Bei wissenschaftlichen Artikel geht es normalerweise nicht darum, möglichst spannend und packend zu schreiben. Es geht darum, wissenschaftliche Resultate so objektiv wie möglich zu vermitteln. Der Stil spielt da eine geringer Rolle und deswegen verbergen sich hinter eher trockenen Titeln oft spannende Geschichten. Manchmal aber haben auch die Wissenschaftler keine Lust mehr auf knallharte Seriösität und nehmen sich ein paar Freiheiten, was die Auswahl des Titels ihrer Arbeit angeht. Alexander James Mustill und Eva Villaver von der Uni Madrid haben kürzlich ein paar Forschungsergebnisse unter dem Titel „Foretellings of Ragnarök: World-engulfing Asymptotic Giants and the Inheritance of White Dwarfs“ veröffentlicht. Das muss man dann natürlich lesen…

Ragnarök, die „Götterdämmerung“ der germanischen Mythologie. Und auch noch „weltverschlingende Riesen“! Ganz so dramatisch ist die eigentliche Arbeit dann doch nicht. Es geht „nur“ um Sterne. Die Anspielung auf die germanische Mythologie ist aber trotzdem nicht ganz unpassend.

(Kurzer Einschub: Warum denkt sich nie einer eine Weltuntergangsverschwörung auf Basis der germanischen Mythologie aus? Die wäre viel cooler als dieser ganze Maya-Kram. Bei den Germanen gibt es Wölfe, die die Sonne fressen; es gibt Feuer- und Eisriesen; es gibt Schiffe aus den Fingernägeln der Toten; Götter die gegen Riesenschlangen kämpfen und am Ende sind alle tot!)

Thor erschlägt die Midgardschlange (Bild: Emil Doepler, 1905)

Ein Stern verändet sich im Laufe seines Lebens. Besonders wenn es zu Ende geht. Dann kommt die Kernfusion im Inneren zum Erliegen, es drückt keine Strahlung mehr nach außen und der Stern fällt unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Dadurch wird sein Inneres aber wieder heißer, es können neue, andere Kernfusionsprozesse einsetzen und neue, stärkere Strahlung entsteht. Der Stern bläht sich jetzt also auf und kann enorm groß werden. Man so etwas einen „roten Riesen“ und auch unserer Sonne steht so ein Schicksal bevor. Ein roter Riese bläht sich aber nicht nur auf, er stößt im Laufe der Zeit seine äußeren Atmosphärenshichten auch ab, solange, bis nur noch ein kleiner Kern aus verdichtetem Material übrig bleibt. Dieser letzte Überrest des Sterns ist in etwa so groß wie die Erde und in seinem Inneren findet keine Kernfusion mehr statt. Dieses Objekt – ein „weißer Zwerg“ – kühlt nur noch langsam aus. Das Universum ist voll mit roten Riesen und weißen Zwergen; wir haben schon jede Menge davon beobachtet. Was man noch nicht beobachtet hat, sind weiße Zwerge, die von Planeten umkreist werden.

Denn wenn auch unsere Sonne einmal zum roten Riesen und dann zum weißen Zwerg wird, stellt sich sofort die Frage: Was passiert dann mit den Planeten? Denn die Sonne wird so groß werden, dass sie dabei Merkur, Venus und wahrscheinlich auch die Erde verschlingt (obwohl noch nicht ganz klar ist, ob das wirklich geschehen wird). Außerdem ändert sich durch die Abstoßung der Atmosphäre ihre Masse und das hat Einfluß auf die Bewegung der Planeten. Und wenn die Sonne größer wird und sich die Planetenbahnen näher an ihr dran befinden, ändert sich auf die Gezeitenkraft, die sie ausübt. Auch das beeinflusst die Bahn.

Alexander James Mustill und Eva Villaver haben sich nun überlegt, unter welchen Voraussetzungen Planeten die Rote-Riesen-Phase ihres Stern überleben können. Das ist nicht nur an sich interessant, das ist auch wichtig, wenn man solche Planeten finden will. Denn weiße Zwerge leuchten nicht mehr sehr hell. Es besteht die Chance, dass Planeten die sie umkreisen, nicht überstrahlt werden sondern direkt gesehen werden können. Zumindest wenn man weiß, wo man suchen soll…

Darum haben Mustill und Villaver ausführliche Computersimulationen angestellt. Sie haben dabei Sterne unterschiedlicher Masse berücksichtigt und Planeten die der Erde, dem Jupiter oder dem Neptun ähnlich und dem Stern unterschiedlich nahe sind. Sie haben in den Simulationen den Masseverlust des Sterns und seine Gezeitenkraft berücksichtigt. So sieht ein typisches Ergebnis aus:

Bild: Mustill & Villaver (2012)

Die horizontale Achse zeigt die Zeit, die vertikale Achse den Abstand vom Zentrum des Sterns. Die unterste Kurve zeigt an, wie der Stern im Laufe der Zeit wächst, ein Stück seiner Atmosphäre wegschleudert, dann wieder wächst, und so weiter. Die roten und schwarzen Linien zeigen, wie sich der Abstand eines Planeten im Laufe der Zeit entwickelt. Die roten Linien entsprechen Planeten, die nicht überlebeb, die schwarzen Linien zeigen Planeten, die auch noch da sind, wenn der Stern die Phase als roter Riese hinter sich hat. In diesem Bild sind die Planeten alle so schwer die Erde und der Stern so groß wie die Sonne.

Insgesamt zeigt sich, dass die Gezeitenkräfte des Sterns auf Planeten der Größe Jupiters besonders stark wirken. Sie verkleinern ihre Bahnen und die Planeten können in den roten Riesen fallen. Je nach Masse des Sterns muss ein jupiterähnlicher Planet mindestens zwischen 2.6 und 5 astronomischen Einheiten entfernt sein, um zu überleben (eine astronomische Einheit entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne). Erdähnliche Planeten sind leichter und können den sich aufblähenden Sternen auch leichter entkommen. Je nach Masse des Sterns beträgt der Sicherheitsabstand hier zwischen 1.5 und 2.8 astronomische Einheiten.

Für die Erde sieht es aber zumindest in dieser Simulation eher schlecht aus. Sie wird wohl das Schicksal erleiden, dass die germanische Mythologie für sie vorgesehen hat:

„Schwarz wird die Sonne, die Erde sinkt ins Meer,
Vom Himmel schwinden die heitern Sterne.
Glutwirbel umwühlen den allnährenden Weltbaum,
Die heiße Lohe beleckt den Himmel.“

Asgard brennt (Bild: Emil Doepler, 1905)

Aber andere Planeten könnten „unbeleckt von der heißen Lohe“ bleiben. Es wäre also durchaus möglich, dass Planeten den Tod ihres Sterns überleben. Man hat auch schon einige vielversprechende Beobachtungen bei weißen Zwergen gemacht, die nahelegen, dass es solche Planeten gibt. Jetzt müssen wir nur noch abwarten, bis sie entdeckt werden.

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28 Gedanken zu „"Glutwirbel umwühlen den allnährenden Weltbaum" – Götterdämmerung am Himmel“
  1. Ist es denn eigentlich sicher, daß ein erdähnlicher Planet, wenn er sich im „Inneren“ eines Roten Riesen befindet, als „verschluckt und verdaut“ gelten muß? Immerhin ist die äußerste Schicht eines Roten Riesen ziemlich dünn, und ich weiß nicht, wie lange der Widerstand der Sternatmosphäre auf einen Planeten von Erdmasse wirken muß, um ihn so signifikant abzubremsen, daß er tatsächlich unaufhaltsam Richtung Gravizentrum spiralt.
    Ich könnte mir zumindest als grobe Annäherung vorstellen, daß die Abbremsung länger dauern könnte als die Rote-Riesen-Phase dauert. Gibt es für sowas Schätzungen?

    1. @Bullet: Naja, ne Zeitlang können Planeten im Inneren eines Sterns schon überleben. Aber die evaporieren sehr schnell (astronomisch gesehen). Die müssen schon die mehrfache Masse des Jupiters haben, damit am Ende noch was halbwegs planetenähnliches übrig bleibt.

  2. @Bullet

    Da hab‘ ich irgendwas im Hinterkopf, muss mal eben googeln….

    Da:
    https://www.sciencedaily.com/releases/2011/12/111221140343.htm

    Im Artikel sind die entdeckten Planeten(reste) zwar kleiner als die Erde, die Ursprungsplaneten waren aber viel größer. Die zitierte Astronomin sagt, einen Planeten so klein wie die Erde würde es innerhalb einer Milliarde Jahren vollständig verdampfen. Nur Riesenplaneten würden es überleben. Das Problem scheint also gar nicht unbedingt der Reibungswiderstand zu sein, sondern die schiere Temperatur von über 3000 bis fast 5000 K.

  3. Würden Gasriesen wie Jupiter oder Saturn bei gleicher Entfernung von der roten Riesensonne eigentlich schneller verdampfen als ein Gesteinsplanet wie die Erde?
    (Meine Intuition sagt ja, aber da ich die Details nicht kenne, stelle ich jetzt mal diese Frage, auch wenn sie vielleicht überflüssig ist…)
    Ist eigentlich schon bekannt, wie es im Inneren von Gasriesen aussieht, also ob sie zwangsläufig feste Gesteinskerne haben oder nicht?

