Dieser Gastartikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb. Alle eingereichten Beiträge werden im Lauf des Septembers hier im Blog vorgestellt. Danach werden sie von einer Jury bewertet. Aber auch alle Leserinnen und Leser können mitmachen. Wie ihr eure Wertung abgeben könnt, erfahrt ihr hier.

sb-wettbewerb

Dieser Beitrag wurde von Peter eingereicht.
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Immer mehr Bücher, Dokumente, Zeitungen und sonstige Schriften aus vergangenen Jahrhunderten werden weltweit von Bibliotheken und anderen Institutionen eingescannt, digitalisiert und im Internet veröffentlicht. Wir haben einen Zugang zu einer Fülle an Material, der früher nur eingeschränkt wenigen Personen mit großem Aufwand möglich war. Diese phantastischen Möglichkeiten habe ich genutzt, um anhand von Hahnemanns Hauptwerken, dem „Organon der Heilkunst“ und der „Reinen Arzneimittelehre“ und anderen zeitgenössischen Quellen die Umstände der Entstehung der Homöopathie zu untersuchen.

Alle fünf zu Hahnemanns Lebzeiten erschienenen Ausgaben des „Organon“ sowie alle sechs Teile seiner „Reinen Arzneimittellehre“ sind in ausgezeichneten Scans auf https://archive.org zu finden:

https://archive.org/details/organonderration00hahn/ (1810)
https://archive.org/details/organonderheilku01hahn/ (1819)
https://archive.org/details/organonderheilku02hahn/ (1824)
https://archive.org/details/organonderheilku03hahn/ (1829)
https://archive.org/details/organonderheilku04hahn/ (1833)
https://archive.org/search.php?query=hahnemann%20arzneimittellehre%20francisacountwaylibrary

**Der Stand der medizinischen Wissenschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts**

Vieles – vielmehr fast alles – was die moderne Medizin ausmacht, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch unbekannt. Über Infektionen hatte man nur vage Vorstellungen von „Miasmen“. Bakterien als Verursacher von Infektionen wurden größtenteils in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erkannt, Viren erst im 20. Jahrhundert. Die Erblichkeit von Krankheiten war gelegentlich bekannt, genetische Ursachen wurden aber erst im 20. Jahrhundert systematisch erforscht. Der Aufbau des menschlichen Körpers aus Zellen war noch unbekannt, auch wenn beispielsweise rote Blutkörperchen bereits beobachtet worden waren: eine Erklärung oder auch nur Diagnose von Krebserkrankungen war dadurch unmöglich. Was wir heute Ernährungsphysiologie nennen, gab es nur in rudimentärer Form, viele Mangelerscheinungen blieben dadurch unerkannt.

Die Medizin berief sich vielfach auf Autoritäten, vor allem Hippokrates und Galen. Die „Säftelehre“ des Hippokrates, nach der Gesundheit durch ein Gleichgewicht der „Säfte“ bedingt ist, führte zu nutzlosen und gefährlichen Therapien wie dem zu allem und jedem angewandten Aderlass, mit dem die „Überfülle“ (plethora) an Blut beseitigt werden sollte.

Die Arzneimittellehre ging auch auf antike Vorbilder zurück, allen voran die „Materia medica“ des Pedanios Dioskurides. Die Materia medica enthält hauptsächlich Beschreibungen von Heilpflanzen, aber auch tierische, mineralische und sonstige Heilmittel, wobei sich Erfahrungen und Beobachtungen von Heilpflanzen mit magischen Vorstellungen mischen. Zahlreiche Arzneibücher des Mittelalters und der Neuzeit setzen den Dioskurides fort. Viele der beschriebenen Arzneien sind schwere Gifte, vor allem das gegen alles und jedes eingesetzte Quecksilber.

