Es geht weiter mit dem Astrodicticum-Simplex-Buchclub. Wir lesen gemeinsam ein Buch und zwar „Die Vermessung des Universums“ von Lisa Randall (Hinweis: Das hier ist keine komplette Rezension des Buches. Ich erwähne hier nur ein paar interessante Themen und gebe keinen vollständigen Überblick. Ich gehe davon aus, dass jeder der am Buchklub-Projekt mitmacht, das Buch auch selbst gelesen hat und über den Inhalt Bescheid weiß). Im ersten Teil haben wir über Sinn und Unsinn von langen Einleitungen diskutiert und über Randalls Erklärung der wissenschaftlichen Methodik. Im zweiten Teil haben wir gelesen, wie Randall Wissenschaft gegenüber Kunst und Religion abgrenzt. Im dritten Teil gab es eine Einführung in die Grundlagen der Teilchenphysik und die Funktionsweise eines Teilchenbeschleunigers und in Teil 4 hat Randall erzählt, was man mit so einem Beschleuniger alles entdecken kann und wie die Technik dahinter aussieht. Teil 5 handelte von der spannenden Konstruktionsgeschichte des LHC und den angeblichen Gefahren, die von ihm ausgehen. Und in den nun folgenden Kapitel 11 und 12 geht es um die Frage, wie man Risiken eigentlich abschätzt und wie man vernünftige Messungen anstellt.
Im letzten Kapitel des Buchs hat Randall über die Frage gesprochen, ob am LHC schwarze Löcher entstehen können, die irgendwann die Erde zerstören. Das ist natürlich nicht der Fall – aber es zeigt, wie man sich mit Risiken auseinandersetzen kann und oft auch muss. Dieses Thema führt sie in Kapitel 11 genauer aus. Randall beschreibt, wie man Risiken abschätzen bzw. berechnen kann, wie schwierig das sein kann und welche Fehler dabei oft gemacht werden. Gleich am Anfang spricht so von der seltsamen Einstellung, die manche Menschen zu Risiken haben. Ganz konkret vorhandene Risiken werden ignoriert und man konzentriert sich dafür lieber auf Risiken, die nicht vorhanden sind bzw. vernachlässigbar. Die Leute regen sich zum Beispiel über die Wissenschaftler am CERN auf, die angeblich Experimente durchführen, die die ganze Erde zerstören können, ignorieren aber die Tatsache, dass die Menschheit seit einiger Zeit tatsächlich ein „Experiment“ durchführt, das das Potential hat, die Welt wie wir sie kennen komplett zu verändern. Das ist natürlich der Klimawandel und es ist seltsam, dass er von so vielen nicht ernst genommen wird. Ich möchte diese Frage daher gleich an alle zur Diskussion weitergeben:
Warum wird der Klimawandel in gewissen Kreisen immer noch so heftig abgestritten? Selbst wenn wir die Erkenntnisse der Wissenschaft ignorieren und davon ausgehen, dass die Menschen nicht verantwortlich sind für das was passiert, werden die Folgen einer Klimaveränderung deswegen ja nicht weniger schlimm und wir müssen trotzdem Wege finde, damit klar zu kommen. Und selbst wenn wir diese Folgen ignorieren und selbst wenn die ganzen Treibhausgase die wir in die Luft pusten völlig unschädlich wären, müssen wir trotzdem früher oder später (eher früher) einen Weg finden, ohne die fossilen Energiequellen klar zu kommen. Eine seriöse Auseinandersetzung mit diesem Thema sollte also im Interesse aller sein. Warum geschieht das nicht? Liegt es daran, dass viele Leute vielleicht das Gefühl haben, dass ihnen „die Wissenschaft“ oder „die Politik“ vorschreiben will, wie sie ihr Leben zu führen haben? Ist es absichtliche Ignoranz weil wir uns nicht eingestehen wollen, dass wir vielleicht gerade ganz großen Mist bauen?
Risiken abzuschätzen ist auch deswegen schwierig, weil man nicht alle Faktoren kennt bzw. nicht alle Faktoren auf allen Ebenen berücksichtigt werden. Randall bringt immer wieder Beispiele aus der Wirtschaft, wo zwar die großen Abläufe im Blick behalten werden, aber nicht das, was auf den unteren Ebenen abläuft. So können die Aktionen einzelner Bänker oder Spekulanten ganze Volkswirtschaften in Gefahr bringen. Hier unterscheidet sich die Physik aber von der Wirtschaft denn wie in Kapitel 1 beschrieben sind die Effekte der kleinen Skalen auch auf diese kleinen Skalen beschränkt und wirken sich nicht auf die größeren Skalen aus.