  4. @Alderamin: das ist eine schöne Überleitung zum anderen hier erwähnten Thema: „heiß“ ist bei genügend geringer Dichte gar kein Problem. Und wenn ich bedenke, daß dieselbe Sonne, die zu guten Zeiten einen Radius von etwa 750 000 km hatte, jetzt einen Radius von 150 000 000 km haben soll, mithin also etwa das 4*200³ = 32-mio-fache des Ursprungsvolumens bei sinkender Gesamtmasse aufweist, dann gehen meine Überlegungen hinsichtlich Dichte der Sternatmosphäre in der Entfernung des angegriffenen Planeten ziemlich geradlinig in Richtung „Hochvakuum“.

  5. Doch halt ein: soeben erinnere ich mich, daß der rote Riese aufgrund der anders ablaufenden Fusionsprozesse mehr Energie abgibt als vorher. Das könnte dann schon einen Effekt haben, noch dazu, wenn es keine „Nachtseite“ des bedrohten Planeten mehr gibt, die mehr Energie ins Dunkle abstrahlen kann, als sie von der Sonne aufnimmt..

  6. @Dark_Tigger

    Gute Frage. Laut diesem Artikel nur 600 Millionen Jahre. Aber so wörtlich wird die Milliarde Jahre nicht gemeint gewesen sein; da es sowieso sehr stark vom Abstand des Planeten zum Stern abhängt, wie lange er überlebt, dürfte das nur eine Hausnummer sein.

    Mir scheint die Achsenbeschriftung in Florians Artikel oben am Diagramm aber reichlich kurz zu sein, sind das wirklich Myr? Oder nicht eher Gyr? Dann würde es besser zum Wiki-Artikel passen.

    @tina
    Entweder verstehe ich Dich falsch, oder Deine erste Frage wurde in den Kommentaren schon beantwortet: nein, sie würden länger überleben. Sie könnten sogar (steht in dem von mir verlinkten Artikel) teilweise die Gashülle des Sterns abtragen.

    Zweite Frage: Es steht nicht fest, aber man nimmt an, dass Jupiter einen festen Gesteinskern hat. Irgendwie muss zuerst mal ein Körper entstanden sein, der eine Wasserstoffatmosphäre halten konnte (was die Erde nicht kann), der dann zum Planetenkern wurde. Der aufgeschmolzene Kern könnte aber danach vom flüssigen Wasserstoff in der Schicht darüber durch Konvektion teilweise oder ganz abgetragen worden sein. Ein Kern nachgewiesen ist jedenfalls noch nicht. Siehe dazu https://en.wikipedia.org/wiki/Jupiter#Internal_structure.

  7. @Alderamin
    Danke für die Antworten. So ganz klar ist mir das Ganze zwar immer noch nicht, aber das liegt nicht an den Erklärungen, sondern an einem Verständnisproblem, das ich im Moment aber auch nicht genauer benennen kann. Ich trinke jetzt lieber erstmal einen Kaffee, vielleicht wird es dann besser…

  8. Gute Frage. Laut diesem Artikel nur 600 Millionen Jahre.

    Wow doch so lange. Ich hätte irgendwie eher mit einigen wenigen Millionen Jahren gerechnet.
    Auf jedenfall nicht mit deutlich über einer halben Milliarden Jahren.

    Wie vollständig ist eigentlich die „Verbrennung“ in einer Sonne? Also wenn am Beginn der Rote Riesen Phase, der gesammte Fusionsbrennstoff aufgebraucht ist, wie man immer ließt, ist dann wirklich gar kein Wasserstoff mehr in der Sonne? Oder nur noch ein Prozentsatz <1? Oder doch deutlich mehr?

  9. Na ja germanische Mythologie oder Religion, gerade Ragnarök ist doch ziemlich christlich beeinflußt. Aber cool wäre es natürlich schon, wenn jemand mal darum eine Verschwörung strickt. Ist doch echt langweilig immer den gleichen Kram zu lesen.

  10. @Florian
    Asgard passt nicht so richtig in ein Weltuntergangsszenario denn es sind ja ALLE tot (auch die Götter): Da kann man kein Geld mit ‚Überlebensstrategien‘ verdienen und darauf kommts doch an. Es muss immer ein Hintertürchen fürs Überleben geben wo dann einer davorsteht und abkassiert.