Vom akademischen Beruf des Arztes streng getrennt war der „Wundarzt“, der Vorläufer der heutigen Chirurgen, die ein wesentlich geringeres Ansehen genossen – aus heutiger Sicht gesehen, haben sie aber, trotz ihrer rauen Methoden, wesentlich Besseres geleistet als ihre akademischen Kollegen.

**Beispiele aus der Literatur**

In Romanen, Erzählungen und Theaterstücken aus dieser Zeit ist die Medizin ein häufiges Thema. Die bemerkenswerte Unkenntnis der damaligen Ärzte erstaunt heutige Leser immer wieder. Beispielsweise wird der schwerverletzte Werther in Goethes „Leiden des jungen Werther“ folgendermaßen behandelt:

„Als der Medikus zu dem Unglücklichen kam, fand er ihn an der Erde ohne Rettung, der Puls schlug, die Glieder waren alle gelähmt, über dem rechten Auge hatte er sich durch den Kopf geschossen, das Gehirn war herausgetrieben. Man ließ ihm zum Ueberflusse eine Ader am Arme, das Blut lief, er holte noch immer Athem.“

Goethes „Faust“ ist ein erfolgreicher Arzt, der jedoch von Gewissensbissen geplagt wird, weil er weiß, dass seine Heilkunst gefährlicher Betrug ist:

„Hier war die Arzeney, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas?
So haben wir, mit höllischen Latwergen,
In diesen Thälern, diesen Bergen,
Weit schlimmer als die Pest getobt.
Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,
Sie welkten hin, ich muß erleben
Daß man die frechen Mörder lobt.“

Der „Landarzt“, von Honoré de Balzac als durchwegs positive Figur gezeichnet (1833), verbirgt seine Ignoranz hinter einem autoritären Gehabe und duldet keinen Widerspruch gegen seine unsinnigen Anordnungen: Eine Gruppe von Kretins lässt er wegen der von ihnen ausgehenden „physischen und intellektuellen Ansteckung“ deportieren. Einem nicht näher bezeichneten Kranken verordnet er zwei Wochen Nulldiät, bei der er nur Queckenwasser trinken darf, und weist seine Frau streng zurecht, die ihm Brot gegeben hat. Ein Aderlass ergänzt die Behandlung des durch Hunger wohl schon geschwächten Kranken.

**Hahnemanns Lehre und seine Kritik an der zeitgenössischen Medizin**

Kritik an der „Schulmedizin“ des angehenden 19. Jahrhunderts war also in den meisten Fällen vollauf berechtigt. Hahnemanns Werk besteht zu einem großen Teil aus einem Frontalangriff gegen die von ihm als „Allopathie“ bezeichnete Medizin:

„Der Allopathiker entzieht also mit seinen Aderlässen den am hitzigen Fieber Erkrankten keine lästige Blut-Uebermenge, weil dergleichen gar nicht vorhanden seyn konnte.“

Homöopathik vergießt keinen Tropfen Blut, giebt nicht zu brechen, purgiren, laxiren oder schwitzen, vertreibt kein äußeres Uebel durch äußere Mittel, ordnet keine warmen Bäder oder Arznei enthaltende Klystire, setzt keine spanischen Fliegen oder Senfpflaster, keine Haarseile, keine Fontanelle, erregt keinen Speichelfluß , brennt nicht mit Moxa oder Glüheisen bis auf die Knochen u. dgl., giebt aus ihrer Hand nur selbst bereitete, einfache Arznei, die sie genau kennt und keine Gemische, stillt nie Schmerz mit Opium, u. s. w.

Von Ausnahmen abgesehen, wird man Hahnemann hier zustimmen. Hahnemanns Kritik hat zwei Hauptpunkte: (1) Die allopathischen Therapien helfen nicht und verursachen unnötiges Leid. (2) Sie beruhen auf „Systemen“, also einem theoretischen Fundament, das der Erfahrung nicht zugänglich ist.

