Ich habe hier im Blog in vielen Artikel über die Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit geschrieben. Ich habe mich darüber geärgert, dass für viele Wissenschaftler eine viel zu geringe Rolle spielt und dafür plädiert, dass viel mehr Forscher in der Öffentlichkeit und den Medien über ihre Arbeit sprechen sollen. Norbert Bolz, Professor für Medienwissenschaft an der TU Berlin, ist ganz anderer Meinung. Medienpräsenz schadet der wissenschaftlichen Karriere. Junge Wissenschaftler sollen möglichst wenig Interviews geben und keine populärwissenschaftlichen Texte verfassen.
Ich sehe die Dinge naturgemäß anders. Ich finde, es kann gar nicht genug Öffentlichkeitsarbeit und Medienpräsenz geben. Wenn man sich ansieht, wie die Wissenschaft (echte Wissenschaft, nicht der „Wir frittieren das größte Pommes-Frites der Welt“-Kram, der im Fernsehen in den „Wissenschafts“sendungen dauernd zu sehen ist) in den Medien repräsentiert ist, dann kann es ja fast kaum schlimmer werden. Der Durchschnittsbürger wird wesentlich intensiver über das Leben irgendwelcher Fußballspieler oder Castingshow-Kandidaten informiert, als über Erkenntnisse der Wissenschaft. Nichts gegen Fußball und Castingshows. Aber wir leben heute in einer Welt, die durch und durch von Wissenschaft geprägt ist. Jeder Aspekt unseres Leben wird direkt oder indirekt durch die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung bestimmt. Trotzdem weiß kaum jemand darüber Bescheid. Vermutlich gerade weil die Wissenschaft die Welt so komplett durchdrungen hat, fällt sie niemanden mehr auf und es kann sich, eingebettet in den Komfort der modernen Welt, eine absurde Wissenschaftsfeindlichkeit entwickeln, die selten durch detailliertes Faktenwissen gestört wird. Besonders gefährlich ist es dann, wenn Politiker über konkrete wissenschaftliche Themen urteilen sollen: Gentechnik, Stammzellenforschung, Kernkraft, Nanotechnologie, Klimawandel etc. Hier geht es darum, Gefahren, Risiken und Nutzen abzuschätzen und sich ein objektives Bild zu machen. Es sind Themen, die bei den Menschen große Emotionen hervorrufen; Themen, bei denen alle mitreden wollen – und trotzdem weiß die Öffentlichkeit erschreckend wenig über die wissenschaftlichen Grundlagen dieser wissenschaftlichen Forschung. Über Wissenschaft und die Ergebnisse, Chancen und Risiken der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse Bescheid zu informieren, sollte heutzutage genauso wichtig sein, wie über Wahlen und politische Veränderungen zu informieren. Und nicht nur die Medien sollten sich um diese Informationsvermittlung kümmern, auch die Wissenschaftler selbst!
Denn die Wissenschaft wird in vielen Fällen (bei Disziplinen wie der Astronomie komplett) aus staatlichen Geldern finanziert. Diese Gelder werden gerne mal gekürzt, Stellen an Universitäten werden eingespart und die Wissenschaftler regen sich darüber heftig auf. Zu Recht! Aber man darf sich auch nicht wirklich darüber wundern. Wissenschaftler haben keine Lobby. Wenn die Lokführer streiken oder die Müllabfuhr sind die Konsequenzen für die Bevölkerung sofort zu spüren. Die Konsequenzen schlechter Wissenschaftspolitik dagegen wirken sich erst langfristig aus. Und da viele Menschen wenig Ahnung davon haben, warum wissenschaftliche Forschung wichtig ist und noch weniger Ahnung davon, was die ganzen Wissenschaftler an den Unis überhaupt den ganzen Tag treiben, ist es für die Politiker leicht, hier zu sparen. Außer den Wissenschaftlern selbst regt sich niemand darüber auf und was die machen, interessiert ja sowieso keinen. Wissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit ist Lobbyarbeit! Wenn man der Bevölkerung, deren Steuergelder die Forschung ja auch finanzieren, klar macht, warum Wissenschaft wichtig ist, dann wird es den Politikern auch nicht mehr so leicht fallen, hier das Geld weg zu nehmen.
Und schließlich: Wissenschaft ist enorm faszinierend! Wissenschaft ist der Versuch, die Welt in der wir leben besser zu verstehen. Bzw. überhaupt erst zu verstehen! Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass so viele Menschen sich anscheinend kaum Gedanken über die Welt machen. Warum sind die Dinge so wie sie sind? Warum bewegen sich die Sterne am Himmel? Warum haben Bäume Blätter? (und warum sind sie grün?) Warum ist Wasser flüssig? Wo kommen die Berge her? Und so weiter. Die Wissenschaft bietet einen einzigartigen und faszinierenden Blick auf unsere Welt und wenn wir sie auf diese Weise betrachtet haben, dann verstehen wir sie danach besser als zuvor. Wissenschaft ist nicht eine Möglichkeit, um neue Produkte und Technologien produzieren zu können, sondern genauso ein Kulturgut der Menschheit wie Kunst oder Literatur!
Ich vermute mal, bei all dem wird mir Professor Bolz durchaus zustimmen. Er hat ja nicht gesagt, dass Öffentlichkeitsarbeit unwichtig ist. Sondern nur, dass sie der Karriere schadet. Hat er damit recht? Schwer zu sagen. Ich selbst habe mich während meiner wissenschaftlichen Karriere sehr intensiv mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt. Und bin heute kein Wissenschaftler mehr. Wer weiß, hätte ich mich in all der Zeit nicht mit Blogs, Büchern und Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt, sondern hätte die Zeit genutzt, um mehr wissenschaftliche Fachartikel zu schreiben, dann wäre meine Karriere vielleicht anders gelaufen. Aber das war eben nicht das, worauf ich Lust hatte. Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die kaum noch ein Privatleben haben. Die bis spät in der Nacht im Büro sitzen und arbeiten. Die an Wochenende im Büro und im Urlaub zu Hause am Schreibtisch sitzen und arbeiten und einen wissenschaftlichen Artikel nach dem anderen zu veröffentlichen. Ja, Fachartikel sind die Währung der Wissenschaft. Je mehr ein Forscher davon hat, desto besser sind seine Chancen auf eine große Karriere und einen guten Job. Und wer so dumm ist, Zeit für Öffentlichkeitsarbeit oder Wissenschaftskommunikation zu nutzen, die man besser für das Schreiben von Fachartikeln verwenden hätte können, der darf sich nicht wundern, wenn er später von den Kollegen überholt wird, die sich nicht mit so einer Zeitverschwendung abgegeben haben. Es finden sich – leider – genug junge Wissenschaftler, die sich dieser „Publish or Perish“-Mentalität beugen. Aber das macht die Sache nicht unbedingt besser. Man kann den Leuten aber auch nicht wirklich einen Vorwurf machen, dass sie keine Zeit für Öffentlichkeitsarbeit aufwenden wollen. Solange eine wissenschaftliche Karriere weiter nur an der Anzahl der Fachpublikationen gemessen wird, wird sich hier wenig ändern. Würde man Engagement in Öffentlichkeitsarbeit und Lehre auch zur Beurteilung heranziehen, dann würde sich das Problem schnell von selbst lösen. Aber noch ist es so, dass es völlig egal ist ob man sich bei der Öffentlichkeitsarbeit engagiert oder nicht, solange die Publikationsliste in Ordnung ist.
Und glaubt man Professor Bolz, dann schadet einem die Medienpräsenz nicht nur passiv, weil sie Zeit in Anspruch nimmt die man nicht auf die Forschung verwenden kann, sondern auch aktiv:
„Sich auf das Niveau von Laien zu begeben – das gelte in der deutschen Wissenschaft als unfein, behauptet Norbert Bolz, Professor für Medienwissenschaft an der TU Berlin. Wer es dennoch tue, werde geschnitten, das habe er selbst erfahren. Bolz rät jungen Wissenschaftler deshalb, die Massenmedien zu meiden. Erst wenn man sich einen unangreifbaren Ruf erworben habe, seien Interviews im Fernsehen der Karriere nicht mehr abträglich“
Ich kann hier nur von meiner persönlichen Erfahrung sprechen. Hier habe ich nie offene Ablehnung ob meines Engagements in der Wissenschaftskommunikation erlebt (was die Leute sich insgeheim gedacht haben, weiß ich natürlich nicht). Das eine oder andere Mal schwang zwischen den Zeilen schon die Ansicht „Nutz deine Zeit doch besser für richtige Forschung und lass den Mist mit der Öffentlichkeitsarbeit.“ durch. Aber ich kann nicht sagen, ob mir die Arbeit an meinem Blog während meiner wissenschaftlichen Karriere aktiv geschadet hat (der Gutachter der mein letztes Forschungsprojekt abgelehnt hat, hat in seinem Gutachten zwar mein Blog erwähnt, aber es war nicht ersichtlich, ob es die Entscheidung irgendwie beeinflusst hat). Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass dieses Problem existiert. Trotzdem finde ich den Rat von Bolz etwas zynisch. Klar, man kann warten bis man eine Dauerstelle an einer Uni hat, bevor man Öffentlichkeitsarbeit macht. Aber das ändert ja nichts am grundlegenden Problem! Sondern zementiert höchstens noch das Vorurteil, dass junge Wissenschaftler gefälligst an ihrem Schreibtisch sitzen sollen und nichts in den Medien zu suchen haben und dass die Kommunikation mit der Öffentlichkeit nur durch ein paar wenige auserwählte ausreichend honorige Professoren zu erfolgen hat.
