Die Entfernungsbestimmung ist eine fundamentale Aufgabe der Astronomie. Wenn man die Entfernung zu den Himmelskörpern die man untersuchen möchte nicht kennt, dann hat man wenig Chancen auf irgendeine genaue Analyse. Alle anderen Eigenschaften die man untersuchen möchte, hängen auf die eine oder andere Art von der Entfernung ab. Wie viel Energie wird im Stern/der Galaxie erzeugt? Wissen wir erst, wenn wir die Entfernung können, denn ein Stern der hell erscheint kann auch recht schwach leuchten, aber der Erde ganz nah sein. Temperatur, Größe, chemische Zusammensetzung, und so weiter: Wir müssen die Entfernung kennen, wenn wir das Objekt kennen wollen. Darum haben sich die Astronomen im Laufe der Zeit verschiedene Methoden ausgedacht, um diese fundamentale Größe zu bestimmen (hier gibt es eine ausführliche Übersicht). Und sie finden weiterhin immer neue originelle Methoden. Zum Beispiel die Beobachtung von Staub.
Sebastian Hönig von der Universität Kopenhagen und seine Kollegen wollten die Entfernung zum Zentrum der Galaxie NGC 4151 bestimmen („A dust-parallax distance of 19 megaparsecs to the supermassive black hole in NGC 4151“). Diese Balkenspiralgalaxie, die auch den Spitznamen „Eye of Sauron“ trägt hat einen aktiven Kern. Das heißt, dass das supermassereiche schwarze Loch in seinem Zentrum von jeder Menge Gas und Staub umgeben ist. Durch die Gravitationskraft des Lochs wird dieses Material beschleunigt, aufgeheizt und es gibt durch die schnelle Bewegung starke Strahlung ab. Das macht NGC 4151 zu einem wichtigen Beobachtungsziel der Astronomie. Ihr Zentrum ist hell; man kann im von dort abgestrahlten Licht viele Details erkennen (sogenannte Emissionslinien) die eine genaue Analyse erlauben – sofern man den Abstand zur Erde einigermaßen genau kennt. Das war aber bis jetzt nicht der Fall.
Man wusste aus anderen Methoden der Entfernungsbestimmung, das der Abstand irgendwo zwischen 13 und 95 Millionen Lichtjahren liegen muss. Aber um das genau festzulegen, braucht man eben eine exakte, am besten geometrische Methode und keine der vielen Abschätzungen, die ansonsten verwendet werden. Diese Abschätzungen (zum Beispiel über die Analyse der oben erwähnten Emissionslinien) funktionieren nur dann, wenn man sie anhand konkreter Entfernungsbestimmungen kalibrieren kann und die fehlten in diesem Fall noch. Die beste geometrische Methode zur Bestimmung des Abstands ist die Parallaxe. Dabei misst man die scheinbare Verschiebung eines Objekts, die entsteht, wenn sich die Erde um die Sonne bewegt und wir das Objekt zu verschiedenen Zeitpunkten unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Misst man diese scheinbare Verschiebung – die Parallaxe – und kennt man den Positionsunterschied der Erde zwischen den einzelnen Beobachtungen, kann man den Abstand mit simpler Geometrie sehr exakt berechnen. Die Methode funktioniert wunderbar wenn es um vergleichsweise nahe Sterne geht. Aber je weiter weg ein Objekt ist, desto kleiner ist die Parallaxe und bei fernen Galaxien ist sie so klein, dass unsere Instrumente sie nicht mehr messen können.
Aber Hönig und seine Kollegen haben einen anderen Weg gefunden, der in seiner Simplizität geradezu genial ist. Das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum von NGC 451 ist von einer Scheibe aus Staub und Gas umgeben. Innen befindet sich Gas; weiter außen, wo es kühler ist, befindet sich ein Ring aus Staub. Die ganze Strahlung, die von dem schnell rotierenden Material abgegeben wird, heizt den Staub auf und die Teilchen geben diese Energie in Form von Infrarotstrahlung (also Wärme) wieder ab. Außerdem ist die Strahlung, die aus der Umgebung des schwarzen Lochs kommt, nicht konstant. Das Loch ist mal aktiver, mal weniger aktiv – je nachdem wie viel Material gerade in seiner Nähe ist und wie viel davon gerade ins Loch fällt. Jedesmal wenn das schwarze Loch große Menge an Material verschluckt, gibt es eine Strahlungsspitze, die man zum Beispiel im ultravioletten Licht gut sehen kann. Das haben die Astronomen um Hönig beobachtet, aber das ist noch nicht alles: Die erzeugte Strahlung bewegt sich dann vom schwarzen Loch nach außen, zum Staubring und heizt ihn auf. Der erzeugt dann kurzfristig mehr Infrarotstrahlung als üblich und auch das haben Hönig und seine Kollegen beobachtet. Jede Aktivitätsphase des schwarzen Lochs wird also von einem Anstieg der Infrarotstrahlung gefolgt. Und die Dauer zwischen zwischen UV-Spitze und Infrarot-Spitze hängt direkt vom Abstand zwischen dem schwarzen Loch und dem Staubring ab!
