Nicht alles, was man in Zeitungen oder Blogs lesen, im Fernsehen sehen oder im Radio oder Podcasts hören kann, ist auch richtig. Das ist eine Binsenweisheit und eigentlich nicht weiter bemerkenswert. Medien werden von Menschen gemacht und Menschen machen Fehler. Aus meiner ganz persönlichen Sicht ist das immer dann besonders ärgerlich, wenn es um Wissenschaft geht. Es wissen sowieso schon viel zu wenig Leute über Wissenschaft Bescheid und wenn dann auch noch in der Zeitung falsch darüber berichtet wird, dann schmerzt das noch einmal extra. Und irreführende Schlagzeilen sind eine Klasse für sich. Denn wenn man etwas liest, dann auf jeden Fall die Schlagzeile. Der Artikel, der darunter folgt, mag gelesen werden oder auch nicht – aber die Schlagzeile, die ja auch überall in allen Links bei Sozialen Medien u.ä. auftaucht, ist das, was am stärksten hängen bleibt und sich am meisten verbreitet. Und wenn da Unsinn drin steht, wird eben auch dieser Unsinn verbreitet und es hilft wenig, wenn der Artikel selbst eigentlich ganz in Ordnung wäre. Natürlich darf eine Schlagzeile durchaus ein wenig provokativ sein; sie darf auch mal Dinge verkürzen und mit der Neugier der Leserinnen und Leser spielen. Aber sie sollte trotz allem keine falsche Botschaft verbreiten. Aber leider begegnen mir auch im wissenschaftlichen Bereich immer wieder solche Schlagzeilen und ich hatte schon länger vor, daraus mal eine Serie für mein Blog zu machen. Diese Serie beginnt heute und zwar mit einer Schlagzeile die ich bei „Focus Online“ gefunden habe.
„Warum in Deutschland stärkere Erdbeben drohen“(WebCite) lautet die Überschrift des am 30. Juni 2014 erschienen Artikels. Und sie legt nahe, dass es in Zukunft in Deutschland mehr Erdbeben geben wird als früher. Sie suggeriert, dass irgendetwas passiert ist, dass dazu geführt hat, dass die Zahl der Erdbeben demnächst steigen wird. Wenn uns etwas „droht“, dann ist eine neue Gefahr aufgetaucht, die zuvor nicht vorhanden wird. Was also ist passiert und was wird in Zukunft die Erde in Deutschland öfter beben lassen? Nichts, natürlich. Die Gefahr durch Erdbeben ist in Deutschland heute genau so groß wie sie es auch früher schon war und wie sie es in Zukunft sein wird. Die Erdbebenforscher haben die Gefahr nur besser verstanden als vorher.
Es geht um die Arbeit des SHARE-Konsortiums. „SHARE“ steht dabei für Seismic Hazard Harmonization in Europe und unter der Leitung von Geophysikern aus der Schweiz hat man Erdbebendaten aus ganz Europa gesammelt und historische Daten aufbereitet. Bis jetzt hatten unterschiedliche Länder unterschiedliche Messverfahren und Modelle verwendet und die nationalen Daten konnten nicht immer gut miteinander verglichen werden. SHARE hat das jetzt alles vereinheitlicht und alle Daten mit einem einzigen Computermodell ausgewertet. So war es möglich, die geologischen Bewegungen in ganz Europa in einer großen Datenbank zusammenzufassen und am Ende die European Seismic Hazard Map 2013 zu veröffentlichen. Die berücksichtigt alle Erdbewegungen die in der Vergangenheit gemessen wurden und zeigt auf, wo die geologisch aktiven Zonen zu finden sind.
Die Gefährdungswerte sind jetzt europaweit vergleichbar und Erdbebeningenieure, der Zivilschutz oder Versicherungen können ein realistischeres Bild der tatsächlichen Gefahr durch Erdbeben gewinnen als es vorher möglich war. Und unter anderem hat sich dabei auch gezeigt, dass in manchen Regionen Deutschlands, wie zum Beispiel die schwäbische Alb oder der Rheingraben im europaweiten Vergleich eine höhere Wahrscheinlichkeit für Erdbeben herrscht als man bisher angenommen hatte. Das ändert aber nichts an der tatsächlichen Gefahr durch Erdbeben. Nur weil die Wissenschaftler nun diese neue Karte veröffentlicht haben, fängt die Erde in Deutschland nicht plötzlich an, stärker zu beben als zuvor. Die Gefahr durch geologische Aktivität ist heute nicht größer als sie es in der Vergangenheit war. Es ist nichts passiert, dass eine neue „Bedrohung“ durch Erdbeben verursacht hat. Wir wissen nun nur besser über die Statistik Bescheid als vorher.
Und genau das sagt übrigens auch die Schlagzeile der Pressemitteilung der ETH Zürich aus, die über diese Arbeit informiert. Sie lautet „Wissen, wo die Erde bebt“ und genau das beschreibt die Forschung um die es geht, ziemlich genau. Wir wissen nun, wo die Erde beben kann und wo eher nicht damit zu rechnen ist. Aber das klingt halt nicht so dramatisch wie „Warum in Deutschland stärkere Erdbeben drohen“ (und warum das angeblich passieren soll, wird im Focus-Artikel natürlich auch nicht erklärt…).
SHARE ist ein sehr interessantes Projekt im Rahmen des siebten EU-Forschungsprogramms das sehr interessante und wichtige Ergebnisse geliefert hat. Es hätte bessere Schlagzeilen verdient gehabt…
P.S. Und falls ihr irgendwo andere schlechte Schlagzeilen zur Wissenschaft lest, dann sagt Bescheid!
Dann ist die Überschrift auch noch doppelt falsch: „höhere Wahrscheinlichkeit für Erdbeben“ bedeutet ja, wie du auch schreibst, „häufiger“. In der Überschrift steht aber „stärker“
Focus Online eben. Hat ja schon einen gewissen Ruf, leider wissen das noch nicht genug der Leser.
Aber die Karte ist interessant. Ich wohne in einer Gegend, die wohl kaum von Erdbeben heimgesucht werden wird, so ungefaehr suedwestliches Niedersachsen.
Und unter dem Bosporus bauen sie einen Strassentunnel, man sehe sich die Farbmarkierung dort an…
@Florian, eine OT-Frage:
Verfolgst Du auch das hier:
https://spacecollege.org/isee3/
Ich fuer meinen Teil finde es spannend.
Pete
Zitat aus dem ersten Link des Blogpsts:
Die Forscher haben herausgefunden, dass auch Deutschland nicht vor starken Beben sicher ist. „In Nordeuropa inklusive Deutschland können die Bodenbewegungen höher sein als vorher gedacht“, sagt Giardini. Deutschland zum Beispiel habe bisher kein Beben der Stärke sechs verzeichnet. Dennoch sei der Boden in manchen Gebieten sehr aktiv, etwa auf der schwäbischen Alb oder im Rheingraben. „Geologen erwarten hier alle 100 bis 150 Jahre ein Beben, das eine Stärke von sechs und mehr erreichen kann“, sagt Giardini. Die einheitliche neue Karte zeigt in diesem Gebiet daher eine größere Gefährdung an, als bislang angenommen.
