Als Jocelyn Bell 1967 mit ihrer Doktorarbeit an der Universität Cambridge begann, hätte sie sich wohl nicht gedacht, dass sie fast die bedeutenste Entdeckung der Menschheit gemacht hätte, die sich schließlich als eine äußerst bedeutende astronomische Entdeckung herausstellte…
Bell stammt aus Belfast in Nordirland und absolvierte später an der Universität Glasgow das Diplomstudium in Physik. Für ihre Doktorarbeit ging sie dann nach Cambridge, wo sie bei Antony Hewish zu arbeiten begann. Sie wollte die gerade erst entdeckten und noch nicht wirklich gut verstandenen Quasare studieren.
Diese Objekte fand man, als die Astronomen nach dem zweiten Weltkrieg begannen, den Himmel nicht nur im optischen Bereich zu beobachten sondern auch im Bereich der Radiowellen. In den späten 1950ern entdeckte man viele punktförmige Radioquellen am Himmel für die man kein optisches Pendant finden könnte. Erst 1960 entdeckte man das erste Mal ein ganz schwaches Objekt genau an der Stelle, an der man auch die Radioemissionen gemessen hatte. Man wusste allerdings noch nicht, ob es sich bei den Quasaren um weit entfernte oder nahe Objekte handelte. Heute wissen wir, dass es sich bei Quasaren um die aktiven Kerne von Galaxien handelt, die sehr weit von uns entfernt sind. Aber in den 1960ern waren das noch weitesgehend unverständliche Objekte und mit ihren Beobachtungen wollten Bell und Hewish mehr über sie herausfinden.
Dazu mussten sie nicht nur sehr viel beobachten, sie mussten erstmal ein vernünftiges Radioteleskop bauen! Auf einer Fläche so groß wie 57 Tennisfelder stellten Bell und andere Studenten einen Sommer lang Antennen auf bevor dann die Beobachtungen beginnen konnten.
Computer hat man damals noch nicht eingesetzt; der Output der Beobachtungen bestand aus langen Papierstreifen mit Messwerten darauf. Knapp 30 Meter davon produzierte das Teleskop pro Tag und Bell hat sie alle per Hand analysiert. Dabei bekam sie natürlich im Laufe der Zeit ein gutes Gefühl für die Messungen und stellte fest, dass von einem bestimmten Punkt am Himmel immer wieder ein ungewöhnliches Signal kam. Es schien keine der gewöhnlichen Interferenzen zu sein und sah auch nicht so aus wie die Radioquellen die Bell sonst beobachtete. Und das Signal wiederholte sich. Um genauer herauszufinden, worum es sich dabei handeln könnte, installierte man bessere Aufzeichnungsgeräte und beobachtete das Objekt erneut.
Bell stellte fest, dass sie Signale der Quelle extrem regelmäßig erfolgten! Alle 1.3 Sekunden gab es einen Ausschlag. Sie rief ihren Betreuer an – und der meinte sofort, dass es sich hier um eine künstliche Quelle handeln muss. Irgendetwas menschengemachtes schien die Beobachtungen zu stören. Denn ein natürliches Objekt am Himmel, dass so exakt Signale aussandte, war damals nicht bekannt. 1.3 Sekunden ist auch enorm kurz – kein Stern könnte so schnell pulsieren; dafür ist er viel zu groß!
Bei weiteren Messungen stellte man dann aber fest, dass es weder ein Instrumentenfehler ist – und auch, dass das Signal von außerhalb des Sonnensystems kommen musste! Langsam begann man darüber nachzudenken, ob es sich vielleicht um ein Signal einer außerirdischen Zivilisation handeln könnte. Das Objekt bekam auch den Spitznamen LGM-1 (für „Little Green Man 1“) verpasst. Die Astronomen begannen sich schon ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie man vorgehen müsste, wenn sich der Verdacht erhärtet. Wen kontaktiert man in so einem Fall?
Bell war zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich von der Aussicht begeistert, Aliens entdeckt zu haben (obwohl dieses Zitat wohl nicht absolut ernst gemeint ist):
(…) here was I trying to get a Ph.D out of a new technique, and some silly lot of little green men had to choose my aerial and my frequency to communicate with us.
Neue Messungen zeigten allerdings, dass Aliens als Urheber eher doch unwahrscheinlich waren. Denn die würden ja vermutlich auf einem Planeten leben der einen Stern umkreist, Diese periodische Bewegung der Quelle hätte man im Signal messen können – sie war aber nicht da. Die Außerirdischen müssten das Signal also direkt vom Stern (wenn es denn einer ist) selbst senden.
