Was bisher geschah
Ich bin fast 800 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren um mir in Wien ein paar Asteroiden anzusehen. Um mich entsprechend darauf vorzubereiten – und weil die 800 km Fahrt doch ein wenig anstrengend waren – mache ich momentan in Krems an der Donau ein paar Tage Pause. Da habe ich auch genug Zeit, um noch einmal über all die Asteroiden nachzudenken, die ich unterwegs gesehen habe. Da waren die Asteroiden, die eigentlich Kometen waren. Und die Asteroiden, die man für Planeten gehalten hat. Die Asteroiden, die uns unseren Abstand zur Sonne verraten haben. Die Asteroiden, die sich auf chaotischen Bahnen bewegen. Die Asteroiden, die das Leben auf die Erde bringen. Die Asteroiden, die es vielleicht nicht gibt. Die Asteroiden, die lustige Namen haben. Die Asteroiden, die nicht zu sehen sind. Und die Asteroiden, die nicht so zu sehen sind, wie wir denken. Jede Menge Asteroiden also – aber es gibt noch viel mehr!
Die heutige Tour
Da ich ja gerade ein paar Tage Pause in Krems an der Donau mache, bin ich heute nicht weit geradelt. Nur ein bisschen durch die Stadt, zum Einkaufen. Über den Hohen Markt:
An der Gozzo-Burg vorbei:
Und dann zum Steinertor:
Außerdem ist das Wetter gerade viel zu schön – die Zeit nutze ich am besten mit einem Buch im Liegestuhl auf der Dachterasse…
Wo stecken die Asteroiden?
Die Asteroiden habe ich heute im Kloster Und gefunden. Das ist ein ehemaliges Kapuzinerkloster mitten in Krems, das auch dem entsprechenden Stadtteil seinen Namen gegeben hat. Die Stadt Krems hat zwei große Stadteile: Krems und Stein. Und Und ist dazwischen. Der Name ist immer gut für ein paar verwirrende Satzkonstruktionen… (Ich kannte mal nen Satz mit 5 „und/Und“ hintereinander, weiß aber nicht mehr, wie der geht). Der Name hat übrigens nichts mit dem Bindewort zu tun, sondern kommt vom lateinischen undas für „Welle“ und bezieht sich auf den alten Marienwahlfahrtsort Sancta Maria ad undas und die Nähe von Und zur Donau (und ihren Wellen). Das Kloster existiert schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr; heute ist dort ein Restaurant und immer wieder gibts Schicki-Micki-Parties…
Ich hab zu wenig Ahnung von der Geschichte Unds, um genau sagen zu können, was die Mönche dort früher getrieben haben. Vermutlich das, was Mönche immer so treiben: Beten, Arbeiten und Dinge aufschreiben. Besonders letzteres haben Mönche ja besonders gern gemacht. Bevor es Buchdruckereien gab, waren es meistens die Mönche, die Bücher (ab)geschrieben haben und die Klöster waren die Orte, wo Bücher und Wissen aufbewahrt wurden. Wenn irgendwo ein Mönch irgendwas aufschrieb, dann standen die Chancen nicht schlecht, dass dieses Wissen auch für längere Zeit erhalten blieb. Und deswegen wissen wir auch heute noch über einige interessante astronomische Phänomene, die Mönche beobachtet haben.
Zum Beispiel Johannes von Worcester, ein englischer Mönch, der am 8. Dezember 1128 die Sonne beobachtet hatte. Das haben vermutlich vor ihm schon viele Leute getan. Aber wie das mit der Sonne so ist, sieht man da nicht viel. Man ruiniert sich höchstens die Augen (ernsthaft, schaut nicht direkt in die Sonne!) Aber in der Abenddämmerung kann man die Sonne oft relativ gut sehen und Johannes sah etwas, das eigentlich nicht da sein sollte: Flecken auf der Sonne! Er schrieb die Beobachtung auf und zeichnete sogar ein Bild der beiden Flecken, die er sah:
Menschen haben auch schon früher von Flecken auf der Sonne berichtet, aber das ist das erste Bild, das wir von Sonnenflecken kennen. Es müssen schon gewaltige Dinger gewesen sein, wenn sie mit freiem Auge sichtbar waren und Johannes sogar Schatten und Halbschatten unterscheiden konnte. Große Auswirkungen auf die Wissenschaft hatte die Beobachtung aber nicht. Da man damals davon ausging, dass die Sonne perfekt und makellos zu sein hat, nahm man die Entdeckung nicht ernst.