Hört sich aber schon wie eine Beschreibung an, warum stärkere Beben in Deutschland drohen.
Ach ja, aber nicht das die Beben sich häufen, das steht aber auch nicht in der Überschrift von Focus Online.
@illuminat: „Hört sich aber schon wie eine Beschreibung an, warum stärkere Beben in Deutschland drohen.“
Nein. Denn wenn „stärkere Beben drohen“, dann bedeutet das, das bisher in Deutschland Beben einer gewissen Stärke aufgetreten sind, in Zukunft aber Beben stattfinden, die STÄRKER sind. Und das ist nicht der Fall. Die vereinheitlichten Daten haben gezeigt, dass die Gefährdung bisher geringer eingeschätzt worden ist, als sie tatsächlich ist. Deutschland ist heute nicht mehr gefährdet als früher. Wir haben nur bis jetzt nicht gewusst, wie hoch die Gefahrenlage ist.
@FF
Nein. Denn wenn “stärkere Beben drohen”, dann bedeutet das, das bisher in Deutschland Beben einer gewissen Stärke aufgetreten sind, in Zukunft aber Beben stattfinden, die STÄRKER sind. Und das ist nicht der Fall. Die vereinheitlichten Daten haben gezeigt, dass die Gefährdung bisher geringer eingeschätzt worden ist, als sie tatsächlich ist. Deutschland ist heute nicht mehr gefährdet als früher. Wir haben nur bis jetzt nicht gewusst, wie hoch die Gefahrenlage ist.
Die Aussage der Forscher ist, das Beben mit einer Stärke von 6 und mehr in Deutschland drohen, die bis jetzt noch nicht in Deutschland verzeichnet wurden.
Gibt es einen Beleg dafür, das es in Deutschland schon Beben mit einer Stärke von 6 und mehr gegeben hat und eine so hohe Bodenaktivität wie die in heutiger Zeit?
@illuminati: „Die Aussage der Forscher ist, das Beben mit einer Stärke von 6 und mehr in Deutschland drohen, die bis jetzt noch nicht in Deutschland verzeichnet wurden.“
Nochmal nein. Im Artikel steht „Geologen erwarten hier alle 100 bis 150 Jahre ein Beben, das eine Stärke von sechs und mehr erreichen kann“. Das ist eine statistische Aussage. Und etwas ganz anderes als „In Deutschland gibt es ab jetzt auch Erdbeben der Stärke 6 die es vorher nicht gegeben hat!“.
(Und genau darum ist die Schlagzeile auch so schlecht – weil dann der ganze Inhalt des Artikels unter dem Licht der Schlagzeile so falsch interpretiert wird wie in dieser Diskussion hier).
@illuminati:
„Die Aussage der Forscher ist, das Beben mit einer Stärke von 6 und mehr in Deutschland drohen, die bis jetzt noch nicht in Deutschland verzeichnet wurden.“
Nein. Das Stichwort lautet „verzeichnet wurden“
Die Aussage ist (ich klaube mir jetzt mal die Sätze aus deinem Zitat in #3 raus):
„In Nordeuropa inklusive Deutschland können die Bodenbewegungen höher sein als vorher gedacht“
Weil die Statistiken, die man bisher in Europa geführt hatte nicht einheitlich und nicht zusammengeführt waren.
„Deutschland zum Beispiel habe bisher kein Beben der Stärke sechs verzeichnet. „
Weil, siehe weiter unten:
„Dennoch sei der Boden in manchen Gebieten sehr aktiv, etwa auf der schwäbischen Alb oder im Rheingraben. „Geologen erwarten hier alle 100 bis 150 Jahre ein Beben, das eine Stärke von sechs und mehr erreichen kann“, sagt Giardini.“
Dh. in den letzten Jahrzehnten, seit man in Deutschland sorgfältig Statistiken über solche Erdbeben führt hat es kein solches der Stärke 6 gegeben. Könnte es aber in den letzten 100 bis 150 Jahren gegeben haben.
Das ist die Aussage.
„Die einheitliche neue Karte zeigt in diesem Gebiet daher eine größere Gefährdung an, als bislang angenommen.“
Dh. Jetzt hat man eine Statistik für ganz Europa, die zeigt, dass solche Beben (der Stärke 6) auch gelegentlich in bestimmten Regionen in Deutschland vorkommen.
Wohlgemerkt: Nicht vorkommen werden, sondern schon immer vorgekommen sind – aber eben sehr selten!
Das sieht man eben erst jetzt anhand der neuen Zusammenführung der Daten.
Das ändert aber nichts an der Häufigkeit dieser Beben – die schon immer da waren, aber, wie gesagt, nur sehr selten.
Jetzt weiss man nur besser über diese Häufigkeit bescheid.
Sonst nichts.
Ich sehe keinen Fehler in der Überschrift. Man kann sie offensichtlich falsch verstehen, muss es aber nicht. Die Überschrift sagt doch nur, dass in Deutschland stärkere Beben auftreten können als man bisher dachte bzw, als man bisher gemessen hat. Dass die Wahrscheinlichkeit für stärkere Beben größer ist als früher lese ich da nicht raus.
@jogo
Würde da jetzt stehen:
„Warum in Deutschland stärkere Überschwemmungen drohen” geht man doch automatisch davon aus, das zB. wegen dem Klimawandel, der Verbauung von Flüssen, etc. es zu STÄRKEREN Überschwemmungen kommen wird.
Das ist aber nicht korrekt, die Stärke ist völlig unverändert, man hat nur die Prognossen korrigert.
Korrekte Schlagzeile wäre:
„In Deutschland drohen häufiger Erdbeben als bisher angenommen”
@jogo
Doch, das Wort „drohen“ kann man nur so sinnvoll deuten, dass damit gemeint ist, dass nun stärkere Beben auftreten als in der Vergangenheit.
Ein ganz gutes Beispiel zu diesem Thema ist die Frage ob ein Baum der im Wald umkippt ein Geräusch macht, wenn niemand dabei ist um es zu hören.
So wie Focus die Überschrift geschrieben hat haben sie überall im Wald Mikrofone aufgestellt, einmal ein krachendes Geräusch gehört und schreiben nun „Sensation, neue Forschung zeigt: Bäume machen ein Geräusch wenn sie umfallen!“
Nur dass man in der Zukunft im Wald beim Spaziergang nicht öfter umfallende Bäume hören wird als in der Vergangenheit.
Hier hat der Focus (ausnahmesweise? Hahahaahaaaa) schlampig gearbeitet und einen Artikel zu reißerisch formuliert, so dass er ein Bedrohungspotential deutlich überhöht darstellt.