Solange das System aber nicht geändert wird und Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit weiter nicht belohnt sondern bestraft wird; solange weiter nur die Publikationsliste zählt, bleibt es jedem selbst überlassen, ob er dieses Risiko eingehen will. Ich würde mir jedenfalls wünschen, wenn sich mehr Wissenschaftler dafür entscheiden würden, die Faszination, die sie bei ihrer Arbeit empfinden, mit der Öffentlichkeit zu teilen.
Jepp, Bolz hat schon Recht, wenn es um Deutschland geht. Aber sich als Forscher nicht bei erster sich bietenden Gelegenheit ins Ausland abzusetzen ist eh der größte Karrierekiller von allen, IMO.
„[…]der Gutachter der mein letztes Forschungsprojekt abgelehnt hat, hat in seinem Gutachten zwar mein Blog erwähnt, aber es war nicht ersichtlich, ob es die Entscheidung irgendwie beeinflusst hat[…]“
Da fragt man sich doch, was denn dein Blog mit deiner Forschung zu tun hätte haben können, dass es in einem „objektiven“ Gutachten erwähnt werden müsste.
Man stelle sich folgende Situation vor:
Es wird ein Forschungsprojekt beantragt, und im Gutachten steht dann:“Ja der Dr. Müller, der engagiert sich ja beim Fussballverein.“
Das Eine hat mit dem Anderen doch mal absolut nichts zu tun.
In Schwaben würde man sagen:“Das hat ein Gschmäckle.“
P.S.: Mach weiter so. Es ist interessant und macht Spaß zu lesen.
Er hat vermutlich Recht, leider. Das ist immer noch der alte Schlag Forscher, die (noch) zu oft in verantwortlichen Positionen sitzen.
ABER, ich habe Hoffnung, dass es sich so ganz langsam ändert, vielleicht. An ein paar Stellen merkt man schon, wie sich andere Sichtweisen etablieren.
Das nächste, altbekannte Problem: Wann bitte ist denn ein Wissenschaftler in einer Position, die sicher genug ist? In der er nicht alle 2 Jahre eine neue Stelle hat…
Florian, ich gebe dir 100% recht & würde es begrüßen, wenn mehr Wissenschaftler das so sehen würden. Aber: die Aussage von Bolz interpretiere ich anders. Nämlich, dass nicht die wissenschaftliche Karriere beschädigt wird, sondern schlicht das Authoritätsargument, das der Laie oft leider braucht, bei jungen Wissenschaftlern & die fehlende Routine (die man zB als Tutor, Vortragender bekommt — aber auch durch Blogs) große Abzüge bringen.
Die Medien haben aus dem Grund gerne eine Galionsfigur – „den Physiker/Genetiker/…“ schlechthin. Der große Nachteil, dass die dann eher ihren Kultstatus verkaufen & am Fachgebiet vorbeisinnieren wird akzeptiert; bringt ja trotzdem Quote.
Also ich würde nicht immer alles glauben, was Herr Bolz behauptet…
Meiner Meinung schadet es nicht, aber hier hängt es wohl wirklich davon ab, in welchem wissenschaftlichen Umfeld man sich engagiert.
@Wolf: „Es wird ein Forschungsprojekt beantragt, und im Gutachten steht dann:“Ja der Dr. Müller, der engagiert sich ja beim Fussballverein.“ Das Eine hat mit dem Anderen doch mal absolut nichts zu tun. „
Ich hab das Gutachten nicht mehr. Aber so in etwa wurde das formuliert – nur halt mit Blog statt Fussballverein 😉
Ich versuche es mal von der anderen Seite zu sehen: Ich habe ein Forschungsprojekt und möchte einen Wissenschaftler einstellen. Zur Wahl stehen Wissenschaftler A und B. A beschäftigt sich nach seinem Lebenslauf hauptsächlich mit der Forschung, B geht zusätzlich einem sehr aufwändigen Hobby nach (ich hatte mal eine Bewerbung eines Hochleistungssportlers, in dessen Lebenslauf mehr Turniersiege als Forschungsrelevantes standen, da war schon relativ klar, wo dessen Prioritäten lagen), das nicht im direkten Zusammenhang mit dem Projekt steht. Für wen entscheide ich mich?
Ich denke, jedes intensive Hobby (und vom Standpunkt eines Projektleiters ist es das) kann in jedem Beruf als Manko angesehen werden, egal ob das nun Sport, Wissenschaftskommunikation, politisches Engagement oder was auch immer ist.
@Martin
Ganz klar, ein sportlicher Wissenschaftler bringt als Bonus vielleicht ein paar Tore beim Instituts-Fußball-Turnier -> also nichts.
Aber ein bloggender Wissenschaftler SOLLTE als Bonus ein hohes Maß an Außenwirkung einbringen. Gerade in Zeiten, in denen sich kaum ein Institut eine wirkliche Kommunikationsarbeit leisten kann oder will, ist das eigentlich unschlagbar.
Ich hab diese Woche jedenfalls schon wieder drei Radiointerviews – meine akademische Karriere ist wohl wirklich nicht mehr zu retten 😉
In dem verlinkten Beitrag steht ja:
Das lese ich jetzt mal so, dass Bolz dies durchaus bedauerlich findet, oder? Zumal dann folgt:
Wie dem auch sei, mir hätte es sicher karrieretechnisch geholfen, meine Zeit anders — letztlich sinnloser — zu verwenden. Aber wie Du halt auch schreibst: das ist eben nicht das, worauf ich Lust habe.
Ich will aber eine Fallunterscheidung machen, mit welcher Art von Erkenntnissen man in die Öffentlichkeit geht.
Denn in einem gebe ich Bolz halb recht: es muss zwar nicht gleich ein „unangreifbare Ruf“ sein, aber man sollte schon sattelfest sein und auch wirklich mit an der Spitze seiner Forschung stehen, wenn man sich in die Öffentlichkeit mit „neuen“ Erkenntnissen wagt. Das aber sollte eigentlich bei jedem promovierten zumindest im Bereich des Promotionsthemas gegeben sein. Und wer darüber hinaus schon Jahre weiter forscht, sollte mit an der Spitze eines ganzen Gebietes stehen. Und er sollte auch neues zu sagen haben!
Ob junge Wissenschaftler mit „alten“ Erkenntnissen in die Öffentlichkeit gehen sollten, also einfach etablierte Wissenschaft verständlich erklären, die andere gemacht haben, würde ich auch in Frage stellen. Das wäre dann letztlich wirklich ein zweites Standbein (sollte es ein dauerhaftes Engagement sein) und man sollte sich dessen bewusst sein. Es ist ein tolles Standbein, aber es kostet wertvolle Zeit.
@Chris
Hmm, ich melde Zweifel an, wenn ich mal mich selbst betrachte. Ich habe so etwa 180 Blog-Artikel geschrieben, davon vielleicht so 10 in meinem Forschungsgebiet und zwei, die sich explizit mit der Forschung bei uns am Institut befassen. Zu vergleichen mit diversen zeitungsartikeln und einem Fernsehbericht, die es etwa gleichzeitig zu unserem Institut gab – ich glaube nicht, dass ich aus der Warte soo gut abschneiden würde. Dazu müsste ich dann schon sehr spezifisch genau zum Forschungsthema meines Instituts bloggen.
@MartinB: „Ich denke, jedes intensive Hobby (und vom Standpunkt eines Projektleiters ist es das) kann in jedem Beruf als Manko angesehen werden, egal ob das nun Sport, Wissenschaftskommunikation, politisches Engagement oder was auch immer ist. „
Du hast ganz recht, natürlich soll ein Forscher sich auch auf seine Forschungsarbeit konzentrieren. Das heisst aber nicht, dass er keine Freizeit und kein Privatleben (mit Hobbys) mehr haben darf – ich versteh aber die Sicht des Arbeitgebers. Trotzdem: Ich denke, Wissenschaftskommunikation sollte eben nicht nur einfach als „HObby“ gesehen werden, wie Lesen, Laufen oder sonstwas, sondern als Teil der Arbeit eines Wissenschaftlers.