Die gemessene Verzögerung bis zum Anstieg der Infrarotstrahlung der auf einen Anstieg der UV-Strahlung folgte, lag bei einigen Dutzend Tagen. Mit ein bisschen Geometrie lässt sich daraus ein Durchmesser des Staubrings berechnen, der bei etwa 30 Lichttagen liegt. Das ist also die wahre Größe der zentralen Region von NGC 4151. Um die Entfernung zu bestimmen, haben Hönig und seine Kollegen nun noch die Galaxie mit den beiden 10-Meter-Spiegeln des Keck-Teleskops auf Hawaii beobachtet. Die beiden Bilder der beiden Teleskope können dann auf bestimmte Art und Weise kombiniert werden und mit dieser Technik der Interferometrie (siehe hier für ein Beispiel) lassen sich Details sichtbar machen, die man sonst nicht sehen würde. So waren die Astronomen in der Lage, auch die scheinbare Größe der zentralen Region von NGC 4151 zu bestimmen. Und wenn man weiß, wie groß etwas wirklich ist und wie groß es erscheint, dann folgt daraus die Entfernung, in der sich das Objekt befinden muss! Im Fall der untersuchten Galaxie sind das 62 Millionen Lichtjahre und der Fehler dieser Messung beträgt jetzt nur noch 8 Millionen Lichtjahre.
Mit diesem neuen Wert kann man die Masse des schwarzen Lochs viel genauer berechnen und hat festgestellt, dass es circa 1,4 Mal massereicher ist, als vorher gedacht. Die Forscher hoffen auch, die Methode bei anderen aktiven Galaxien einsetzen zu können. Je mehr exakte Daten man sammelt, desto besser kann man dann auch die verschiedenen Abschätzungen anwenden und am Ende haben wir mehr Möglichkeiten zur Verfügung, das ferne Universum zu vermessen! Und damit auch eine Chance, seine Entstehung, Entwicklung und seine Zukunft besser zu verstehen! Und das alles dank ein bisschen Staub…
@Florian
Genau diese Methode wurde schon im April als neue Standardkerze für aktive Galaxien beschrieben. Danke Deines Artikels habe ich das Prinzip jetzt auch wirklich verstanden.
@Alderamin
Wenn ich das in dem geposteten Link richtig verstanden habe, ist die beiden Methoden zwar verwand, aber doch etwas unterschiedlich.
In dem Link wird der Abstand zwischen schwarzem Loch und Staubring benutzt um daraus die vom schwarzen loch erzeugte hitze und somit die tatsächliche Helligkeit abzuleiten. Vergleicht man das mit der scheinbaren Helligkeit kann man die Entfernung ausrechnen. Das ist zwar im Prinzip ähnlich wie der vergleich der tatsächlichen und scheinbaren Größe, aber die Formeln und damit Fehlergrenzen sind meines Wissens nach sehr verschieden.
@Psycho0815
In der Tat, nach nochmaligem Lesen des S&T-Artikels gebe ich Dir recht.
Ich bin immer wieder verblüfft, welche Methoden die Astronomen entwickeln, um Entfernungen zu messen, und ich habe nicht wirklich alle Methoden verstanden (Sternstromparallaxen fallen mir da spontan ein).
Die Methode ist wirklich genial.
Aber bist Du Dir sicher, dass man die Entfernung wissen muss, um etwas über die chemische Zusammensetzung zu erfahren? Ich habe das anders gelernt. In diesem Zusammenhang wird ja auch das Wissen über die Zusammenhänge bei Absorbtions- und sonstigen Linien genutzt, um die Rotverschiebung zu messen.
Oder liege ich jetzt irgendwie föllig valsch?
@Yeti: „Oder liege ich jetzt irgendwie föllig valsch?“
Auf jeden Fall mit dem „v“… Aber die Entfernung brauchst du, um zB Masse und Temperatur des Sterns richtig zu bestimmen. Und die brauchst du, um die Spektrallinien richtig zu interpretieren.