In der Serie „Fragen zur Astronomie“ geht es heute um ein Thema, das viele Menschen zu beschäftigen scheint. Es ist jedenfalls eine Frage, die mir erstaunlich oft gestellt wird. Sie lautet „Kann ein Mond einen Mond haben?“. Eine interessante Frage: Die Erde beispielsweise wird vom Mond umkreist und fast alle anderen Planeten des Sonnensystems haben ebenfalls einen oder mehrere Monde. Dazu kommen jede Menge Asteroiden, die von kleineren Asteroiden umkreist werden. Wenn das einmal geht, warum dann nicht auch nochmal? Warum sollte nicht auch ein Mond selbst wiederum von einem kleineren Mond umkreist werden können? Ist so etwas möglich?
Ja, ist es. Zumindest prinzipiell. Das sieht man an einem ganz anderen Fall: Unsere Sonne wird ja auch von einem „Mond“ umkreist, aber normalerweise nennen wir das nicht „Sternenmond“, sondern „Planet“. Aber wenn wir mal so frei sind, und zum Beispiel die Erde als „Mond der Sonne“ ansehen, dann hat dieser Sonnenmond einen eigenen Mond – nämlich unseren (echten) Mond (Hmmpf – irgendwie klingt das alles sehr verwirrend – aber unser Mond heißt nunmal eben auch „Mond“). Es ist also kein Problem, dass der Mond die Erde und die Erde gemeinsam mit dem Mond die Sonne umkreisen kann. Und es spricht nichts dagegen, dass beispielsweise ein Mond des Mondes gemeinsam mit ihm um die Erde kreist. Es kommt nur auf die Gravitationskraft an.
Aus Sicht unseres Mondes dominiert die Anziehungskraft der kleinen, aber nahen Erde über die der großen, aber fernen Sonne. Deswegen umkreist er auch unseren Planeten und nicht als unabhängiger Himmelskörper die Sonne. Würde der Mond weiter von der Erde weg rücken, würde ihr Einfluss immer schwächer, bis irgendwann der der Sonne überwiegt. Dann würde der Mond aufhören, um die Erde zu kreisen und tatsächlich alleine seinen Weg um die Sonne suchen. Der Fachbegriff für den Einflussbereich eines Himmelskörpers lautet Hill-Sphäre. Befindet sich ein Himmelskörper innerhalb der Hill-Sphäre eines anderen, dann wird er diesen Körper umkreisen.
Der Radius der Hill-Sphäre unserer Erde beträgt zum Beispiel knapp 1,5 Millionen Kilometer. Alles was sich darin befindet, umkreist unseren Planeten. Und da der Mond nur einen Abstand von etwa 400.000 Kilometern zu unserer Erde hat, liegt er eben noch deutlich innerhalb ihrer Hill-Sphäre (und wird das auch in Zukunft noch lange bleiben). Der Radius der Hill-Sphäre eines Planeten hängt von seinem Abstand zur Sonne ab: Je weiter weg der Planet ist, desto schwächer ist der Einfluss der Sonne und desto größer die Hill-Sphäre. Er hängt aber auch von den Massen der beteiligten Körper ab: Der riesige Jupiter zum Beispiel hat eine viel größere Hill-Sphäre als der kleine Mars und deswegen kann Jupiter auch so viele Monde (über 60) beherbergen. Und genaugenommen hängt die Hill-Sphäre noch von diversen weiteren Faktoren die eine genaue Berechnung ziemlich kompliziert machen – wer möchte kann diesen Online-Rechner benutzen und wenig mit den Zahlen herumspielen.
Natürlich kann auch ein Mond eine Hill-Sphäre haben; jeder Himmelskörper kann eine Hill-Sphäre haben. Bei unserem Mond ist sie ungefähr 60.000 Kilometer groß und alles was sich innerhalb dieses Abstand befindet, würde dann als Mond unseren Mond umkreisen! So ein Himmelskörper existiert aber nicht und selbst wenn er existieren würde, würde er nicht lange überleben. Denn da sind ja noch die Gezeitenkräfte, die in diesem Fall die Bahn eines Mond-Mondes im Laufe der Zeit instabil machen würde. Nach ein paar hunderttausend oder Millionen Jahre würde der Mond-Mond mit dem Mond kollidieren und würde zerstört. Aber die diversen Raumfahrzeuge und Satelliten die wir zum Mond geschickt haben, haben ihn durchaus umkreist! Sie haben zwar auch nicht lange durchgehalten, aber zumindest künstliche Mond-Monde haben definitiv existiert.
Anderswo im Sonnensystem stünden die Chancen auf Mond-Monde besser. Neptun zum Beispiel ist sehr weit von der Sonne weg und selbst sehr massereich. Ideale Voraussetzungen also, um seine Umgebung gravitativ zu dominieren. Neptuns Monde können dank seiner großen Hill-Sphäre auch noch in großer Entfernung von im existieren und ein großer, ferner Mond des Neptun hätte wiederum genug Platz um selbst einen Mond eine stabile, von Gezeitenkräften ungestörte Umlaufbahn innerhalb seiner eigenen Hill-Sphäre zu bieten. Bis jetzt ist allerdings auch bei Neptun so ein Mond nicht entdeckt worden und auch nicht anderswo im Sonnensystem.
