Bei meiner Recherchereise im Norden Deutschlands habe ich nicht nur Sylt und Flensburg besucht, sondern auch einen Ausflug in die schöne Stadt Husum gemacht. Dort habe ich dann endlich die „Naturgewalten“ gefunden, die ich auf Sylt vermisst habe.

In Husum befindet sich das wunderbare NordseeMuseum:

Und dort wird man gleich im ersten Raum mit der geballten Macht der Nordsee konfrontiert. Erzählt wird die Geschichte der Zerstörung von Rungholt bei der großen Sturmflut im Jahr 1362.

Es werden die Artefakte gezeigt, die man im Watt gefunden hat (inklusive grusliger Schädel) und man kann sogar selbst Archäologe spielen und ein paar Scherben ausbuddeln und zusammensetzen.

Natürlich wird auch erklärt, wie Sturmfluten entstehen. Die Gezeiten haben eine eigene Abteilung im Museum und die verschiedenen Phänomene werden gut erklärt:

Die Küsten der Nordsee müssen natürlich irgendwie vor den Naturgewalten geschützt werden. Das gilt ganz besonders für die Inseln und die Halligen. Die haben mich ja immer schon besonders fasziniert. Ich hatte leider noch nie die Gelegenheit, eine davon zu besuchen. Aber die Bilder der wenigen Häuser, die auf ihren Warften aus dem Meer ragen, haben mich schon früher beeindruckt. Im Nordseemuseum erfährt man alles über die zehn Halligen, die heute noch existieren und über die Art und Weise wie die Menschen dort früher gelebt haben und heute noch leben. Irgendwann muss ich dort auf jeden Fall mal hin!

Die Halligen sind nicht durch Deiche geschützt (bzw. nur durch kleine Sommerdeiche). Für das Festland sind Deiche aber von fundamentaler Bedeutung. Einerseits um die Menschen an der Küste zu schützen; andererseits aber auch, um dem Meer ein wenig nutzbares Land abzugewinnen (solche Flächen nennt man dann Koog). Wie man Deiche baut und wie sich die Art der Konstruktion im Laufe der Zeit geändert hat, kann man daher natürlich auch im Museum an vielen verschiedenen und detaillierten Modellen von Deichen und Köge sehen.

Und wer Lust hat, kann sogar selbst ein bisschen bauen und überprüfen, ob der eigene Deich den Wellen stand hält.

Richtig cool war aber die Sonderausstellung zur Sturmflut von 1962. Zur Einstimmung kann man sich in einem kleinen Kino einen etwa 30minütigen Film ansehen, der die dramatischen Tage von damals zeigt, erklärt und aufarbeitet. Man sieht viele Originalbilder und Filmaufnahmen und verschiedenste Zeitzeugen wurden interviewt und erzählen, wie sie die Sturmflut auf ihrer Hallig überstanden haben oder wie sie verzweifelt versucht haben, die Deiche vor dem Bruch zu bewahren. Absolut sehenswert! Auch der Rest der Ausstellung ist gut gemacht. Es wurden Zeitungsausschnitte und Fernsehberichte gesammelt und verschiedene Station nachgebaut. Man erfährt etwas über die damalige Rettungstechnik und wenn man dann hinter den aufgestapelten Sandsäcken steht und die See auf sich zurauschen sieht und hört, dann kommt einem ein klein wenig das Gruseln, selbst wenn es nur auf dem Fernsehschirm passiert:

Schön fand ich auch das nachgebaute meteorologische Büro mit all den alten Wetterkarten und Instrumenten. Hier wurden nochmal genau erklärt, warum die Flut damals so katastrophal werden konnte:

Im Untergeschoss des Museums konnte man sich dann noch ein paar Tiere der Nordsee ansehen:

Wikipedia kennt zum Nordseemuseum noch folgende interessante Tatsache:

„. Im Obergeschoss ist die Sammlung Nissen ausgestellt, in der vor allem hochrangige Werke des 19. und 20. Jahrhunderts aus den USA (Albert Bierstadt, Rosa Bonheur, Boston, Elisabeth Vilma Lwoff-Parlaghy und Frederic Remington) zu finden sind. Eine Besonderheit stellt das erste komplett unter Kunstlicht gemalte Gemälde dar, das Blue portrait of Nikola Tesla (1913) von Lwoff-Parlaghy. Es ist das einzige gemalte Porträt des Pioniers der weltweiten Stromversorgung.“

Aber obwohl ich das Museum zweimal komplett durchsucht habe, habe ich dieses Bild leider nicht gefunden. War wohl gerade nicht in der Ausstellung…

Wenn man in Husum ist, dann muss man sich unbedingt auch den Hafen ansehen. Ein wunderbarer kleiner Nordseehafen:

Direkt am Hafen befindet sich auch das kleine Informationszentrum zum Nationalpark Wattenmeer.