Hahnemann betont stets die Wichtigkeit der Erfahrung, er zeigt also erste Ansätze zu dem, was wir heute „evidenzbasierte Medizin“ nennen. Leider verfällt Hahnemann in einen ebenso starren Dogmatismus wie seine Gegner. Er baut ebenso ein „System“ auf, das er nur unzureichend durch empirische Daten stützt und das er für allumfassend und alleine gültig erklärt. Die Eckpunkte des Hahnemannschen Systems sind folgende:

*Ähnlichkeitsprinzip*

„Durch Beobachtung, Nachdenken und Erfahrung fand ich, daß im Gegentheile von letztern die wahre, richtige, beste Heilung zu finden sey in dem Satze similia similibus curentur. Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche
ein ähnliches Leiden (ὅμοιον πάθος) für sich erregen kann, als sie heilen soll!“

In unzähligen Beispielen illustriert Hahnemann sein Ähnlichkeitsprinzip. Beispielsweise soll ein Schnitter nach einem Arbeitstag in der heißen Sonne von einem Schluck Branntwein besser erfrischt werden als von einem Trunk kalten Wassers – von Dehydrierung wusste Hahnemann noch nichts. Das Ähnlichkeitsprinzip und die damit verbundene Verdünnung und Potenzierung von Arzneien sind allgemein bekannt, weshalb ich hier nicht näher darauf eingehe.

*Geistige Wirkung*

Hahnemann schreibt Krankheit und Heilung einzig und allein „geistigen Kräften“ zu, und schließt eine materielle Krankheitsursache weitgehend aus.

„Die Verfechter so grobsinnlich angenommener Krankheits-Stoffe mögen sich schämen, die geistige
Natur unseres Lebens und die geistig dynamische Kraft Krankheit erregender Ursachen so unüberlegt übersehen und verkannt und sich so zu Fege-Aerzten herabgewürdigt zu haben, welche durch ihr Bemühen, Krankheits-Stoffe , die nie existirten, aus dem kranken Körper zu treiben, statt zu heilen, das Leben zerstören.

*Symptome*

Nachdem Hahnemann „Systeme“ der Klassifizierung von Krankheiten und die gesamte Pathologie ablehnt, bleiben ihm nur die äußeren Symptome zur Definition von Krankheiten.

„Da man nun an einer Krankheit, von welcher keine sie offenbar veranlassende oder unterhaltende
Ursache (causa occasionalis) zu entfernen ist, sonst nichts wahrnehmen kann, als die Krankheits – Zeichen, so müssen, unter Mithinsicht auf etwaniges Miasm und unter Beachtung der Nebenumstände, es auch einzig die Symptome seyn, durch welche die Krankheit die zu ihrer Hülfe geeignete Arznei fordert und auf dieselbe hinweisen kann, so muß die Gesammtheit dieser ihrer Symptome, dieses nach außen reflectirende Bild des innern Wesens der Krankheit, d. i. des Leidens der Lebenskraft, das Hauptsächlichste oder Einzige seyn, wodurch die Krankheit zu erkennen geben kann, welches Heilmittel sie bedürfe, das Einzige, was die Wahl des angemessensten Hülfsmittels bestimmen kann — so muß, mit einem Worte, die Gesammtheit der Symptome für den Heilkünstler das Hauptsächlichste, ja Einzige seyn, was er an jedem Krankheitsfalle zu erkennen und durch seine Kunst hin wegzunehmen hat, damit er geheilt und in Gesundheit verwandelt werde.“

*Einfache Heilmittel*

Hahnemann lässt nur einfache Heilmittel zu, also eine einzige, sorgfältig ausgewählte ungemischte Arznei für jedes durch seine Symptome definierte Krankheitsbild.

