Wenn man zu den Beobachtern gehört, kann man in der Exoplanetenforschung jede Menge spektakuläre Entdeckung machen. Die Entdeckung von Planeten außerhalb des Sonnensystems ist zwar mittlerweile fast schon Alltag – aber wir stehen trotzdem noch immer mehr oder weniger am Anfang und es gibt noch genug zu entdecken. Zum Beispiel terrestrische Planeten oder – quasi der heilige Gral der Exoplanetensucher – einen erdähnlichen Planet der sich in der habitable Zone seines Sterns befindet. Und bei der Spektroskopie macht man gerade die ersten Schritte.

Wir Theoretiker haben es da ein wenig schwerer 😉 Große, medienwirksame Forschungsergebnisse sind hier seltener. Man kann neue, interessante Planeten eben nicht einfach herbeirechnen. Trotzdem ist die Arbeit natürlich wichtig. Wir kennen zwar schon über 400 Exoplaneten – unser Bild ist aber immer noch äußerst unvollständig. Wir fangen gerade erst an, auch die kleineren Planeten zu entdecken. Aber bis jetzt kennen wir immer erst ein komplettes Planetensystem: unser Sonnensystem! Und um die anderen Systeme wenigstens ein bisschen verstehen zu können, müssen wir uns zur Zeit eben mit jeder Menge theoretischen Simulationen abmühen.

Eine dieser Simulationen habe ich gestern auf dem preprint-Server arxiv gefunden. Vera Dobos, Imre Nagy und Judith Orgoványi von der Universität Budapest haben untersucht, wie das Zusammenspiel zwischen erdähnlichen Planeten und Gasriesen in Exoplaneten aussehen könnte.

Die Arbeit trägt den Titel „Stable and habitable systems with two giant planets“ und nimmt unser Sonnensystem als Modell für extrasolare Planetensysteme. Was würde passieren, wenn die großen Planeten Jupiter und Saturn nicht die Massen hätten, die sie heute haben? Wenn die Planetenentstehung anders gelaufen wäre – wie würde sich das auf die Stabilität der Bahnen der inneren Planeten auswirken?

Momentan kennen wir hauptsächlich große Exoplaneten – die meisten sind schwerer als Jupiter. Man kann aber davon ausgehen, dass sich neben den großen Planeten auch noch kleinere Planeten in solchen Systemen befinden. Wir haben sie nur noch nicht entdeckt. Insofern ist es sinnvoll zu fragen, wie die Parameter dieser großen Planeten sich auf die Stabilität eines eventuell vorhandenen Systems kleinerer Planeten auswirken.

Das Modellsystem von Dobos und ihren Kollegen bestand aus drei inneren Planeten, der Massen und Bahnen denen von Venus, Erde und Mars in unserem Sonnensystem entsprechen. Dazu kamen zwei große Gasriesen; analog zu Jupiter und Saturn. Ihre Massen wurden bei den verschiedenen Simulationen allerdings verändert und bis zur zehnfachen Jupitermasse erhöht. So sehen die Ergebnisse aus:

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Bei diesen Bilder ist auf der x-Achse die Masse des ersten Planeten (der „Jupiter“) aufgetragen; auf der y-Achse die Masse des „Saturn“ (jeweils in Einheiten der Jupitermasse). Die Farbe im Diagramm gibt den Wert der während der Simulation maximal erreichten Exzentrizität des jeweiligen innere Planeten an: oben links für die Venus; oben rechts für die Erde und unten links für Mars. Je höher die Exzentrizität der Bahn ist, desto langgestreckter ist sie auch und desto größer ist die Chance dass der Planet mit einem anderen (oder der Sonne) zusammenstößt. Die Farben sind also ein Indikator für die Stabilität der Bahn: gelb/rot ist stabil und blau/schwarz ist instabil.

Man kann an den Bildern einige grundlegende Eigenschaften des Systems ablesen. Bei Venus und der Erde bekommt man stabile Bahnen immer dann, wenn einer der großen Planeten schwer ist und der andere leicht (und am stabilsten ist die Situation dann, wenn beide Planeten sehr leicht sind). Für „Jupiter“massen größer als ~5 MJ und „Saturn“massen von 1 bzw. 2,5 MJ erkennt man in den Diagrammen von Venus und Erde instabile Streifen. Hier ist die Exzentrizität der Venus groß genug um sie nahe an die Erde zu bringen: beide Bahnen werden also sehr instabil. Für Mars ist der stabile Bereich deutlich größer. Im letzten Bild (rechts unten) sind die Ergebnisse aller drei Bilder kombiniert: der gelbe Bereich zeigt die Bereiche an, in dem alle drei inneren Planet stabil bleiben (hier bedeutet „stabil“ das der Exzentrizitätszuwachs im Laufe der Simulation nicht größer als 0.2 war). Man sieht, dass es jede Menge Kombinationen von „Jupiter“- und „Saturn“masse gibt, die eine stabile Bewegung der inneren Planeten erlauben.

