Dieser Gastartikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb. Alle eingereichten Beiträge werden im Lauf des Septembers hier im Blog vorgestellt. Danach werden sie von einer Jury bewertet. Aber auch alle Leserinnen und Leser können mitmachen. Wie ihr eure Wertung abgeben könnt, erfahrt ihr hier.

sb-wettbewerb

Dieser Beitrag wurde von Kerstin Ludwig eingereicht.
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Viele Menschen verstehen Wissenschaftler oft nicht. Das muss nicht mal das sogenannte „Fachchinesisch“ sein, häufig sind es die kleinen Begriffe, die für Verwirrung sorgen.

Und leider gibt es Menschen, die diese Verwirrung für sich ausnutzen und dann versuchen, ihre von keinerlei Fakten untermauerten Glaubensvorstellungen durchzubringen.

Nehmen wir doch mal das schöne Wort „Theorie“.

Wir alle kennen theoretisch den Begriff. Die Theorie ist eine Vorstellung, die man hat und die noch zu beweisen ist. In der Praxis beweist sich diese Theorie dann im täglichen Leben. Richtig?

Theoretisch verfügen alle Menschen über eine Grundintelligenz.

Praktisch überkommen einen dann schon dann und wann Zweifel an dieser Theorie.

Wenn eine Theorie nicht bewiesen oder sie nicht geeignet ist zur praktischen Umsetzung, dann wird sie häufig grau. Sie ist farblos, leblos, ein reines Gedankenkonstrukt, das man nicht umsetzen kann. Die Wikipedia hat dazu eine schöne Definition:

Eine Theorie ist ein System von Aussagen, das dazu dient, Ausschnitte der Realität zu beschreiben beziehungsweise zu erklären und Prognosen über die Zukunft zu erstellen.

Eine der Theorien, die in neuester Zeit am häufigsten und vehementesten angezweifelt wird, ist die Evolutionstheorie.

Und eines der Hauptargumente der „Zweifler“ ist tatsächlich: „Es ist eine Theorie, die ist durch nichts bewiesen“. Meistens wird das dann noch ergänzt durch ein: „Wir haben hier ein Buch, in dem es konkret anders steht. Es ist Gottes Wort, das kann nicht fehlen. Die Evolutionstheorie ist nicht bewiesen, darum heißt sie Theorie.“

Viele, deren Wissen über Wissenschaftstheorie im Bereich einer Nulllinie liegt, nicken dann und sagen: „Das klingt logisch.“

Mein Wissen ist selbst nur knapp oberhalb dieser gedanklichen Nulllinie angelegt. Ich bin kein Wissenschaftler. Ich war nicht einmal auf einer Universität. Mein Wissen habe ich angelesen und mir ist bewusst, dass ich viele Lücken habe.

Doch das ist gedankliche Theorie. Praktisch kann dieser Satz schnell widerlegt werden, denn die wissenschaftliche Theorie wird noch um einen weiteren Punkt ergänzt, dem die Buchtheorie der Evolutionsleugner widersteht: Der öffentlichen Prüfung.

Theorien, die als etabliert gelten, sind durch so viele Beweise abgesichert und immer und immer wieder von den verschiedensten Menschen geprüft worden, dass sie als gesichert gelten können.

Das ist im geschichtlichen Bereich nicht immer sehr einfach. Wir waren nicht dabei, wir können oft nur extrapolieren. Aber die Erde selbst hält die Beweise vorrätig. Die C14-Messmethode zeigt recht zuverlässig das Alter eines Fundstückes an. Die Zahl der Funde und die Datierung liefert uns eine Zeitleiste, der wir folgen können. Fundstücke können neben Knochen längst vergangener Lebewesen auch Dinge des täglichen Lebens sein, soweit es Menschen betrifft.

Doch auch die Erde selbst, der Grund, auf dem wir gehen, bietet einen reichen Fundus, den das geübte Auge ablesen kann wie ein Geschichtsbuch. Man weiß, wie lange Sand braucht, bis er zu Stein wird. Wie lange ein Moor benötigt, um zu Erdöl zu werden. Wir kennen die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um Diamanten zu erzeugen. All das ergibt ein in sich stimmiges Gesamtbild, das sagt: Die Erde ist etwa 4,5 Mrd. Jahre alt. Dinosaurier waren bereits ausgestorben, als die ersten Menschenaffen anfingen, aufrecht zu gehen.