@Martin
Zeitungsartikel und Fernsehbericht sind aber schon mal Dinge, die viele Institute nicht unbedingt vorweisen können. Aber noch mal, es müssen ja nicht zwangsläufig zentrale Inhalte des eigentlichen Forschungsschwerpunktes sein. Es geht ja nicht primär darum, Wissen zu verbreiten. Es ist schon viel gewonnen, wenn Wissenschaftler als Menschen wahrgenommen werden und ihre Arbeitsweise kommunizieren. Viele Forschungsergebnisse können und dürfen aus unterschiedlichen Gründen ja auch gar nicht im Blog kommuniziert werden. Aber selbst wenn der Forscher „nur“ über Fahrradhelme bloggt, dann taucht er damit deutlich authentischer in der Öffentlichkeit auf, als das kleine graue Mäuschen, dass einsam und still in seiner kleiner Kammer vor sich hinforscht
Nun, Bolz ist kein Leichtgewicht(Achtung Autoritätsargument!), und was er zu bedenken gibt, ist differenziert genug, um es in Betracht zu ziehen.
Was MartinB bemerkt hat ist sicherlich auch ein wichtiger Punkt, noch wahrscheinlicher scheint mir aber zu sein, dass man mit einer deutlich sichtbaren öffentlichen Präsenz Teile seiner Persönlichkeit preisgibt, was die Wahrnehmung verschiebt, und durchaus dazu führen kann, dass ein ungutes Gefühl entsteht. Wenn der Wahrzunehmende dann auch noch religionskritisch sowie homöopathieintolerant eingestellt ist, könnte es durchaus sein, dass er(unbewusst!) als Querulant eingeschätzt wird und die Motivation, ihn zu unterstützen, sinkt.
Denn die Menschen, die es in höhere Positionen geschafft haben, fallen zumindest im deutschsprachigen Raum recht selten dadurch auf, dass sie nach vorne preschen und Dinge systematisch in Frage stellen, auf die man sich doch so schön einigen kann. Nur so eine Vermutung von mir…..
Ansonsten bleibt manchen Menschen eben nichts anderes übrig als einen ganz anderen Weg zu wählen. Solche Wege sind steiniger und mühsamer, nur gibt es eben nicht unbedingt eine Alternative.
Ich wünsche mir auf jeden Fall viele kompetente Wissenschaftler aller Art, die ihr Wissen auf den Markt tragen und zu einer neuen Aufklärung beitragen, die wir dringend bräuchten. Die Frage ist aber für jeden einzelnen, ob er die (finanziellen) Risiken einer öffentlichen Präsenz in jungen Jahren tragen will oder kann. Denn bis der große Nutzen eines kommunikativen Wissenschaftlers erkannt wird, wirds wohl noch ein wenig dauern.
Wenn es nicht gerade um Forschung im Sinne von „damit können / wollen wir viel Geld verdienen“, wäre ich fast dafür, das es eine Blogpflicht gibt ;-).
So einmal die Woche müssen die Fortschritte und Rückschläge veröffentlicht werden, das wäre doch nett. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja Leute die einem bei der Lösung eines Problems helfen können.
Aber vielleicht soll auch die ganze Energie ausschließlich auf ein bestimmtes Projekt fokussiert werden. So mit Feldbett im Labor. Und bloß keinen Sex! Schadet der Konzentration. Da ist natürlich ein Blog und / oder anderes Hobby (wobei ein Blog natürlich sehr viel mehr auffält) eher kontraproduktiv.
Ein Argument, warum ein Wissenschaftler die Finger vom Bloggen lassen sollte, ist ja der Zeitaufwand. Ich bin selbst Wissenschaftler mit befristetem Vertrag. Ich habe öfter schon mit dem Schreiben eines Blogs geliebäugelt, hab’s dann aber immer wegen des gefürchteten Zeitaufwands doch sein lassen. Ihr kennt das ja – auch ohne Bloggen ist man mit Forschen, Lehren, Betreuen, Verwalten, etc. mehr ausgelastet, als gut für die eigene Gesundheit, Familie, Haustiere usw. wäre. Und dann ist da trotzdem immer die Sorge, dass man immer noch nicht genug geschafft hat, um das kommende Vertragsende bzw. die Evaluation zu überstehen.
Jetzt würde mich aber interessieren, ob diese Sorge so berechtigt ist. Unter den ScienceBloggern und einigen der Kommentatoren befinden sich ja Autoren, die tatsächlich akademische Karriere und das Bloggen verbinden.
Daher habe ich mal eine konkrete Frage an die Blog-Schreiber unter Euch: wie viel Zeit verbringt Ihr pro Woche mit dem Schreiben und Pflegen Eures Blogs?
Durch mehr Öffentlichkeitsarbeit wäre auch der Esoterik, den Astrologen und Weltungergangspropheten gut zu Leibe zu rücken.
Das komplette Ignorieren von wissenschaftlichen Argumenten resultiert ja oft aus der totalen Unkenntnis der naturwissenschaftlichen Methoden.
@enbeh: „Ein Argument, warum ein Wissenschaftler die Finger vom Bloggen lassen sollte, ist ja der Zeitaufwand. Ich bin selbst Wissenschaftler mit befristetem Vertrag. Ich habe öfter schon mit dem Schreiben eines Blogs geliebäugelt, hab’s dann aber immer wegen des gefürchteten Zeitaufwands doch sein lassen.“
Aber wenn du wüsstest, dass dieses Engagement in Öffentlichkeitsarbeit dir bei der nächsten Bewerbung was bringen würde, dann wäre das anders, oder?
Einen Satz, so formuliert hätte ich von einer Gouvernante des 19. Jhd erwartet- quasi, es gehört sich nicht für jemanden gebildetes mit dem Pöbel zu sprechen.
*arg* Wo ist der nur hängen geblieben ?
Dann „vermisst“ der Herr eine Kultur der „popular science“ rät jedoch selbst dazu ab, diese überhaupt zu ermögichen- irgendwie nicht so ganz sinnig.
…wie war das gleich mit den persönlichen Anekdoten als „Daten“ ..?
Es mag sicher Gründe geben warum man nicht früh in den Medien präsent sein sollte- „das gehört sich nicht“ ist wohl das schlechteste Argument— und nebenbei überwiegen die Vorteile der Medienpräsenz sicher den Nachteilen.
@Florian
Es ist natürlich wie mit allem eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Das machen wir ja ständig. Soll ich jetzt den ganzen Tag damit verbringen, das Manuskript des Doktoranden aus der eigenen Arbeitsgruppe zu lesen? Besser wär’s, weil ich am Ende mit auf dem Paper stehen werde. Soll ich den Tag damit verbringen, das Manuskript des Doktoranden aus einer anderen Gruppe zu lesen? Möglicherweise eher nicht, da ich meine endliche Resource Zeit besser woanders investiere.
Beim Bloggen ist es natürlich nichts anderes. Da ist zum einen der zu erwartende Nutzen. Da ist jetzt hier schon mehrfach drüber diskutiert worden. Ist es für die Karriere schädlich oder ist es wurscht oder könnte gar mein „Engagement in Öffentlichkeitsarbeit mir bei der nächsten Bewerbung etwas bringen“? Im letzten Fall würde ich und viele andere bestimmt auch zum Keyboard greifen und mit den Bloggen beginnen und dafür einiges an Zeit investieren.
Allerdings würde ich mich auch durchaus mit weniger „Rendite“ zufrieden geben. Eigentlich macht mir ja Schreiben Spaß und ich würde mich freuen, dem einen oder anderen etwas Interessantes mitzuteilen und dabei auch generell das Interesse an Wissenschaft zu fördern. Im Prinzip bin ich durchaus Deiner Meinung, dass dies sogar unsere Aufgabe als Wissenschaftler ist. Zumindest ideell, vermutlich nicht dienstrechtlich.
In jedem Fall, besonders wenn der Nutzen des Bloggens eher ideell ist, ist es mir wichtig, etwas über die zu erwartenden Kosten zu wissen, die ich für das Bloggen investieren muss. Kosten bedeutet hier vor allem Zeit. Investiert der durchschnittliche ScienceBlogger eher einen Arbeitstag oder eher zwei Stunden pro Woche, mit der Aussicht, eben keinen Vorteil bei der nächsten Bewerbung zu haben, sondern „nur“ seiner ideellen Aufgabe als Wissenschaftler nachzukommen?
Das hängt offensichtlich davon ab, was und wieviel man schreibt. Wer wie Martin oder Georg aufwändige populärwissenschaftliche Artikel zu speziellen Themen schreibt, wird natürlich einiges an Zeit investieren müssen (lernt aber andererseits bei der Recherche sicher auch manches, was er dann vielleicht doch mal in der eigenen Arbeit verwenden kann), wer wie ich (zum großen Teil) eher aktuelle Meldungen kurz aus der Sicht seines Fachgebiets kommentiert, fährt dabei natürlich ökonomischer und wer (wie ein großer Teil der Wissenschaftsblogger) alle 3 Wochen (oder seltener) mal einen Artikel einstellt, hat natürlich noch weniger Aufwand.
