Das, was sehr viele Menschen an der Astronomie so sehr fasziniert, sind die hübschen Bilder. Und sie sind ja auch meistens wirklich toll. So wie dieses hier zum Beispiel:
Es zeigt M87, eine elliptische Riesengalaxie; 54 Millionen Lichtjahre weit weg und größtes Mitglied des Virgo-Galaxienhaufens, einer Ansammlung von knapp 2000 Galaxien zu der auch unsere Milchstraße gehört. Eines der vielen interessanten Phänomene von M87 kann man im Bild deutlich erkennen: ein 5000 Lichtjahre langer, sogenannter Jet, der aus ihrem Zentrum ausgestoßen wird. Denn in der Mitte der Riesengalaxie sitzt ein entsprechend riesiges schwarzes Loch, das ungefähr 6,6 Milliarden Mal schwerer als unsere Sonne ist und mit seiner Gravitationskraft das Material in seiner Nähe auf enorme Geschwindigkeiten beschleunigt. Ein Teil dieses Materials wird dadurch weit hinaus ins All geschleudert und bildet den sichtbaren Jet, den schon der amerikanische Astronom Heber Curtis im Jahr 1918 beobachtet hat.
Wie gesagt: Ein schönes Bild – aber noch viel beeindruckender wird die Astronomie meiner Meinung nach immer dann, wenn sie über das hinaus geht, was wir mit unseren Augen sehen können. Die Aufnahme von oben stammt vom Hubble-Weltraumteleskop und zeigt uns im Wesentlichen das, was auch wir sehen könnten, wenn wir entsprechend große Augen und entsprechend sensible Bildverarbeitungssysteme hätten. Aber im Universum gibt es noch so viel mehr zu sehen; das ganze All ist voll mit Licht, das für uns unsichtbar ist und das wir nur dank der immer ausgeklügelteren Instrumente der Astronomen registrieren können. Wir können M87 im Röntgenlicht betrachten oder im Radiolicht und dabei Dinge sehen, die uns zuvor verborgen waren.
Oder wir können noch einen Schritt weitergehen, und abstrakte Bilder erstellen, die mit dem klassischen „Sehen“ nicht mehr viel zu tun haben. Dabei kommt dann so etwas heraus:
Was aussieht wie moderne Kunst ist ein Diagramm aus der wissenschaftlichen Facharbeit „A kinematically distinct core and minor-axis rotation: the MUSE perspective on M87“ des französischen Astronomen Eric Emsellem und seiner Kollegen. Auch auf diesem Bild „sehen“ wir M87, allerdings auf eine ganz andere Art und Weise. Es wurde mit MUSE, dem Multi Unit Spectroscopic Explorer-Instrument des Very Large Telescopes an der Europäischen Südsternwarte in Chile gemacht. MUSE erstellt Spektren des Lichts; schaut also nicht einfach nur, wie viel Licht von irgendwo in unsere Richtung strahlt, sondern spaltet das Licht in seine Wellenlängen auf und analysiert, welche Menge an Licht bei jeder einzelnen Wellenlänge ankommt. Bei manchen Wellenlängen fehlt Licht und das sind die sogenannten „Spektrallinien“, deren Existenz uns verrät, welche chemischen Elemente man in M87 finden kann. Verschiedene Elemente blockieren Licht mit unterschiedlichen Wellenlängen, die darüber hinaus auch noch davon abhängt, in welche Richtung sich das Material bewegt. Aus der Position der Spektrallinien können die Forscher also ablesen, ob sich die Materie durch die sie erzeugt werden, auf uns zu bewegt oder von uns weg und mit welcher Geschwindigkeit sie das tut.
Genau das sehen wir in dem hübschen bunten Bild. Jeder Farbklecks entspricht einer Region von M87 und die Farbe gibt deren Geschwindigkeit an. Blaue Bereiche kommen mit etwa 20 Kilometer pro Sekunde auf uns zu; rote entfernen sich mit 20 Kilometern pro Sekunden und die grünen und gelben Bereiche liegen dazwischen. Im Bild sieht man deutlich, dass die gesamte Galaxie rotiert: Die Ecke links oben ist blau und die Ecke rechts unten ist rot. Noch interessanter ist aber die zentrale Region, in der das Farbmuster zwar nicht mehr so ausgeprägt ist, aber sich trotzdem erkennbar umgekehrt hat. Hier ist der linke obere Zentralbereich, dessen rot/gelb-Töne auf eine Bewegung auf uns zu hinweisen während das grün/blau der rechten unteren Zentralregion auf die entgegengesetzte Bewegung hindeutet.