    @Bullet
    Was ich nicht verstehe, Heliumfusion erzeugt doch weniger Energie als Wasserstofffusion, wieso dehnt sich da die Sonne mehr aus als vorher ? Wird da gleichzeitig mehr Volumen umgesetzt ?

  11. @Bullet

    “heiß” ist bei genügend geringer Dichte gar kein Problem.

    Habe gestern auf der Heimfahrt darüber gegrübelt. Vergiss die Strahlung nicht! Es würde die Erde vermutlich auch unmittelbar außerhalb der Sonnenatmosphäre allmählich verdampfen, wenn die Hälfte des Himmels von einer 4000 K heißen Strahlungsquelle bedeckt wäre. Rote Riesen sind ja bekanntlich sehr viel heller als normale Fixsterne, da sie trotz erheblich größerer Oberfläche die gleiche Oberflächentemperatur wie M- oder K-Hauptreihensterne haben. Als Roter Riese wird die Sonne laut Wiki-Artikel bis zu 2300-mal heller werden. Da spielt die Sonnenatmosphäre dann wohl eher eine untergeordnete Rolle.

  12. @Schak

    Die Sonne dehnt sich schon vor der Heliumfusion aus, und zwar weil das Wasserstoffbrennen sich aus dem Kern in eine Schale verlagert. Die nimmt dann, wenn sie nach außen wandert, eine immer größere Oberfläche ein und die Temperatur erhöht sich, weil der Kern darunter kontrahiert. Die Fusionsrate hängt aber empfindlich mit der Temperatur zusammen, beim Proton-Proton-Zyklus steigt sie mit der 6. Potenz der Temperatur. Die Temperatur im Kern steigt von 20 Millionen Kelvin auf 100 Millionen Kelvin, bevor das Heliumbrennen starten kann. Die Heliumfusion steigt wiederum mit der 30. Potenz der Temperatur. Deswegen setzen Rote Riesen bis über 2000 Mal mehr Energie frei als die Sonne.

  13. @Schak

    Das ist so leider nicht ganz richtig. Auch die ganze germanische Mythologie inkl. Auferstehungs- und Untergangsgschichterl ist zyklisch aufgebaut.
    Bsp: Riesen erschlagen, Asen treten deren Nachfolge an ……. Ragnarök, Welt wieder im Gleichgewicht, bspw. die Kinder Thors überleben, Baldur ersteht wieder auf und tritt die Nachfolge der Asen an.
    Ließen sich also doch wunderbar Weltuntergangs-Überlebens-Devotionalien verkaufen. Bliebe zu befürchten, dass dies wieder von braunem Geschmeiß betrieben würde, in deren Ecke leider das meiste dieser Mythologie landet oder gedrängt wird…

    @Florian:
    Ausgezeichneter Artikel!!!!

  14. Cool: hier kann man sehen, wie ein alter Roter Riese vom Spektraltyp C (Kohlenstoff-Stern, die „rußen“ sich vor lauter Kohlenstoff regelrecht ein) seine Hülle in Form einer Spirale abstößt, weil er einen unsichtbaren Begleiter umkreist. DAs Bild mit der Spirale ist aufgenommen im Radiobereich, wo Interferometrie mit zahlreichen Antennen heute eine bessere Auflösung erreicht, als die größten optische Teleskope (im Falle von ALMA 10 Millibogensekunden, das ist 5-10-mal besser als optische Teleskope).

  15. @Alderamin
    Bei der Protonenfusion (CNO oder pp-Kette) ist die Reaktionsrate ja auch durch die W-Masse gebremst. Die Masse der W-Bosonen bestimmt ja die Umwandlung von Protonen in Neutronen. Nach der Wasserstofffusion tritt doch praktisch keine weitere Umwandlung in Neutronen auf.
    Das sollte doch mit ein Grund für die hohen Reaktionsraten sein in der Heliumfusion sein, die Reaktionsrate ja fast nur noch vom Temperatur und der Dichte abhängig.
    Witzig ist übrigens, das die W-Bosonen in der Natur fast immer nur virtuelle Teilchen sind

    1. @Alton: „woher wussten die Germanen das? Woher wussten die das mit der Sonne?“

      Das wussten sie NICHT! Die Astronomen haben die germanischen Texte nur nachträglich zitiert, weil sie so schön zu ihren Ergebnissen passten.

  16. @Alton
    Meines Wissens ist es Sutur(ein Riese), der die Welt abfackelt.
    Du solltest aber Bedenken, das auch ein großer Waldbrand oder ein Vulkan die Idee mit einer Welt in Flammen inspiriert haben könnte. Zumal das mit der Sonne (Roter Riese) vorraussetzt, das du die Energieerzeugung im Kern verstehst (Kernphysik).

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