Jemand mit der Macht, auf die Verteilung von Forschungsgeldern Einfluß zu nehmen (wir nehmen mal einen Politiker) habe die Wahl zwischen zwei Kandidaten für ein identisches Projekt:
Kandidat 1 gilt unter Kollegen als Autorität. Er findet sich ständig, beispielsweise in Physical Review Letters, gedruckt.
Kandidat 2 arbeitet im gleichen Fachgebiet. Er schreibt ein blog, in dem er er schafft, sein komplexes Fachgebiet verständlich so aufzubereiten, daß ein interessierter Laie (mit Physikkenntnissen aus der Schule) begreift. Dazu noch wird er gelegentlich in den Tagesthemen/im Radio/der Zeitung interviewt.
Für wen wird sich der Politiker entscheiden?
Die Chance, daß Kandidat 2 gewinnt, ist hoch. Möglich ist, daß der Politiker schon von ihm gehört hat. Außerdem könnte er nützlich sein, wenn man mal einen Experten braucht, der einem ein Thema verständlich erklären kann. Abgesehen davon wird er in der Lage sein, dem Politiker und den Wählern zu erklären, warum man denn das Geld für dieses Projekt ausgeben sollte. Das sichert den Job des Politikers, der den Job des Wissenschaftlers gesichert hat.
Kandidat 1 hat für den Politiker keinerlei Vorteil. Selbst wenn er fachlich besser sein mag (ist er das wirklich?), sitzt er doch im Elfenbeinturm. (Politiker denkt: Ist er vielleicht einfach zu arrogant, Normalmenschen zu erläutern, woran er arbeitet? Oder zu weltfremd? Wird er eventuell zum Problem, wenn man Forschungsgelder in ihn investiert? Ich begreife eh‘ nicht, was der Typ forscht. Also warum Geld ausgeben?)
Irgendwann muß Kandidat 1 dann Physikunterricht an allgemeinbildenden Schulen geben, wenn er Pech hat. Denn seine Kollegen sind ja auch Mitbewerber um rare Stellen in der Forschung. Und wissenschaftliche Meriten sind gut und schön, nur entscheiden oft Leute, die völlig andere Kriterien zur Entscheidungsfindung nutzen.
Und welcher der beiden Kandidaten eventuell mal in der freien Wirtschaft die besseren Chancen hat, sollte keine Frage sein.
@Chris, Florian
Natürlich ist es *für die Wissenschaft* und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit gut, wenn Wissenschaftler bloggen. Vielleicht ist es sogar *für die Universität* gut, wenn Wissenschaftler bloggen. Aber *für das konkrete Forschungsprojekt* ist es herzlich egal, ob der forschende Wissenschaftler nebenbei im Internet die Welt erklärt.
Solange die meisten Wissenschaftler projektbezogen eingestellt werden, sehe ich auch nicht, wie sich daran viel ändern kann – natürlich kann ein Projektleiter einen Blogger einstellen, weil der Projektleiter die Öffentlichkeitsarbeit wichtig findet, genauso wie er jemanden einstellen mag, der sich bei ai engagiert, weil er das wichtig findet – aber aus der rationalen (engstirnigen) Sicht des Projektziels ist das eben nicht notwendig die beste Wahl.
Natürlich wäre es mir lieber, es wäre anders (genauso wie ich die systematische Unterbewertung der Lehre für ein massives problem halte), und natürlich finde ich bloggen wichtig (sonst würde ich es ja nicht machen), und ich bin generell der Meinung (das ist aber wohl eine Außenseitermeinung), dass Leute, die auch Hobbies neben ihrer Wissenschaftlertätigkeit haben, letztlich die besseren Wissenschaftler sind und dass es niemandem auf Dauer gut tut, täglich 12 Stunden zu forschen.
Damit sich aber jemals etwas ändern kann, muss man das Problem auch beim namen nennen – und die Logik der Einstellung gehört eben dazu.
Aus meiner Erfahrung kann ich Herrn Bolz zumindest dahingehend Recht geben, dass es in bestimmten Kreisen vielleicht nicht als „unfein“ gilt sich auf das Niveau von Laien zu begeben, aber es wird nicht gesehen, warum es man dies tue und welchem Zweck es diene. Das ist nicht notwendigerweise auf das Bloggen zu beziehen, es reicht auch schon innerhalb eines (Fach-)Themas anzumerken, dass in der Populärwissenschaft jener Sachverhalt so oder so dargestellt werde. Ich habe mehr als einmal ratlose Gesichter zu sehen und fragende Kommentare zu hören bekommen, wenn ich es in dieser Form anmerkte – eine große Zahl von Wissenschaftlern interessiert es schlicht nicht, was der Laie denkt (deshalb wunder sie sich, warum man sich damit beschäftige). In diesem Desinteresse liegt keine Bosheit verborgen, es ist wirklich einfach nicht vorhandenes Interesse (aus welchem Grund sei mal dahingestellt).
Die Konsequenzen einer solchen Haltung sind den Betroffenen dabei genauso wenig bewusst, wie die Notwendigkeit ihre Perspektive zu ändern. Wen wundert es – 12 Stunden am Tag forschen und keine Sicht für andere Dinge haben führt zwangsläufig dazu, den Blick auf die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu verlieren. Man sieht auch nicht mehr, warum das wichtig sein soll.
Man sollte Norbert Bolz hier nicht missverstehen. Ich lese den Bericht so, dass er diese Zustände (also dass es schädlich für die persönliche wissenschaftliche Karierre sei, wenn man privat Öffentlichkeitsarbeit betreibe) kritiesiert und eine „popular science“ vermisst. In meinen Augen, para, ist was er sagt deshalb sehr wohl sinnig. Ob dem nun wirklich so ist, darüber kann man sich streiten. Das bisher Gesagte im Hinblick auf den nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand und die Art der Entscheidungsfindung von Projektleitern, ja das sollte man sehr ernst nehmen.
Ich frag mich bei solchen Diskussionen immer, ob hier der Wissenschaftler nicht überfordert wird, bzw. was das Wort „Wissenschaftler“ dann eigentlich noch bedeutet außer eierlegende Wollmilchsau. Ein Wissenschaftler soll forschen, vielleicht sogar entwickeln, Expertenrat geben, die Öffentlichkeit unterhalten (Populärwissenschaft muss ja mit anderen Unterhaltungsmedien konkurrieren) und den eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs lehren. Das ist ganz schön viel! Ohne den kompletten Beitrag von Herrn Bolz gelesen zu haben, aber vielleicht ist das Misstrauen, dass das Ausleben eines Aspekts des Wissenschaftlerdaseins auf Kosten eines anderen geht, nicht unbegründet, oder?
Vielleicht muss man sich einfach irgendwann entscheiden, wo man nach seiner wissenschaftlichen Ausbildung die Schwerpunkte setzt – und wenn jemand für seine Arbeitsgruppe einen Forscher braucht, stellt er eben nicht den Kommunikator ein.
Für den mit dem Hobby. Der Arbeitsvertrag wird seine Pflichten regeln und den Umfang der zu erbringenden Arbeit festlegen. Das muss genügen. Die Erwartung, ein Angestellter werde über die bezahlte Arbeit hinaus Zeit an seinen Vertragspartner verschenken, ist weit verbreitet, aber sehr problematisch und zu kurz gedacht. Abgesehen von den ethischen Problemen solcher Ausbeutungsversuche zieht man damit das falsche Personal an: Leute, auf die man aufpassen muss, weil sie ihr Leben selbst nicht auf die Reihe kriegen, Leute, die einseitig interessiert sind, und Leute, die wirtschaftliche Zusammenhänge ignorieren. Der Bewerber mit dem Hobby wird besser organisiert sein, länger gesund bleiben und vernünftigere Entscheidungen treffen. Er wird Dein Kollege werden und nicht Dein Mündel. Er wird aber auch leichter Entscheidungen akzeptieren können, die nicht seinen Vorstellungen entsprechen, weil die Arbeit für ihn nur ein Aspekt und nicht der Inhalt seines Lebens ist. Ihn musst Du einstellen, wenn die Qualifikation und die Fähigkeiten ansonsten vergleichbar sind.
Hallo Florian.
„Sich auf das Niveau von Laien zu begeben – das gelte in der deutschen Wissenschaft als unfein, behauptet Norbert Bolz, Professor für Medienwissenschaft an der TU Berlin.“
Warum das so ist hast du ja erklaert.
Deine Einstellung darauf ein wenig zu pfeifen und eher zu tun was dir persoenlich wichtiger ist und sicher auch mehr Spass macht, ist sehr sympathisch.
Laien, Wissenschaft allgemein verstaendlich, locker und mit Witz naeherzubringen, ist aus meiner Sicht aeusserst lobenswert. Wenn es gluecklicher macht, sich „karriereorientierter“ (no offense) zu verhalten, kann das ja gerne tun.
Auf jeden fall finde ich es megakuhl, dass es dich und deinen Blog gibt.
Und gerade folgendes ist sicher betoneswert.
Ein ignoranter Esoteriker war ich ich zwar nie aber genau diese angesprochene Luecke der totalen Unkenntniss, konnte ich durch deine Aufklaerungsarbeit, zumindest deutlich verkleinern.