Da Florian ständig Mails von Leuten bekommt die sich vor dem Weltuntergang fürchten (dank Zeitungen, Fernsehen, Internetgerüchteküche) ist es nur verständlich, dass er etwas dagegen hat, wenn sich nun Leute in Norddeutschland erstmal erdbebensichere Häuser bauen wollen.
„Nein. Denn wenn “stärkere Beben drohen”, dann bedeutet das, das bisher in Deutschland Beben einer gewissen Stärke aufgetreten sind, in Zukunft aber Beben stattfinden, die STÄRKER sind. Und das ist nicht der Fall.“
Doch. Genau das ist der Fall. Auf jeden Fall ist es wahrscheinlich, dass stärkere Erdbeben auftreten, sicher ist das nicht. Und dafür muss sich die Wahrscheinlichkeit für Erdbeben einer gewissen Stärke nichtmal ändern. Das ist doch reine Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wenn ich mit einem Würfel (1-6) bisher nur Einsen gewürfelt habe „drohen“ mir in Zukunft auch höhere Zahlen…
Die Überschrift ist sicher nicht ideal, da missverständlich. Aber man kann die Mehrdeutigkeit (Wissenschaftlich korrekt) auflösen: Die Erdbeben-Wahrscheinlichkeit ist höher (als bisher gedacht). Oder: Künftig gibt es mehr starke Erdbeben als bisher (by chance).
@lea: „Doch. Genau das ist der Fall. Auf jeden Fall ist es wahrscheinlich, dass stärkere Erdbeben auftreten,“
Dann erklär mir doch mal bitte, WARUM es wahrscheinlich ist, dass ab jetzt stärkere Erdbeben stattfinden können. Welche Aussage; welches Forschungsergebnis lässt diesen Schluss zu?
„Wenn ich mit einem Würfel (1-6) bisher nur Einsen gewürfelt habe “drohen” mir in Zukunft auch höhere Zahlen…“
Nein. Statistik funktioniert so nicht. Die Wahrscheinlichkeit eine 1 (oder eine andere Zahl) zu würfeln ist immer gleich hoch; selbst wenn du davor 1000 Mal ne 1 gewürfelt hast.
Genau. Weil nämlich auch eine Maximalstärke von (zukünftigen) Erdbeben nicht angegeben werden kann. Wäre dem übrigens doch so, könnten Erdbeben auch vorausgesagt werden. Es gibt da so einen gewissen Astrologen, der sich das mal merken sollte.
Sensationsgierige Schlagzeilen, und schlimmer noch, sachlich falsche Artikel sind auch mir schon lange ein Dorn im Auge. Ich erinnere mich noch mit Grausen an die „Wissenschaftler bauen Katzengehirn nach“ Stories oder den letzten Monat auftauchenden „Porno gucken lässt das Gehirn schrumpfen“ Unsinn (mehr dazu hier: https://www.wired.com/2014/06/is-it-really-true-that-watching-porn-will-shrink-your-brain/).
„Das ist doch reine Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wenn ich mit einem Würfel (1-6) bisher nur Einsen gewürfelt habe “drohen” mir in Zukunft auch höhere Zahlen…“
Das mit einer Erdbebenstatistik zu vergleichen, ist Nonsens,
Wie häufig habe ich bereits gewürfelt?
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Zahl des Würfels gewürfelt wird?
Ändert sich etwas an dieser Wahrscheinlichkeit, wenn eine Zahl bereits gewürfelt wurde?
Du merkst, dieses mit der oben erwähnten Erdbebenstatisstik zu vergleichen, ist Humbug. Genauso Humbug ist die zitierte Überschrift „stärkere Beben drohen“,
Die uns weismachen will, dass Wissenschaftler herausgefunden haben wollen, dass bald ein stärkeres Beben droht.
Eben nicht, die haben nur eine Statistik erstellt, wie und wo es bisher überall gebebt hat (Anzahl an Beben). Es ist absolut unseriös, daraus abzuleiten, es wird bald irgendwo ein stärkeres Beben geben (Bebenstärke).
Das ist halt Journalismus 2.0.
Schlagzeilen müssen offensichtlich reißerisch sein und schreien um die Aufmerksamkeit der geneigten Leser zu erhalten. Seiten wie „Huffington Post“ oder „Heftig.co“ praktizieren das aktuell sehr schön im Web. Und Boulevard-Medien wie die BLÖD oder Klatschmagazine machen seit Jahren nichts anderes.
Journalismus scheint für viele Verlage nur noch aus dem fließbandmäßigem Produzieren von belanglosem Content , Verlinken von fremden Inhalten und abschreiben von Agenturmeldungen zu bestehen um möglichst viele Klicks zu bekommen.
@FF: Guter Artikel und berechtigte Kritik!
@Florian Freistetter:
„Dann erklär mir doch mal bitte, WARUM es wahrscheinlich ist, dass ab jetzt stärkere Erdbeben stattfinden können. Welche Aussage; welches Forschungsergebnis lässt diesen Schluss zu?“
Es „können“ nicht jetzt stärkere Erdbeben stattfinden, sie hätten auch früher stattfinden können, sind sie aber nicht (Zufall). Das Modell suggeriert aber dass der Erwartungswert höher ist der Mittelwert der bisherigen Observationen.
„Nein. Statistik funktioniert so nicht. Die Wahrscheinlichkeit eine 1 (oder eine andere Zahl) zu würfeln ist immer gleich hoch; selbst wenn du davor 1000 Mal ne 1 gewürfelt hast.“
Du kritisierst wissenschaftlich mehrdeutige Überschriften und stützt das mit „wissenschaftlichen“ Argumenten wie „Statistik funktioniert so nicht“ und indem Du mir Aussagen unterstellst die ich nie gemacht habe? Ich habe nie behauptet dass sich die Wahrscheinlichkeit einer Eins sich ändert. Aber wenn die ersten tausend Würfe eine eins waren ist deren Mittelwert eben 1. Der Erwartungswert der nächsten tausend dagegen ist 3.5!
@lea: „indem Du mir Aussagen unterstellst die ich nie gemacht habe? „
Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, auf das du hinaus willst. Es geht um folgendes:
*) An der Gefahr durch Erdbeben hat sich nichts geändert. Die reale Gefahr ist heute noch immer genau so groß wie sie es gestern war.
*) Geändert hat sich unser Wissen um die Gefahr.
*) Und deswegen „drohen“ uns auch nicht mehr Erdbeben als bisher stattgefunden haben.
*) Die Schlagzeile sagt aber genau das Gegenteil.
Wo genau ist jetzt das Problem?