Diese unterschiedlichen Rotationen werden von den Autoren der Facharbeit als Hinweis auf frühere Kollisionen in M87 gedeutet. Vermutlich sind dort im Laufe der Zeit zwei oder mehrere Galaxien zu einer großen Riesengalaxie verschmolzen und ein Teil ihrer früheren Individualität hat sich in der Rotation des Materials noch erhalten.
Das sind die besten Bilder in der Wissenschaft: Nicht nur einfach schön, sondern auch voll mit interessanten Informationen!
Wow, ein geniales Bild! (auch wenn ich zuerst dachte da hätte jemand mit Paint gespielt 😉 )
Einen leichten Weichzeichner drüber und dann auf Leinwand gedruckt würde ein tolles Wandbild abgeben.
Eine Frage: Der blaue „Farbklecks“ unten rechts und die beiden orangefarbenen unten links, könnten die in irgendeiner Weise zusammenhängen (also eine Art rotierender Ring) oder handelt es sich wohl eher um lokale Turbulenzen/Abweichungen?
lg, James
Hallo FF
Einfach der Wahnsinn !! Einen Jet von 5000 Lichtjahren !!!
Was ich mich frage: Nach diesem Bild von Eric Emsellen sehen wir also die Galaxie M87 von der Seite. Der Jet zielt aber im Bild von Hubble in unsere Richtung.
Das überrascht mich irgendwie. Ich dachte diese Jets werden nur senkrecht zur Drehachse eines schwarzen Loches / Galaxie ausgestoßen. Also am „Süd- und Nordpol“
eines schwarzen Loches. Oder hat die Drehrichtung einer Galaxie gar nichts mit der Drehrichtung eines schwarzen Loches zu tun? Oder ist das eine andere Art von Jet?
Ich hoffe du kannst mit der Frage bzw. der Formulierung was anfangen…..Bin halt ein Laie, aber interessiert.
PS Mach weiter so, lese praktisch jeden Tag bei Dir…
@Dino: Hmm – der Jet zielt in unsere Richtung? Ich seh das auf dem Bild irgendwie nicht so… Wenn er auf uns zeigen würde, dann würden wir ja keinen Jet sehen (sondern nur seine Spitze). Schau dir mal das Bild bei Wikipedia an; da sieht man das nochmal anders: https://de.wikipedia.org/wiki/Messier_87
sorry, „senkrecht zur Drehachse“ ist natürlich Blödsinn. Ich meinte natürlich „entlang der Drehachse“
@Florian: Ja, is klar … grins, der Jet zielt nicht genau in unser Auge. Ich versuch es mal anders.
Auf dem Foto sieht es so aus als würde uns die Spitze des Jets näher sein als der Ursprung des Jets.
… und wenn das so ist und wenn wir das mit dem MUSE-Bild vergleichen, dann würde das bedeuten, das der Jet die Galaxie M87 seitlich verlässt.
Wenn dem so ist, hätte mich das überrascht —– >>>> deshalb meine Fragen in meinem Kommentar #2
@Dino: Das MUSE Bild zeigt ja erstmal einen ganz anderen Ausschnitt als das Hubble-Bild. Und ich sehe da eigentlich immer noch keine Diskrepanz… Vielleicht kannst du irgendwie aufzeichnen, was du meinst und das Bild irgendwo hochladen? Oder vielleicht sieht jemand anderes klarer als ich und will die Frage beantworten?
@Florian und Dino
Also, wenn ich richtig verstanden habe, dann zeigt das MUSE-Bild die rotierende Scheibe und nicht den Jet. Oder?
@Higgs-Teilchen: Nein, Jet ist da nirgends bei MUSE
@Florian, Higgs-Teilchen
Sicher? Der blaue Klecks rechts passt nicht ins Bild, das könnte doch der Jet sein.
Sorry Leute, ich wollte hier keine Fragezeichen über den Köpfen entstehen lassen.
Ok, nochmal in aller Ruhe.
Das MUSE -Bild zeigt die Galaxie M87 von der Seite.
(Es gibt Bereiche in diesem Bild die bewegen sich von uns fort und andere Bereiche bewegen sich auf uns zu. Also sehen wir die Galaxie von der Seite)
Ist da soweit korrekt? Ich denke mal ja ….
Gut.
Das Hubble-Bild zeigt auch die Galaxie M87 ( Vielleicht einen kleineren Ausschnitt, wie auch immer)
Aber auch das Hubble Bild zeigt die Galaxie M87 oder den Ausschnitt von der Galaxie M87 von der Seite.
Geht ja gar nicht anders …
Soweit so gut ….
Ich will jetzt auch keine Diskrepanz feststellen oder Ähnliches …
Wenn auf dem MUSE- Bild ein Jet zu sehen WÄRE, dann würde der doch vom Zentrum nach rechts oben oder links unten rauskatapultiert, EBEN entlang der Drehachse der Galaxie/ des Schwarzen Loches.
