Ich habe am Samstag schon ein wenig über die scheinbare Bahn der Sonne am Himmel geschrieben. Denn am 20. März, genau um 18:32 MEZ hat die Sonne dort einen bestimmten Punkt erreicht (den Schnittpunkt zwischen Ekliptik und Himmelsäquator) womit bei uns auf der Nordhalbkugel der Frühling – zumindest aus astronomischer Sicht – begonnen hat.

Aber die Bahn der Sonne am Himmel zeigt noch ein paar andere interessante Aspekte – zum Beispiel das Analemma.

Mit diesem Wort bezeichnete man eigentlich den Sockel einer Sonnenuhr. Heute wird es in der Astronomie aber für eine bestimmte Figur verwendet, die sich ergibt, wenn man die Bahn der Sonne am Himmel verfolgt.

Die Sonne geht zwar immer im Osten auf und im Westen unter – aber ihre Bahn ist nicht jeden Tag gleich. Im Sommer steht die Sonne höher am Himmel als im Winter. Grund dafür ist die Schiefe der Erdachse. Der Winkel zwischen der Drehachse der Erde und der Ebene, in der sie um die Sonne läuft (das ist die Ekliptik) beträgt nicht exakt 90 Grad. Wäre das so, dann wäre der Himmelsäquator – der einfach nur die Projektion des Erdäquators auf den Himmel ist – genau parallel zur Ekliptik. Da die Erdachse aber ein wenig geneigt ist, beträgt der Winkel zwischen Himmelsäquator und Ekliptik nicht null Grad sondern etwa 23,5°

Außerdem ist die Bahn der Erde um die Sonne kein exakter Kreis sondern eine Ellipse. Der Abstand zwischen Erde und Sonne variert also im Laufe eines Jahres ein wenig und dadurch ist die Erde mal ein wenig schneller; mal ein wenig langsamer bei ihrem Lauf um die Sonne (2. Keplersches Gesetz). Zusammen mit der Schieflage der Erdachse führt das dazu, dass die Sonne zu verschiedenen Tagen mittags (also dann, wenn sie am höchsten am Himmel steht) an verschiedenen Positionen am Himmel steht.

Betrachtet man die Position der Sonne jeden Tag zu einer fixen Zeit von einem fixen Standort aus und zeichnet sie während eines ganzen Jahres auf, ergibt sich ein ganz charakteristisches Bild: das Analemma.

 

Auf diesem Bild aus Griechenland sieht man die typische 8 des Analemmas. Die Endpunkte der 8 geben die Punkte der Sommer- bzw. Wintersonnenwende an. Das sind die Punkte, an denen die Sonne entlang ihrer Bahn den größten südlichen bzw. nördlichen Abstand vom Himmelsäquator hat und Sommer bzw. Winter beginnen. Die Frühlings- bzw. Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, die den Frühlings- bzw. Herbstanfang markieren findet man genau in der Mitte zwischen den Wendepunkten (das ist nicht der Kreuzungspunkt der 8).

Hier ist das alles nochmal schematisch dargestellt:

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Auf der x-Achse sieht man hier den Azimuth – das ist die Himmelsrichtung, in der die Sonne steht (180 Grad entspricht Süden); die y-Achse zeigt die Höhe über den Horizont. Die Angaben in diesem Bild wurden für Greenwich in Großbritannien erstellt. Der Winkel, der im Bild mit Φ angegeben ist, ergibt sich aus der geographischen Breite b über:

Φ = 90° – b

Greenwich liegt auf einer Breite von 51.4791 Grad – der Winkel Φ beträgt also 38.5209 Grad. Wenn die Sonne genau auf dieser Höhe über dem Horizont steht, findet die Frühlings- bzw. Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche statt. Addiert man zu diesen 38.5209 Grad die Schiefe der Ekliptik (also die 23.5 Grad von oben), dann erhält man den Höchststand der Sonne zu Sommeranfang; für Greenwich sind das knapp 62 Grad. Subtrahiert man die 23.5 Grad von den 38.5209, erhält man den Tiefststand im Winter; bei Greenwich sind das 15 Grad.

Diese Form – die 8 – ist übrigens nicht universell. Zeichnet man das Analemma von anderen Planeten aus, dann kann man auch eine andere Form erhalten. Bei Jupiter sieht das Analemma aus wie eine Ellipse und das Analemma des Mars ist eher tränenformig. Dazu existiert auch ein wunderbares Bild, dass der Marsrover Pathfinder aufgenommen hat

So ein Analemma ist übrigens nicht nur dazu da, um die Grundlagen der Himmelsmechanik zu erklären und hübsche Bilder zu machen. Man kann diese Figur auch einsetzen, um Sonnenuhren zu verbessern. Denn die zeigen ja erstmal nur die wahre Ortszeit an und die ist für jeden Ort anders. Will man die gebräuchlichere mittlere Ortszeit haben, dann muss man die Anzeige der Sonnenuhr entsprechend korrigiern: mit einem Analemma. Ich habe ja sowieso schon seit längerem vor, einmal selbst eine Sonnenuhr zu bauen (möchte jemand mitmachen?) – wenn es soweit ist, werde ich die Verwendung des Analemmas beim Bau einer Sonnenuhr noch genauer erklären

18 Gedanken zu „Die Acht am Himmel: Was ist ein Analemma?“
  1. Außerdem ist die Bahn der Erde um die Sonne kein exakter Kreis sondern eine Ellipse. Der Abstand zwischen Erde und Sonne variert also im Laufe eines Jahres ein wenig und dadurch ist die Erde mal ein wenig schneller; mal ein wenig langsamer bei ihrem Lauf um die Sonne (2. Keplersches Gesetz). Zusammen mit der Schieflage der Erdachse führt das dazu, dass die Sonne zu verschiedenen Tagen mittags (also dann, wenn sie am höchsten am Himmel steht) an verschiedenen Positionen am Himmel steht.