Und wer Hunger hat, bekommt am Hafen natürlich auch Fisch- und Krabbenbrötchen:

Die Möwe hat allerdings nichts abbekommen.

Und wenn man ein bisschen wartet, dann kann man im Hafen die Auswirkungen der Gezeiten live erleben:

Zum Abschluss war ich dann noch im Schifffahrtsmuseum Nordfriesland.

So wie im Flensburger Schifffahrtsmuseum gab es auch hier natürlich jede Menge Schiffe. Besonders stolz ist man in Husum auf das „älteste Schiff“, von dem man einen Teil im Hafen gefunden hat. Eigentlich handelt es sich „nur“ um einen 6000 Jahre alten Rentierknochen, der laut Archäologen Teil einer Schiffsverstrebung gewesen sein soll. Ich habe allerdings nicht herausfinden können, inwiefern es sich hier um eine tatsächlich anerkannte Rekonstruktion handelt oder ob es nur eine vage Vermutung ist…

Eindeutig ein Schiff und sehr beeindruckend war das Uelvesbueller Wrack, ein 400 Jahre alter Frachtensegler, der 1994 ausgegraben wurde. Es war sehr gut konserviert und enthielt jede Menge Alltagsgegenstände der Seeleute, die man im Museum sehen kann. Ein Video zeigt die Bergung und Konservierung des Wracks.

Ich fand das Husumer Museum interessanter als sein Gegenstück an der Ostsee. Denn hier wurde auch viel über die Schifffahrt selbst erzählt und über all das, was man außer Schiffen noch braucht, um zur See zu fahren. Seezeichen zum Beispiel:

Ein altes, aber trotzdem noch informatives Video mit dem schicken Titel „Tonnen aus Tönning“ zeigt, wie die verschiedenen Tonnen, die die Seewege markieren, ausgesetzt und in Stand gehalten werden:

Überhaupt gab es im Museum zwar wenige Filme, aber die Filme die es gab, waren immer hervorragend! In der Abteilung zum Schiffsbau konnte man sich eine passende Folge der „Sendung mit der Maus“ ansehen…

Im obersten Stock findet zur Zeit eine Sonderausstellung zum 500 Geburtstag von Gerhard Mercator statt. Seine Globen und Karten waren damals revolutionär und sind heute immer noch beeindruckend, selbst wenn sie in der Ausstellung nur als Faksimile zu sehen sind.

Besonders gefallen hat mir der Ausschnitt über das Polarmeer. Damals hat diese Gegend noch niemand besucht und man konnte nur raten, was sich dort befindet. Man dachte, der Nordpol sei eine Insel und das Meer um ihn herum offen und nicht von Land oder Eis bedeckt, damit die Ströme frei um die Welt fließen können. Also hat Mercator das auch so eingezeichnet. Und damit es nicht so leer aussieht, noch ein paar polare Großinseln rundherum….

Nett ist auch die Insel Friesland, zwischen Grönland und Island. Damals musste man sich als Geograf auf das verlassen, was diverse Reisende so erzählen. Und wenn da einer ein bisschen flunkert, dann tauchen auf den Karten plötzlich Inseln auf, die es gar nicht gibt. Aber das soll ja sogar heute noch manchmal passieren.

Interessant ist auch, dass Merkator auf seiner Karte den magnetischen Nordpol schon damals korrekterweise getrennt und an anderer Position als den geografischen Nordpol eingezeichnet hat.

Wenn ihr mal in Schleswig-Holstein seid, dann fahrt unbedingt nach Husum! Es ist eine schöne kleine Stadt in der es viel zu sehen gibt. Ein Besuch lohnt sich dort auf jeden Fall. Der Hafen ist toll, die Museen sind super und wer sich für den ganzen Nordseekram nicht interessiert, der kann den Spuren von Theodor Storm folgen, der in Husum geboren wurde und ebenfalls mit diversen Museen und Ausstellung in der Stadt vertreten ist. Und wenn ihr es schafft, dann besucht Husum noch vor dem 31. Dezember. Dann könnt ihr euch noch die tolle Sonderausstellung zur Sturmflut im NordseeMuseum ansehen.

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13 Gedanken zu „Husum: Sturmflut, Schiffe und Krabbenbrötchen“
  1. Abends bei Tee und Kluntje Storms Schimmerlreiter lesen. Dann bei dichtem Nebel am Strand spazieren gehen!
    Ich erinnere mich an „Das Brötchen“ und ans „Tine Cafe“. Vielleicht gibts die noch.