Die nächsten Entdeckungen von Bell brachten die „LGM“-Theorie aber dann schnell zu Fall: sie fand nämlich noch 3 weitere regelmäßig und extrem schnell pulsierende Himmelsobjekte. Und das so viele außerirdische Zivilisationen die Erde aus so vielen verschiedenen Richtungen gleichzeitig anfunkten war dann doch äußerst unwahrscheinlich.
Im Februar 1968 veröffentlichten Bell und ihre Kollegen ihre Forschungsergebnisse („Observation of a Rapidly Pulsating Radio Source„, Nature 217: 709-713). Bell selbst war nur die zweite Autorin; ihr Betreuer Antony Hewish wird in dem Artikel als Erstautor geführt. Dort wird auch schon eine erste Erklärung präsentiert: die regelmäßigen Signale könnten auf die Pulsationen einen Neutronensterns zurückzuführen sein.
Heute wissen wir, dass das nicht weit von der Wahrheit entfernt ist. Jocelyn Bell hat den ersten Pulsar entdeckt. Er trägt heute den Namen PSR B1919+21 (ich habe ihn hioer genauer beschrieben) und es handelt sich dabei tatsächlich um einen Neutronenstern. Solche Objekte entstehen bei Supernova-Explosionen: dabei kann der Überrest des sterbenden Sterns extrem stark komprimiert werden. Ein Neutronenstern kann so schwer wie unsere Sonne sein – und ist dabei nur einige Kilometer groß! Solche Objekte haben auch ein extrem starkes Magnetfeld und entlang dieser Magnetfeldlinien wird elektromagnetische Strahlung abgegeben – dazu gehören auch Radiowellen. Und dann rotiert ein Neutronenstern noch sehr schnell. Das ist dergleiche Effekt auf wie bei einem Eiskunstläufer der eine Pirouette dreht: zieht er die Arme an, dreht er sich schneller. Der Stern ist sehr schnell sehr stark geschrumpft und rotiert nun auch sehr schnell. Das ganze sieht dann in etwa so aus wie bei einem Leuchtturm: der Neutronenstern sendet gebündelte Radiowellen aus und dreht sich dabei. Der Radiolichtkegel überstreift dabei die Erde in regelmäßigen Abständen und dass ist genau das, was Bell gemessen hat.
Für die Entdeckung der Pulsare bekam Antony Hewish 1974 den Nobelpreis verliehen; gemeinsam mit Martin Ryle der für seine Pionierarbeit bei der Entwicklung der Radioastronomie ausgezeichnet wurde. Bell wurde nicht geehrt. Das haben viele kritisiert – ganz besonders Fred Hoyle (der selbst ein Kandidat für den Nobelpreis gewesen wäre, ihn aber nie bekam). Verdient hätte es Bell sicherlich – immerhin hat sie die ganze Arbeit und Datenauswertung gemacht und im Gegensatz zu Hewish war sie von Anfang an überzeugt, dass es sich um eine stellare Quelle handelt und nicht um Aliens (die waren Hewishs Idee).
Jörg hat heute über eine ähnliche Situation geschrieben. Die Physiker Chien-Shiung Wu, die die Paritätsverletzung der schwachen Wechselwirkung entdeckte wurde beim Nobelpreis ebenfalls übergangen. Spricht man Bell auf den Nobelpreis an, dann sagt sie, dass sie nicht böse ist, ihn nicht bekommen zu haben. Sie war damals noch Studentin und sie meint, dass der Betreuer ja auch für den Mißerfolg einer Arbeit (mit)verantwortlich ist und daher auch seinen Anteil am Erfolg haben soll.
Trotzdem hätte man Bell durchaus einen Nobelpreis verleihen können. Ryle und Hewish waren ja auch die einzigen Physik-Beiträger; laut den Bestimmungen des Nobelpreis wäre noch Platz für eine dritte Person gewesen. Aber Bell wurde immerhin danach mit jeder Menge anderen Ehrungen ausgezeichnet. Und sie wird immer die Person bleiben, die eine der faszinierensten Entdeckungen der Astronomie gemacht hat. Auch wenn es spannend gewesen wäre, wenn sich die Signale wirklich als Botschaft von Aliens herausgestellt hätten: wenn man genau drüber nachdenkt, sind Pulsare nicht minder spannend: ein Stern, der nach seinem Tod so stark komprimiert wurde, dass nichtmal die Atome selbst dem Druck standhalten konnten und so die Masse einer ganzen Sonne in wenigen Kilometern komprimiert wird, rotiert in wenigen Sekunden um seine Achse und schickt dabei wie ein Uhrwerk Radiostrahlung durch das ganze Universum! (Strahlung übrigens, deren Analyse die Existenz von Gravitationswellen belegt und die 1993 ebenfalls mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde).