@Rob
„Du merkst, dieses mit der oben erwähnten Erdbebenstatisstik zu vergleichen, ist Humbug. Genauso Humbug ist die zitierte Überschrift “stärkere Beben drohen”,
Die uns weismachen will, dass Wissenschaftler herausgefunden haben wollen, dass bald ein stärkeres Beben droht.“
Ich finde es ja toll mehrdeutige / wissenschaftlich fragwürdige Überschriften zu kritisieren (wenn sie von vielen Leuten missverstanden werden). Das dann damit zu stützen etwas sei „Humbug“ ist aber eher peinlich. Und das zu tun indem man die mehrdeutigen Aussagen einfach interpretiert wie sie einem gefällt um sie lächerlich zu machen hat mit Wissenschaftlichkeit nichts zu tun.
(Es drohen stärkere Beben (als bisher angenommen) oder es drohen stärkere Beben (als sie in der Vergangenheit aufgetreten sind) sind doch zwei korrekte Vervollständigungen der Überschrift?)
@lea
Es hat sicher aber doch faktisch nichts geändert. Nur unser Wissen über die Gefahrenlage Deutschlands im Vergleich zu anderen Ländern in Europa. Dadurch gibts weder häufigere noch schwerere Beben als vorher. Und das ist das irreführende in der Überschrift was Florian hier zu recht anprangert.
Wenn die Überschrift hieße „In Deutschland drohen stärkere Beben als bisher bekannt“, dann wäre deine Argumentation und auch die Überschrift völlig korrekt. Allerdings steht da eben nicht „als bisher bekannt“ entsprechend liest es sich als „Warum sich in Deutschland die Gefahrenlage bezüglich Erdbeben verschlimmert hat“. Hat sie nicht. Die Gefahrenlage ist die gleiche geblieben. Nur das wissen darum, dass sie existiert ist neu.
Die Einsturzgefahr eines Hauses mit maroder Bausubstanz hängt schließlich auch nicht davon ab, ob man davon weiß dass die Bausubstanz marode ist (und auch nicht davon, dass es ja „bisher noch nicht eingestürzt ist“).
P.S: Zwar spricht das der Artikel scheinbar überhaupt nicht an, aber:
Erwartet man nicht (im Gegensatz zu dem genannten rein statistischen Würfelmodell) in Erdbebengebieten tatsächlich eine erhöhte Gefahr für stärkere Beben, nach längeren Zeiten eher geringerer geologischer Aktivität? Die Schlagzeile könnte damit im Prinzip sogar (versehentlich ^^) Substanz haben.
@Sunny
„als vorher“ steht ja auch nicht im Titel. Da steht nur „es drohen stärkere Beben“. Das ist natürlich bewusst missverständlich, aber ohne den Zusatz „als vorher“ nicht sachlich falsch, nur eben irreführend. „als bisher gedacht“ wäre richtig und wird erst im Text erklärt.
Mir ist in letzter Zeit auch aufgefallen, dass bei SpOn die Schlagzeilen in dieser Art formuliert werden, und in der Kurzbeschreibung wird dann oft eine „Überraschung“ oder dergleichen versprochen. Natürlich will man die Klickzahl erhöhen, um mehr Geld zu verdienen. Natürlich kann man das anprangern.
Schon lange mit dem Kopf schütteln muss ich über die Schlagzeilen auf Frauenzeitschriften, wo die Leserschaft regelmäßig mit Scheinmeldungen über Prominentenschwangerschaften in die Irre geführt wird. Scheint irgendwie keiner mitzubekommen, dass das Fakes sind. Aber was bei Klatsch noch durchgehen mag, ist bei Wissenschaft natürlich ein no-go.
„In Deutschland können die Bodenbewegungen höher sein als gedacht“
Das sagte laut Focus Prof. Domenico Giardini.
In welcher Sprache? Ich habe den Eindruck, dass es vielleicht sehr missverständlich und ungenau übersetzt wurde?
endweder meinte er:
„Die Wahrscheinlichkeit an der Häufigkeit der Beben in Deutschland wurde unterschätzt“
oder er meinte:
„Die Amplitude eines jeden Bebens wurde als zu gering eingeschätzt.“
Da beginnt das Problem: wann und wo wurde denn jemals behauptet, es geben in D in Zukunft nicht so starke Beben?
Zweitens kann man an Messungen die Amplitude eines Bebens doch immer genau messen. Warum soll da was unterschätz worden sein? Die Zusammenfassung aller Messungen in Europa sagen doch aber immer noch nicht aus, dass die „Bewegungen nun höher sind als Gedacht“, also die „Beben stärker als gedacht“ !!
ich vermute, es handelt sich um einen bewussten oder unbewussten Übersetzungsfehler, oder es wurde seitens Focus bewusst auf eine Genauigkeit der Aussage verzichtet.
Gab es da ein Interview zwischen Focus und Giardini? Wo hat Focus denn diesen Satz her?
In keiner der Schriften, die ich bis jetzt gegoogelt habe, machte Giardini hierzu jemals so eine unscharfes Aussage. Daher bezweifle ich deren Richtigkeit.
Einzig die Nachfrage bei Herrn Giardini brächte eine Erkenntnis.
Wenn Giardini tatsächlich meinte, dass die Wahrscheinlichkeit an der Häufigkeit der Beben in Deutschland wurde unterschätzt wurde – was ich einzig logisch finde, dann hat Focus hier wirklich einen Riesen Bockmist gebaut, wenn es selbst hier auf Florians Blog noch Diskussionen über unterschätzte Erdbebenstärke in Deutschland gibt, obwohl dieses Thema möglicherweise nie existierte.
@Alderamin
Ja stimmt. Du hast recht. In der Überschrift steht nur „Warum in Deutschland stärkere Erdbeben drohen“. Aber stärkere im Bezug auf was? Mein erster Gedanke war „im Bezug auf früher oder bisher“. Also wenn diese Überschrift nicht irreführend ist dann weiß ich auch nicht.
Bei „topfvollgold.de“ behandeln sie genau diese Blättchen mit diesen Überschriften die Dich zum Kopfschütteln bringen 😀 Nette Seite.
@Sunny
Genau das ist beabsichtigt. Wie bei diesen Klatschblätchen die Baby- (oder Hochzeits-)Assoziation, deswegen kam ich mit dem Beispiel.
Als ich gestern – ich glaub es war eh auf Facebook – die „Schlagzeile“ gelesen habe, war mir gleich klar, dass da ziemlich viel Blödsinn verzapft wird. Deutschland is ja erdbebentechnisch genauso vernachlässigbar, wie die österreichische Fussballmannschaft wenns um den WM Titel geht 🙂 (um halt einen aktuellen Vergleich zu haben). Die guten Schreiberlinge sollten sich einmal zu uns herbewegen. Da schepperts mindestens einmal im Jahr ordendlich. Slowenien und Friaul is da noch ein bisl „besser“. Da bebt die Erde fast monatlich. Zumeist sind es nur schwache Beben, aber wenns dort mal rumpelt, dann wackelt bei uns auch alles. Wer einmal ein Erdbeben mitgemacht hat, schreibt garantiert nicht mehr solch einen Blödsinn. Denn da wird dir schlagartig ganz anders. Eben, weil man die Teufelsdinger nicht voraussagen kann und die ansatzlos kommen. Und wenn du was spürst is es zu spät. Da hilft kein Rausrennen mehr.