  2. Lieber Florian, danke für diesen wunderbaren Reisebericht, der meine Erinnerungen aufgefrischt hat. Beinahe hätte ich vor Freude geweint 🙂

    P.S.: hast Du Dir auch heimlich so eine kitschige, kleine Heuler-Figur zum Andenken mitgenommen? Meine guckt mir jeden Morgen im Bad entgegen.

    Egal, ob Dein Morgen mit oder ohne beginnt – lass es Dir gut gehen!

  3. Husum ist sicher nicht uninteressant, Theodor Storms „graue Stadt am Meer“.

    „Friesentee“ in den Kommentaren – nach der Beschreibung in den Kommentaren handelt es sich um Ostfriesentee – ist zwar beliebt und lecker (ich bin als echter Ossi damit groß geworden) hat mit Husum, d. h. Nordfriesland nun gar nichts zu tun.
    Man kann den zwar sicher in Nordfriesland auch trinken (wir Exil-Ostfriesen gibt’s ja überall, so dass wir den Tee zubereiten können – wenn alle Ingredienzen in erforderlicher Qualität vorhanden sind!), aber als notwendiges Ingredienz zu einem Urlaub gehört er nach Nordfriesland nicht hin.

    Florian, besuche gerne mal Ostfriesland (ist viel weiter westlich als Nordfriesland). Astronomiegeschichtlich gibt’s etwa in Osteel das Denkmal für den Entdecker der Sonnenflecken, Johann Fabricius und dessen Vater, ebenfalls Astronom, der mit Brahe und Kepler in Verbindung stand.

    1. @IO: „Florian, besuche gerne mal Ostfriesland“

      Mach ich. Dort war ich auch schon oft. Meine Großmutter kommt von dort.

      Osteel kenn ich aber noch nicht.

  4. Ostfriesen-Gene, nicht schlecht 🙂
    Welche Ecke Ostfrieslands hast Du denn erkundet? Osteel liegt im Westen, an der B72, ca. 10 km südlich von Norden, bzw. ca 20 km nördlich von Emden.

    1. @IO: Ich war in der Gegend um Nordenham. Und vermutlich auch sonst in vielen Ecken, an die ich mich nicht erinnern kann. Ich war da ja vor allem als Kind unterwegs.

  5. OK,

    meintest Du Norden (Stadt)?
    Denn Nordenham ist Oldenburger Land und liegt nichtmal geographisch auf der ostfr. Halbinsel, sondern weitab, an der Weser, Ostseite der Halbinsel Butjadingen.
    Das ist etwas kompliziert bei uns: der östl. Teil der ostfriesischen Halbinsel ist seit kurzem (einige Jahrhunderte) von den bösen Oldenburgern annektiert.

    1. Ah, ok. Meine Verwandtschaft kommt aus Nordenham. Aber die haben immer erzählt, das wäre Ostfriesland. Aber vielleicht kommt meine Großmutter ja auch tatsächlich aus Ostfriesland und ist erst später umgezogen? Ich werd das mal recherchieren…

  6. Interessanterweise ist Husum die einzige Region an der Nordfriesischen Nordseeküste, die keine Deiche braucht. Hier ist die einzige Stelle, an der die Geest bis an die Küste reicht, so dass sie hier einige Meter höher liegt.

    Buchtipp:
    Die Entstehung Schleswig-Holsteins
    von Kurt-Dietmar Schmidtke
    ISBN 3-529-05316-3

    Gruß aus Holstein
    Dampier

  7. Wow, das Nissenhaus hat sein Namen geändert, sowas bekommt man auch nie mit. Aber schön, dass du so eine Ausführliche erklärung selbst über kleine Orte schreibst, sollte scheinbar mal wieder die Museen besuchen.
    @Dampier, wenn man selbst bei kleinen Stürmen am Deich steht, kommen Zweifel an deiner Theorie auf

  8. Hallo Florian –

    danke für diesen Reisebericht. Die Besuche der erwähnten Museen bzw. Regionen lohnen sich wirklich.
    Als die Sturmflut im Februar 1962 ablief (hier in Hamburg mit sehr vielen Opfern aber auch zugleich sehr viel Zivilcourage und Hilfsbereitschaft der Menschen) war ich sechs Jahre alt und zusammen mit meinem Bruder wollte ich meine Mami natürlich beschützen. 😉
    In unserem Stadtteil, in dem wir damals gewohnt hatten, kam aber kein Flutwasser an, nur der Strom fiel über etliche Tage mehrfach am Tag aus.
    Wer noch mehr wissen möchte, wie es sich direkt am/ im Meer lebt bzw. gelebt hat (Halligen), kann sich „Man of Aran“ ansehen. Es ist eine beeindruckende Dokumentation von 1934:

    https://www.youtube.com/watch?v=ZXYC5Sv_fOQ

    Die Islands of Aran liegen hier:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Aran-Inseln

    Herzliche Grüße
    aus
    Hamburg

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