„Die Widersinnigkeit der Arzneigemische haben selbst Männer aus der gewöhnlichen Arzneischule eingesehen, ob sie gleich in der Praxis selbst diesem ewigen Schlendriane, wider ihre Einsicht, folgten.“

*Exklusivität*

Kombination von homöopathischen mit „allopathischen“ Heilmethoden schließt Hahnemann kategorisch aus:

„Bei der so nöthigen als zweckmässigen Kleinheit der Gaben beim homöopathischen Verfahren ist es leicht begreiflich, daß in der Cur alles übrige aus der Diät und Lebensordnung entfernt werden müsse, was nur irgend arzneilich wirken könnte, damit die feine Gabe nicht durch fremdartig arneilichen Reitz überstimmt und verlöscht werde.“

„Die sanftesten Flötentöne, die aus der Ferne in stiller Mitternacht ein weiches Herz zu
überirdischen Gefühlen erheben und in religiöse Begeisterung verschmelzen winden, werden unhörbar und vergeblich, wenn das nächtliche Gezänk der Katzen oder der heisere Schrei der Eule sie unterbricht.“

Mit einer Reihe von mitunter skurrilen Verboten bekräftigt Hahnemann, dass vom Kranken alles ferngehalten werden muss, was „arzneilich“ wirkt und die Heilung stört:

„Kaffee ; feiner chinesischer und andrer Kräuterthee ; … ; gewürzte Schokolade ; Riechwasser und
Parfümerieen mancher Art ; stark duftende Blumen im Zimmer; … ; hochgewürzte Speisen und Saucen ; gewürztes Backwerk und Gefrornes ; … ; Gemüße aus Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln … ; Stubenhitze; schafwollene Haut-Bekleidung; langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Nachtleben, Unreinlichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften …“

Hierbei wurde Hahnemann nach eigener Aussage von seinen Schülern noch übertroffen: „Einige meiner Schüler scheinen durch Verbieten noch weit mehrer, ziemlich gleichgültiger Dinge die Diät des Kranken unnöthig zu erschweren, was nicht zu billigen ist.“

**Medizin 200 Jahre nach Hahnemann**

Homöopathie und die von ihm so genannte Allopathie waren vor 200 Jahren konkurrierende Schulen. Beide beruhten auf unzureichend verstandenen Grundlagen und unzureichender Evidenz und erzielten eher Zufallstreffer. In etlichen Fällen war Hahnemann hier wohl erfolgreicher als seine Konkurrenten, beispielsweise bei der großen Choleraepidemie 1831. Hahnemanns Lehren haben jedoch nach 200 Jahren medizinischer Forschung und großen Fortschritten der Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie) im allgemeinen den Test der Zeit nicht bestanden:

* Für die Gültigkeit des Ähnlichkeitsprinzips gibt es wenig Hinweise.
* Für die allermeisten Krankheiten kennt die heutige Medizin handfeste materielle Ursachen, seien es Erreger wie Bakterien oder Viren, Gendefekte, Umwelteinflüsse, Mangelerscheinungen usw. „Geistige Wirkungen“ haben in der modernen Medizin höchstens noch ihre Entsprechung in der Psychosomatik.
* Die moderne Pathologie ist der Hahnemannschen Definition von Krankheiten nach ihren Symptomen weit voraus.
* Sein Beharren auf „einfachen Heilmitteln“ lässt sich mit heutigem Wissen von Chemie, Biologie und Pharmakologie nicht vereinbaren. Ein pflanzliches Heilmittel, das für Hahnemann „einfach“ ist, kann eine Vielzahl von Alkaloiden beinhalten. Moderne Therapien mit kombinierten Medikamenten sind oft höchst erfolgreich.

Anders als vor 200 Jahren, als Hahnemann auch und vor allem schwere Erkrankungen wie die Cholera homöopathisch behandelte, wird Homöopathie heutzutage hauptsächlich als „Wohlfühl-Medizin“ bei Wehwehchen und Befindlichkeitsstörungen eingesetzt, wo sie auch keinen großen Schaden anrichten kann. Kaum jemand kommt – Gott sei Dank – auf die Idee, eine akute Lungenentzündung homöopathisch zu behandeln.