Vielen, herzlichen Dank, ein frohes neues Jahr und weiter so!!! 🙂
@Lichtecho: „Das ist ganz schön viel!“
Stimmt schon, ein Wissenschaftler soll viel können. Andererseits dauert seine Ausbildung auch 5 bis 10 Jahre länger als die eines „normalen“ Arbeitnehmers. Er hat also auch viel Zeit, viel zu lernen. Und es muss ja nicht unbedingt jeder Wissenschaftler ein perfekter Lehrender und Öffentlichkeitsarbeiter sein. Es würde schon ausreichen, wenn Engagement in dieser Richtung nicht mehr bestraft würde. Die, die dann Lust auf Lehre/ÖA haben und die gut darin sind, machen das dann, die anderen machen weiter wie bisher.
„Vielleicht muss man sich einfach irgendwann entscheiden, wo man nach seiner wissenschaftlichen Ausbildung die Schwerpunkte setzt „
Richtig! Aber das aktuelle System schmeißt eben alle raus, die was anderes machen als ein paper nach dem anderen zu veröffentlichen. Schwerpunkte setzen ist da nicht drin. Das man an Unis – so wie in den USA – auch Stellen mit Schwerpunkt auf Lehre einrichtet, hat sich in D noch nicht wirklich durchgesetzt. Die Lehre wird allen Angestellten aufgezwungen, neben der Forschungsarbeit und da es keine Konsequenzen hat, wenn man schlechte Lehre macht, ist die Motivation auch nicht so groß, sich hier reinzuhängen.
Einer der schlimmen Dinge, wennn ein Wissenschaftler keine „Öffentlichkeitsarbeit“ machen kann/darf, ist, dass die Pseudowissenschaftler dadurch zusätzlich leichtes Spiel haben, so nach dem Motto: Ist der Ruf ruiniert, lebt es sich ungeniert“.
Meiner Meinung nach sollte Öffentlichkeitsarbeit dazu gehören.
„Wen es gluecklicher macht“
Und der herzliche Dank, gilt natuerlich auch allen die dich hier tatkraeftig unterstuetzen.
Happy new year.
@Nörgler
Persönlich stimme ich dir innerhalb gewisser Grenzen (der Hochleistungssportler, der in seiner Bewerbung dem Sport mehr Platz einräumt als seiner Forschung, liegt jenseits davon) ja durchaus zu. Solange aber die Realität eine andere ist (wieviele Stellen für Wissenschaftler werden mit „neben den Dienstaufgaben besteht die Gelegenheit zur Promotion“ ausgeschrieben?), muss man das aber zumindest feststellen können.
Wieso steht das von Prof. Bolz auf dradio.de und nicht im „Ruritanian Journal of Media Science“? Ist das überhaupt peer-reviewed? Also für mich ist der jetzt total unglaubwürdig 😉
Abgesehen davon wird der wohlwollend auf kath.net besprochen (https://www.kath.net/detail.php?id=20156), ist also sowieso mit Vorsicht zu genießen.
@ Wolf:
Der Gedanke mit der „Blogpflicht“ ist gar nicht so abwegig und spielt beispielsweise in der Debatte über die Anrechenbarkeit von „public science“ bei Beutachtungen und Berufungen eine Rolle. Wir haben das kürzlich in unserer Studie unter dem Begriff „systemischer Wandel“ beschrieben (https://wk-trends.de). Letztlich ist der Gedanke hinter einer solchen „Pflicht“ ja die Transparenz eines noch immer größtenteils in sich geschlossenen (und gerade deshalb gesellschaftlich oft nicht anschlussfähigen) Systems. Eine Ebene darüber könnte man gleich von „Open Sciece“ sprechen. Beschränken sollte man die Motivation für diese Transparenz aber nicht auf die vermeintliche Notwendigkeit zur Legitimation zur Verwendung von Steuermitteln (wie weiter oben im Thread beschrieben). Dialog sollte schließlich nicht allein aus Rechtfertigung heraus entstehen.
Hmmmm, schwierige Materie, aber mal eine Idee:
Wie wäre es mit Multiplikatoren?
Nehmen wir mich. Als Statistiker bin ich Datensammler, kann dies aber anhand simpler Beispiele recht gut an den Mann oder an die Frau bringen.
Kann Flo dies nicht andersrum? Kann ich nicht seine Grundthesen an die Person bringen? Ich glaube schon. Meine Versuchsperson ist immer meine Mutter (n=1, schon Scheiße), aber dennoch geeignet, um Tendenzen zu testen.
Wichtig ist doch, die an sich schwierige Materie möglichst simpel an den Mann oder an die Frau zu bringen, und da kann man sich doch gegenseitig befruchten….. oder lieg ich da falsch…?????
Sagt der echt „einen unangreifbaren Ruf“? Also nie, denn unangreifbar ist niemand, es sei denn er verwendet nur Pseudoargumente oder verklagt jeden der den Mund aufmacht.
Ich werde zu dem Thema demnächst auch einen Blogbeitrag schreiben. Aber schon jetzt mal nur so viel: Zumindest in den USA – oder, ganz speziell, am Massachusetts Institute of Technology – gehört eine Ausbildung in Kommunikation zu den Grundanforderungen aller Studenten (jene zu vermitteln, ist mein Job). „Kommunikation“ ist dabei nicht unbedingt gleich im Sinn von Publizistik oder sonstiger medialer Professionalität zu verstehen, es geht dabei eher darum, verständlich zu schreiben und Vorträge besser zu machen. Aber immerhin werden angehende WissenschaftlerInnen an die Idee herangeführt, dass zur Wissenschaft auch die Vermittlung von Wissenschaft gehört.
Was Jürgen Schönstein sagt, halte ich für den zentralen Punkt. Weswegen ich im Kommentar oben diese Unterscheidung traf.
Seine eigene Forschung, bei der man naturgemäß mit an der Spitze der Forschung steht, sollte man in der Öffentlichkeit auch vertreten (können). Das gehört dreifach zum Beruf.
(A) Bei Anträgen muss man in der Regel auch eine allgemein verständliche Zusammenfassung schreiben. Denn das Geld kommt in der Regel aus dieser Öffentlichkeit.
(B) Bei Vorträgen hilft eine Einführung, die die Erkenntnisse auf den Wesenskern zusammen fasst (die take-home-Nachricht); auch die sollte in der Sprache des Laien mitgegeben werden, sonst kommt sie evtl. nicht zu Hause, also in den Köpfen der Kollegen, an.
Hierzu sei ein David Hilberts Ausspruch erinnert:
(C) In der Lehre (in Schrift und Vorlesung) muss man Ideen verständlich Studenten erklären, die ja noch halb Laien sind. (In einer Buchbesprechung schrieb ich gerade, wie dem Autoren eines Fachbuches der Medizintechnik eine gefährliche Antarktisexpedition der Veranschaulichung von data assimilation dient und der US Supreme Court der der Singulärwertzerlegung. Völlig themenfremde (!) dennoch — und gerade deswegen — einfache, einprägsame Beispiele. Ein Fachbuch so zu schreiben, ist in Deutschland unüblich.)
Für all diese Punkte braucht es Übung und da ist das Schreiben eines Blogs zumindest eine Möglichkeit. Wobei sich der Zeitaufwand aufgrund der Zweitverwertung in Grenzen hält.
Und ja: Wissenschaftsbloggen ist Lobbyismus und das ist gut so.
(Die Forschung anderer zu erklären, fällt in eine andere Kategorie. Das ist in meinen Augen dann eher wirklich ein zweites Standbein, wobei mit der Lehrdozentur, die ja kommen soll, dies Standbein vielleicht eines Tages in Deutschland auch in Akademia stehen wird.)
Ich finde es toll, dass immer mehr Wissenschaftler die Öffentlichkeit suchen, so gefiel mir der letzte „Science Slam“ extrem gut, und ich finde es ist der richtige Weg, die Wissenschaft ein wenig zu entknöchern. Das Interesse bei der Jugend muss einfach geweckt werden, und das schafft man nur wenn man an die Öffentlichkeit geht – im Elfenbeinturm publizieren halte ich für nicht gut, zumal der Zugang zur Bildung für junge Menschen immer schwieriger wird, wir leben zwar im Informationszeitalter, aber die Medien sind nun mal voll von Informationen, die die jungen Menschen kaum weiter bringen bzw. die darauf abzielen, sie zu willigen Konsumenten von Waren zu machen.
Und die Kommunikation hier in deinem Blog bringt dich ja auch weiter, Florian. Du übst immer wieder, deine Forschungen für Laien verständlich zu umschreiben. Du hast über die Kommentarfunktion eine grosse Bandbreite an Meinungen zu einem Thema – auch von nicht-Wissenschaftlern – was den Wissenschaftlern die nicht bloggen fehlt, und Du siehst dadurch wie verständlich ein Thema bei der Allgemeinheit ankommt oder wie sehr es die Menschen bewegt.