Vermutlich hat das mit der Entstehung von Monden zu tun (siehe dazu auch Folge 15 und Folge 16 der Sternengeschichten). Die meisten Monde der großen Planeten im Sonnensystem sind eingefangene Asteroiden und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich so ein eingefangener Asteroid selbst wieder einen eigenen Asteroid einfängt, der zu einem Mond wird (sowas schafft ein großer Planet wesentlich leichter als ein kleiner Mond). Unser eigener Mond ist durch ein seltenes und singuläres Kollisionsereignis entstanden und es ist ebenfalls zweifelhaft, dass sich so etwas wiederholt, um einen Mond des Mondes zu schaffen.
Es spricht also nichts prinzipiell gegen die Existenz von Monden, die selbst Monde haben. Theoretisch könnte es auch Mond-Mond-Monde geben – usw. Es kommt nur auf die Größe der Hill-Sphäre an und ob eine stabile Konfiguration möglich ist (eine beliebte Frage ist auch, ob Astronauten ihr Raumschiff umkreisen können: das geht nicht; hier ist der Hill-Radius zu klein). Aber auch wenn stabile Mond-Mond-Konfigurationen möglich sind, scheinen sie auf natürlichem Weg nicht zu entstehen. Zumindest nicht in unserem Sonnensystem. Irgendwie schade.
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
Kannst Du sagen, was der Ansatz ist, mit dem man die Formel für die Hill-Sphaere (mit dritten Potenzen der Bahnradien und der 3 im Nenner) herleiten kann? Es ist ja wohl nicht, dass der Mond (und nicht der Planet) das nächste lokale Potentialminimum ist (das gäbe nur zweite Potenzen der Radien). Wie sehr spielt da die Annahme rein, dass das Gravitationsfeld des Planeten annähernd homogen auf der Skala der Mond-Mond-Bahn ist, damit die Gezeitenkräfte nicht zu gross sind?
Naja, die Gravitationskraft, die zwischen Mond und Sonne wirkt, ist allerdings größer als jene zwischen Mond und Erde. Die Bahn des Mondes führt ja um Sonne UND Erde, das widerspricht sich nicht. Das mit der Hill-Sphäre klingt ein bisschen so, als wäre es eine scharfe Grenze zwischen dem Bereich, in dem ein Objekt um diesen oder den anderen Himmelskörper kreist – so einfach ist es natürlich nicht.
@Florian: Na dass der Hill-Radius nur eine Näherung ist, hab ich im Text ja auch erwähnt… Aber diese Serie ist halt nicht für detaillierte Ableitungen von Formeln gedacht. Und ganz unnötig ist der Hill-Radius auch nicht, in der himmelsmechanik spielt der ne wichtige und nützliche Rolle.
Es scheint also eine Frage der Wahrscheinlichkeiten zu sein. Dass es auf Monden Einschläge von Asteroiden gab, bezeugen die vielen Krater. Man kann annehmen, dass bei den größten davon beim Impaktereignis auch größere Stücke so weit hoch geschleudert wurden, dass sie nicht gleich wieder herunterfielen, sondern im Orbit blieben. Aber eben auf Dauer nicht stabil. Die Wahrscheinlichkeit für solch eine Mond-Mond-Entstehung ist aber wohl genauso niedrig wie die für ein Einfangen. Oder sehe ich das falsch?
@Florian
So selten war so eine Kollision möglicherweise gar nicht, die Monde des Pluto scheinen ähnlich entstanden zu sein (sie kreisen alle in der gleichen Ebene, die dieselbe Achsneigung wie Pluto selbst hat, welche 122° beträgt). Auch die Venus, könnte ursprünglich einen oder mehrere Monde gehabt haben. Ihre Rotation ist ja auch ungewöhnlich. Es gibt die These, dass die Monde dann irgendwann durch Gezeitenkräfte auf den Planeten gestürzt sind.
Wäre es dann nicht vielleicht möglich, dass Monde Ringe haben, die z. B. durch Vulkanismus (egal in welcher Form) oder Asteroideneinschläge (zumindest temporär) entstehen?
Klar, (temporäre) Ringe bei Monden kann es geben. Gibt ja sogar eine Asteroid mit Ringen. Hab ich auch mal was drüber geschrieben.
@McPomm
Ich hab deinen Beitrag mal bei Plague verlinkt
Eine Frage, Florian. Du schreibst: “ Die meisten Monde der großen Planeten im Sonnensystem sind eingefangene Asteroiden und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich so ein eingefangener Asteroid selbst wieder einen eigenen Asteroid einfängt“
Nun scheinen Satelliten, die Asteroiden umkreisen, ja gar nicht so selten zu sein. Wäre es denkbar, dass ein Planet einen Asteroiden samt Mond einfängt, und es so zu einem „Mond-Mond“ kommt? Oder würde es die Himmelsmechanik nicht zulassen, und das Paar würde beim Einfangen getrennt werden?