Im Vorwort zum vierten Teil der Reinen Arzneimittellehre schreibt Hahnemann in einem seltenen Anflug von Selbstzweifel, dass die Homöopathie eines Tages überholt sein könnte:

„So lange genaue Beobachtung, unermüdete Forschung und sorgfältige Vergleichung nicht dahin gelangt ist, der bei Menschen vorkommenden, unglaublichen Menge von Krankheitserscheinungen und Krankheitsfällen, welche die Natur immerdar verschieden und höchst abweichend hervorzubringen scheint, wirklich festständige Urübel nachweisen zu können, so lange ist es offenbar, daß jede einzelne Krankheitserscheinung, so wie sie sich zeigt, nach dem Umfange der sich in jedem Falle zeigenden Symptome homöopathisch behandelt werden müsse, wodurch sie alle doch unendlich besser beseitigt werden, als nach allem bisherigen Cur-Schlendriane des gemeinen Arztwesens.“

Es ist so weit: Die medizinische Forschung hat heutzutage die „Urübel“ der meisten Krankheiten nachgewiesen: Nehmen wir Hahnemann also beim Wort – genaue Beobachtung, unermüdete Forschung und sorgfältige Vergleichung haben uns zu einem so weit fortgeschrittenen Wissensstand geführt, dass wir das Beharren auf 200 Jahre alten Dogmen getrost vergessen können.

33 Gedanken zu „Homöopathie – zurück zu den Anfängen“
  1. Och, keine Sorge. Die werden schon hier aufschlagen.
    Aber:
    schön zusammengefaßter Artikel. Gibt einen schönen Einblick in das Milljöh*, in dem sich die Homöopathie entwickeln konnte.

    .

    .

    *jaja, Zille.

  2. Ja, klasse Artikel! Das Zitat zum Schluss ist der Hammer, damit ist eigentlich alles gesagt.

    Nehmen wir Hahnemann also beim Wort

    Ganz genau 😀

    grz
    Dampier

  3. Ich sage es nicht zum ersten Mal, aber es stimmt dennoch: Homöopathie funktioniert, man kann Gleiches mit Gleichen behandeln. Man nennt es Impfung, und bei vielen Krankheiten ist es äußerst effektiv, manchmal sogar nach der Infektion. Ich möchte Impfungen nicht missen.
    Händewaschen ist auch prima.
    Anderseits: https://xkcd.com/765/

    1. @Ferrer: „Homöopathie funktioniert, man kann Gleiches mit Gleichen behandeln. „

      Dieser AUssage liegt sowohl ein falsches Verständnis der Homöopathie als auch ein falsches Verständnis von Impfungen zu grunde.

  4. @ Ferrer
    Der Vergleich ist Unsinn. Die Impfung ist keine Behandlung, sondern dient der Vorbereitung bzw. Stärkung des Immunsystems. Und außerdem entspricht das Wirkunsprinzip des Impfens nicht dem, was die HP von sich behauptet.

  5. @Ferrer

    Bei einer Impfung werden Stoffe verabreicht, die (vielleicht gerade noch) wirksam sind. Bei einem Homöopathikum handelt es sich um Stoffe, die garantiert nicht (mehr) wirksam sind, so man denn von den Trägermaterialien absieht.

  6. Weil wir in den Kommentaren grad beim Impfen sind … Homöopathie ist schon ein Ärgernis, aber die meisten Apotheker und Ärzte, die das Zeug des guten Gewinns wegen verabreichen, sind vernünftig genug, damit keine ernsthaften Kranken behandeln zu wollen. Blos Wehwehchen, gegen die es eh keine echten Medikamente gibt. Und denen, die dran glauben, hilft es sogar ein bisschen – wie Placebos eben wirken. Ausserdem ist es besser, die Leute kaufen sich bei Erkältungen selbst Homöopathika, anstatt irgendwelches anderes Zeug … zumindest haben die wirklungslosen Mittelchen dann auch keine Nebenwirkung. Wirklich gefährlich sind die Impfgegner – die gefährden leider nicht sich selbst sondern ihre KInder und alle, die mit denen in Kontakt kommen. Das ist im wirklichen Wortsinne „gemein“-gefährlich.

