Was bisher geschah

Die Leute interessieren sich immer nur für die funkelnden Sterne und wirbelnden Galaxien. Die armen kleinen Asteroiden dürfen höchstens mal herhalten, um uns mit der Angst vor dem Weltuntergang zu erschrecken. Dabei sind die Felsbrocken aus dem All viel mehr als nur eine schaurige Bedrohung aus dem Weltraum (obwohl sie das natürlich auch sind). Ich habe mich daher mit dem Fahrrad auf den Weg gemacht um zwischen Jena und Wien nach interessanten Asteroidengeschichten zu suchen. Und die findet man überall. In Weida zum Beispiel, wo ein Pfarrer die Kometen erforscht oder im sächsischen Vogtland bei den Sprachpuristen. Sogar der Erfinder des „Astrodicticum Simplex“ aus der Oberfpalz hat etwas mit Asteroiden zu tun. Und heute bin ich tief im Süden der Republik auf jemanden gestoßen, ohne den die moderne Astronomie und damit auch die Erforschung der Asteroiden, gar nicht möglich gewesen wäre.

Die heutige Reise

Der gestrige Tag war nicht besonders toll; ganz im Gegenteil. Der heutige Reisetag war dagegen super – zumindest so lange, bis ich von ner bayrischen Autofahrerin gerammt wurde…

Ich bin heute schon früh morgens los gefahren und hatte in Weiden jede Menge Ziele zur Auswahl:

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Die A93 war heute den größten Teil der Fahrt über mein Begleiter – aber das war gar nicht so schlimm. Nach der Wald-Überdosis in den letzten Tagen ist ein bisschen Abwechslung ganz angenehm.

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Und die gab es heute – die Strecke war wirklich super. Gut ausgeschildert, flach und keine Matschpisten wie in den letzten 3 Tagen. Und anstatt regennasser Wälder und Berge gab es unterwegs viele nette kleine Städte zu sehen. Zum Beispiel Nabburg:

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Und das Wetter war super! Kein Regen mehr! Mit trockenen Kleidern und Schuhen radelt es sich gleich viel angenehmer.

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Karpfen hab ich allerdings keine gesehen:

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Auch nicht in der Naab, die ich heute fast den ganzen Tag entlang gefahren bin:

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In Schwandorf gabs ne Turbine:

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Und ich konnte endlich mal die Sonnencreme zum Einsatz bringen!

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Bis dahin lief alles ganz wunderbar. Aber als ich dann Schwandorf wieder verlassen wollte und im Gewerbegebiet eine Straße überqueren wollte, hat mich unfreundlicherweise ne Autofahrerin gerammt. Sie stand vor dem Fahrradübergang, entschied sich aber offensichtlich gerade dann, loszufahren, als ich mitten vor ihrem Auto vorbei geradelt bin…

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Zum Glück ist nicht viel passiert. Nur das Hinterteil meines Rads wurde getroffen und nicht der Teil, wo sich meine Beine befinden. Mein Gepäck hat auch überlebt – aber wenn ich nicht noch ne lange Strecke vor mir gehabt hätte, hätte ich mich vielleicht doch durchgerungen, die Polizei gerufen und ein bisschen Ärger gemacht. Schlimm genug, dass mich so ein Auto auf nem Fahrradübergang einfach über den Haufen fährt. Aber dann auch noch unfreundlich sein und denjenigen doof anschnauzen, den man gerade nur mit Glück nicht verletzt hat, muss dann doch nicht sein. Naja. Vielleicht sollte man in der Gegend mehr von diesen Schildern aufstellen:

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Und der Vorfall demonstriert wieder einmal, das solche baulich abgesetzten Radwege zwar oft sicherer erscheinen, es aber nicht wirklich sind. Denn dann fällt man als Radler komplett aus der Wahrnehmung der Autofahrer raus, was nicht passieren würde, wenn sich der Fahrradstreifen auf der Fahrbahn gemeinsam mit den Autos befinden würde. Naja.