Ein Aspekt der Risikoabschätzung ist die Erstellung einer Kosten-Nutzen-Analyse – was in der Wissenschaft aber nicht immer so einfach ist. Die Arbeit am CERN ist Grundlagenforschung und da weiß man eben nicht im voraus, was am Ende dabei raus kommt. Die Entwicklung des World Wide Web hat für die gesamte Welt(wirtschaft) einen enormen Nutzen gehabt – aber es war nicht abzusehen, dass die Erforschung der subatomaren Welt irgendwann in einem weltweiten Datennetz für die Allgemeinheit resultieren wird und eine entsprechende Kosten-Nutzen-Analyse wäre unvollständig.
Eine weitere wichtige Frage lautet also: Wer entscheidet? Wer bestimmt, welche Projekte wichtig genug sind um umgesetzt und finanziert zu werden? Wer entscheidet, dass die Risiken gering genug sind? Eine klare Antwort gibt es nicht – aber jede Menge zu diskutieren, also gebe ich sie weiter:
Wer soll über Forschungspolitik entscheiden? Die Forscher selbst, die aber natürlich in diesen Fragen nicht neutral sein können – dafür aber am besten Bescheid wissen? Die Politiker, die als gewählte Volksvertreter eigentlich zuständig sind, aber nicht unbedingt qualifiziert und vielleicht auch von Lobbyisten beeinflusst werden? Oder die Bevölkerung selbst, die am Ende ja von den Ergebnissen profitiert, von den Risiken betroffen ist und das ganze über ihre Steuergelder auch finanziert – aber im Allgemeinen gar nicht genug Ahnung hat, um eine informierte Entscheidung zu treffen?
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch gerne auf eine sehr interessante Folge des Resonator-Podcast verweisen, bei der ein Professor für Technikphilosophie und Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag über seine Arbeit mit der Risikoabschätzung spricht.
Kapitel 11 fand ich zwar sehr interessant zu lesen – aber der Zusammenhang mit dem Rest des Buches ist mir nicht so ganz klar geworden. Bei Kapitel 12 ist das aber offensichtlich. Hier geht es um Messungen und Unsicherheiten und die spielen in der Teilchenphysik eine wichtige Rolle. In der Wissenschaft muss man sich immer damit beschäftigen, dass man die Dinge nicht beliebig exakt messen kann und der Zufall bei den Messungen ebenfalls berücksichtigt werden muss. Man muss einen Weg finden, mit den Messfehlern umzugehen und die Wahrscheinlichkeiten in den Griff bekommen. Randall spricht einen weiteren Punkt an, über den sich gut diskutieren lässt:
Im Lehrplan von Harvard wurde ein Element eingeführt, dass „empirical reasoning“ genannt wurde. Ich weiß nicht, wie es in der deutschen Ausgabe übersetzt wurde. Aber „rationales Denken“ würde vielleicht gut passen. Damit ist gemeint, dass man lernen soll, wie man empirische Daten sammelt, gewichtet, Wahrscheinlichkeiten zuweist, versteht und interpretier, Daten auswertet und vor allem feststellt, wann die Daten nicht reichen, um Aussagen treffen zu können. Wo wird so etwas auch hier bei uns gelehrt und wo sollte es gelehrt werden? Wann kann man damit anfangen, so etwas zu unterrichten? Ist das etwas, das nur für Wissenschaftler von Interesse ist oder sollte das zur allgemeinen Ausbildung in Schulen und an Universitäten gehören?
Randall betont, wie wichtig das Wissen über Messfehler und Unsicherheiten ist und das man eigentlich immer die Fehlergrenzen seiner Ergebnisse angeben muss. Aber selbst dann muss man sich auch mit den Wahrscheinlichkeiten beschäftigen und das gilt vor allem in der Teilchenphysik. Ich habe das in diesem Artikel schon mal ausführlich beschrieben und möchte das hier deswegen nicht wiederholen.