  7. @Peter

    Ausserdem ist es besser, die Leute kaufen sich bei Erkältungen selbst Homöopathika, anstatt irgendwelches anderes Zeug …

    Erkältungen behandelt man üblicherweise symptomatisch und was man zur Erleichterung nimmt/verwendet hängt sicherlich auch von der Person ab. Wenn mir z.B. der Rotz aus der Nase läuft, nehme ich ich etwas, das wirkt, und wenn ich mich maddelig fühle, darfs auch eine ASS o.ä. sein.

    An einer Zuckertherapie habe ich keinen Bedarf; ein Glas Wasser ist auch (neben-)wirkungsfrei und dazu auch noch (nahezu) kostenlos.

  8. @Peter:

    Homöopathie ist schon ein Ärgernis, aber die meisten Apotheker und Ärzte, die das Zeug des guten Gewinns wegen verabreichen, sind vernünftig genug, damit keine ernsthaften Kranken behandeln zu wollen.

    Nun ja, das kann man so sehen. Allerdings stellt sich mir durchaus die Frage, welche Apotheker und Ärzte für mich vertrauenswürdig sind.
    Es gibt doch da im Prinzip nur zwei Möglichkeiten:
    Entweder glauben die Apotheker und Ärzte, die sowas verschreiben/empfehlen, an eine Wirkung, oder nicht.
    Wenn ein Apotheker oder Arzt an diesen Unfug glaubt, ist die betreffende Person fachlich disqualifiziert. Dann ist mein Vertrauen in diese Person überschaubar.
    Wenn ein Apotheker oder Arzt daran nicht glaubt, aber dieses Zeug, des Geldes wegen, trotzdem verschreibt/empfiehlt, dann ist das immer eine bewusste Lüge dem Patienten gegenüber. Dann ist mein Vertrauen in diese Person ebenfalls überschaubar.
    Allenfalls könnte man darüber reden, ob es nicht gerechtfertigt sein kann, Patienten, die diesen Mist ausdrücklich fordern, damit zu bedienen, um nämlich Schlimmeres zu verhüten. Es mag vorstellbar sein, dass beispielsweise ein Arzt einem Patienten auf dessen Wunsch ein Wundermittel (und nichts anderes ist Homöpathie…) verschreibt, um den Patienten nicht an einen Scharlatan zu verlieren und gar keinen Einfluß mehr zu haben.
    Ich persönlich suche keinen Arzt oder Apotheker auf, der sowas ungefragt bewirbt.(Natürlich nur, wenn ich davon vorher weiß. Sonst wechsle ich den jeweiligen „Anbieter“.)

    Anmerkung:
    Dies ist eine persönliche Einschätzung der Frage, wie ich mit an sich qualifizierten Personen bei dieser Fragestellung umgehe. Jeder mag das halten wie er will…

  9. super artikel! die motivation von hahnemann zu seinem „gegenentwurf“ der damaligen medizin durch vorstellung der weitgehenden ignoranz derselben gefällt mir besonders. fast logisch, daß hahnemann bei solchen methoden damals mit seiner „medizin“ teilweise erfolgreicher war; selbstheilungskräfte des patienten mittels placebo zu nutzen ist halt immer noch erfolgversprechender als quecksilber zu verabreichen 😉

  10. Es freut mich, dass mein Beitrag überwiegend positiv aufgenommen worden ist. Ich habe ja mit mehr Angriffen von Homöopathie-Anhängern gerechnet — die haben sich bisher noch sehr lautstark zu jedem skeptischen Homöopathie-Artikel geäußert, da bin ich jetzt fast enttäuscht 🙂

  11. @DasKleineTeilchen,
    Das war oft weniger „Selbstheilungskraefte nutzen“ als vielmehr, dass simples Nichtstun (worauf es hinauslief) und den Leuten zu trinken geben, oft erfolgreicher war als die brachialen Methoden der zeitgenoessischen Medizin. Inzwischen hat die Medizin gewaltige Fortschritte gemacht, die Homoeopathie steht immer noch da, wo sie vor 200 Jahren auch schon war.