@Florian Freistetter
>“Dann erklär mir doch mal bitte, WARUM es wahrscheinlich ist, dass ab jetzt stärkere Erdbeben stattfinden können.“
Dass AB JETZT habe ich eben nie behauptet, das hast Du irgendwie geschlossen?
> *) Und deswegen “drohen” uns auch nicht mehr Erdbeben als bisher stattgefunden haben.
Den Punkt mit Schwere vs. Häufigkeit mal beiseite gelassen. Wenn Gefahr bisher anhand vorheriger Erdbeben bestimmt und unterschätzt wurde schließe ich daraus, dass es in den letzten hundert Jahren durch statistische Schwankungen (wie beim Würfel) weniger gab als die Gefahr (Erwartungswert) vermuten lässt.
Was verstehst Du daran nicht?
@lea: „Dass AB JETZT habe ich eben nie behauptet, das hast Du irgendwie geschlossen?“
Das „ab jetzt“ impliziert das Wort „drohen“ in der Schlagzeile.
„und unterschätzt wurde schließe ich daraus, dass es in den letzten hundert Jahren durch statistische Schwankungen (wie beim Würfel) weniger gab als die Gefahr (Erwartungswert) vermuten lässt.
Was verstehst Du daran nicht?
Ok. Erstmal folgt nicht, dass es überdurchschnittlich mehr Erdbeben geben muss, wenn es in der Vergangenheit unterdurchschnittlich viele Erdbeben gegeben hat. Und das ist auch nicht das, was SHARE herausgefunden hat. Sie haben nicht festgestellt, dass die Erdbeben bisher unter dem Erwartungswert lagen. Sie haben nur das erste Mal EINHEITLICHE Daten für ganz Europa produziert und dabei gezeigt, dass im Europavergleich die Gefahr in Deutschland höher ist, als bisher mit den rein deutschen Modellen berechnet wurde.
Schwieriges Thema, da es hier um den Focus geht, und der ist einfach sehr oft ein Schmierenblatt. Ich würde dennoch auch sagen, dass man die Überschrift hier druchgehen lassen kann, und die Tatsache dass die Erdbebenwahrscheinlichkeit schon immer so hoch war, eher etwas für Mathematisch spitzfindige Menschen ist.
Beispiel: eine Münze wird 5 mal geworfen, zeigt immer „Kopf“. Die Leute erwarten, dass die Münze auch in Zukunft Kopf zeigen wird. Dann erscheint eine Studie, die belegt dass die Münze in je 50% der Fälle „Kopf“ und „Zahl“ zeigt. Damit hat sich die bisherige Erfahrung (100% Kopf) als zufällige Ausnahme vom Durchschnitt gezeigt, und die Annahmen für die Zukunft ändern sich entsprechend.
Genau so ist es mit den Erdbeben. Während man bislang davon ausging, Erdbeben unter der Stärke 6 seien zu erwarten, höhere Erdbeben zwar möglich aber unwahrscheinlich, so muss man nun annehmen dass stärkere Erdbeben in gewissen Zeiträumen eher wahrscheinlich sind, hingegen die Tatsache dass in den letzten Jahrhunderten keine auftraten oder keine gemessen wurden eher einem glücklichen Zufall zuzuschreiben ist.
Zur Karte: der große rote Fleck über den Ostkarpaten fällt mir auf. Liegt da ein kleiner Hotspot, der bisher unbekannt war?
@Tilman
Bei uns im Rheinland gab es in den 90ern ein Beben von 5,3 (Richterskala) und 1756 eines von geschätzt 6,4. Und das ist auf der Karte nur im gelben Bereich.
@McPomm: Wenn es ein Hotspot ist, dann ist er nicht unbekannt, denn er IST ja auf der Karte drauf. Man hört nur nicht so viel aus der Gegend, was damit zusammenhängen mag, dass von dort nicht so viele Presseverlautbarungen kommen.
Wenn es nach der Kennzeichnung geht, dann ist in weiten Teilen der Türkei, Griechenlands oder Italien die Erdbebenwahrscheinlichkeit höher. Da in dieser Region neben der Europäischen, der Asiatischen und der Afrikanischen Hauptplatte viele kleinere Platten zusammenstoßen, ist für mich ein gewisses Chaos in der Struktur nicht verwunderlich. Die Karpaten sind ein Hebungsgebirge, wie viele benachbarte Gebirgszüge auch.
@lea:
Hm, ich verstehe was Du meinst, aber ich glaube Du und Florian reden ein wenig aneinander vorbei bzw. ihr missversteht eure Aussagen. Die Gefahr hat sich nicht verändert, ist aber wohl größer als vorher angenommen. Eigentlich eine recht einfache Sache. Aber Florian kritisiert die Schlagzeile hauptsächlich für ihre irreführende Formulierung während es Dir eher um die mögliche Auslegung und Details geht.
@Florian:
Ich hoffe, Du bist mir nicht böse wenn ich mich einmische, aber ich habe leas Posts jetzt mehrfach gelesen und zunächst auch falsch verstanden. Sind vielleicht ein wenig unglücklich formuliert – aber ich glaube, ihr seid eigentlich der gleichen Ansicht. Vielleicht hilft nochmaliges lesen mit ein bischen gutem Willen (?) – ich fänd’s jedenfalls schade wenn ihr euch streitet, obwohl ihr doch eigentlich auf der selben Seite steht…
@Michael Wölk: „Die Gefahr hat sich nicht verändert, ist aber wohl größer als vorher angenommen“
Exakt. Das hab ich so ja auch im Artikel geschrieben: „Die Gefahr durch geologische Aktivität ist heute nicht größer als sie es in der Vergangenheit war. Es ist nichts passiert, dass eine neue „Bedrohung“ durch Erdbeben verursacht hat. Wir wissen nun nur besser über die Statistik Bescheid als vorher.“
Aber die Schlagzeile suggeriert mit dem Wort „drohen“, dass die Gefahr früher geringer WAR und jetzt irgendwie plötzlich größer GEWORDEN ist. Und das ist natürlich Unsinn. Wo jetzt genau das Missverständnis mit Lea sitzt, ist mir noch nicht ganz klar.
@Florian Freistetter
„Ok. Erstmal folgt nicht, dass es überdurchschnittlich mehr Erdbeben geben muss, wenn es in der Vergangenheit unterdurchschnittlich viele Erdbeben gegeben hat“
Genau das meine ich mit dem Missverstehen. Die Folgerung habe ich nie gemacht!
Beispiel mit dem Würfel: Wenn ich hundert Einsen würfle ist es sehr wahrscheinlich dass ich in Zukunft größere Zahlen würfle (Größer als BISHER, nicht größer als der MITTELWERT)!