Und mit Asteroiden hat die Geschichte ja auch nichts zu tun – aber ich mag sie und mag auch das Bild, deswegen erzähle ich sie gerne (das war auch das Thema, mit dem ich meine allererste Vorlesung als Dozent begonnen habe). Sehr wohl mit Asteroiden hat dagegen das zu tun, was fünf Mönche aus Canterbury 50 Jahre später beobachtet haben. Am 18. Juni 1178, so berichtet Gervase von Canterbury, geschah ein „fantastisches Ereignis“:
„Wie immer zur Zeit kurz nach Neumond zeigten die Enden der Sichel nach Osten, als sich das obere Ende mit einem Mal in zwei Teile spaltete. Aus dem Spalt entsprang eine flammende Fackel und versprühte über eine große Entfernung Feuer, heiße Kohlen und Funken. Währenddessen bebte der Mond wie in großer Furcht und, um es mit den Worten derjenigen zu sagen, die dies mit eigenen Augen sahen, der Mond wand sich wie eine verwundete Schlange. Danach nahm er seinen gewohnten Zustand ein. Das Schauspiel wiederholte sich einige Dutzend mal, die Flamme nahm ohne Regel verschiedene Formen an und beruhigte sich. Danach erschien die Sichel in einem dunklen Licht. Der Schreiber bekam diesen Bericht von Leuten, die dies mit ihren eigenen Augen gesehen haben und bereit sind mit ihrem Eid zu bezeugen, dass sie in obiger Beschreibung keinerlei Zusätze oder Fälschungen gemacht haben.“
(„Now there was a bright new moon, and as usual in that phase its horns were tilted toward the east; and suddenly the upper horn split in two. From the midpoint of this division a flaming torch sprang up, spewing out, over a considerable distance, fire, hot coals, and sparks. Meanwhile the body of the moon which was below writhed, as it were, in anxiety, and, to put it in the words of those who reported it to me and saw it with their own eyes, the moon throbbed like a wounded snake. Afterwards, it returned to its proper state. This phenomenon was repeated a dozen times or more, the flame assuming various twisting shapes at random and then returning to normal. Then after these transformations the moon from horn to horn, that is along its whole length, took on a blackish appearance. The present writer was given this report by men who saw it with their own eyes, and are prepared to stake their honor on an oath that they have made no addition or falsification in the above narrative.“)
Das klingt tatsächlich nach einem ziemlich dramatischen Ereignis. Ich kann euch nur empfehlen, euch die Episode „Heaven and Hell“ der originalen „Cosmos“-Serie mit Carl Sagan aus dem Jahr 1980 anzusehen, in dem diese Geschichte nacherzählt und mit Schauspielern nachgespielt wird. Das, was die Mönche da beschreiben klingt ziemlich genau so wie das, was man sehen würde, wenn ein Asteroid auf dem Mond einschlägt.
Und tatsächlich gibt es einen Krater auf dem Mond, der noch recht jung ist. Sein Alter passt ziemlich gut zu einer Entstehung im 12. Jahrhundert und er befindet sich in etwa dort, wo die Mönche das Ereignis gesehen haben. Es ist der (passenderweise auch nach einem Mönch benannte) Giordano-Bruno-Krater:
Der Krater hat einen Durchmesser von 22 Kilometern und man erkennt gut die „Strahlen“ die von ihm ausgehen und zeigen, dass er noch recht jung sein muss. Beim Einschlag wurde jede Menge „frisches“ Gestein aufgewirbelt und strahlenförmig in alle Richtungen geschleudert. Im Laufe der Zeit sorgt die Erosion durch Sonnenwind und Mikrometeoriten dafür, dass dieses Auswurfmaterial nachdunkelt – bei Giordano Bruno sind die Strahlen aber noch recht frisch und hell. Wie alt der Krater wirklich ist, lässt sich aus der Entfernung schwer sagen. Aber er ist auf jeden Fall jung genug, um als Resultat eines Einschlags im Jahr 1178 in Frage zu kommen.
Der Asteroid der diesen Einschlag verursacht hat, müsste zwischen 1 und 3 Kilometer groß gewesen sein. Aber so ein großes Objekt hätte ein paar Millionen Tonnen Gestein hoch geschleudert und vieles davon wäre der geringen Gravitation des Mondes entkommen und auf die Erde gefallen. Man hätte in den Tagen nach dem Einschlag eigentlich jede Menge helle Meteore und Sternschnuppen beobachten müssen. Aber davon wird in keiner Chronik und keinen Aufzeichnungen berichtet. Vielleicht haben diese Berichte einfach nicht bis heute überlebt. Oder aber die Mönche haben etwas anderes gesehen. Vielleicht haben sie gesehen, wie ein großer Meteor (so wie der Meteor von Tscheljabinsk im Jahr 2013) in der Atmosphäre der Erde zerbrach und blickten zufällig aus einer Richtung auf ihn, die es so aussehen ließ, als würde die Lichtshow auf dem Mond stattfinden. Dann wäre es auch nicht verwunderlich, dass nur die Mönche von Canterbury das Ereignis gesehen haben und sonst niemand. Zu dem Schluss kommt jedenfalls Paul Withers vom Lunar and Planetary Laboratory in Arizona.