In einer weiteren Simulation haben Dobos und ihre Kollegen auch den Einfluß untersucht, den die Masse des Sterns hat. Hier wurden die Massen der Planeten nicht verändert; dafür aber die des Sterns. Das sieht dann so aus:

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Die x-Achse zeigt hier die Masse des Sterns; die Werte reichen von einem Zehntel bis zum Zehnfachen der Sonnenmasse. Die y-Achse gibt den Abstand zwischen Planet und Stern an; die Linien zeigen den jeweils sonnenfernsten und sonnennächstn Punkt der Bahn. Für größere Sternmassen ist alles ok – wird die Masse des Sterns allerdings kleiner als etwa ein Drittel der Sonnenmasse, dann können die Bahnen von Venus, Erde und Mars sich kreuzen.

Im nächsten Bild sind auch noch die Grenzen der habitable Zone eingezeichnet:

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Schwarz ist hier die „Liquid Water (LW)“-habitable Zone eingezeichnet – also der Bereich um einen Stern, in dem flüssiges Wasser auf der Oberfläche eines Planeten existieren kann. Hellblau ist die weniger oft verwendete „Ultraviolette habitable Zone“ markiert – das ist der Bereich, in dem die UV-Strahlung des Sterns klein genug ist, um nicht schädlich für Lebewesen zu sein – aber auch noch groß genug, um genügend Energie für notwendigen chemischen Reaktionen zu liefern. Die Masse der Sonne ist also genau richtig – wenn sie ein wenig größer wäre, dann würde die Erde nicht mehr in der LW-habitablen Zone liegen.

Interessante Ergebnisse! Ich hab aber trotzdem noch ein paar Anmerkungen. Man merkt, dass es sich hier um eine Arbeit handelt, die noch keinen peer-review durchlaufen hat. Wenn ich Gutachter wäre, würden mir sofort ein paar Fragen einfallen:

Mit welcher Methode wurden die Simulationen durchgeführt? Es ist normalerweise üblich anzugeben, welche Methode man verwendet, um die Bewegung der Planeten zu simulieren. Ich kenne die Himmelsmechanik-Arbeitsgruppe der Uni Budapest sehr gut und weiß, dass die Leute dort Bescheid darüber wissen, wie man vernünftige Simulationen durchführt. Trotzdem gehören solche Angaben in den Artikel!

Mir kommt außerdem die Integrationszeit ziemlich kurz vor. Es wurde nur 5000 „Saturn“umläufe lang simuliert – das sind etwa 150000 Jahre. Da würde ich als Gutachter doch noch nach ein paar Testrechnungen fragen, die zeigen, dass man mit dieser Integrationszeit die wichtigsten dynamischen Effekte erfassen kann.

Und dann würde mich noch interessieren, warum man die habitablen Zonen nur für Sternmassen zwischen 0.8 und 1.2 Sonnenmassen berechnet hat. Gerade bei kleineren Sternen sucht man ja heutzutage oft nach Planeten – da wäre es auch interessant wenn man im Diagramm kleinere Massen berücksichtigen würde.

Mal sehen – wenn der Artikel dann tatsächlich in einer Fachzeitschrift erscheint, werde ich nochmal reinschauen.

7 Gedanken zu „Bewohnbare Exoplaneten und die Gasriesen“
  1. @Florian : Peinlich! :-)) Natürlich meinte ich das anthropische Prinzip.(So gehts wenn man zwischen 2 telephonaten auch noch versucht halbwegs intelligente Kommentare zu schreiben).Ich glaube das dass kleine LW Fenster in dieser Simulation eine indirekte Bestätigung ist das die Naturkonstanten das Entstehen des Lebens enorm begünstigen und wir uns und das Universum selbst betrachten können.Wenn man von der Prämisse der Multiversum Theorie (nur eine Interpretation) ausgeht können nur eben diese Natukosntanten in unserem Universum es möglich machen dass Leben unter den gegeben Gesetzen möglich ist.Dies Simulation zeigt das dies möglich ist und das eine nur gerinfügige Aenderung des Systems chaotische Verhältnisse schafft die Zustände wie das LW fenster ausschliessen.(Natürlich wenn man davon ausgeht das sämtliches Leben in unserem Universum auf Kohlenstoffbasis besteht)

  2. @Florian: wenn wir mal jetzt von direkten Transiten absehen – hat sich schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, aus welcher Entfernung eine andere Spezies, die exakt unsere heutigen Instrumente und sonstigen Möglichkeiten hat, in der Lage wäre, herauszufinden, daß um unsere Sonne vier Gasplaneten und noch so’n paar Schrottkrümel kreisen? Oder als Variationsfrage: wäre es uns heute möglich, im Alpha-Centauri-System (wenn es denn nur eine Sonne und acht Planeten wie bei uns wären), irgendetwas an Planetenkram zu erkennen/berechnen/herausextrapolieren, das über jupiter hinausgeht?
    (wie jesacht: ohne Transite – die sind selten und ein unsystematischer Bonus. Gecheatet, sozusagen.)

  3. @Bullet: „wäre es uns heute möglich, im Alpha-Centauri-System (wenn es denn nur eine Sonne und acht Planeten wie bei uns wären), irgendetwas an Planetenkram zu erkennen/berechnen/herausextrapolieren, das über jupiter hinausgeht?“

    Na rechne es doch mal aus 😉 Hier, Beispiel 63 – war immer ein nettes Beispiel in meinem Übungskurs 😉

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