    Diese Erklaerung fuer die Entstehung des Analemma ist -bestenfalls- irrefuehrend.
    Auch wenn die Erdbahn perfekt kreisfoermig waere, wuerde alleine durch die Schiefe der Ekliptik eine schoen ausgepraegte „8“ entstehen. Die Exzentrizitaet der Bahn wird im Analemma nur dich die Unsymmetrie des noerdlichen und des suedlichen Teils der Acht sichtbar.

  2. Und wie sieht das zwischen den Wendekreisen aus?

    Was die Höchststände zu den Sonnenwenden betrifft: Hier muß ich doch wohl, wenn Φ = 90° – b + 23,5° größer als 90° ist, die Differenz zu 90° von 90° wieder subtrahieren, d.h. 90° + b – 23,5° rechnen. Oder wie?

  3. Zusammen mit der Schieflage der Erdachse führt das dazu, dass die Sonne zu verschiedenen Tagen mittags (also dann, wenn sie am höchsten am Himmel steht) an verschiedenen Positionen am Himmel steht.

    Das Bild aus Griechenland zeigt aber sicher nicht den Mittagsstand. (zumindest nicht den griechischen …)

  4. @Towarisch: „Auch wenn die Erdbahn perfekt kreisfoermig waere, wuerde alleine durch die Schiefe der Ekliptik eine schoen ausgepraegte „8“ entstehen.“

    Das hab ich ja auch nicht bestritten, oder? Ich hab nur gesagt, dass die Schiefe der Ekliptik und die Exzentrizität der Erdbahn dazu führen, dass die Sonne jeden Tag ihren Höchststand woanders hat.

    @Jürgen Bolt: Ich weiß gradnicht, was du meinst. Kannst du das nochmal erklären?

  5. Interessant ist auch, dass in ca. 5000 Jahren die Unsymmetrie der Acht verschwunden ist, da der Perihelzeitpunkt dann auf die TagundNachtgleiche fällt.

    Übrigens ist das Analemma bzw. die Zeitgleichung besonders um den Winteranfang für jeden bemerkbar. Die Untergangszeit der Sonne verschiebt sich schon kurz nach Winteranfang deutlich nach hinten, während der Zeitpunkt des Sonnenaufgangs noch Wochen nach Winteranfang recht konstant ist. Der früheste Sonnenuntergang findet noch vor Winteranfang um den 15.12. statt.

  6. @Florian: „Kannst du das nochmal erklären?“

    Ich habe es, glaube ich, inzwischen selbst kapiert. Meine Frage war, wie das Analemma in Äquatornähe aussieht, denn hier findet ja der höchste Sonnenstand nicht am Sommeranfang statt. Bei 10° nördlicher Breite ergibt die Formel ein Phi von 80° und damit einen Sonnenstand von 103,5 für den Sommeranfang. Und das ist tiefer als 90°, was mich irritiert hat.

    Jetzt scheint mir, daß ich auf der y-Achse des Diagramms Werte von über 90° angeben kann, wenn ich Deine Angabe so ergänze: Die y-Achse zeigt die Höhe über dem äquatorialen Horizont. Und Werte von über 90° bedeuten dann, daß die Sonne polwärts, d.h. auf der Nordhalbkugel nördlich, kulminiert. Stimmt das so?

  7. Ja. Wenn du am Äquator wohnst, dann pendelt die Sonne im Laufe eines Jahres mittags zwischen den Wendekreisen hin und her, also ist ihre Position mittags
    – am 20.3.: Zenit
    – am 10.6.: 23,5°N
    – am 20.9.: Zenit
    – am 20.12.: 23,5°S

    Wenn Phi also ab Nordpol gezählt wird, dann kann es schon Werte über 90° geben. 🙂

  8. @Jürgen: Ja – also nachbearbeitet ist das Bild auf jeden Fall 😉 Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Bilder der Sonne nun komplett fiktiv sind oder nicht. Aber kann gut sein, dass sie es sind. Die APOD-Beschreibung spricht von Simulationen.

  9. Ich wundere mich etwas über die Daten: Der höchste Sonnenstand hier bei uns ist doch am 21. Juni, oder nicht? Wenn ich an diesem Tag auf dem Längengrad bis zum nördlichen Wendekreis nach Süden reise, dann steht dort die Sonne senkrecht über mir. Es ist, wie bei uns Sommersonnenwende. Wenn ich weiter auf dem Längengrad bis zum Äquator reise, dann steht dort die Sonne an ihrem nördlichste Punkt. Wenn ich noch weiter bis zum südlichen Wendekreis reise, dann ist von dort aus gesehen die Sonne am tiefsten. Dort ist dann Wintersonnenwende.
    Am Äquator steht die Sonne also am 21.Juni am tiefsten nördlich, und am 21.Dezember am tiefsten südlich. Es gibt also sozusagen zwei Winter.
    Warum Bullet auf den 10. Juni und 20. Dezember kommt, verstehe ich nicht. Der 10.06. ist vielleicht ein Tippfehler.
    Aber wie sieht der Lauf der Sonne vom Äquator aus gesehen aus? Die Acht müßte in Nord – Süd Richtung stehen, und symmetrisch sein. Oder?

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