„Aber die Schlagzeile suggeriert mit dem Wort “drohen”, dass die Gefahr früher geringer WAR und jetzt irgendwie plötzlich größer GEWORDEN ist. Und das ist natürlich Unsinn. Wo jetzt genau das Missverständnis mit Lea sitzt, ist mir noch nicht ganz klar.“
Ich bin der Meinung, dass die Schlagzeile vielleicht missverständlich, schlecht und mehrdeutig ist, aber eben NICHT EINDEUTIG falsch.
@Florian: Ja, die Schlagzeile ist reißerischer Blödsinn, das ist klar. Lea interpretiert das Wort „drohen“ wahrscheinlich ein wenig zu frei – insbesondere Sätze wie
„(…) es drohen stärkere Beben (als sie in der Vergangenheit aufgetreten sind) sind doch zwei korrekte Vervollständigungen der Überschrift?)“
sind schon arg missverständlich wenn man nicht alle Posts gelesen hat. (zugegebenermaßen bin ich da vielleicht auch ein wenig *zu* gutmütig bei der Interpretation)
Ich verstehe das z.B. so, dass dies nur für den Kontext der ursprünglichen Erwartungshaltung zutrifft. Also dass jetzt (im Vergleich zum bisherigen Wissensstand) stärkere Beben als in der Vergangenheit „drohen“ (oder besser gesagt: entgegen der bisherigen Annahme möglich sind).
Ja, ich weiß, das ist alles sehr spitzfindig und vielleicht irre ich mich ja auch mit dieser Auslegung – aber ich würde auf jeden Fall rauslesen dass Lea nicht der Meinung ist, die *reale* Erbebengefahr oder Wahrscheinlichkeit stärkere Beben hätte zugenommen.
Da muss ich mal kurz meinen Senf zu geben: wenn du nacheinander 100 mal die Eins würfelst, ist die Wahrscheinlichkeit, beim 101. Mal keine Eins zu würfeln, eben _nicht_ höher als vorher auch. Nämlich genau fünf Sechstel. Dass die Wahrscheinlichkeit, 101 mal hintereinander eine 1 zu würfeln, sehr gering ist (wenn der Würfel nicht präpariert ist), ist eine andere Aussage. 🙂
@Michael Wölk
Ich hatte Lea (denke ich) verstanden, deswegen hatte ich als Antwort auf Sunny die #21 geschrieben. Die Aussage des Titels ist missverständlich, da unvollständig und eine falsche Aussage suggerierend, aber streng genommen steht da nichts falsches. Das Falsche entsteht erst im Kopf. Und das ist vermutlich auch die Absicht des Autors. Lea wehrt aber sich gegen die Behauptung, der Titel sei sachlich völlig falsch. Siehe #11.
Das hat Florian wiederum nicht geschrieben, sondern dass der Titel nur suggeriere, dass sich etwas an der Bebenhäufigkeit geändert hätte:
Auch das Würfelbeispiel war anders gemeint. Wenn man einen Zufallsgenerator betrachtet, der einem die letzten hundert Mal zufällig kleine Werte ausgespuckt hat, dann erwartet man nicht, dass er in Zukunft plötzlich größere Werte ausspuckt (so man den Mechanismus dahinter nicht durchschaut). Lea hat den bisherigen Kenntnisstand so aufgefasst, als ob die bisher bekannten Beben zufällig kleiner waren, als die jetzt besser bekannte Verteilung nahelegt, und dies versucht, mit den 100 gewürfelten Einsen zu verdeutlichen. Natürlich war die Bebenverteilung wie auch die der Würfelwürfe nie anders, nur ein statistischer Ausreißer, der, sobald er erkannt wurde, die zukünftige Erwartung (nicht wirklich die Verteilung) ändern wird.
So hab‘ ich Leas Posts verstanden. Vielleicht löst das den Knoten.
@McPomm, lea: Da muss ich auch mal meinen Senf dazugeben.
Das Beispiel mit dem Würfel ist kein guter Vergleich zu Erdbeben. Es kommt darauf an, ob die Einzelereignisse unabhängig voneinander sind oder nicht.. Bei einem gleichmäßigen fairen Würfel kann man annehmen, dass alle Würfe unabhängig voneinander und gleich wahrscheinlich sind. Ein Kombinationsereignis, bei dem schon ein Teil der Kombination bekannt ist, hat aber eine andere Wahrscheinlichkeit als ein Einzelereignis. Die Wahrscheinlichkeit für „n Einsen hintereinander“ ist (1/6) hoch n, und für eine weitere „Eins“ wächst die Potenz um 1 für das Gesamtereignis. Fürs Einzelereignis gilt weiter: die Wahrscheinlichkeit für „Eins“ ist 1/6, für eine „Nicht-Eins“ ist 5/6.
Erdbeben sind nicht unabhängig voneinander. Zum Einen finden Erdbeben in einem Gebiet mit einer bestimmten Grundwahrscheinlichkeit statt (die sich über die Zählung der Ereignisse über die Zeit ergibt), zum Anderen ist offenbar ein Folgebeben innerhalb einer gewissen Zeitspanne nach dem Anfangsbeben wahrscheinlicher als der durchschnittliche Erwartungswert für die Wahrscheinlichkeit. Wieweit und warum das so ist, sollte die Geologie erklären.
@Alderamin (#39): schön zusammengefasst; bin mal gespannt was Lea und Florian dazu sagen.
@Michael Wölk: Ich kann Alderamin nur zustimmen.
@lea
„Ich bin der Meinung, dass die Schlagzeile vielleicht missverständlich, schlecht und mehrdeutig ist, aber eben NICHT EINDEUTIG falsch.“
Doch sie ist eindeutig falsch und führt Menschen wie Dich in die falsche Richtung, aber ich probier mal mit meinen Worten einen anderen Blickwinkel zu schafen, die verwendeten Zahlen greif ich nur zur Veranschaulichung aus der Luft.
In Deutschalnd wussten wir bisher das die Wahrscheinlichkeit auf Beben und deren Stärke bei 4 liegt. Nach dem neuen Modell wissen wir das diese Wahrscheinlichkeit immer noch bei 4 liegt.
Wenn wir in Deutschland allerdings bisher davon ausgingen das es 2x so wahrscheinlich ist, das in Land X ein Beben mit einer bestimmten Stärke auftritt als in Deutschland, wissen wir dank diesem neuen Modell das es eher 2,5x oder nur 1,5x so ist.