Letzten Endes musst du für dich entscheiden, was „wissenschaftliche Karriere“ für dich bedeutet, ist ja wie in anderen Berufen auch. Für die einen ist es wichtig, in der Zunft eine hohe Anerkennung zu haben, einem anderen wiederum ist Geld wichtig, wieder ein anderer möchte halt ein wenig Bildung unters Volk bringen.
Dann kommt meiner Meinung nach noch dazu, dass Bolz zu einer anderen Generation gehört. Sicher, er ist Experte für Medien, aber ich habe oft den Eindruck, dass diese Menschen die Entwicklung zur digitalen Gesellschaft einfach nicht so richtig verstehen.
Erstmal Danke an Florian für den (wieder mal) hervorragenden Artikel. Ich bin ganz deiner Meinung, denke aber dass es notwendig ist die Aussage von Herrn Bolz zu differenzieren. Er spricht nämlich ausdrücklich von jungen Wissenschaftlern, wenn er rät sich von Massenmedien fern zu halten. Insofern tut man ihm meiner Meinung nach Unrecht, seine Aussage auf alle Wissenschaftler in Deuschland zu erweitern und ihm zu unterstellen, er würde der Wissenschaftlergemeinde generell raten den Kontakt mit der Bevölkerung über Massenmedien zu meiden. Ich denke den Punkt den er machen wollte ist folgender: Als angehender Wissenschaftler hat man sich (z.B. währen der Doktorarbeit) gerade erst in ein sehr spezielles Themengebiet hineingearbeitet; man hat nun vielleicht das technische Handwerkszeug um Wissenschaft zu machen, aber es fehlt noch an Erfahrung und Hintergrundwissen. Auch das Wissen über andere wissenschaftliche Disziplinen ist noch begrenzt. In diesem Falle ist es tatsächlich gefährlich in Massenmedien aussagen zu publizieren, und diese als allgemeingültige Wahrheiten kundzutun. Sofern man jedoch angibt, dass man noch „Jungspund“ ist, und das Geschriebene oder Gesagte vom Leser/Hörer nicht auf die Goldwaage zu legen ist, sondern eher der Diskussion dient, sehe ich kein Problem damit auch gewagte Theorien zu vertreten/zu diskutieren.
Ich denke dass die Menschen die nicht im wissenschaftlichen Bereich arbeiten, sich sehr schwer tun unsere Art zu Arbeiten und zu Denken zu verstehen. Die Leute meinen, weil wir Wissenschaftler sind, wüssten wir alles über das was wir tun. Doch im Prinzip ist es doch genau anders herum. Wir wagen uns in Neue Bereiche, erforschen Neues, da weiß man eben gerade nicht was dabei herauskommen kann.
@Florian
Da muss ich Dir widersprechen, wenn ich die Doktoranden schon früh darauf trainiere, sich nur in ihrem Elfenbeinturm zu bewegen und zu kommunizieren, dann pflanze ich ihnen direkt genau die Scheuklappen ein, die schon seit Generationen weiter vererbt werden.
Das Internet und die Social Media sind das Massenmedium, in denen jeder üben kann, sich verständlich zu machen, einem nicht-Fachpublikum.
@ Chris: Wir dürfen aber nicht vergessen, dass sich Kanäle wie Facebook zumindest meines Erachtens nach nicht unbedingt dafür eignen, wissenschaftliche Neuerungen zu präsentieren. Auf Facebook und Co. sind zwar viele Menschen unterwegs, also auch das Nicht-Fachpublikum, allerdings scheint mir eine solche Plattform kein geeigneter Kanal für Wissenschaft zu sein. Natürlich sollte man versuchen, wissenschaftliche Begriffe und Neuerungen auch Menschen zu erklären (verständlich erklären!), die eigentlich keine Ahnung von dem Bereich haben. Allerdings muss der Addessatenkreis stimmen – es ist kaum möglich, jeden für so etwas zu begeistern. Oder anders ausgedrückt: Eine Art Fachpublikum ist immer der Adressatenkreis, der allerdings erweitert werden sollte. Ich glaube aber kaum, dass Otto Normal-Bürger wirklich großes Interesse an der Wissenschaft hat…
@Maxi
„Massenmedien“ wurde nicht weiter definiert, daher macht es wenig Sinn zu sagen „auf Facebook und Co“ (wer ist eigentlich „Co.“ ?) geht das nicht- niemand hat sich auf soziale Netzwerke beschränkt. Das „Internet“ ist ein Massenmedium, Soziale Netzwerke sind nur ein Teil davon.
Gerade Facebook ist da sogar schon wieder nützlich. Ich bekomme da meine Nachrichten sobald es bei SB was neues gibt, ohne jetzt jedes Blog einzeln abbonieren zu müssen.
Das „Otto-Normalbürger“ kein großes Interesse an Wissenschaft hat, ist eine ziemlich vage Aussage (wer ist „ON-Bürger“ ? ab wann ist ein Interesse „groß“ ?). Unabhängig davon, Quiz-Shows und Dokus haben in den letzten paar Jahren ordentlich im TV (und sogar im Kino) zugenommen (Qualität lassen wir mal vorerst bei Seite). Ebenso, eine Zunahme von populärwissenschaftlichen Zeitschriften für Kinder.
Zumindest sind dies Indikatoren die der Aussage „ON-Bürger interessiert Wissenschaft kaum“ entgegen sprechen.
Ein Aspekt ist noch nicht zur Sprache gekommen: Sind es nicht die Wissenschaftsjournalisten, die als Schnittstelle zwischen Forschung und Otto Normalbürger fungieren? Anders formuliert, Forscher liefern das Rohmaterial und Wissenschaftsjournalisten bereiten das dann verständlich auf.
Ich hab‘ auch noch einen Aspekt: Wissenschaftskommunikation ist nicht nur an der Schnittstelle zwischen Forschung und Otto Normalbürger notwendig, sie ist auch zentral bei interdisziplinärer Forschung; das wäre Punkt (D) in Ergänzung zu obigen Kommentar.
Es ist nicht immer klar, wie weit Forscher anderer Disziplinen sich hinein denken können und müssen, welcher Art von Beschreibungsebene (evtl. abweichend von Erklärungen für Laien) hinreichend, sprich überzeugend, ist, um Kooperation erfolgreich durchzuführen. Aus eigener Erfahrung kann ich klar sagen, wenige Neurologen und Gehirnchirurgen verstehen meine Ideen auf einer Ebene, wie ich sie Physikern erklären kann. (Ich wiederum würde auch nicht Diagnosen stellen und im Hirn andere Menschen herum schneiden).
Doch bin ich darauf angewiesen, das diese Kollegen ihre Zeit, klinische Untersuchungen und allgemein Forschungsgelder in die Überprüfung meiner Theorien stecken. Da ist es schon gut, überzeugen zu können. Was mich betrifft — und wohl generell in interdisziplinärer Forschung — ist Wissenshaftkommunikation (über)lebensnotwendig.
@Max
Journalist kann sich jeder nennen (ist keine geschützte Berufsbezeichnung) – das macht die Qualitätssicherung schwierig. Das kann dann auch einfach ein x-belibige Person sein die eben den „Wissensteil“ einer Zeitung übernimmt. Sprich, nicht zwingend Leute mit einem wissenschaftlichen Hintergrund. Läuft also auf dasselbe hinaus, was die Kompetenzen betrifft seine Arbeit erklären zu können (was eigentlich auch jedEr können sollte).
Wozu aber der Aspekt, was spielt das hier für eine Rolle ? Es geht ja nur darum ob junge Forscher in den Medien präsent sein sollten.
Norbert Bolz hat schon recht, obwohl seine eigene Karriere durchaus mit Positionierungen einherging, die auf mediale Wirksamkeit aus waren. „Philosophie nach ihrem Ende ist Wissensdesign“, schreibt er im Vorwort zu seinem Buch „Philosophie nach ihrem Ende“ wohl auch etwas selbstreflexiv. Aber die meisten Wissenschaftskarrieren werden nach wie vor mit Publikationen in peer reviewten Zeitschriften und Drittmitteleinwerbung gemacht. Darunter leidet nicht nur die Wissenschaftsvermittlung in der Öffentlichkeit, sondern auch die Lehre an den Hochschulen. Andererseits können mangelnde Erfahrungen und Kompetenzen im „Wissensdesgin“ Wissenschaftlern und der Wissenschaft auch erhebliche Probleme machen, z.B. in der Politikberatung. Ein paar eigene Überlegungen dazu sind hier abrufbar.