Und doch gibt es Menschen, die die Aussagen eines Buches, das von Menschen geschrieben wurde, deren Wissen nicht annähernd an das unsere heranreichte und deren Intentionen zum Teil auch sehr unterschiedlich waren, wörtlich nehmen. Weil sie es als Gottes Wort ansehen. Und die wissenschaftlichen Erklärungen sind für sie eine fluchwürdige Häresie. Für sie ist die Erde 6.000 Jahre alt und Dinosaurier und Menschen wandelten einträchtig nebeneinander auf Erden.

Ob sie das wohl auch einem ausgewachsenen Tyrannosaurus Rex erzählen würden?

Und hier kommen wir dann zu einem weiteren, häufig missverstandenen Wort.

Religionsfreiheit.

Das ist die Freiheit, meine Religion so auszuüben, wie ich es für richtig halte.

Es ist nicht die Freiheit, zu missionieren, indem ich bereits in der Schule den frei erfundenen Kreationismus als gleichberechtigte Theorie neben der bewiesenen Evolutionstheorie unterrichte. Denn anders als die Evolutionstheorie fehlen dem Kreationismus alle objektiven Beweise. Wissenschaftlichen Prüfungen hält der Kreationismus nicht stand und er erfüllt damit nicht die Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Theorie.

Die Kreationisten beschuldigen die Wissenschaft der Indoktrination. Ein weiteres Wort, das vielfacher Deutung unterliegt und je nach Standpunkt unterschiedlich interpretiert werden kann.

Schauen wir doch mal:

Wissenschaftler sind im allgemeinen weder wahnsinnig noch machtgierig. Es sind neugierige Menschen, die wissen wollen, wie Dinge funktionieren. Sie haben den eleganten Tanz der Planeten erforscht, weil sie fasziniert vom Zusammenspiel der Kräfte waren, die diesen ermöglicht. Isaac Newton hat seine Gravitationstheorie entwickelt, weil er neugierig wurde: „Warum fällt der Apfel nach unten anstatt nach oben?“ Es gibt auch hier Ausnahmen, aber die sind eher selten.

Die erste Frage, die ein Wissenschaftler lernt ist: “Warum?”

Demgegenüber stehen die unter den Kreationisten, die jedwede Neugier mit „Gottes Gebot“ verhindern. Die in fast jeder Forschung eine Abkehr von Gottes Wegen sehen. Die aber auch die alleinige Hoheit über die Deutung von Gottes Wort für sich beanspruchen. Die ihre „Schäfchen“ in „Gottes Licht“ führen wollen.

Und hier sieht man dann, wer indoktriniert. Wer andere Absichten als die, die er offen preisgibt, hat. Wissenschaftler wollen nicht führen. Sie erklären, sie lehren. Und dann ist es an der Menschheit, diesen Lehren zu folgen.

Wissenschaftler denken selbst. Kreationisten hingegen wollen für andere denken. Entscheidet selbst: Wer ist vertrauenswürdiger?

28 Gedanken zu „Grau ist alle Theorie?“
  1. Sehr interessant.
    Leider muss man dazu sagen, das es solche „Antiwissenschaftler“ auch ausserhalb jener Kreise gibt, die sich als Kreationisten bezeichnen. Aber vielleicht fallen die Kreationisten derzeit am meissten bzw. am unangenehmsten auf. – Keine Ahnung. Aber es bleibt wichtig, über sie aufzuklären und ihnen selbst zu erklären, dass sie mit ihrer „Interpretation“ daneben liegen, bzw. überziehen. Sie sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr, bzw. sie sehen sie Buchstaben und Wörter, aber nicht den tieferen Sinn dahinter.

    Trotzdem halte ich auch an dem Glauben fest, dass das dicke Buch wirklich Gottes Wort enthält. Es ist allerdings nicht immer wörtlich zu nehmen. Es darf nicht nur, sondern es muss auch interpretiert, bzw. im Zusammenhang mit der Entstehungszeit und den damals gegebenen Umständen gesehen werden. Um bei der Erzählung von der ersten Woche zu bleiben: es ist eben genau dass: eine Erzählung! Denn wie das im Detail abgelaufen ist, was dort erzählt wird, steht da ja nicht. Das erklärt eben z.B. die moderne Astrophysik oder die Evolutionstheorie. Und das sind Dinge, die den (Nomanden)völkern damals, zur Zeit der Entstehung der Texte, nicht nur niemals in den Sinn kommen konnten, sondern völlig unverständlich gewesen wären. Wenn man die Evolutionstheorie auf menschliche Gesellschaften anwendet, könnte man auch sagen, die Menschheit war dafür noch nicht bereit. Aber das ist nur meine Meinung, andere mögen das anders sehen.