Nach all den Geschichten über Messungen und Unsicherheiten wird es jetzt langsam mal Zeit, dass wir auch erfahren, wie am LHC Dinge gemessen werden und das erfahren wir in Kapitel 13 des Buches. Kapitel 14 erklärt dann, wie man die Messungen interpretiert und (unbekannte) Teilchen identifiziert. Die beiden Kapitel sind zwar ein klein wenig länger als bisher, aber ich schlage trotzdem vor, dass wir sie bis zum 4. April lesen – denn dann haben wir auch gleich den dritten Teil des Buches abgeschlossen und können zu den interessanten Ergebnisse übergehen.
Eine Entschuldigung vorweg: Ich bin zurzeit im Urlaub in Prag und habe daher meinen Kommentar vorgeschrieben und werde ihn nun hier reinkopieren. Leider kann ich deswegen aber nicht auf die hier gestellten Fragen eingehen, weil meine Frau mich erschlagen würde, wenn ich mich im gemeinsamen Urlaub zu lange mit dem Schreiben von Blog-Kommentaren beschäftigte…
Diesmal gab es wider viel Licht und Schatten. Kapitel 11 fand ich ausgesprochen schwach. Ich bin teilweise beim Lesen eingenickt, weil die Erklärung von Risikoabschätzungen für mich ermüdend und wenig anschaulich war. Ich glaube auch nicht, dass ich wirklich verstanden habe, was genau die Autorin in diesem Kapitel vermitteln wollte. Außerdem fehlten anschauliche Beispiele.
Stattdessen gab es einen völlig unpassenden Vergleich mit den Risiken bei Finanzanlagen. Und hier merkt man in meinen Augen leider, dass die Autorin vom Thema Wirtschaft nicht allzu viel Ahnung hat. Da wäre ein Vergleich mit einem Thema, das ihrer Expertise näher liegt, sicher besser gewesen.
Denn nicht nur ist ihre Analyse der Ursachen der Finanzkrise sehr oberflächlich, sie ist auch teilweise faktisch falsch. Ein nicht zu verachtender Teil der faulen Kredite der amerikanischen Immobilienkrise beispielsweise waren nicht das Ergebnis von zu wenig, sondern von zu viel staatlicher Regulation. Es war eine politische Vorgabe an die Banken, dass sie auch weniger kreditwürdigen Kunden den Kauf von Immobilien ermöglichen sollten. Dadurch wurden die Banken genötigt, ihr Risiko bei der Kreditvergabe zu erhöhen.
Darüber hinaus sind Wirtschaft und Teilchenphysik zwei kaum zu vergleichende Systeme. In der Physik ist das Streben nach einer möglichst großen Kontrolle sämtlicher Einflüsse und Parameter der richtige Weg, um möglichst aussagekräftige und reproduzierbare Ergebnisse zu erzeugen. In der Wirtschaft hat jede kontrollierende Einflussnahme immer unerwartete Folgen. Während Elektronen ununterscheidbar sind (wie sie selbst anmerkt), sind Marktteilnehmer Individuen, die eigenen Motiven und Überzeugungen folgen.
Entsprechend schwierig ist es (anders als bei Elektronen), sie genau so zu lenken, wie man es gerne hätte (ganz zu schweigen davon, dass es ethisch einen Unterschied macht, ob man die Freiheit von Elektronen oder von Menschen beschneidet). Und entsprechend unsinnig ist es, Ökonomen mit den Maßstäben von Physikern zu bewerten. Ökonomie ist keine Wissenschaft. Ihre Prognosefähigkeit tendiert gegen Null, und Randalls Vorschlag, sich an den Daten der Vergangenheit zu orientieren, ist zwar gängige Praxis, funktioniert aber immer nur so lange, bis es dann mal wieder nicht funktioniert. Wer sich mit einem System beschäftigt, das nicht berechen- und vorhersehbar ist, sollte sich vor der Illusion hüten, das System nach den eigenen Wünschen lenken zu können.
Wie man an meinem Beitrag erkennen kann, ist er implizit auch von einer politischen Überzeugung geprägt. Das lässt sich bei Wirtschaftsfragen nicht verhindern, weil z.B. die Frage, ob Vermögen in einer Gesellschaft möglichst gleichmäßig verteilt sein sollte, eine ideologische ist und keine wissenschaftliche. Überspitzt könnte man sagen: Ein Sozialist und ein Libertarier können sich problemlos darauf einigen, welcher Versuchsaufbau ideal ist, um am LHC ein Higgs-Boson zu erzeugen. Bei der Frage, ob man den Finanzmarkt stärker regulieren sollte, wird das nicht klappen. Und das gilt auch für die Abschätzung von Chancen und Risiken in diesen grundverschiedenen Disziplinen.