@Herbert: “ Wäre es denkbar, dass ein Planet einen Asteroiden samt Mond einfängt, und es so zu einem “Mond-Mond” kommt? Oder würde es die Himmelsmechanik nicht zulassen, und das Paar würde beim Einfangen getrennt werden?“
Das ist eine gute Frage. Und eine, die ich so spontan gar nicht beantworten kann. Das müsste man mal konkret durchrechnen. Ein Asteroidenpaar kann für sich alleine im Asteroidengürtel durchaus stabil sein; aber instabil werden, wenn es auf einmal noch nen Planeten umkreisen soll (genau darum gehts ja bei der Hill-Sphäre). Aber wo da genau die stabilen Regionen sind, hängt vom Spezialfall ab.
Interessanter Artikel 🙂
Wenn ich daran denke, dass bei von Schwarzen Löchern eingefangenen Doppelsternsystemen der eine Begleiter wegen der Erhaltung des Drehmoments, oder wie das heißt, weggeschleudert wird. Aber das ist auch kein Einfangen, sondern ein Einverleiben.
@FF
In der Frühphase des Sonnensystems hatten doch fast alle Protoplaneten Kollisionen miteinander. Also ist doch die Wahrscheinlichkeit eher mittel bis hoch das ein Mond wieder so enstehten kann oder?
Nunja, ist nicht eine Raumsonde um einen Mond auch ein Mond eines Mondes? Das ist ja – bis auf die initiale Platzierung – grundsätzlich und kurzfristig stabil.
@Lutz: Ja, LRO zB war stabil – aber wie du schon sagtest, eben nur kurzfristig.
Hallo Florian,
kann es sein, daß die Grenze der Hill-Sphäre mit den Lagrange-Punkten L1 und L2 übereinstimmt oder ist das ein Zufall?
@Florian:
Im Fall der Erde und ihres Mondes führen die Gezeitenkräfte doch dazu, dass sich der Mond immer weiter von der Erde entfernt, wie Du hier geschrieben hast. Warum wäre das bei einem Mond-Mond anders? Hat das evt. mit der zusätzlich wirkenden Gravitation der Erde zu tun?
@Quercus: Das Problem ist hier vor allem die gebundene Rotation zwischen Mond und Erde, also dass der Mond der Erde immer die selbe Seite zeigt. Das macht die Gezeiten für einen Mond-mond ein wenig komplizierter.
@Quercus
Nach dem, was ich über Mondsonden gelesen habe, neigt deren (meist sehr niedrige) Bahn dazu, durch die Schwerkraft von Erde und Sonne elliptisch verformt zu werden, was dann bei „Flug“höhen von wenigen 10 km unweigerlich dazu führt, dass die Bahn die Mondoberfläche schneidet. Bei großen Abständen vom Mond wird die Verformung der Bahn nicht anders passieren, im Gegenteil, die Kräfte anderer Körper sind dann im Verhältnis noch stärker, nur toleriert die Bahn mehr Exzentrizität, bevor sie den Mond schneidet. Vielleicht katapultiert es den Mond-Mond dann auch irgendwann raus aus seiner Umlaufbahn, wenn die Ellipse lang genug wird.
Das n-Körper-Problem ist ja beliebig kompliziert, chaotisch und nur näherungsweise lösbar, da kann eine Menge passieren, was der Stabilität des Systems abträglich ist.
Dass es 6-fach-Sternsysteme gibt (zwei enge Paare, die sich in großem Abstand umkreisen, und von einem anderen Paar in noch viel größerem Abstand umkreist werden, z.B. Castor in den Zwillingen) zeigt aber, dass es auch lange Zeit funktionieren kann, wenn die Abstände entsprechend gestaffelt sind.
[…] mit 40 Planetenradien angegeben, was dann etwa 3 Millionen km entspräche und stabil innerhalb des Hill-Radius des Planeten (200±50 Planetenradien) läge. Dies würde sogar einen Mond des Mondes, einen […]
[…] dass ein Mond selbst wiederum von einem Mond umkreist wird. Ich habe das Thema früher schon mal ausführlich betrachtet. Wenn der “Unter-Mond” sich ausreichend nahe am Mond und ausreichend weit entfernt vom […]
Sehr schöner Artikel!
Verstehe ich also richtig: Wenn wir jetzt ein Objekt ca. 20.000 km um „unseren“ Mond kreisen lassen, wäre er dann im Einflussbereich des Mondes? Überlagert die Schwerkraft des Mondes die Schwerkraft der Erde in diesem Fall?
Wäre das Objekt dann außerhalb dieser Sphäre, sagen wir 70.000 km, im Einflussbereich der Erde?
Liebe Grüße aus Südhessen!