Passenderweise begann es dann auch noch zu regnen, als ich die Regen überquert habe.

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Aber nur kurz. Und dann bin ich bei Sonnenschein in meinem Tagesziel angekommen. Leider nicht dem Zentrum von Regensburg, wo ja leider alle Hotels von Teilnehmern am Katholikentag belegt sind. Sondern nebenan in Tegernheim, wo es aber auch nett ist und man in der Ferne sogar die Walhalla sehen kann (oder doch nicht; siehe die Kommentare):

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Wo stecken die Asteroiden

Wo sonst, wenn nicht in Regensburg? Hier verstarb im Jahr 1630 der große Astronom Johannes Kepler. Sein 1609 veröffentlichtes Buch trägt nicht umsonst den Titel „Astronomia Nova“. Er hat tatsächlich eine völlig neue Astronomie geschaffen und sie, zwar nicht alleine aber doch maßgeblich, zu der Wissenschaft gemacht, die sie heute ist. Kepler war der erste, der die Bewegung der Himmelskörper quantitativ mit mathematischen Regeln beschreiben könnte. Der erste zumindest, dessen Regeln auch ausreichend gut mit den Beobachtungsdaten übereinstimmten.

Keplers große Leistung war nicht die Erkenntnis, dass sich die Planeten um die Sonne bewegen. Das haben vor ihm schon viele andere vermutet und durch Beobachtungen auch untermauert. Aber seine Vorgänger und Zeitgenossen waren immer davon überzeugt, dass diese Bewegung entlang kreisförmiger Bahnen stattfinden muss. Für diese Überzeugung gab es keine zwingende Grundlage, sondern hauptsächlich philosophische und ästhetische Gründe. Der Kreis war eben die perfekte Form. Aber nur weil wir Menschen etwas als „perfekt“ empfinden muss sich die Natur nicht daran halten.

In jahrelanger mathematischer Arbeit stellte Kepler fest, dass sich die Planeten auf elliptischen Bahnen bewegen und seine drei berühmten Gesetze quantifizieren diese Bewegung. Sie sagen uns, wie schnell sich die Planeten bewegen und wie die Form ihrer Bahn mit ihrer Geschwindigkeit zusammenhängt. Das war eine revolutionäre Leistung und wenn Kepler noch ein bisschen weiter gedacht hätte, hätte er noch vor Isaac Newton das Gravitationsgesetz finden können. In der Astronomia Nova steht er schon kurz davor, denn Zusammenhang zwischen Masse, Abstand und Gravitationskraft zu entdecken, ist aber die letzten logischen Schritte nicht mehr gegangen. Heute wissen wir, dass man aus Keplers Gesetzen die Gravitationsgleichung ableiten kann und das gilt natürlich auch umgekehrt.

Ein revolutionäres Buch
Ein revolutionäres Buch

Berechnet man mit Newtons Formel auf welcher Bahn sich zwei Himmelskörper gegenseitig umkreisen müssen, dann erhält man die Gleichung einer Ellipse (bzw. allgemein die Gleichung für Kegelschnitte). Allerdings nur, wenn es tatsächlich um zwei Himmelskörper geht. Sobald ein dritter Körper involviert ist, wird die Sache kompliziert. So kompliziert, dass es nicht mehr möglich ist, die Gleichungen zu lösen. Nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch. Es gibt keine allgemeine Lösung, die die Bewegung von mehr als zwei Himmelskörpern für alle Zeiten angibt. Das liegt am Chaos und den wechselseitigen Störungen, die die Planeten aufeinander ausüben.

Jeder Himmelskörper beeinflusst jeden anderen Himmelskörper mit seiner Gravitationskraft und zwar umso stärker, je mehr Masse er hat. Die Sonne hat bei weitem die allergrößte Masse und den stärksten Einfluss. Daher kann man in erster Näherung all die anderen Einflüsse vernachlässigen und nur die Wechselwirkung zwischen Sonne und Planet betrachten. Und dann erhält man Keplers elliptische Bahnen als Lösung. Aber in der Realität spielen eben auch die kleinen Störungen der anderen Planeten eine Rolle und dann sind die Keplerschen Gesetze keine exakte Beschreibung mehr. Über lange Zeiträume hinweg betrachtet, verändern sich die elliptischen Keplerbahnen der Himmelskörper. Die Ellipsen werden größer und kleiner, mehr oder weniger elliptisch und wackeln im Raum hin und her.