Asteroiden zu sehen ist mittlerweile recht einfach. Die Krater vergangener Asteroideneinschläge kann man auch problemlos sehen. Mond, Merkur, Mars und auch die Erde sind voll damit. Aber einem Asteroiden live bei der Kollision mit einem Planeten zuzusehen, ist schwierig (nimmt man mal die Sternschnuppen aus, die ja im Prinzip auch „Miniasteroiden“ sind, die mit der Erde kollidieren). Wir haben 2013 den eindrucksvollen Meteor von Tscheljabinsk beobachten können. 2008 konnte der Einschlag eines (ebenfalls sehr kleinen) Asteroiden sogar vorhergesagt und danach beobachtet werden. Und dann war da natürlich noch die grandiose Show von Shoemaker-Levy-9 und seiner Kollision mit Jupiter und ein paar kleinere Kollisionen mit dem Riesenplaneten. Aber solche Beobachtungen sind immer noch seltene Einzelfälle. Das ist schade, denn wir könnten viel über die Dynamik des Sonnensystems lernen, wenn wir mehr dieser Kollsionen live sehen könnten. Aber andererseits ist es wohl auch gut so, dass sich solche Zusammenstöße nicht so oft beobachten lassen. In einem Sonnensystem in dem so etwas auf der Tagesordnung stünde, würde es sich wohl nicht ganz angenehm leben…
Wie geht es weiter?
Auch morgen mache ich noch Pause. Aber ich werde mich mal ein wenig in der Umgebung von Krems umsehen und dabei sicher auch ein paar interessante Asteroidengeschichten finden.
Ach, du weißt schon: „Zwischen Krems und Und und Und und Stein…“
Ok – ich merke, dass die Asteroiden anscheinend nicht so der Bringer sind. So wenig Kommentare wie während dieser Asteroidenserie hatte ich schon sehr lange nicht mehr im Blog. Schade – denn ich finde sie wirklich interessant, auch wenn sie nicht gerade dabei sin, mit der Erde zu kollidieren.. Aber momentan wollen alle wieder nur wissen, ob „das Biest“ mit der Erde kollidiert (dazu schreib ich am Nachmittag eh noch was)…
Seit die Regentage vorbei sind, liegen alle wohl schon im Pfingstkoma. Da geht’s doch auch um „Geist“! Also lese ich weiter und lasse meinen Geist erhellen.
Schöne Weiterfahrt!
@Mafl: „Seit die Regentage vorbei sind, liegen alle wohl schon im Pfingstkoma. Da geht’s doch auch um “Geist”!“
Das hast du sicherlich recht. Und wahrscheinlich waren auch meine Erwartungen überzogen. Aber wenn man sich solche Mühe mit ner Serie gibt (während ner Radtour täglich bloggen ist ja nochmal extra aufwendig), dann wünscht man sich natürlich besonders viel Resonanz. Aber klar – die Leute lesen und kommentieren was sie wollen und nicht das, was ich gerne hätte…
@ Florian :
Okay, ich lese alle Berichte. Aber außer zum radfahren kann ich nichts beitragen. Kometen sind für mich ‚Neuland‘. Das allermeiste was Du über die Kometen schreibst war mir bisher unbekannt.
Also, ich fand deine Artikel während der Radtour sehr lesenswert und es ist auch eine sehr beachtenswerte Leistung, quasi nebenher noch zu bloggen. Leider konnte ich fachlich nichts zu den Asteroiden kommentieren, weil ich mich da (noch) nicht auskenne.
Es muss aber auch nicht so sein, dass die Anzahl der Kommentare positiv korreliert mit der Qualität der Artikel.
die leut snd alle am rätseln und wollen das rätsel lösen, da bleibt kaum zeit zum posten 😉
Ich lese die ganze Serie mit : )
Wenn schon Originaltext … das Zitat in der englischen Wikipedia ist auch nur eine Übersetzung. Der lateinische Originaltext, zitiert nach der bei Google Books zu findenden Londoner Ausgabe von 1879:
Nam nova luna lucida erat, novitatis suæ more cornua protendens ad orientem; et ecce subito superius cornu in duo divisum est. Ex hujus divisionis medio prosilivit fax ardens, flammam, carbones et scintillas longius proiciens. Corpus interim lunæ quod inferius erat torquebatur quasi anxie, et, ut eorum verbis utar, qui hoc michi retulerunt et oculis viderunt propriis, ut percussus coluber luna palpitabat. Post hoc rediit in proprium statum. Hanc vicissitudinem duodecies et eo amplius repetiit, videlicet ut ignis tormenta varia sicut prælibatum est sustineret, iterumque in statum rediret priorem, Post has itaque vicissitudines, a cornu usque in cornu scilicet per longum seminigra facta est. Hæc michi qiu hæc scribo retulerunt viri illi qui suis hoc viderunt oculis, fidem suam vel jusjurandum dare parati, quod in supradietis nichil addiderunt falsitatis.
@Karl432: „Wenn schon Originaltext „
Nur werden leider die wenigstens etwas mit Latein anfangen können – weswegen ich den deutschen Text genommen habe. Aber wenn der lateinische Text etwas grob anderes aussagt als meine Übersetzung, dann korrigiere ich das natürlich gerne!