Wir leben in einem Universum. Und irgendwo muss das Ding ja her kommen! Früher haben sich die Menschen bei der Frage nach dem Ursprung des Universums mit der (eigentlich nichtssagenden) Antwort „Gott wars!“ zufrieden gegeben. Aber im Laufe der letzten Jahrzehnte ist die Kosmologie zu einer brauchbaren Wissenschaft geworden und wir haben mittlerweile eine ganz gute Vorstellung darüber, wie sich unser Universum seit dem Anfang vor 13,7 Milliarden Jahren entwickelt hat. Wir haben auch schon einige Ideen dazu, wie dieser Anfang ausgesehen haben könnte (siehe z.B. hier oder hier). Und es gibt Wissenschaftler, die sich überlegt haben, wie man ein ganz Universum im Labor bauen kann.

Ich habe darüber früher schon einmal geschrieben. Rein theoretisch ist die Erschaffung eines Universums kein Problem. Im wesentlichen geht es darum, viel Energie auf kleinem Raum zu konzentrieren. Dann erhält man ein Stückchen Raum, dass sich immer weiter ausdehnt. Allerdings nicht in unserem Universum; es schafft sich seinen eigenen Raum und koppelt sich irgendwann von unserem Raum ab. Von unserer Seite würde das neue Universum wie ein schwarzes Loch aussehen.

Das klingt wie Science-Fiction (und zu der kommen wir später noch), ist aber durchaus wissenschaftlich untersuchbar. 1990 wurde in der Fachzeitschrift „Nuclear Physics B“ ein Artikel mit dem Titel „Is it possible to create a universe in the laboratory by quantum tunneling?“ veröffentlicht (Mitautor der Arbeit war der Kosmologe Alan Guth, bekannt für die Entwicklung der Theorie des inflationären Universums, heute die Standardtheorie in der Kosmologie). Darin spekulieren sie, wie Quanteneffekte dafür sorgen können, dass eigentlich instabile „Universumsblasen“ doch stabil werden und weiterwachsen können. Diese Arbeit wird seitdem immer wieder auch von anderen Wissenschaftlern benutzt und weitergeführt, aktuell zum Beispiel von den amerikanischen Physikern Andrew Ulvestad und Andreas Albrecht in ihrem Artikel „Creating universes with thick walls“.

Natürlich ist nicht damit zu rechnen, dass Physiker demnächst tatsächlich ein Universum im Labor schaffen (auch wenn immer wieder mal entsprechende Meldungen durch die Medien geistern). Untersuchungen dieser Art werden vor allem deswegen angestellt, um die Prozesse bei der Entstehung unseres eigenen Universums besser verstehen zu können. Aber was wäre, wenn es wirklich mal gelingen würde? Was wäre, wenn in einem Experiment – zum Beispiel am Teilchenbeschleuniger LHC – plötzlich ein neues Universum geschaffen würde?

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Jetzt sind wir bei der oben schon erwähnten Science-Fiction. Und genau dieses Thema hat Gregory Benford in seinem Roman „Cosm“ (heißt im englischen Original genau so) beschrieben. Der Schauplatz der Geschichte ist nicht der LHC sondern der amerikanische Teilchenbeschleuniger RHIC. Dort probiert die Teilchenphysikerin Alicia Butterworth ein neues Experiment aus. Aus der Kollision von Uran-Atomen soll ein Quark-Gluon-Plasma erzeugt werden. Das ist der Zustand, in dem das Universums sich in den ersten Momenten seiner Entstehung befunden haben muss. Es wird heute zum Beispiel am LHC erforscht, wurde aber – so wie im Buch – auch am RHIC. Das Experiment läuft zuerst gut, dann aber plötzlich schief. Es gibt eine kleine Explosion und in den Trümmern ihres Detektors findet Alicia eine knapp 40 Zentimeter große schimmernden Kugel, die in den Magnetfeldern des Beschleunigers schwebt. Sie entscheidet sich dafür, sie heimlich zurück an ihre Universität in Kalifornien mit zu nehmen und dort zu untersuchen.

