Ich bin in Darmstadt angekommen und warte gespannt dass es endlich mit der Kometenlandung los geht. Morgen ist es soweit und die Landeeinheit Philae wird sich am Vormittag von der Raumsonde Rosetta lösen und den Abstieg zur Kometenoberfläche beginnen. Wenn alles klappt, wird sie dort am frühen Abend ankommen und mit der wissenschaftlichen Arbeit beginnen. Aber was, wenn nicht alles klappt?
Ok, es ist vielleicht ein bisschen defätistisch, am Vorabend der spektakulären Kometenlandung darüber zu spekulieren, was passiert wenn alles schief geht. Aber man muss sich bei all der (gerechtfertigten) Begeisterung und Aufregung immer bewusst sein, dass ein Misserfolg durchaus im Bereich des Möglichen liegt!
Wenn man sich die detaillierten Zeitpläne ansieht, in denen alles auf die Sekunde genau geplant ist, dann kann es so erscheinen, als wäre sich die ESA eines Erfolgs ziemlich sicher. Für morgen Abend, um exakt 17:39:39 MEZ sieht das Programm zum Beispiel den Punkt „Lander completes SDL operations; upload of science data“ vor; gefolgt um 18:49:07 von „Lander begins First Science Sequence (FSS) Block 1; runs about 7 hours“.
Aber natürlich muss die Planung so exakt sein. Einmal, weil es bei so komplexen Weltraummissionen nicht anders geht. Wenn man da nicht jedes kleinste Detail exzessiv plant braucht man gar nicht erst anzufangen. Und außerdem findet die ganze Aktion ja weit von der Erde entfernt statt und jedes Signal braucht knapp eine halbe Stunde um die Strecke zwischen Sonde und Kontrollzentrum zurückzulegen. Da muss vorher jedes Kommando und jede Aktion geplant werden, damit Philae und Rosetta dieses Programm danach autonom abarbeiten können.
Die Exaktheit des Zeitplans sollte also nicht mit der Sicherheit verwechselt werden, dass tatsächlich alles nach Plan läuft. Denn das, was die Europäische Weltraumagentur hier macht, hat noch niemand zuvor probiert. Und wenn man etwas zum ersten Mal macht, dann muss man damit rechnen, dass es schief gehen kann. Es kommt dann allerdings darauf an, ob es auf die richtige Art und Weise schief geht.
Bis morgen Vormittag stehen ja noch vier kritische GO/NOGO-Entscheidungen auf dem Programm. Bei jeder davon könnte die Landung frühzeitig abgebrochen werden. Zum Beispiel wenn die Bahn von Rosetta plötzlich von der geplanten Bahn abweichen sollte. Oder es Probleme mit dem Computer oder Signalübermittlung auftreten. Oder der Komet überraschend viel Aktivität zeigt und Gas und Staub eine Landung behindern. In dem Fall wären zwar all die Gäste und Medienvertreter umsonst nach Darmstadt gereist – aber die Mission würde vermutlich weitergehen. Man würde die Bahn korrigieren; die Software reparieren oder auf ein Abklingen der Aktivität warten und die Landung in ein paar Tagen nochmal probieren.
Sollte es bei allen vier kritischen Entscheidungen grünes Licht geben, steht für ca. 10 Uhr die Trennung zwischen Rosetta und Philae an. Auch die kann schief gehen. Vielleicht lösen sich die beiden nicht voneinander. Dann würde man vermutlich ebenfalls ein klein wenig Pause machen, die Software checken und nach ein paar Tagen eine neue Landung probieren. Sollte die Trennung aber klappen, dann wird es spannend. Jetzt sinkt Philae dem Kometen entgegen. Und es gibt jede Menge Möglichkeiten für Fehlschläge.
Die Sonde könnte zu schnell und hart landen und beschädigt werden. Sie könnte an der falschen Stelle landen. Sie könnte gegen ein Hindernis auf der Oberfläche prallen. Die Verankerung in der Kometenoberfläche durch die mitgebrachten Harpunen könnte schief gehen. Staub von der Oberfläche könnte die Instrumente beschädigen. Oder es passiert etwas, mit dem bis jetzt noch niemand gerechnet hat. Wie gesagt: Wenn man etwas das erste Mal macht, ist Erfolg nicht garantiert.
Wichtig ist hier vor allem eines: Die Kommunikation zwischen Rosetta und Philae muss funktionieren! Denn wenn das klappt, ist auch ein Fehlschlag lehrreich. Es ist keine Schande, bei so einer ambitionierten Premiere zu scheitern, wenn man daraus lernen kann, warum man gescheitert ist. Denn dann kann man es beim nächsten Mal besser machen. Natürlich wäre es eine Enttäuschung wenn die Landung nicht funktioniert und tragisch für die Wissenschaftler, die Jahre oder Jahrzehnte in die Arbeit an der Mission investiert haben. Aber noch schlimmer wäre es, wenn Philae nach der Trennung von Rosetta einfach kommentarlos verschwinden würde.
Ich wünsche der Mission natürlich viel Erfolg! Aber Rosetta kann auch scheitern und sie darf scheitern, wenn wir daraus etwas lernen können. Denn genau darum geht es bei all dem Aufwand an: Wir wollen etwas lernen!
Viel Glück, Rosetta und Philae! (Und schaut auch auf diese Seite. Da gibt es mein Liveblog zur Landung – mit Gewinnspiel 😉 ).