Wie gesagt, insgesamt fand ich das Kapitel ziemlich misslungen.
Bei Kapitel 12 hingegen sieht das völlig anders aus. Als (bis vor kurzem noch) Mitarbeiter der PTB habe ich mich natürlich sehr gefreut über die Erklärung des Unterschieds von Genauigkeit und Präzision und über die Begründung des Strebens nach immer größerer Genauigkeit (und Präzision) in der Messtechnik. Warum es notwendig ist, die Genauigkeit des Sekundenzählens von Atomuhren von dem bereits unvorstellbaren Wert von 10 hoch minus 15 durch die Verwendung optischer Frequenzen noch einmal zu steigern auf 10 hoch minus 18, kann man eigentlich kaum jemandem erklären. Das ist ein stets wiederkehrendes Problem, das wir in der Pressestelle hatten.
Dass hohe Präzision und Genauigkeit es dem Teilchenphysiker erlauben, genau vorherzusehen, bei welchen Energien potentiell neue Teilchen zu entdecken sind, hatte ich mir bisher nicht bewusst gemacht. Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass Fortschritte in der Metrologie für die Grundlagenforschung immer einen Nutzen hat – unabhängig von den üblichen Anwendungsbeispielen rund um GPS, Mikroelektronik oder Energieeffizienz. Ich werde das Kapitel auf jeden Fall meinen ehemaligen Kollegen von der PTB wärmstens empfehlen.
Also, eins möchte ich mal sagen:
Das Buch ist genau wegen dieses Vergleiches mit dem Risiko des real existierenden (und von uns mit bedingten) Klimawandels vs. der Angst vor gefährlichen schwarzen Löchern durch das CERN sein Geld wert gewesen 😉
Das habe ich mir notiert und werde es in Zukunft gerne als Beispiel verwenden, wenn Leute trotz bisherigen nicht-Verschwindens der Erde immer noch Angst vor den Forschern dort haben.
Herrlich!
Es zeigt aber auch so schön, dass wir eben irrational sind.
Die angesprochene Resonator-Folge ist echt genial, ich habe sie auch gehört und fand sehr anschauliche Beispiele dabei, z.B. sowas ähnliches wie:
Leute haben Angst vor einer Röntgen-Untersuchung oder einer Impfung, auch wenn man ihnen so gut wie möglich das minimale Risiko erklärt und es statistisch (=rational) betrachtet sehr gering ist, dass sie einen Schaden erleiden.
Im Gegenzug aber rauchen Leute, fahren zu schnell über die Autobahn, bauen Häuser oder Kraftwerke in kritische Regionen, *obwohl* ihnen sehr plausibel erklärt wird, dass das alles riskant ist und sie mit hohem Risiko rechnen müssen.
Ein Grund für das nicht-wahrhaben oder akzeptieren wollen von so etwas wie den wissenschaftlichen Erklärungen für den Klimawandel kann – so stelle ich es mir jedenfalls vor – in der Bequemlichkeit liegen, der wir uns alle gerne hingeben.
Damit meine ich jetzt „uns“ als Durchschnittsbürger, die nur bedingt beurteilen können, was ihnen aus welcher Richtung gesagt wird.
Das ist symptomatisch: Viele zucken ja wirklich die Schultern und sagen so etwas wie „tja, man weiss doch eh nicht mehr wem man da glauben soll“ und heizen schön weiter ihre Hütte, damit sie auch im tiefsten Winter im T-Shirt drin herumlaufen können 😉
Was die Forscher vorschlagen oder fordern, hat was mit Unbequemlichkeit zu tun.
Sie sagen, wir sollen uns beschränken, z.B. nicht mehr so viel heizen, weniger Fleisch produzieren, wir sollen weniger dies und weniger das, und unsere steigende Zahl als Spezies finden sie auch bedenklich.
Das macht keine Freude, es ist einfach ein unschönes Thema was viele dann gerne verdrängen, statt sich mal rein zu hängen und ein bisschen den Grips anzuwerfen.
Wenn es um Wissenschaftler/innen geht, die Klimaskeptiker sind, kann ich nicht mitreden. Ich kann nur vermuten, dass handfeste wirtschaftliche Interessen dahinter stehen oder ein Hang zu Verschwörungsdenken.
