Braunen Zwergen umkreist und andere von Planeten? Was ist mit den Braunen Zwergen die von Planeten umkreist werden? Warum kollabieren manche kosmischen Gaswolken zu Sternen und andere zu Braunen Zwerge? Und so weiter. Allgemeingültige Antworten auf diese Fragen haben wir leider noch nicht.

Um sie zu bekommen, müssen wir zuerst eine viel grundlegendere Frage beantworten: Wie viele Braune Zwerge gibt es eigentlich? Dazu haben Forscher vom Astrophysikalischen Institut in Potsdam jetzt äußerst interessante Erkenntnisse gewonnen. Gabriel Bihain und Ralf-Dieter Scholz haben eigentlich etwas recht Simples getan. In ihrer Arbeit („A non-uniform distribution of the nearest brown dwarfs“) haben sie die Sterne und Braunen Zwerge angesehen, die sich in einem Umkreis von 6,5 Parsec (=21 Lichtjahre) des Sonnensystems befinden. Wir kennen 136 Sterne udn 26 Braune Zwerge und wenn man deren Positionen am Himmel aufzeichnet, sieht das so aus:

Bild: Bihain & Scholz, 2016
Bild: Bihain & Scholz, 2016

Links sind die Sterne und rechts die braunen Zwerge. Die Farben und Symbole bezeichnen verschiedene Unterarten der jeweiligen Himmelskörper, aber man erkennt trotzdem ziemlich gut, dass die Sterne gleichmäßig über den Himmel verteilt sind. Die Braunen Zwerge allerdings nicht!

Vor allem in der nördlichen Hemissphäre des Himmels fehlen Braune Zwerge und dafür muss es einen Grund geben. Es könnte zum Beispiel einfach an der kleineren Zahl der in unserer Nachbarschaft vorhandenen Braunen Zwerge liegen. Aber auch wenn man sich ähnlich kleine Gruppen naher Sterne ansieht, ist die Verteilung dort gleichmäßig. Und die Chance, dass es sich nur um so einen Zufall handelt ist – wie die beiden Forscher berechnet haben – ziemlich gering. Wenn es aber daran nicht liegt, dann muss es mehr Braune Zwerge geben, als wir bisher kennen. Unser Wissen über die Umgebung des Sonnensystems ist bei weitem noch nicht komplett und entsprechende Entdeckungen gibt es immer wieder. Bihain und Scholz zeigen in ihrer Arbeit auch, dass die in den letzten Jahren durchgeführten Suchprogramme durchaus einige Braune Zwerge übersehen haben könnten.

Damit die Lücke am Himmel gefüllt wird, müsste auf vier Sterne mindestens ein brauner Zwerg kommen. Das bedeutet nicht nur jede Menge potentielle Entdeckungen für die Zukunft. Sondern ändert auch unseren Blick auf die Sternentstehung: Gibt es wirklich so viel mehr Braune Zwerge, dann muss die Sternentstehung auch viel öfter „fehlschlagen“ als wir bisher angenommen haben (sofern man die Bildung eines Braunen Zwergs als „Fehlschlag“ bezeichnen möchte).

“ Es lohnt sich also definitiv, die vorhandenen und zukünftigen Daten noch einmal neu zu durchforsten“

sagt Rolf-Dieter Scholz. Die Zukunft könnte also jede Menge neue Entdeckungen bereit halten. Und wenn nicht? Dann ist das mindestens ebenso interessant! Denn das würde bedeuten, dass es irgendwelche konkreten dynamischen Gründe gibt, die eine Gleichverteilung von Braunen Zwergen an unserem Himmel verhindern. Das würde uns Hinweise auf die Unterschiede liefern, die zwischen der Umgebung des Sonnensystems und den Sternentstehungsregionen in der Milchstraße herrschen. Beziehungsweise in der Vergangenheit geherrscht haben.

So oder so – Egal ob die fehlenden Braunen Zwerg gefunden werden oder eigentlich gar nicht fehlen: Allein die Tatsache, dass sie zu fehlen scheinen hat uns schon gezeigt, dass wir das Inventar unseres Universums noch lange nicht komplett verstanden haben!

12 Gedanken zu „Wo sind die fehlenden Braunen Zwerge?“
  1. Wow, spannend. Da wird dann ja vielleicht bald etwas passieren. Welche derzeitige oder zukünftige Mission könnte da denn entsprechende Daten liefern? Gaia? Ist da ein IR-Teleskop etc. im Entstehen?

    1. @Francisco: „Was passiert wenn 2 braune Zwerge mit jeweils 50 Jupitermassen zusammenstoßen? Bildet sich dann ein Stern?“

      Das käme auf die Umstände der Kollision an. Kann aber schon sein. Theoretisch zumindest, den in der Realität sind Kollisionen zwischen Sternen/braunen Zwergen SO ENORM selten, dass sie nicht vorkommen.

  2. @Francisco
    Radio Eriwan sagt: Im Prinzip ja, aber es passiert praktisch nie.

    Möglicherweise gibt es eine Parallele zu den sogenannten „Blauen Nachzüglern“, die unter anderem durch Sternzusammenstöße in Kugelsternhaufen entstehen können. Aber anders als diese hat ein so entstandener Roter Zwerg nur einen so geringen Teil seiner Masse verfusioniert, dass er wohl nicht von einem normal entstandenen unterschieden werden könnte.

  3. Bei GAIA steht es sogar in der Wiki:

    Darüber hinaus erhoffen sich die Astronomen von den Gaia-Messungen die Entdeckung einer Vielzahl bislang unbekannter Himmelsobjekte, Abschätzungen zufolge in den folgenden Größenordnungen:

    – 50.000 sogenannte Braune Zwerge

  4. @Crazee

    Das Problem von GAIA ist allerdings der kleine Hauptspiegel und die Beschränkung auf Wellenlängen kürzer als 1000 nm. Die Grenzgröße ist etwa 20 mag, und die braunen Zwerge leuchten hauptsächlich mit längerer Wellenlänge und haben da absolute Helligkeiten von 15-25 mag. Die absolute Helligkeit gilt für eine Entfernung von 10 parsec = 32,6 Lichtjahren. In dieser Entfernung (was nicht wirklich weit ist) werden die schwächeren Braunen Zwerge also schon nicht mehr von GAIA aufgenommen.

    JWST hat da deutlich mehr Reichweite, führt aber keine komplette Himmelsdurchmusterung durch, sondern nur Punktbeobachtungen. Das wäre eher etwas für WFIRST (welches auf den beiden Spionagesatelliten beruhen wird, die das National Reconaissance Office 2012 der NASA verschenkt hatte).

  5. Ein Teil der Objekte (die blau markierten) ist in beiden Teilen der Abbildung vertreten. Sind das vielleicht Sterne im Grenzbereich zwischen Zwerg und Ordentlich, oder hat das andere Gründe?

  6. Ein Teil der Objekte (die blau markierten) ist in beiden Teilen der Abbildung vertreten.

    Die Bildunterschrift im Paper sagt dazu “ Symbols with blue and pink surroundings are star-brown dwarf and star-planet systems, respectively“ – das sind also schlicht die Systeme, in denen es beides gibt.

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