Hallo Florian,
als stummer Leser der Science Blogs moechte ich einmal ein interessantes Paper zum Thema Economic Blogs vorschlagen, welches von zwei Leuten der WB geschrieben wurde. Ein zusammenfassender Satz daraus:
„bloggers increase the dissemination of other people‟s research (in addition to their own work), and can have positive effects on the reputation of their institutions.“
quelle
https://www-wds.worldbank.org/servlet/WDSContentServer/WDSP/IB/2011/08/29/000158349_20110829130036/Rendered/PDF/WPS5783.pdf
P.S.: Sorry, ich weiss net so recht wie man hier mit der Zitatefunkltion und so dem Kram umgeht 😉
Ach ja, immer wieder der Verweis auf die USA, wo alles besser ist… Meine Erfahrungen sind, dass da noch mehr auf Output geachtet wird und der Druck größer ist. Auch nicht die besten Voraussetzungen dafür, nebenbei noch per Blog und Social Media eine Wissenschaftsjournalismus-Karriere anzuschieben.
Warum stellt niemand die Frage, schadet Bloggen der Top-Management-Karriere? Das könnte man ganauso mit „ja“ beantworten. Im Grunde geht es doch um die Zeit, die man für solche Sachen zur Verfügung hat. Es gibt nun mal Beschäftigungen, wie z.B. Wissenschaft, Managementpositionen mit Verantwortung für Ziele, Budget und Personal, oder auch ärztliche Tätigkeit in eigener Praxis, die kaum Zeit für Bloggen und Medienpräsenz lassen. Jeder der das mal versucht hat, weiss, dass es eine Menge Zeit kosten, im Netz und in den Medien eine gewisse Aufmerksamkeit Reputation zu erlangen. Wenn es trotzdem versucht wird, geht das immer auf Kosten der beruflichen Notwendigkeiten, oder gar auf Kosten andere sozialer Aktivitäten wie Familie, Freunde usw.
Wenn es wirklich „positive effects on the reputation of their institutions“ hat, dann soll man es Kommunikations-Profis überlassen. Mal ganz platt: Die Erarbeitung von Anträgen zur Forschungsprojekte und Drittmittel bringt am Ende der Institution doch mehr, als Blogpostings.
Kann man bedauern. Aber lässt sich eben nicht ignorieren.
@strappato: „Warum stellt niemand die Frage, schadet Bloggen der Top-Management-Karriere? „
Weil es nicht ums Bloggen geht. Sondern um „Wissenschaftskommunikation und Medienpräsenz“ (siehe Titel). Meiner Meinung nach ist das Teil der Arbeit eines Wissenschaftlers und sollte deswegen einer wissenschaftlichen Karriere nicht schaden. Wissenschaftskommunikation ist dagegen NICHT Teil der Arbeit der meisten Top-Manager. Wenn die jetzt also anfangen, Wissenschaftsblogs zu schreiben oder Interviews über Wissenschaft zu geben, dann kann das ihrer Karriere durchaus schaden.
„Es gibt nun mal Beschäftigungen, wie z.B. Wissenschaft, Managementpositionen mit Verantwortung für Ziele, Budget und Personal, oder auch ärztliche Tätigkeit in eigener Praxis, die kaum Zeit für Bloggen und Medienpräsenz lassen. „
Das Öffentlichkeitsarbeit Zeit kostet, bestreitet niemand. Ich bin nur eben der Meinung, dass WIssenschaftler sich diese Zeit durchaus nehmen sollen dürfen. Weil Wissenschaft eben nicht nur „Publish & Perish“ sein sollte. Ja, so ist es zur Zeit. Aber nur weil der Status Quo Öffentlichkeitsarbeit derzeit bestraft, heißt das ja nicht, das man sich dafür einsetzen kann, dass das anders wird.
„Mal ganz platt: Die Erarbeitung von Anträgen zur Forschungsprojekte und Drittmittel bringt am Ende der Institution doch mehr, als Blogpostings. Kann man bedauern. Aber lässt sich eben nicht ignorieren. „
Wie definiert man, was einer Institution was „bringt“? Ist es gut, wenn eine Uni eine Arbeitsgruppe hat, die ein Nature-Paper nach dem anderen rausbringt? Sicherlich. Ist es gut, wenn die Bevölkerung versteht, was diese Leute da in ihren Nature-Papers schreiben und wissen: Ah, die Arbeitsgruppe der Uni X macht äußerst coole und erfolgreiche Forschung? Ich würde sagen, dass das ebenfalls „was bringt“. Kommt halt darauf an, ob man Forschungsinstitute eher als Elfenbeintürme sieht, und die Aktivitäten die dort ablaufen die Bevölkerung nicht zu interessieren haben. Oder ob man Wissenschaft als etwas betrachtet, dass die ganze Gesellschaft betrifft und an dem deswegen auch die ganze Gesellschaft teilhaben und über das die ganze Gesellschaft informiert sein soll.
Ganausogut könnte man große Unternehmen oder andere Institutionen zu etwa erklären, was die ganze Öffentlichkeit angeht. Dort erledigen die Kommunikation Leute, die für diese Sache der Öffentlichkeitsarbeit angestellt werden. Die Forderung muss daher sein, dass Abteilungen oder Institute Stellen für die Öffentlichkeitsarbeit und Aussenkommunikation einrichten. Was soll denn der Wissenschaftler noch machen? Forschen, Anträge stellen, Paper schreiben, Arbeitsgruppen leiten, in der Scientific Community aktiv sein, Fachvorträge halten, reviews und Gutachten verfassen, Doktoranden betreuen. Ganz schön viel. Und noch Bloggen und Interviews geben? Auch wenn die Öffentlichkeitsarbeit manchen am meisten Spaß macht „irgendwas mit Medien halt…“, die Kernkompetenz sollte wohl woanders liegen. Und die Karriere wird halt mal nach der Leistung in der Kernkompetenz gewertet.
@strappato: „Auch wenn die Öffentlichkeitsarbeit manchen am meisten Spaß macht „irgendwas mit Medien halt…“, die Kernkompetenz sollte wohl woanders liegen. Und die Karriere wird halt mal nach der Leistung in der Kernkompetenz gewertet. „
Da haben wir halt unterschiedliche Meinungen was „Kernkompetenz“ angeht. Ein Wissenschaftler sollte meiner Meinung nach durchaus auch in der Lage sein, zu erklären, was er macht. Es geht auch nicht darum, dass Öffentlichkeitsarbeit jemandem „Spaß macht“. Wer sich dafür entscheidet, Wissenschaftler zu werden, der macht das so gut wie immer, weil ihm Wissenschaft Spaß macht. Ich würde es auch für sehr wünschenswert halten, wenn Universitäten mehr Leute für ihre Öffentlichkeitsarbeitsabteilungen einstellen und mehr Geld dafür ausgeben. Die Leute die dort arbeiten brauchen ja auch einen wissenschaftlichen Hintergrund und – so wie zusätzliche Lehrstellen – wären das Möglichkeiten, für Wissenschaftler, die Lust darauf haben Wissensvermittlung zu betreiben.
Niemand sagt hier, dass Wissenschaftler nicht mehr nach ihrer Forschungsleistung beurteilt werden sollen. Aber so wie es derzeit ist, wird jeder Wissenschaftler bestraft, der sich nicht voll und ganz dem Publizieren von Papers widmet. Ok, so mag vielleicht der Forschungsoutput (zumindest für die Statistik) der Unis maximiert werden. Aber das kann ja nicht der einzige Maßstab sein! Ich hab ja im Artikel beschrieben, dass es durchaus Gründe gibt, warum es WICHTIG ist, WIssen zu vermitteln. Das Geld für die Forschung kommt meistens vom Staat. Der Staat sind die Steuerzahler. Und die Steuerzahler sind alle. Ich würde es gerne sehen, wenn diejenigen die das Geld verteilen auch Bescheid über das wissen, das sie finanzieren…
@Strappato:
Es geht vielleicht nicht so unbedingt um das Bloggen. Um es auf den Punkt zu bringen: Allein aus wirtschaftlicher Selbsterhaltung muß man in der Lage sein, einem Betriebs- oder Verwaltungsfachwirt erklären, was man treibt. Das heißt jetzt nicht, daß man nur und immer mit der Außenwelt kommuniziert. Nun gut – ein großer Teil meines Jobs IST Kommunikation, ich kenne auch das Problem, außenstehenden zu erklären, was man da macht – aber es ist einfach wichtig. Sonst hat man irgendwann als Taxifahrer mit Diplom die Chance, Kommunikation zu erlernen. Denn SO brilliant, daß sich die Institute nach einem reissen, auch wenn man nicht allgemeinverständlich kommuniziert, sind nur wenige.
Ein sehr guter Artikel, dem ich nicht nur aus ganzem Herzen, sondern auch aus eigener Erfahrung zustimme.
Als ich anfing, zu Religionswissenschaft zu bloggen, habe ich tatsächlich einmal die Rückmeldung bekommen, „das besser nicht zu tun, das schadet der Karriere“. Langsam ändert sich die Einstellung aber und ich bekomme gerade auch von Kolleginnen und Kollegen Anregungen, Anfragen oder auch Literatur zum Rezensieren zugesandt. Auch Vortragsanfragen kommen häufig gerade „weil“ dokumentiert ist, dass der Dialog mit der Öffentlichkeit gesucht wird. Die Leute wollen sich selbst ein Bild machen – was ich super finde (und m.E. gerade auch in Kultur- und Geisteswissenschaften selbstverständlich sein sollte). Vom Interesse der Studierenden ganz zu schweigen.