Der macht ja nicht vor Wissenschaftler/innen halt…
Nachtrag zu meinem ersten Satz:
Das Buch ist natürlich, finde ich jedenfalls, auch aus anderen Gründen sein Geld wert…es schwang nur etwas mit mir über 😉
Ha, wie du schon schriebst war der Zusammenhang vom ersten (besprochenen) Kapitel erst nicht klar.
Das Buch von Nate Silver (The Signal and the Noise) habe ich gelesen und fand es sehr gut (mit einer Ausnahme: absolut schreckliche „end notes“, denn da wurden teilweise Halbsaetze reingepackt, die auch in den eigentlichen Text reingepasste haetten). Da gibt es dann etwas ausfuehrlichere Infos zu Finanzen. Und Baseball.
Und, um auf die Diskussion hier zu kommen, um Klimawandel. Interessanterweise argumentiert Silver eher im Bereich der Klimaskeptiker – zumindest habe ich das so verstanden. Das Kapitel hat mir als einziges nicht so zugesagt, da ich nicht genau nachvollziehen konnte, was er eigentlich sagen will.
Zurueck zu Randall. Das Buch entwickelt sich richtig gut und ich werde es sicher empfehlen mit den Worten „von den ersten Kapiteln nicht abschrecken lassen“ 🙂
Kapitel 11 halte ich für das bisher schlechteste, weil es sehr mühsam zu lesen, teils schlecht übersetzt (im Zweifel nehme ich zumindest an, dass manche Schnitzer so zustande gekommen sind) und nicht wirklich relevant für den Rest des Buchs war. Andererseits ist es doch auch irgendwie verständlich, dass Randall gerade die globale Finanzkrise als Beispiel für ein Risiko, das eben die ganze Welt betrifft, aber im Gegensatz zu Planeten verschlingenden schwarzen Minilöchern real war, zum Vergleich heranzieht.
Kapitel 12 war dann wieder kurz und gut, zwar nichts wirklich Neues für mich, dennoch schadet es nicht, die Grundlagen von physikalischen Messungen aufzufrischen.
Zu den Diskussionsvorschlägen schreib ich später noch was, wenn ich wieder an eine richtige Tastatur komme.
Kapitel 11 war mir ebenfalls zu lang. Eigendlich hatte ich das Prinzip bereits nach #10 verstanden. Der Vergleich mit den Finanzmärkten fand ich ebenfalls etwas unpassend. Zwar ist dabei auch ganz viel ‚Materie‘ spurlos verschwunden. Aber ich sehe es so wie JK, es hätte wohl besseres gegeben.
Kapitel 12 war wieder interessanter, obwohl der Unterschied zwischen Genauigkeit und Präzision zu meinem Tagesgeschäft gehört. Insbesondere das Wissen über Messfehler und Unsicherheiten ist bei uns nicht nur groß, sondern wird auch tagtäglich angewandt. Aber gerade durch dieses ‚Vorwissen‘, ist es hochspannend zu lesen was ‚bei den Wissenschaftlern‘ so Usus ist.
Dann lasse ich mich mal überraschen, wie es weiter geht …
Zur Diskussion :
Das der Klimawandel in der Öffendlichkeit keine Priorität genießt, liegt an verschiedenen Faktoren. Zum einen gibt es bezahlte Gegner, die für Geld alles abstreiten. Schließlich ist es für Firmen billiger einen Lobbyisten zu bezahlen, anstatt in Energieeinsparung / Filter u.ä. zu investieren. Insbesondere der ‚Ablasshandel‘, in dem Firmen die saubere Luft von Entwicklungsstaaten kaufen dürfen, ist sehr fragwürdig. Somit ist es für den größten Teil der ‚Normalbürger‘ kaum festzustellen, wer die Wahrheit sagt. Außerdem wird gerne Angst erzeugt. So werden alle Energiepreiserhöhungen auf den Umweltschutz geschoben. Aber die Preise sind auch schon vorher gestiegen, die Konzerne wollen auch jedes Jahr mehr verdienen. Aber heute wird die Erhöhung kaum noch hinterfragt. Wenn man sich (angebliche ??) Strömungen ansieht, die wieder die Kernenergie propagieren weil billiger …
Wer über die Forschungspolitik entscheiden soll, ist eine schwierige Frage. Sinnvoll wäre sicher ein Gremium aus Wissenschaftlern und Politikern. Würde man die Bevölkerung mit abstimmen lassen, würden (befürchte ich mal) anstatt Wissenschaftlern Fussballstars ‚gefördert‘.