  12. Sehr guter Artikel. Die Beleuchtung der damaligen medizinischen Welt, in der die Homöopathie entwickelt wurde erklärt doch alles. Warum lesen die Homöopathiejünger nicht mal dieses unsägliche Organon? Selbst Menschen mit einer ausgesprochenen Aversion gegen die aktuellen Erkenntnisse der Naturwissenschaften bzw. der Medizin müssten dabei doch nachdenklich werden. Aber glauben ist eben bequemer als zu lernen und zu wissen.
    Nochmal, klasse Artikel.

  13. @Timeout

    Warum lesen die Homöopathiejünger nicht mal dieses unsägliche Organon? Selbst Menschen mit einer ausgesprochenen Aversion gegen die aktuellen Erkenntnisse der Naturwissenschaften bzw. der Medizin müssten dabei doch nachdenklich werden.

    Selbst wenn sie den Organon lesen würden (manche haben das sogar), wirst du feststellen, dass dies bei den wenigsten etwas ändert. Wer ein Glaubenssystem mit Haut und Haaren gefressen hat, der findet für dessen Inhalte, so absurd sie auch immer sein mögen, grundsätzlich eine Rationalisierung.

  14. @ Spritkopf
    Na ja, da hast du wohl leider Recht. Wahre Gläubige jeder coleur sind offenbar immun gegenüber Vernunft und Logik. Ist schon beeindruckend/erschreckend, wie manche sich ihre Welt so zurecht biegen.
    Was bleibt? Weitermachen mit Aufklärung.

  15. @Peter Marksteiner

    „….da bin ich jetzt fast enttäuscht :)“

    Nun denn, dem können wir abhelfen : ob HP funktioniert oder nicht ist bei Deinem (guten) Artikel wohl nicht mehr die Frage. Aber Deine Begeisterung für „moderne“ Arzneien solltest Du ein wenig vorsichtiger dosieren. Die meisten sind reines Gift, mit machmal schlimmeren Nebenwirkungen, als die gerade zu behandelnde Krankheit. Aber welcher Arzt mag schon zugeben, dass er ohne diesen einen giftigen Stoff, der den Körper auch noch nach 10 Jahren nachteilig beeinflussen kann, völlig hilflos ist? Moderne Medizin ist auch nach den vielen positiven Forschungsergebnissen immer noch so etwas wie den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben. Hahnemann hat offensichtlich nichts besonders gutes „erfunden“. Aber mal abwarten, was in 200 Jahren über unsere tolle Medizin gedacht wird.

  16. Hahnemann und die Cholera – hat er nicht vorgeschlagen, die Kranken mit Kampfer zu behandeln? Also eine Art Desinfektion- und nicht mit Zuckerkügelchen beworfen?

  17. > Vieles – vielmehr fast alles – was die moderne Medizin ausmacht, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch unbekannt. Über Infektionen hatte man nur vage Vorstellungen von „Miasmen“.

    Um so bemerkenswerter sind Die homöopathischen Kochsalzversuche zu Nürnberg aus dem Jahr 1835, „von einer Gesellschaft wahrheitsliebender Männer“.

    Damals waren Homöo- und Allopathie sich bekämpfende Heilmethoden. Die Fragestellung dieses Doppelblindversuchs war allerdings nicht, welche der beiden Methoden die bessere sei, sondern: Treffen Hahnmanns Behauptungen zu oder nicht?

    Wie der Titel ankündigt ging es um die „Kochsalzpotenzirung“. Das Ergebnis war disaströs und der Bericht schließt mit der Aufforderung, weitere Versuche mit Potenzierungen anderer Substanzen Doppelblindversuche anzustellen.