@McPomm:
„Da muss ich mal kurz meinen Senf zu geben: wenn du nacheinander 100 mal die Eins würfelst, ist die Wahrscheinlichkeit, beim 101. Mal keine Eins zu würfeln, eben _nicht_ höher als vorher auch. Nämlich genau fünf Sechstel. Dass die Wahrscheinlichkeit, 101 mal hintereinander eine 1 zu würfeln, sehr gering ist (wenn der Würfel nicht präpariert ist), ist eine andere Aussage. :-)“
Wenn ich lea richtig verstanden habe, sagt sie auch nicht, dass sich die Wahrscheinlichkeit ändert. Sie betont, dassich nach jeder gewürfelten eins eine höhere Zahl erwarte. Nicht weil nach einer 1 die Wahrscheinlichkeit anders wäre, sondern weil bei jedem Wurf die Wahrscheinlichkeit hoch ist (eben 5/6) eine höhere Zahl zu bekommen. So droht eine höhere Zahl(d.h. eine höhere Zahl ist Wahrscheinlicher als die gleiche oder eine kleinere) als die vorher beobachtete 1, obwohl sich nichts an irgendwelchen Wahrscheinlichkeiten geändert hat.
ich habe leider den Artikel nicht gelesen. Ist es so dass es in der Vergangenheit einfach sehr schwache oder wenige Erdbeben gegeben hat und man jetzt weiß das sie eigentlich öfter kommen als in letzter begrenzter Zeit erfahren (dann würden in der Tat stärkere erdbeben als vorher wahrscheinlich sein, jedoch nicht wahrscheinlicher als vorher, einfach weil man immer mehr erwartet als ein unterdurchschnittliches Ergebnis, unabhängig von der Vergangenheit) oder waren die Erdbeben in letzter Zeit ’normal‘, nur man konnte alte Daten besser auswerten, richtiger einschätzen, … und hat darüber ein besseres Bild über das generelle sowie vergangene Verhalten?
Diese Überlegungen sind natürlich unter vollständiger Ignoranz irgendwelcher Abhängigkeiten der Erdbeben oder gegebener Erdbebenmodelle.
@Henning Esser: “ Ist es so dass es in der Vergangenheit einfach sehr schwache oder wenige Erdbeben gegeben hat und man jetzt weiß das sie eigentlich öfter kommen als in letzter begrenzter Zeit erfahren“
Nein. Man hat die Daten aus diversen unterschiedlichen europäischen Messungen vereinheitlicht und mit neuen Algorithmen ausgewertet und weiß nun, dass man die Gefährdungslage bisher leicht unterschätzt hatte. Die tatsächliche Gefahr ist dabei immer gleich geblieben. Wir wissen nun einfach nur GENAUER als vorher, wie groß die Gefahr ist.
„Nicht alles, was man in Zeitungen oder Blogs lesen, im Fernsehen sehen oder im Radio oder Podcasts hören kann, ist auch richtig“.
Nun ja, man kann es auch weniger vorsichtig ausdrücken, zum Beispiel wie Herr Tucholsky bereits anno 1925:
„Selbst die Nachrichten die nicht in den Zeitungen stehen, sind erlogen.“
q.e.d. – täglich.
Sehr nahe an Deutschland: Das Basler Erdbeben von 1356 war ziemlich heftig. Und sehr wahrscheinlich stärker als Stärke sechs.
Halli hallo Herr Freistetter,
mit welcher Beharrlichkeit und auch Qualität sie versuchen Wissen zu schaffen, zu verbreiten und dafür einzustehen ist für mich immer wieder phänomenal.
Ich lese gerade Ihr aktuelles Buch und wenn ich es könnte würde ich Ihnen irgendeinen wissenschaftlichen Preis verleihen. Das kann ich leider nicht, aber gerade auch in diesen Beiträgen hier zeigt sich, dass sie es verdient hätten.
Für mich bleibt: „Danke und weiter so!“ zu sagen.
In diesem Sinne.
Beste Grüße aus dem hohen Norden
hs
@Heiko: Danke für das Lob! Und mal sehen, vielleicht kriegt ja man Buch noch irgendwann mal einen Buchpreis. Beim letzten hat es ja auch geklappt: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/04/06/eindruecke-von-der-langen-nacht-der-forschung-und-der-verleihung-der-wissenschaftsbuecher-des-jahres-2014-in-wien/
@Klaus #46
Es steht klar zu erwarten, dass in den Zeitungen mehr sowie stärker gefälschte Nachrichten drohen.
… bin jetzt bis Kommentar #28 vorgedrungen und bin der Meinung, lea hat recht. Sie wurde falsch verstanden. Ihr Kommentar wurde mit falschen Voraussetzungen gelesen und misinterpretiert. Man kann es aber auch mit dem Haare-spalten übertreiben.
PS: wenn ich achthundert mal hintereinander eine 1 gewürfelt habe, würde ich mein komplettes Hab und Gut inklusive Hinterteil verwetten, dass auch der achthundertunderste Wurf (mit dem selben Würfel) eine 1 gibt …
@Yeti: „wenn ich achthundert mal hintereinander eine 1 gewürfelt habe, würde ich mein komplettes Hab und Gut inklusive Hinterteil verwetten, dass auch der achthundertunderste Wurf (mit dem selben Würfel) eine 1 gibt …“
Das nennt sich „Gamblers Fallacy“: https://de.wikipedia.org/wiki/Spielerfehlschluss
@Yeti: aber nur dann, wenn du berechtigterweise davon ausgehen kannst, daß der Würfel gezinkt ist. Wenn die achthundert Einsen wirklich nur Zufall und keine Manipulation waren, dann wärst du mit deinem Vorgehen schlecht beraten.
@Yeti, FF: Es kommt also darauf an, ob man vorher sicher weiß, dass der Würfel gezinkt ist oder nicht gezinkt ist. Wenn man es nicht gerade selbst gemacht hat, weiß man das im realen Leben eigentlich nicht. Daher würde ich eher wie Yeti darauf wetten, dass es sich in dem Fall um einen gezinkten Würfel handelt. — Im anderen Fall des Wissens um einen nicht-gezinkten fairen Würfels natürlich nicht.
Bedingte Wahrscheinlichkeiten sind echt tricky und schwer zu verstehen.
@DeLuRo: so in etwa.
Die Wahrscheinlichkeit, 800 mal hintereinander 1 zu würfeln ist so astronomisch klein. Wenn dieses Ereignis also tatsächlich eintritt ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Würfel gezinkt ist entsprechend astronomisch hoch. Deswegen hatte ich extra schon 800 und nicht 10 genommen.
@Yeti
Das sehe ich aus so. Ich würde von einem gezinkten Würfel ausgehen. Allerdings ziehe ich daraus eine andere Schlussfolgerung für die Wette auf den 801. Versuch.
Wenn der Würfel vermutlich gezinkt ist und ich das nicht erkannt habe, dann stehe ich vermutlich einem professionellem Falschspieler gegenüber. Dann ist es völlig egal was ich wähle. Er wird dafür sorgen, daß das 801. Ergebnis anders ist und ich verliere.
^____^
@Basilius: Das enthält aber eine neue Komponente, so wie ich es verstehe, nämlich den perfekten Falschspieler. Vielleicht ist das auch ein extremales Beispiel für Bedingte Wahrscheinlichkeiten, nur muss man da überlegen, dass man nicht mit A-priori- und A-posteriori-Wissen durcheinander kommt.