Das “empirical reasoning” wurde in’s Deutsche als ‚empirisches Denken‘ übersetzt. Das macht eigendlich auch nur für Studenten / Wissenschaftler Sinn. Ohne abwerten zu wollen, aber weder eine Erzieherin, noch ein Bäcker oder KFZ-Mechaniker kann damit etwas anfangen. Somit wäre es mMn auf dem Lehrplan der Schulen überflüssig.
Zum Thema 1 Klimawandel:
Ein Grund, warum wohl immer noch viele Menschen daran zweifeln, sei es in Unkenntnis der Daten oder weil die Klimawandelskeptikerlobby „gute“ Arbeit leistet, ist wohl der Widerstand gegen Veränderungen. Solange man als Mensch ein halbwegs angenehmes Leben führen kann, ist man wohl eher dafür, das alles beim Alten bleibt, anstatt Änderungen herbeizuführen und dabei zu riskieren, dass sich die (persönliche) Lage verschlechtern könnte. Es ist wahrscheinlich schwieriger, kurzfristige Verschlechterungen (zB höhere Energiepreise zur Beförderung nichtfossiler Energieproduktion) in Kauf zu nehmen, wenn der Profit (stabilere klimatische Verhältnisse) erst mittel- bis langfristig spürbar wird.
Auch sind viele wohl mit der globalen Komponente des Problems überfordert, und solange es bei uns witterungsmäßig noch einigermaßen erträglich ist, wird von vielen eben der neue Stromleitungsmast vor der Haustür oder das Windrad auf dem nächsten Hügel wohl leider eher als störend empfunden werden als Dürrekatastrophen in Afrika oder versinkende Pazifikinseln.
Man könnte im Sinne des Buches vielleicht sagen, die wissenschaftliche Unsicherheit des ersten Beispiels ist für den Mitteleuropäer relevanter, während für die bereits jetzt unmittelbar vom Klimawandel Betroffenen diese Unsicherheit keine Rolle mehr spielt, da das Ereignis bereits eintritt.
Zum 2. Punkt, wer über die Forschungspolitik entscheiden soll, ist eine knifflige Frage, eigentlich wären ja die jeweiligen Ministerien dafür verantwortlich (na gut, in Österreich erledigt das jetzt eine Unterabteilung des Wirtschaftsministeriums, vielen Dank auch, liebe Bundesregierung), was ich in den letzten 20 Jahren so mitbekommen habe, hätte man genauso gut die Bevölkerung darüber abstimmen lassen können, auch wenn sie keine informierte Entscheidung treffen kann, wäre das Resultat vermutlich zumindest nicht viel schlechter gewesen. 😉
3. Punkt: „Empirical reasoning“ wird einfach mit „empirisches Denken“ übersetzt, meiner Meinung nach eine Methode, die im Prinzip für jeden nützlich ist, und deshalb zu den Grundlagen der Allgemeinbildung gehören sollte.
@bikerdet:
Beim Punkt „empirisches Denken“ kommt es wohl auch darauf an, wie man dieses genau definiert.
Ich finde das fängt schon damit an, ob man zum Beispiel beim Einkauf einer Dienstleistung verschiedene Angebote einholt und vergleicht und auf dieser Datenbasis eine Entscheidung trifft, oder einfach einer Empfehlung eines Bekannten folgt oder auch bloß den erstbesten Handwerker beauftragt.
Das hat vielleicht nicht viel mit Wissenschaft zu tun, kann im Alltag dennoch recht nützlich sein.
Ich fand Kapitel 11 gar nicht so schlimm und hatte Übersetzungszweifel eher bei Kapitel 12, das ich auch sonst teilweise recht umständlich fand. Jedenfalls freue ich mich, wenn es jetzt wieder mehr um Teilchen geht.
Übrigens haben wir die Hälfte des Buches geschafft!
In Kapitel 11 war die schwächste Anekdote des Buchs. Der unbenannte Kollege, der irgendeinen Plot gemacht hat, obwohl die Unsicherheit so groß war, und sich am Ende blamiert hat. Uh, das wird mir eine Lehre sein.