  2. Von mir auch ein Lob für diesen Artikel. Man merkt, an den Sätzen wurde gefeilt, um die gewünschten Betonungen zu erzielen, und wichtige Dingen wurden verständlich erklärt. Allerdings ist der Artikel dann doch ein wenig zu tendenziell, um den Schlusssatz „Entscheidet selbst“ wirklich ehrlich wirken zu lassen.

    Ich habe mich etwas an der Erwähnung der C14-Datierung aufgehängt, deren Unsicherheiten in der Messgenauigkeit werden ja immer wieder von Kreationisten weit über die Tatsachen hinaus übertrieben dargestellt und kritisiert, und es wird so getan, als könne man damit den kompletten Fossilbefund, der die Evolutionstheorie stützt, einfach hinwegwischen, samt der zugehörigen Zeiträume. Mit dieser Methode kann man aber ohnehin nur rund 57.000 Jahre zurückdatieren, das berührt höchstens noch ein wenig die Entwicklung des Homo sapiens und des späten Neandertalers. Kritik an der C14-Methode ist also überhaupt nicht dazu geeignet, langfristige evolutionäre Prozesse – die über Jahrmillionen ablaufen – in der Gesamtheit der irdischen Lebewelt wegzudiskutieren. Zur Datierung geologischer Zeiträume werden andere radiometrische Verfahren angewendet (z. B. Kalium/Argon, Uran/Blei, Uran/Thorium/Protactinium, Spaltspurdatierung), mit denen sich bis zu viele Milliarden Jahre abdecken lassen.

    In Diskussionen mit Kreationisten vermisse ich dieses Argument regelmäßig von Seiten der Evolutionsbefürworter. Man sollte aufhören, überhaupt auf die kreationistische Kritik an der C14-Methode einzusteigen oder gar mit ihnen über deren Gültigkeit zu diskutieren, sondern ihnen kurz und bündig entgegen halten, dass diese Methode für ihr Anliegen ohnehin nichts zur Sache tut. Als Nebeneffekt würde es vielleicht auch endlich aufhören, dass in der breiten Öffentlichkeit C14 als der einzige und heilige Gral der erdgeschichtlichen Altersdatierung missverstanden wird.

  3. @Geologe, #4:
    Das ist ein guter Einwand. Das Problem dürfte sein (war jedenfalls bei mir bis eben so), dass viele den Oberbegriff „radiometrische Verfahren“ nicht kennen und ihnen deshalb vielleicht nur schwammig klar ist, dass es neben der C 14-Methode auch noch andere Methoden gibt, die dann auch für grössere Zeiträume geeignet sind.
    Andererseits sollte es aber ausreichen, darauf hinzuweisen, dass sie selbst dabei mit ihren 6000 Jahren daneben liegen. – Obwohl, dass könnte für die dann auch der Aufhänger sein, um sich an den Ungenauigkeiten festzubeissen…

  4. Danke für die Blumen 🙂

    @Geologe: Du hast Recht, doch die C14-Methode ist allgemein bekannt. Hätte ich andere Methoden erwähnt, hätte ich sie erklären müssen und dann wäre auch die Grundaussage verwässert worden.

    Für mich ist es übrigens völlig legitim, wenn man an etwas glaubt, solange man darüber nicht vergisst, dass die Bücher von Menschen mit Absichten geschrieben wurden. Die Bibel wörtlich zu nehmen, heißt auch: Aufgabe aller Errungenschaften und Einsichten, die wir seit der Aufklärung gewonnen haben.

  5. Ich finde den Artikel auch sehr gelungen, danke!
    In meinen Augen ist die erste Frage, die sich ein Wissenschaftler stellt eher das „Wie?“, weil ich das „Warum?“ mehr Richtung Philosophie lege.

  6. CM, es hatte auch eine ganz andere Zielrichtung 🙂

    Krypto: Gut, dass kann man jetzt hervorragend diskutieren. Für mich war „Warum“ die Kurzform von „Warum funktioniert das so?“ 😉

  7. „und Dinosaurier und Menschen wandelten einträchtig nebeneinander auf Erden“

    Nicht nur auf Erden – auch auf der Arche Noah (von jedem Dino zwei Stück…).