P.S. Ich wollte eigentlich noch ein wenig auf die Rolle der Öffentlichkeitsarbeit eingehen und die Frage, wie die PR-Abteilung der ESA einen hypothetischen Fehlschlag kommunizieren würde bzw. ob es für so etwas vorab überhaupt Pläne gibt – aber ich habe leider keinen Interviewtermin bekommen. Vielleicht ergibt sich ja irgendwann in Zukunft nochmal die Möglichkeit, mehr über diesen Aspekt herauszufinden – ich fände das nämlich sehr interessant.
Wäre sehr schade wenn es schief geht. Leider kann ich die Abtrennung und die Landung nicht verfolgen, sitze im Flieger über dem Atlantik ;-(
Auch wenn es schief geht finde ich als Ingenieur* den bisherigen Verlauf der Mission schon klasse, dass die Systeme im All nach zehn Jahren noch funktionieren, dass das Aufwachen aus dem Tiefschlaf funktioniert hat – und auch dass es gelingt einen Kometen „einzufangen“.
*Ich bin (Hard- und) Softwareentwickler für Steuergeräte und kenne das Problem ein Steuergerät im Auto so zu konstruieren dass es zehn oder 15 Jahre durchhält, und Straße ist ja nichts im Vergleich zum All.
(Sagte ich schon dass ich im nächsten (Berufs-)leben bei der ESA arbeiten will?).
Und da ich im Flugzeug nichts zu tun habe drücke ich allen an der Mission Beteiligten die Daumen! Wird schon klappen!
Tja, wie komplex so ein Unternehmen ist und was dabei alles schief gehen kann, konnte man auch bei der japanischen Sonde Hayabusa verfolgen. Die es trotz aller Widrigkeiten am Ende dennoch schaffte, ein paar Staubkörner des Asteroiden Itokawa zur Erde zu bringen.
Ich hoffe, die Rosetta-Truppe hat da etwas mehr Glück.
Wie lang sind eigentlich die Schrauben?
So recht kann ich mir das noch immer nicht vorstellen, dass die sich da einigermassen sicher festschrauben können.
@Kallewirsch: Am Sonntag kam ein Bericht auf NatGeo – auch wenn die Schrauben nicht halten funktionieren die Harpunen, die halten auch in sehr lockerem Material (wurde laut dem Bericht in Dämmstoff/Schüttstoff getestet)
Hier noch ein Link dazu: Mission Rosetta bei NatGeo
@Florian:
„Ok, es ist vielleicht ein bisschen defätistisch, am Vorabend der spektakulären Kometenlandung darüber zu spekulieren, was passiert wenn alles schief geht. „
Ja, ja von wegen! Beschreis nicht! 🙂
„Ich wünsche der Mission natürlich viel Erfolg! Aber Rosetta kann auch scheitern und sie darf scheitern, wenn wir daraus etwas lernen können.“
Aber im Ernst: Ich denke im diesem Satz sollte „Philae“ stehen.
Die Landung auf dem Kometen wäre natürlich Spektaku … moment jetzt kommts! … LÄR! (Um es mal mit Barney zu sagen).
Aber den Hauptpreis für wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnt IMHO doch Rosetta selbst.
Sie wird den Kometen immerhin in der ganzen Phase seiner Entwicklung auf der Reise ins innere Sonnensystem begleiten.
Selbst wenn die Landung von Philae total schief geht und wir nie wieder etwas von der kleinen hören:
Die Monate in den Rosetta den Kometen noch Begleitet sind IMHO viel interessanter!
Also: Keine Tränen wenn Chury Philae zermatscht!
Das wäre natürlich extrem schade, ABER das beste kommt erst noch!
Bei einer Landegeschwindigkeit von 1 cm / s müsste eigentlich eine exakte Punktlandung klappen … https://science.orf.at/stories/1749092/
hab dazu auf jeden Fall ein gutes Gefühl … 🙂
@Zorro: „Bei einer Landegeschwindigkeit von 1 cm / s müsste eigentlich eine exakte Punktlandung klappen … „
Das sicher nicht. Man KANN Philae nicht exakt steuern, sondern ihn nur vorab programmierung und ihm sagen „Lande irgendwo da“. Und dieses „irgendwo“ kann eben ein guter Landeplatz sein. Oder eben nicht und dann fliegt die Sonde irgendwo dagegen; steht schief – usw.
[…] Jetzt gehts los! Nachdem ich fast sechs Jahre lang über die Rosetta-Mission gebloggt habe (natürlich nicht am Stück) ist es nun endlich so weit. Die Landung auf dem Kometen steht bevor! Ihr könnt nochmal einen Blick auf den Zeitplan werfen, damit ihr wisst, was wann passiert. Das Event beginnt mit ein paar wichtigen “Go/NoGo”-Entscheidungen, bei denen geprüft wird, ob alles so ist, wie es sein soll. Die erste davon wird heute um 20:30 MEZ getroffen; die letzte spätestens morgen früh (am 12.11.2014) um 08:35 MEZ. Und wenn alles klappt, werden wir kurz nach 10:00 MEZ wissen, ob sich die Landeeinheit gelöst und können am frühen Abend zwischen 17 und 18 Uhr die erfolgreiche Landung feiern. Oder einen Fehlschlag, denn auch das ist durchaus möglich. […]