Überhaupt habe ich mich durch das Kapitel 11 hindurch ziemlich gequält. Über den Prognosten hätte ich gerne noch etwas Handfestes gelesen, aber der Rest war einfach nur zäh.
@stone1: Beim Einkaufen gibt es aber auch Fälle, bei denen die Kosten für die Informationsbeschaffung höher sind als die (zu erwartende) Ersparnis. Ich denke vor allem ans Tanken, aber auch an, was weiß ich, Haferflocken. Wie sehr das auch auf Handwerksleistungen zutrifft, kommt natürlich auf den Umfang an.
Zu Kapitel 12: Dass man Präzision und Genauigkeit verbessern muss, wenn man besser messen will, ist klar. Was ich aber nicht gelesen habe, ist, ob es da einen Trade-off gibt. Wenn nein, dann ist die Unterscheidung zwar da, aber unmotiviert. Wenn ja, dann brauche ich ein Beispiel und eine Richtlinie, wofür man sich entscheidet. Soll beides in der selben Größenordnung bleiben oder will man Präzision eher stärker verbessern, weil sich die Genauigkeit rausmittelt? Die Antwort ist bestimmt, es komme darauf an, aber worauf?
@ stone1 :
Empirisches Denken ist im Alltag kaum anwendbar. Natürlich kann ich mir einen Preisvergleich als ‚empirisch‘ schönreden. Das hat aber mit echtem empirischen Denken und Handeln nicht viel zu tun. ‚EP‘ ist für Wissenschaffende und Forscher zwingend notwendig, im Alltag aber undurchführbar. Möchtest Du, um bei meiner o.a. Berufswahl zu bleiben, das Brot eines Bäckers kaufen, der empierisch erforscht wieviel Salz seine Backwaren ungenießbar macht ? Oder Dein Fahrzeug einem Mechaniker, der empirisch forscht wieviel Öl im Motor sein muss ?
In meinem Arbeitsumfeld, ich arbeite in einem Prüflabor, ist ‚EP‘ verboten. Wir haben uns so exakt wie eben möglich an internationale Normen zu halten und unsere Ergebnisse so genau wie möglich (meine Anlage arbeitet mit 10 Nachkommastellen) zu dokumentieren.
Natürlich wurden die Grundlagen für meine Arbeit durch empirische Forschungen über Jahrzehnte hinweg geschaffen. Aber um internationale Vergleichbarkeit zu garantieren hat man sich eben an diese Normen zu halten. Und stelle Dir mal vor, wenn der Azubi zuerst mal empirische Studien zu seiner übertragenen Arbeit anstellen wollte. Was würde wohl der Meister sagen ?
Tatsächlich müßten hier auch die Bedingungen der ‚effektiven Theorie‘ angewand werden. Macht ‚EP‘ an dieser Stelle Sinn oder nicht. In unserem Alltag im allgemeinen nicht. Das hatte ja auch ‚undeednu‘ bemerkt. Zumal ja nicht nur der Preis der Handwerker verglichen werden muss, sondern auch die Qualität der Ausführung. Und spätestens da stößt das EP an seine Grenzen.
@undeednu, bikerdet:
Gut, da habe ich den Begriff des empirischen Denkens wohl etwas zu weit gefasst.
Verschiedene Angebote von Handwerkern kann man allerdings auch telefonisch einholen, was ich im aktuellen Fall (Wohnung ausmalen) gemacht habe, bei drei Angeboten habe ich mit dem günstigsten immerhin ca. 200€ gespart, bei einem Zeitaufwand für die Recherche von insgesamt etwa 1 Stunde, insofern würde ich sagen, es hat sich ausgezahlt, und an der Qualität der Ausführung gibt’s auch nichts zu bemängeln. 🙂
@undeednu:
Ergänzung: Ach so, das mit dem Tanken war ein eigenes Beispiel und bezog sich nicht auf die Informationsbeschaffung bei den Handwerkern, hab ich beim ersten Lesen falsch interpretiert.
Sooo, angeregt durch deinen Buchklub hab ich mir jetzt auch „Die Vermessung des Universums“ zugelegt. Und wo ich grad in der Buchhandlung war auch gleich ein Exemplar von „Die Neuentdeckung des Himmels“ mitgenommen. Mein erster Freistetter!
In ein paar Stunden gehts ab in den Urlaub, und beide Bücher sind natürlich dabei. Beweisfotos folgen. 😀
Na dann wünsch ich viel Spaß mit den Büchern!