  8. Gustavus: An der Stelle hab ich nen Lachanfall gekriegt.

    Ich stell mir grad Noah vor, wie der grad mit zwei T-Rex rumeiert, während im eine Katze die Robe hochklettert, weil sie unbedingt auf der Schulter pennen will und der Hund ihm ans Bein pinkelt. 😉

  9. Hm… stimmt, für so einen T-Rex war die Arche viel zu klein, dabei war der T-Rex gar nicht mal der grösste unter den Dinos, wenn auch der Gefährlichste. Aber nach den im Alten Testament überlieferten Beschreibungen taten sich alle Tiere bis zur grossen Flut ja sowieso nichts, also kann der T-Rex danach auch nicht gefährlich gewesen sein, und auch Fuchs und Hase konnten friedlich nebeneinander ruhen. – Oder ein Schaf zwischen den Löwen und anderen „Miezekatzen“ dieser Grössenordnung…

  10. Hmm. Dann muss ich dem Herrn aber ein gestörtes Design-Verhältnis unterstellen. So ein Raubtiergebiss ist nicht besonders effizient um damit Blättchen, einen grossen Haufen Blätter, einen riesigen Haufen Blätter zu zerkleinern.

  11. @Hans

    Aber nach den im Alten Testament überlieferten Beschreibungen

    Ja, schon seltsam, dass zeitgenösische Darstellungen die Viecher einfach unterschlagen …genauso wie die allseits beliebten (Unter-)Wasserpflanzen: Paradeiser. Auch unter den Millionen Viechern ( es sei nur an die ganzen unschuldigen Lämmer erinnert) eben genau die Überlebensberechtigten auszuselektieren – welch logistische Leistung; da macht es natürlich Sinn den Megalodon und sonstige Trilobiten auszunehmen…
    Disclaimer: Selbstverständlich werden Solanum lycopersicum nicht als Fauna-Vertreter gezählt.

  12. @Tante Jay
    Ja, Unterwasserdinos sind unproblematisch. Überhaupt ist „Gottgefälligkeit“ danach im Wasser wohl Usus. So als Qualle ohne Gehirn oder Röhrenwurm…und Fische sowieso. Ebenso Decapoda… aber das ist ja auch was anderes als Spinnen und Kerbtiere im heimischen Garten.

  13. Wobei noch zu Bedenken ist, dass die ganze Argumentationslinie ja schon vor logischen Fehlern trieft:
    Ein ‚allwissendes‘ Wesen baut Lebewesen, kommt dann drauf (wohlgemerkt allwissend), dass es nicht wie geplant läuft, bringt alle um mit einer Flut (wieso lässt er sie nicht einfach tot umkippen), außer einigen die einem (scheinbar) verrückten Schiffbauer folgen, auf einem Schiff wo alle lieb zueinander sind.
    Sowas glaubt jemand ????

  14. Wenn ich Pfarrer wäre, würde ich die Autorin als Gastpredigerin einladen … 🙂

    Nein, toller Artikel, da wird angenehm unaufgeregt ein hochbrisantes Thema behandelt.

    Und sehr anregend zum Darübernachdenken.
    Was allerdings fehlt, ist ein Hinweis auf die Etymologie des Wortes Theorie
    (=> https://en.wikipedia.org/wiki/Theoria)

    Demnach kann man nicht nur mit den Augen sehen, dh mit allen Sinnen die Wirklichkeit zu erfassen suchen, sondern sich auch einer gedanklichen, rein geistigen Schau hingeben.

    Das mag zu früheren Zeiten zu einigermassen befriedigenden Ergebnissen geführt haben, der Hinterausgang mit dem Schild „Glauben“, den jede Theorie demnach hat, wurde akzeptiert, – aus der Theorie kann dadurch aber eine Deo-rie werden, wie zB bei den Kreationisten.

    Was ebenfalls als fehlend empfunden werden könnte, ist der Hinweis auf die Freiheit in der Wahl einer Theorie, also auf den Ausgangspunkt, von wo aus die Fragen gestellt werden, damit das Ziel, nämlich eine maximale Ergebnisoffenheit gewährleistet ist. Aber keine Angst, bei einem Baum, der wächst, fällt die Rinde von selbst ab.

    Theorien fallen heutzutage nicht mehr vom Himmel, zB in Form eines heiligen Buches, sondern basieren ihrerseits auch auf vielfältigen, theoretischen Vorarbeiten.

  15. 🙂
    Der Link war gesetzt – zur deutschen Wikipedia, ist aber hintenrübergefallen. Kann gut mein Fehler gewesen sein. 🙂

    Der Punkt, den Ausgangspunkt in Frage zu stellen, finde ich spannend – bin ich noch nicht mal drauf gekommen. Klingt logisch, mal drüber nachdenken.

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