    Apropos: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1676327/

  18. Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. Schöne kurzgefasste Zusammenfassung. Besonders die Schlussfolgerung im letzten Absatz ist bemerkenswert.

  19. @ Karl

    Um so bemerkenswerter sind Die homöopathischen Kochsalzversuche zu Nürnberg aus dem Jahr 1835, “von einer Gesellschaft wahrheitsliebender Männer”.

    Wow. Danke für dieses Kleinod. Da ich altdeutsche Schrift noch lesen kann, hab ich mich an das Studium dieses Berichts gemacht.
    Und ich war verblüfft.
    Seit 1835 hat sich nichts, aber auch gar nichts verändert. Es ist auch nichts dazu gekommen. Die beschriebene Situation mit den Homöopathen war damals exakt schon so, wie sie es auch heute ist. Und zwar wirklich exakt so – selbst in den Details. Würde man den Bericht auf modernes Deutsch umschreiben und moderne sinngemäs gleiche Begriffe aus der heutigen Chemie/Medizin benutzen, könnte niemand feststellen, dass der Bericht gute 180 Jahre alt ist.
    Besonders aufschlussreich das letzte Kapitel, in dem ein Beispiel homöopathischer Behandlung angeführt ist. Es findet sich alles wieder, was auch heute noch von HP-Seite gemacht wird, obwohl alle Homöopathen sich auf das Schärfste dagegen verwahren. Zum Beispiel wird immer wieder angeführt, dass ein seriöser Homöopath bei einem Leiden, dass mit Globuli nicht heilbar ist, den Patienten an einen Arzt verweist. Nun, das ist graue Theorie, wie wir alle wissen. In der Praxis gibt es für alles Heilsversprechen und selbst wenn sich durch Obduktion herausstellt, dass der Patient nicht zu retten gewesen wäre (wie in dem hier angeführten Beispeil), dann war es immer der Patient, der am Tode schuld ist, weil er die Vorschriften nicht eigehalten hat. Obwohl doch der behandelnde ‚Arzt‘ selber Tage zuvor die Heilung in Aussicht gestellt hat und alles nur ‚Erstverschlimmerung‘ wäre.

    Um auch etwas beizutragen. Der Donner Bericht.
    https://www.kwakzalverij.nl/699/Der_Donner_Bericht
    Im Laufe seiner Karriere wurde Fritz Donner 1936 vom deutschen Reichgesundheitsamt damit beauftragt, Homöopathie zu überprüfen, deren Ergebnis die Nichtwirksamkeit war (das deutsche Reich hatte in dieser Zeit verständlicherweise großes Interesse an einer einfach herzustellenden Medizin). In seinem Bericht zitiert er den damaligen Vorsitzenden des deutschen Zentralverbands homöopathischer Ärzte mit „Wir können das doch gar nicht, was wir behaupten!“

  20. @Miesepeter3:

    Aber Deine Begeisterung für “moderne” Arzneien solltest Du ein wenig vorsichtiger dosieren. Die meisten sind reines Gift, mit machmal schlimmeren Nebenwirkungen, als die gerade zu behandelnde Krankheit.

    Ja. Wasser zum Beispiel. Ganz schlimm. Schon 15 Liter oral eingenommen sind tödlich. Über die Nase reichen auch drei Liter.
    Bitte komm wieder, wenn du Argumente hast.

  21. […] Peter sagt: Es ist so weit: Die medizinische Forschung hat heutzutage die „Urübel“ der meisten Krankheiten nachgewiesen: Nehmen wir Hahnemann also beim Wort – genaue Beobachtung, unermüdete Forschung und sorgfältige Vergleichung haben uns zu einem so weit fortgeschrittenen Wissensstand geführt, dass wir das Beharren auf 200 Jahre alten Dogmen getrost vergessen können. […]

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