„Cosm“ ist zwar schon alt (es erschien 1998); ich habe es aber erst jetzt entdeckt und mehr oder weniger in einem Rutsch durchgelesen. Ich kann das Buch nur extrem empfehlen! Benford ist selbst Teilchenphysiker und weiß, wovon er schreibt. Die oben erwähnte Arbeit über die Entstehung von Universen im Labor taucht auch im Buch auf, genauso wie jede Menge andere reale wissenschaftliche Fakten und Theorien. Das Buch ist aus mehreren Gründen absolut lesenswert. Einmal, weil die Handlung wahnsinnig spannend ist. Alicia und ihre Mitarbeiter wissen zuerst nicht, was sie da vor sich haben und finden erst im Laufe der Zeit heraus, dass sie bei ihrem Experiment ein neues Universum geschaffen haben. Neben dieser faszinierenden Thematik beschreibt Benford aber auch das Leben und die Arbeit der Wissenschaftler wirklich gut (klar, er ist ja selber einer). Die Arbeitschritte bei der Erforschung des „Cosm“ werden genau beschrieben (ohne dass das Buch dabei langweilig werden würde). Und vor allem das ganze Drumherum ist äußerst realistisch. In schlechten Hollywoodfilmen kann sich der Wissenschaftler voll und ganz der Erforschung des jeweils aktuellen Mysteriums widmen. In der Realität und in Benfords Buch ist es nicht so einfach. Da muss man das neu geschaffene Universum schon mal im Labor zurück lassen, weil man eine Vorlesung halten muss. Da muss man sich von anderen Arbeitsgruppen Geräte ausleihen, weil das eigene Budget nicht reicht. Und so weiter. Auch der Umgang mit den Medien und der Öffentlichkeit wird in „Cosm“ gut und realistisch beschrieben.

Wer ein realistisches und gleichzeitig sehr originelles Science-Fiction-Buch lesen möchte, der sollte „Cosm“ auf jeden Fall lesen. Wer wissen will, wie man ein Universum baut und was danach geschieht, natürlich auch!

13 Gedanken zu „Cosm: Wie baut man ein Universum im Labor und was passiert, wenn man es geschafft hat?“
  1. Ist zwar schon Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe… aber ich fand es auch sehr gut, kann die Leseempfehlung nur bestätigen! 🙂

  2. Bei mir auch schon lange her, aber absolut lesenswert! Sollte ich mal wieder hervorkramen, weil ich mich an das Ende nicht mehr erinnere 🙂

  3. @Tridecanol
    Ist das der Terry Pratchett Roman, worin in einem Scheibenwelt-Labor künstlich die „Rundwelt“ erzeugt wird?

    @F. Freistetter
    Was genau sind die Unterschiede zwischen einem Universum das aussieht wie ein Schwarzes Loch und einem … ähm … schwarzen Loch? Oder heisst das wir leben in einem Schwarzen Loch das von innen aussieht wie ein Universum? Gibt es da nicht die eine These wonach das Universum eine Projektion sei, wobei schwarze Löcher die Projektoren und Ihr Ereignishorizont so zu sagen als Projektionslinse funktionieren? Wären wir dann von aussen nach innen oder von innen nach aussen projeziert, oder gibt es da mathematisch gar keinen Unterschied, da es sich quasi um holofraktale Teilung handelt? Heisst es demnach nicht „blackwhole“ anstatt black hole?

    Sorry, das sprudelt einfach immer wenn ich solche Artikel lese: es reicht durchaus wenn die erste Frage beantwortet wird, damit ich weiss wie es gemeint war.

  4. Cosm habe ich auch in angenehmer Erinnerung – damals fast gleichzeitig mit ‚Science of Discworld‘ (OTon, geliehen) gelesen. Kann wirklich nur empfohlen werden (beides).

  5. Um Längen besser als „Cosm“ ist übrigens Greg Benfords „Zeitschaft“ („Timescape“) von 1980! Als Tipp für alle Hard-Science-Afficionados und Wunschzettelbesitzer hier. 😉

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