Ich dachte oben eigentlich nur an die alternativen bedingten Wahrscheinlichkeiten für „der faire Würfel hat eine Wahrscheinlichkeit von 1/6 für jede Zahl“ und „der gezinkte Würfel zeigt die Eins mit Wahrscheinlichkeit 1“ (und in diesem 2. Fall kann man die Würfel als komplett voneinander bzw. von der Vorbedingung abhängig betrachten).
Nun könnte man den Falschspieler formulieren als „der Würfel negiert meine Vorhersage mit Wahrscheinlichkeit 1“ (wobei Negieren hier durch jede andere Ziffer als die vorhergesagte entsteht). Das setzt aber voraus, dass der Würfel bzw. sein Falschspieler meine Vorhersage kennt, ich aber nicht seine, weil er sie ja nach mir benennen muss. Man kann dann wohl voraussetzen, dass die Würfe nicht mehr unabhängig voneinander sind, da ich mich in meinem Tipp auf die vorherigen beziehe (wir gingen wohl von 800-mal Eins aus), und der Falschspieler bezieht sich wiederum auf mich.
Das macht das Beispiel recht kompliziert, und ich frage mich, wohin das jetzt führen soll. Immerhin aber ist es ein Beispiel mit A-priori-Wissen und abhängigen Würfen.
Zusatz: Obiges funktioniert natürlich nur, wenn in 800 Würfen „Würfel zeigt Eins“ gilt und erst im 801. Wurf der negierende Falschspieler aktiv wird.
@ Yeti
Werter Stammeskollege – nichts für ungut –
aber einen Wert, der per definitonem nicht größer als 1 sein kann, als „astronomisch hoch“ zu bezeichnen, könnte gerade in einem Blog wie diesem zu gewissen Reaktionen des Unmuts führen. 😉
@Kyllyeti: Das lesen wir mal wohlwollend als: p = 1 ist wie das All, das „große astronomische Alles“. Und außerdem ist dann die Wahrscheinlichkeit des Komplementereignisses 1 – p und damit astronomisch klein. 🙂
@Kyllyeti
Er sagt ja auch „astronomisch klein“. Der Windows-Taschenrechner sagt uns sogar, wie klein das ist: 3,013e-623. Sicherlich astronomisch. Ich wüsste auf Anhieb keine Größe, die einen betragsmäßig so großen Exponenten hätte; das beobachtbare Weltall hat z.B. „nur“ ein Volumen von nur 7,6e+184 Plancklängen-Würfeln, mal ganz naiv als Kugel von 45 Mrd. LJ Radius gerechnet.
(Dabei ging es Lea eingangs doch nur darum, dass es statistische Ausreißer in einer Folge geben kann, aus der man falsche Schlüsse über den Mittelwert der Folge ziehen könnte, und bei ihr waren’s auch „nur“ 100 gewürfelte Einsen; vielleicht hätten es ja auch 5 getan, die Chance dafür ist mit (1/6)^5 = 1/7776 immer noch ziemlich klein)
@Alderamin
Fragt sich, ob man solche Größen dann noch als „astronomisch“ bezeichen sollte. Vielleicht wäre etwas wie „hyperastronomisch“ angemessener 😉
Dir kann geholfen werden, Alderamin: Bei denen da wirds sogar 4stellig.
@Kyllyeti: Vielleicht besser „hypoastronomisch“ oder „hypophysikalisch“.
Unterhalb des Kehrwertes der Universums-Plancklängen-Verwürfelung scheint es mir nur noch rein mathematisch zu sein.
Äh, wo kamen wir eigentlich her? Von einer schlechten Schlagzeile über Erdbeben?
@rolak
Krass, „homöopathisch“ ist also eine Steigerung von „astronomisch“. Wieder was gelernt 🙂
@DeLuRo
Klar, wenn ich jetzt einfach mit dem Falschspieler daher komme, dann geht das an der Grundidee der Aufgabe vorbei. Aber Du hast natürlich Recht. Auch den kann man modellieren und einbauen.
Ich bin von der Mathematik hinter solchen Glückspielen immer wieder fasziniert. Auch wenn ich oft sehr schnell feststellen muss, daß mir jetzt langsam die Stochastik-Puste ausgeht.
Ich erinnere mich aber immer wieder gerne an ein kurzes Schriftstück, das sehr schön und gut verständlich ein paar grundsätzliche Stammtischfragen des Lebens erklärt:
Zinsen und Betrügerische SpieleMich fasziniert, daß es bei so einfachen „Glücks“spielen fast immer noch eine tiefere Ebene gibt, an die ich bisher nie gedacht hatte.
[…] o.k., ich geb’s zu, die Titelzeile erfüllt vermutlich Florians Kriterien für eine schlechte Wissenschaftsschlagzeile, aber wir sind hier ja unter uns… Und immerhin – die Antwort auf die Frage lautet nicht […]
Es ist doch auffallen das weltweiten die Erbeben zugenommen haben im gleichen Zeitraum wo die globale Klimaveränderung stattfindet:
https://www.sott.net/category/4-Earth-Changes
„From 1973 to 1996, earthquake and eruption frequencies were almost stable, increasing only slightly year after year, but from 1996 onwards, an acceleration is noticeable. Volcanic eruptions show an increase from about 59 eruptions per year at the end of the 1990s to roughly 75 eruptions per year in the period 2007 – 2010 (+30%).
….Some scientists have become aware of a correlation between sunspots and earthquakes and want to use sunspot data to help predict earthquakes. The theory is that an intensification of the magnetic field can cause changes in the geosphere [i.e. crust]. NASA and the European Geosciences Union have already put their stamp of approval on the sunspot hypothesis, which suggests that certain changes in the Sun-Earth environment affect the magnetic field of the Earth, which can then trigger earthquakes in areas prone to them. It is not clear how such a trigger might work.“
@Esowatch2000: Das behauptet diese Seite. Verlink eine seriöse Studie, die das belegt. Wird Dir nicht gelingen: Erdbebenhäufigkeit kann zufallsbedingt schwanken, es gibt mehr Beobachter als früher und ein weltweites Informationsnetz. Die Häufigkeit hat nicht zugenommen und schon gar nicht wegen des Klimawandels.
Wenn Du das behauptest, belege das vernünftig. Nicht mit einer Seite, auf der auch lustige Videos sind, wie Zootiere einem schlafendem Wärter entkommen …
@Eso#68:
Na da hast Du ja ne schöne Eso-Site ausgebuddelt:
„SOTT.net is a research project of the non-profit Quantum Future Group (QFG). The project includes collecting, arranging, and analyzing news items that seem to best reflect the movement of macrocosmic quantum energies on the planet.“ 🙂
@krypto
Nach den Waggonladungen Müll, die sich auf dieser Webseite befinden (elektrisches Universum, drohende Eiszeit, die Wahrheit über 9/11, blabla-hastenichgesehn…) würde ich sagen, dass es sich dabei um so eine Art Kopp-Verlag für die USA handelt.