Die Keplerbahnen der Planeten verändern sich im Laufe der Zeit (Bild: WilloW CC-BY 3.0)
Die Keplerbahnen der Planeten verändern sich im Laufe der Zeit (Bild: WilloW CC-BY 3.0)

Und gerade wenn es um die Asteroiden geht, kann das dramatische Folgen haben. Gestern in der Oberpfalz haben wir den Asteroid Eros getroffen. Er gehört zu den erdnahen Asteroiden, einer Gruppe von Himmelskörpern die sich irgendwo zwischen den Bahnen von Mars und Venus aufhalten können. Die Bahnen der erdnahen Asteroiden sind nicht stabil; nach ein paar zehntausend bis hunderttausend Jahren stoßen sie mit einem Planeten zusammen, fallen in die Sonne oder werden aus dem Sonnensystem geworfen. Grund für die Instabilität sind die Störungen der anderen Planeten. Da die erdnahen Asteroiden immer wieder in die Nähe von Mars, Erde oder Venus kommen können, werden die von dort wirkenden Gravitationskräfte sehr stark und die Bahnen ebenso stark verändert. Langfristig können diese Asteroiden also nicht überleben.

Wenn wir heute, 4,5 Milliarden Jahre nach ihrer Entstehung aber immer noch große Mengen der erdnahen Asteroiden finden, dann folgt daraus, dass es irgendwo Nachschub geben muss. Irgendwo her müssen immer wieder neue Himmelskörper auf die instabilen Bahnen kommen. Diese Quelle liegt im Hauptgürtel, also der Region zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter, wo im 19. Jahrhundert die ersten Asteroiden entdeckt wurden und wo wir auch heute noch die meisten kennen. Da die kleinen Felsbrocken dort vergleichsweise weit weg von störenden Planeten sind, sind auch ihre Keplerbahnen weitestgehend ungestört und sie ziehen friedlich ihre Runden um die Sonne, so wie sie es schon seit Jahrmilliarden tun. Aber trotzdem im Asteroidengürtel enorm viel Platz ist kommt es doch immer wieder Mal zu Kollisionen zwischen den Objekten. Die verändern natürlich die Bahn und es kann vorkommen, dass so ein Asteroid in einer ganz speziellen Region landet.

Auch die Monde des Jupiters bewegen sich auf resonanten Bahnen.
Auch die Monde des Jupiters bewegen sich auf resonanten Bahnen.

In bestimmten Bereichen im Sonnensystem wirken Resonanzen. Was da genau passiert, habe ich hier ausführlich erklärt. Aber im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, dann an einigen Positionen die Störungen des Jupiters stärker wirken können als normal. Steht die Umlaufzeit eines Asteroiden in einem ganzzahligen Verhältnis zur Umlaufzeit des Jupiters, können die gravitativen Störungen periodisch wirken und sich aufschaukeln. Das führt dazu, dass sich die Bahnen solcher resonanten Asteroiden stark verändern; so lange, bis sie irgendwann den sicheren Asteroidengürtel verlassen und dem Mars zu nahe kommen. Dann wirkt dessen Gravitationskraft und kann den Himmelskörper aus dem Hauptgürtel extrahieren und auf seinen selbstzerstörerischen Weg in die Region der erdnahen Asteroiden schicken.

Keplers große Erkenntnis aus dem 17. Jahrhundert ist heute immer noch von Bedeutung. Für viele Berechnungen und Modelle reichen seine Keplerschen Gesetze immer noch vollkommen aus. Aber man muss auch immer berücksichtigen, dass hinter der verlockenden Regelmäßigkeit seiner Keplerbahnen das Chaos wartet!