Meine Hoffnung ist, dass wir derzeit die Wiedergeburt des „citizen scientist“ erleben, wie er auch z.B. im 19. Jahrhundert blühte: Menschen, die beruflich unabhängig waren und gerade deswegen eigenständige und auch mutige Beiträge leisten konnten. So hatte Albert Einstein sein „Annus mirabilis“, während er als Patentbeamter wirkte, er war für Uni-Stellen abgelehnt worden. Und Charles Darwin hatte sogar zeitlebens nur einen einzigen Uniabschluss erworben – denn eines Bachelors in anglikanischer Theologie (sic!). Danach wirkte er „nur noch“ als Privatgelehrter, u.a. per Brief und in wissenschaftlichen Vereinigungen. Auch sein Mitentdecker Alfred Russel Wallace war – Landvermesser. Ob beide als Angestellte im Wissenschaftsbetrieb ihre bahnbrechenden Entdeckungen hätten machen und publizieren können?
Um es klar zu schreiben: Ich lehre gerne an der Uni und genieße den Dialog mit Kolleginnen und Kollegen sowie engagierten Studierenden. Aber meine berufliche Unabhängigkeit erlaubt mir erst den Spaß am Schreiben, Bloggen & Forschen, den ich keinswegs mehr aufgeben möchte.
@strappato
Nur ein Hinweis dazu meinerseits: Die meisten Forschungsgelder in Deutschland werden über Steuergelder verteilt, die meisten Stellen befinden sich im „öffentlichen Dienst“. Ich habe kein Problem damit, wenn sich Wissenschaftlerteams arbeitsteilig die Aufgaben je nach Kompetenzen und Eignung aufteilen. Wo aber die Öffentlichkeit Geld zur Verfügung stellen soll, ohne dass die Betreffenden die Erträge auch der breiteren Öffentlichkeit (mit-)teilen, brauchen sie sich über mangelnden Rückhalt nicht mehr beschweren. Eine offene Gesellschaft lebt m.E. davon, dass sie öffentliche Güter auch zugänglich und transparent macht – und keinen selbsternannten Adel schafft, der sich für selbstdefinierte, leider nicht erklärbare „Kernkompetenzen“ lebenslang bezahlen lässt.
Im Prinzip stimme ich dem sehr schönen Artikel zu, allerdings sollte man es nicht ganz so schwarz sehen. Es kommt sehr stark auf das Umfeld an. Es gibt Institute, an denen Öffentlichkeitsarbeit von den Vorgesetzten als irrelevant oder gar schädlich abgetan wird und solche, wo sie einen wichtigen Bestandteil bildet. An einem meiner früheren Institute gab (und gibt) es beispielsweise monatlich einen Abend mit Führung und öffentlichem Vortrag. Da wurden auch Doktoranden nicht gerade verdonnert, aber doch stark ermutigt, einen Vortrag zu halten. An der Universität, an der ich studiert habe, wurde bei der Nachbesetzung der Astrophysik-Professur in der Berufungskommission besonders von uns Studentenvertretern großen Wert auf Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit (und gute Lehre) gelegt. Ich denke und hoffe also, dass das ganze im Wandel begriffen ist, aber bis sich überall die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Wissenschaftskommunikation ein wichtiger Bestandteil der Wissenschaft ist, ist es sicherlich noch ein langer Weg.
Ein Aspekt am Rande, der bisher nicht zur Sprache gekommen ist: Viele junge Wissenschaftler sind ja gar nicht in ihrem Heimatland tätig, haben also in einem fremdsprachigen Umfeld schlechte Karten in der Öffentlichkeitsarbeit, auch wenn sie sich da gerne engagieren würden.
Das Problem ist sicherlich auch, dass der allgemeine Bereich der Naturwissenschaften nicht zum „Bildungskanon“ gehört. Weißt jemand bestimmte Fakten aus den Bereichen der Naturwissenschaften, wird diese Unkenntnis meist mit einem müden Lächeln und leiser Zustimmung bestätigt.
Zeigt man jedoch seine Unwissenheit im Bereich der Geographie oder anderen kulturellen Bereichen, wird dem meist großes Entsetzen entgegen gebracht.
@strappato
Dass Unternehmensbosse auch Wirtschaftskommunikation betreiben, ist – mal ganz nebenbei gesagt – eher die Regel als die Ausnahme. In den meisten Unternehmen, mit denen ich als Journalist zu tun hatte, war die Öffentlichkeitsarbeit (zumindest jene, die sich direkt mit der Performance des Unternehmens befasste – Produkt-PR ist nochmal was anderes) direkt den Bossen zugeordnet, und bei jeder Pressebegegnung, die was erreichen will, spricht der Boss persönlich. Sicher, der Pressesprecher und sein Team feilen manchmal die Texte aus, und wenn die Unternehmensposition zu akuten Fragen vom Vorstand abgesegnet ist, dann kann auch der Pressesprecher oder die Pressesprecherin direkt und ohne weitere Rücksprache ein Statement abgeben. Aber wie gesagt: Die Inhalte bestimmt der Chef. Und manchmal bloggt er auch selbst …
Ach so, ich vergaß mein P.S. zu dem „Verweis auf die USA, wo alles besser ist“: Niemand sagt, dass es in den USA „besser“ ist – es ist sogar das Gegenteil plausibel, nämlich dass sich die Wissenschaft in den USA viel mehr für ihre Existenz rechtfertigen muss, weil eben die Masse der Bevölkerung eher wissenschaftsfremd oder -feindlich eingestellt ist (man betrachte nur die leidliche und unendliche Kreationismus-Debatte). Und dass Wissenschaftler es sich dort eben gar nicht leisten können, ihre Tätigkeit nicht vor einer breiten Öffentlichkeit zu vertreten. Während sich deutsche Wissenschaftler halt vielleicht darauf verlassen können, dass ihre Jobs selbst dann sicher sind, wenn sie es für unter ihrer Würde halten, sich auch mal allgemein verständlich darüber zu äußern, was sie so tun. Aber das beantwortet halt nicht die – berechtigte – Frage, warum es jemandem schadet, wenn sie/er diese Fähigkeit besitzt. Es ist eine Sache, etwas nicht selbst beherrschen zu müssen (es muss ja beispielsweise auch nicht jeder Auto fahren können), aber eine ganz andere, es jenen übel zu nehmen, die es können …
Bolz versucht nur abzulenken. Innerhalb der Medienwissenschaften ist er nicht anerkannt. Den Mangel an fachlicher Aufmerksamkeit versucht er mit Auftritten in den Massenmedien zu kompensieren (man kann ihn über eine Agentur buchen). Dort äußert er sich häufig fachfremd, zum Beispiel zum von ihm gehassten sozialen Sicherungssystem. Gebucht wird er, weil er ein guter Rethoriker ist und sich zu allem äußert, für das man ihn bezahlt. Seine hier diskutierte Behauptung dient lediglich als Rechtfertigung für seinen Mangel an fachlicher Reputation. Dieser Reputationsmangel ist aber keine Folge seiner öffenlichen Auftritte, sondern durch einen Mangel an wissenschaftlichem Output verursacht. Seine Veröffentlichungen, sodenn sie überhaupt mit Medienwissenschaften zu tun haben, sind essayistische Aneinanderreihungen von (oft nicht kenntlich gemachten und teils fehlinterpretiert aus dem Zusammenhang gerissenen) Zitaten die auch in ihrer Summe keinen wissenschaftlichen Mehrwert bringen und auf keinen wissenschaftlichen Methoden basieren. Bolz ist fachlich gescheitert. Er war kurz und ohne Erkenntnisgewinn in Kittlers Fußstapfen unterwegs und hat sich durch Kontakte seine aktuelle Professorenstelle erschlichen. Und weil er von der Fachwelt (mit Recht) ignoriert wird, behauptet er nun seine öffentlichen Auftritte wären schuld.
„Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die kaum noch ein Privatleben haben. Die bis spät in der Nacht im Büro sitzen und arbeiten. Die an Wochenende im Büro und im Urlaub zu Hause am Schreibtisch sitzen und arbeiten …“
Das ist nur deshalb ein beklagenswerter Zustand, weil sie im Büro sitzen und nicht in ihrem Arbeitszimmer. Die Angleichung der wissenschaftlichen Tätigkeit an die Arbeit in „der Wirtschaft“ ist schon so weit gediehen, daß junge Wissenschaftler ganz arglos das Vokabular übernehmen und damit die gesamte Vorstellungswelt von (nach dem Muster der Arbeitszeit geformter) Freizeit, von Wochenende, Privatleben usw.
Ich rate Ihnen, „Wissenschaft als Beruf“ von Max Weber zu lesen. Und Adorno; da bekommt man ein Gefühl dafür, was die Vorstellung davon, Wissenschaftler zu sein, einst bedeutet hat.