Und jetzt kommts !!!!!
Auf dem Hubble Bild sieht es so aus als ob der Jet auf uns zukommt, nicht genau in unsere Richtung, is klar, aber es SIEHT so aus als wäre uns die Spitze des Jets näher als der Ursprung des Jets. Ich nenne das „in unsere Richtung“.
WENN das so ist, ich betone, WENN das so ist, würde das doch bedeuten das der Jet die Galaxie NICHT entlang der Drehachse verlässt sondern SEITLICH ausgestoßen wird.
Ist sowas möglich?
ALDERAMIN, please help me, du verstehst doch sicher was ich meine.
Wenn nicht dann geb ich auf, sag aber trotzdem Danke für Eure Mühe.
Das NASA Bild wirkt dreidimensional, weil die Strukturen unten rechts wesentlich breiter sind und damit näher wirken als am Ursprung im Zentrum der Galaxie. Dadurch scheint der Jet schräg auf den Betrachter zuzukommen. Das scheint der Aussage des MUSE Bilder zu widersprechen, nach der wir von der Seite auf die Galaxie schauen.
@Roland Halleluja !!! Du hast verstanden.
Du denkst also das die breite Seite genau so weit von uns entfernt ist wie der Ursprung.
Wäre es denn möglich das bei Kollisionen von Galaxien das ursprünglich im Mittelpunkt einer Galaxie befindliche Schwarze Loch sozusagen „kippt“ und den Jet dann seitlich aus der Galaxie ausstößt? Denn das wäre meine zweite Frage gewesen.
@Dino
Der Jet kommt schräg auf uns zu, weil wir nur diese Seite sehen – die andere ist wahrscheinlich durch „relativistic beaming“ unsichtbar, da sie von uns weggerichtet und zu geringerer Helligkeit rotverschoben ist. Ob die beiden Bilder oben aber überhaupt die gleichen Ausrichtung haben (d.h., wo Norden ist) ist völlig unklar.
Klar ist, dass sich M87 fast überhaupt nicht dreht. Als ich den Artikel las und etwas von 20 km/s, dachte ich gleich, huch, das ist aber langsam, die Sonne kreist schließlich mit über 200 km/s um die viel leichtere Milchstraße; der Blick ins Paper ergibt, dass man früher dachte, die Galaxie rotiere überhaupt nicht. Auch befindet sich laut Wikipedia-Artikel das Schwarze Loch nicht genau im Zentrum der Galaxie. Da M87 wohl aus vielen Galaxien zusammengewürfelt wurde und sich dabei auch die Supermassiven Schwarzen Löcher vereinigt haben, würde ich nicht erwarten, dass das Schwarze Loch mit der langsam rotierenden Galaxie die gleiche Achse teilt.
Aber wie gesagt, aus den Bildern kann ich das ohne Koordinatenreferenz nicht sicher schließen.
@Dino
Natürlich, wenn es mit einem anderen Schwarzen Loch zusamenstößt, wird dieser Zusammenstoß ja nicht genau zentral verlaufen, sondern streifend, und je nachdem aus welcher Richtung und wo der Zusammenstoß stattfindet, kann sich der Drehimpuls fast beliebig ändern. Die Akkretionsscheibe folgt dann über kurz oder lang der Rotationsrichtung des Schwarzen Lochs, und damit auch die Richtung des Jets..
Aha !!! Es ist also möglich das der Jet in allen möglichen Richtungen die Galaxie verlässt.. In einschlägigen Bildern und illustrationen kommt der Jet nämlich immer „brav“ entlang der Drehrichtung der Galaxie heraus. Deshalb war ich überrascht und konnte die beiden Bilder nicht in Einklang bringen
Ich danke dir . Frage komplett und umfassend beantwortet
🙂
Gruß Dino
@Dino
Bei Spiralgalaxien ist das, glaube ich, auch meistens so, aber die haben ja anscheinend ganz andere Drehimpulse und entstehen zusammen mit ihren zentralen Schwarzen Löchern, die dann den gleichen Drehsinn erhalten.
Wenn solche Spiralgalaxien sich dann bunt zu einer großen elliptischen Galaxie vereinigen, dann mischen sich auch die Drehimpulse (und dabei kommen auch noch völlig neue Drehimpulse durch die Bahnbewegung umeinander hinzu), deswegen kann die Korrelation dann verloren gehen. Denke ich jedenfalls.
@ Alderamin Nochmals Danke. Ist einfach ein spannendes Thema …. und leider sehr kompliziert und komplex, oder Gott sei Dank. Aber ich seh wieder ein Stückweit klarer 🙂
@Dino: Ah! Mit dem Kommentar von Roland hab ich jetzt auch gecheckt, was das Problem war. Aber praktischerweise hat Alderamin es ja auch gleich gelöst 😉