Wissenschaftler arbeiten im Labor! So zumindest stellen wir uns das oft vor. Und oft stimmt es auch! Physik, Biologie, Chemie: Überall gibt es ein Labor mit jeder Menge komplizierter Geräte. Aber bei den Astronomen ist das anders! Die stehen Nacht für Nacht hinterm Fernrohr und schauen in die Sterne! Wieder gilt allerdings: So zumindest stellen wir uns das oft vor. Und hier stimmt es nicht mehr so oft. Ja, Astronomen beobachten natürlich den Himmel. Aber, bis auf ganze seltene Fälle, nicht Nacht für Nacht. Und sie schauen auch nicht selbst durchs Teleskop und sind – im Falle von Weltraum- oder Roboterteleskopen – nicht mal selbst vor Ort. Und ganz viele Astronomen haben mit Teleskopen überhaupt nichts zu tun. Sie gehören zu den Theoretikern und arbeiten mit Mathematik oder Computersimulationen um mehr über das Weltall herauszufinden. Und dann gibt es – tatsächlich! – auch noch ein paar Astronomen, die im Labor arbeiten.
Das ist eigentlich nicht verwunderlich. Im Weltall passieren die gleichen Dinge, die auch auf der Erde passieren. Unser Planet ist in der Hinsicht nichts Besonderes. Auch draußen im Kosmos gibt es Chemie, Geologie und Biologie. Und wenn wir diese Vorgänge verstehen wollen, braucht es Experimente im Labor.
Das ist sofort ersichtlich, wenn es um die Untersuchung von Meteoriten geht. Dabei handelt es sich ja um Gesteins- oder Eisenbrocken, die aus dem All auf die Erde gefallen sind. Sie stammen von Asteroiden oder Kometen und verraten uns, wie das Material ausgesehen hat, aus dem die Planeten unseres Sonnensystems entstanden sind. Anfangs gab es da nur eine große Wolke aus Staub und Gas aus der sich im Laufe der Zeit die Asteroiden und dann daraus die Planeten gebildet haben. Die Asteroiden die heute noch übrig sind wurden beim Planetenbau nicht verwendet und wir können sie untersuchen um mehr über das Ursprungsmaterial herauszufinden. Das macht man natürlich nicht einfach irgendwo, sondern in einem sterilen Labor. Man will die Proben ja nicht verunreinigen. Hier ist ein kurzes Video des Meteoritenlabors im Smithsonian Institute. Ich finde vor allem die aufgeblasenen Gummihandschuhe sehr hübsch 😉
Aber die Untersuchung von Meteoriten ist noch lange nicht alles, was die Astronomen im Labor so anstellen…
Viele Sterne sind von großen Staubscheiben umgeben. Das können entweder protoplanetare Scheiben sein oder sogenannte „Trümmerscheiben“. In einer protoplanetaren Scheibe entstehen gerade Planeten, so wie im Sonnensystem vor 4,5 Milliarden Jahren. In einer Trümmerscheibe ist der Vorgang schon abgeschlossen. Aber auch hier sind viele Asteroiden übrig geblieben. Diese Asteroiden stoßen nun ab und zu zusammen und erzeugen dabei kleine Bruchstücke und Staub, eben Trümmer. Beide Arten von Scheiben sind äußerst wichtige Beobachtungsobjekte für Astronomen. In protoplanetaren Scheiben kann man den Prozess der Planetenentstehung untersuchen und die Trümmerscheiben verraten uns etwas über die spätere Entwicklung eines Planetensystems – und oft noch mehr.
Dazu muss man die Beobachtungsdaten aber vernünftig interpretieren können. Man kann den Staub oder die Trümmer ja nicht direkt sehen. Dafür sind sie zu klein und zu weit weg. Aber das Licht des Sterns fällt natürlich auch auf den Staub. Der Staub heizt sich dadurch auf und gibt die Energie dann wieder ab. Und zwar auf eine ganz charakteristische Weise, je nachdem, wie er zusammengesetzt ist. Ein wichtiges Feld der Laborastronomie besteht daher aus der Mineralogie. Die Wissenschaftler untersuchen im Labor verschiedenste Minerale und Gesteinsproben. Im Experiment prüfen sie, auf welche ganz spezielle Art und Weise sie Strahlung wieder abgeben, wenn sie angestrahlt werden. Diese Labordaten kann man dann mit den Beobachtungsdaten vergleichen und so die chemische Zusammensetzung des Staubs herausfinden, der sich in den Scheiben um andere Sterne befindet. Die Experimente können dabei natürlich beliebig kompliziert werden. Die Strahlung eines Sterns heizt den Staub ja nicht einfach nur auf; sie kann ihn zum Beispiel auch ionisieren, d.h. seine elektrische Ladung verändern. Das hat Einfluss darauf, wie sich der Staub mit anderen Staubteilchen verbindet. Und die Form der verbundenen Staubteilchen hat wieder Einfluss auf die Art und Weise, wie sie die Strahlung abgeben…
Die Laborastronomen haben also jede Menge zu tun, auch, weil es noch sehr wenige astronomische Laboratorien gibt (eines befindet sich übrigens an der Universität Jena). Wenn ihr also demnächst einen Wissenschaftler im weißen Laborkittel seht, dann könnte es auch ein Astronom sein 😉
Hmm …, ist Eisen kein Metall? Oder „Metall“ nicht unbedingt so etwas wie Eisen (soll heißen: gilt bei Meteoriten auch, dass alles ausser H und He Metall ist?) ?-)
@Zeta Ori: Ups – danke. Da sollte „Gesteins- oder Eisenbrocken“ stehen…
Nur so als Anmerkung es gibt viele Wissenschaften die ohne „Labor“ auskommen, die Geisteswissenschaften beispielsweise, aber auch Mathematiker und teile der Ingenieurwissenschafften arbeiten ohne Labore. Das ist halt auch nur so ein Stereotype das Wissenschaftler, in weißen Kitteln in einem Labor experimentieren.
@norge: „Das ist halt auch nur so ein Stereotype das Wissenschaftler, in weißen Kitteln in einem Labor experimentieren. „
Darum hab ich das ja auch gleich im zweiten Satz erwähnt; sogar mit Link zu einem ausführlichen Artikel über Stereotype.
Beim ersten Erspähen von „Astronomie gibt es auch im Labor“ schwappte sofort ein „Sternchen-sehen kann man auch bei Kreislaufproblemen“ durch den Kopf 😉
Davon unabhängig ist es imho höchst sinnvoll, die weit verbreitete, selbstverständlich falsche Äquivalenz Astronom=Fernrohrgucker aufzubrechen.