Wie geht es weiter?

Auf mich wartet hoffentlich kein Chaos – davon hab ich ja schon genug gehabt – sondern der Gäuboden. Von meinem bisherigen südlichen Kurs schwenke ich morgen Richtung Osten und mache mich auf den Weg in das Tagesziel in Deggendorf. Hoffentlich diesmal zur Abwechslung unfallfrei…

11 Gedanken zu „Mit dem Fahrrad zu den Asteroiden (Abschnitt 4): Bei Keplers Asteroidenchaos an der Donau“
  1. Hallo Florian,
    schön dass Du einigermassen wohlbehalten in Regensburg angekommen bist. Das auf dem Foto ist allerdings nicht die Walhalla, sondern schätzungsweise das Klinikum Donaustauf.

    Jedenfalls hast Du morgen nicht mehr weit zur Walhalla und ich hoffe Du lässt sie nicht links liegen. Sie ist in den letzten Jahren für ca. 13 Millionen Euro restauriert worden. Insbesondere die monumentale Freitreppe hatte unter dem Sickerwasser zu leiden. Leo von Klenze hatte zwar an vieles gedacht, aber vor 170 Jahren standen wohl noch nicht die entsprechenden technischen Möglichkeiten zu Verfügung, um die Stützwände dauerhaft abzusichern.

    So viel sei bereits verraten: In der Ruhmeshalle befindet sich mindestens ein bekannter Astronom …

    1. @Maximilian: Ja, die kam mir eh ein wenig unspektakulär vor. Ich war ja früher schon mal dort und hab sie ein wenig eindrucksvoller in Erinnerung. Aber aus der Gegend hab ich sie noch nie gesehen, daher wahrscheinlich die Verwechslung…

      Morgen werd ich sie wohl auslassen; Sightseeing entlang der Strecke ist bei Fahrradtouren immer ein wenig blöd – ich kann ja mit meinem ganzen Gepäck nirgendwo hin. Das geht erst, wenn ich am Ziel im Hotel bin. Aber mal schauen – vielleicht gibts ja in Deggendorf auch was zu sehen.

  2. Bin ehrlich gesagt gerade ein bisschen verwundert, dass du nicht auch im Nördlinger Ries einschließlich Ries-Museum vorbeischaust. Nicht gewusst oder nicht gewollt? 🙂

    1. @dilopho: „Nicht gewusst oder nicht gewollt?“

      Natürlich kenne ich das Nördlinger Ries. Aber das liegt leider nicht auf der Route von Jena nach Wien. Und mit dem Fahrrad kann man nicht mal eben ein paar hundert Kilometer Umweg fahren… Aber es steht auf jeden Fall auf meiner Liste und irgendwann werde ich auch dort auch noch vorbei kommen! Das Museum dort will ich auf jeden Fall mal sehen!

  3. Nun hab ich mich gestern spontan nach Wien verfügt(Westbahn hatte eh Spartag) und war im NHM. Hab mich durch die Säle 1-10 gearbeitet. War schön, onwohl man an manchem dringend etwas tun müsste. Florian, nimm eine pssende Lupe mit. Die macht die Mineraliensammlung, etliche Fossilien und auch die Meteoriten viel spannender.
    Ich hatte so ein Plastikding(Fresnel) im Scheckkartenformat, hab ich immer dabei. Und ich war froh darüber.

  4. @Florian Freistetter:

    Mmh, das hab ich jetzt erst gar nicht registriert, dass das nochmal ein ganzes Stückchen weiter im Westen ist. Aber ja, lohnt sich, auch wenn die Landschaft vom Boden aus betrachtet eigentlich gar nicht so spektakulär ist, wie es der Laie von einem Krater erwarten würde.

  5. Wenn du beim Nördlinger Ries mal vorbeischaust, dann versuch‘ auch noch zum Steinheimer Becken zu fahren – knapp 50 km weiter, und da kann man mit ein wenig Fantasie den Krater echt gut erkennen! 🙂 (und das Museum dazu ist auch nett)

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