Wer je die Gelegenheit hat, Dame Susan Jocelyn Bell Burnell – so ihr kompletter Name – mal bei einem öffentlichen Vortrag über ihre Entdeckung zu hören: Das ist ein „must“ für jeden Astronomie-Fan. Hatte schon dreimal das Vergnügen, zweimal live und einmal (bei der Eröffnungsfeier des IYA 2009) via Webcast. Neuerdings lässt sie schon mal einen rasselnden Wecker an einer Schnur kreisen, um den Dopplereffekt zu demonstrieren.
Die Überschrift ist etwas komisch formuliert, als seien ihr die Aliens gerade noch so unentdeckt entkommen.
Ich sehe ja ein, daß man so etwas herauslesen kann, Daniel, aber für mich war es nur die Personenbeschreibung von jmd, der berechtigt / guten Gewissens eine gewisse Zeitlang ‚Kontakt mit Außerirdischen‘ als eine Hypothese annehmen konnte. Beneidenswerter Zustand^^
Das ist der mit Abstand informativste und unaufdringlichste Beitrag zum Frauentag 2010!
Aber was ganz Anderes: Ist denn noch niemand auf die Idee gekommen, dass es sich bei dem „Radiolichtkegel“, der die Erde in „regelmäßigen Abständen überstreift“ um eine Art Scanner Gottes, oder zumindest um ein hochsensibles Überwachungssystem der LGMs handeln könnte? Ich höre seit Jahren die gleichen irren Geschichten über Gott und die Außerirdischen. Wäre das nicht mal was Neues? Warum springt da keiner der üblichen Verdächtigen drauf?
@Florian:
Ich weiß, dass das die Standard-Erklärung für Pulsare ist, und möchte die Erklärung auch nicht anzweifeln (klingt ja vernünftig) – aber welche Belege gibt es eigentlich dafür, dass die Erklärung so wirklich stimmt? Kann mich nicht erinnern, jemals in einer Astronomie-Vorlesung oder in meinem Lehrbuch (Unsöld & Baschek) irgendwelche Belege dafür gehört bzw. gelesen zu haben…
@Daniel: „Die Überschrift ist etwas komisch formuliert, als seien ihr die Aliens gerade noch so unentdeckt entkommen.“
Wer weiß? Vielleicht haben die Aliens Panik bekommen, weil sie auf der Erde abgehört wurden und haben dann überall im All diesen seltsamen Pulsardinger verteilt um uns abzulenken 😉
Hallo,
wer den zitierten (originalen) Artikel nachlesen will, findet hier:
https://finden.nationallizenzen.de/Record/ZDB-1-NTA%40212438964
Für Leute auf einem Campus dürfte er direkt kostenlos zugänglich sein. Alle anderen können sich kostenfrei registrieren und bekommen per Briefpost die Zugangsdaten:
https://www.nationallizenzen.de/anmeldung/privatpersonen/s/ind_inform_registration
Man bekommt dann nicht nur, dank DFG, kostenfreien Zugang zum Nature-Archiv
@Gerald: Danke für den Hinweis!
@Gerald:
Auch von mir ein herzliches Danke schön!
(Ich warte mit Spannung auf die Zugangsdaten 😉 )
ist nicht die entdeckerin der 3°K Hintergrundstrahlung auch bei der nobelpreisvergabe übergangen wurde? oder verwechsele ich da veilleicht die geschichten?
@Jörg: Also mir wäre nicht bekannt, dass bei der Hintergrundstrahlung eine Frau involviert war. Das waren Arno Penzias und Robert Wilson. Vielleicht gab es damals Diskussionen, dass nur die Entdecker einen Nobelpreis bekamen, aber nicht Gamov, Alpher oder Herman, die den Effekt vorhergesagt hatten. Die Wikipedia behauptet das zumindest: https://en.wikipedia.org/wiki/Nobel_Prize_controversies#Physics
@Jörg Reinhardt:
Vielleicht verwechselst Du das mit der Entdeckerin der DNA-Struktur 😉
Hab gestern fest damit gerechnet, daß in einem der Bio-Blogs noch ein Artikel über Rosalind Franklin auftaucht.
(Ach ja, und Lise Meitner darf in dem Zusammenhang natürlich auch nicht ungenannt bleiben.)
57 Tennisfelder? Hilfe! Sagt mir ebenso nichts wie Fussballfelder oder Saarländer. Können wir das bitte in gängigen Einheiten bekommen – m² oder Ar oder meinethalben Quadratfuß?
Kein Problem, Ignatios Souvatzis: Ziemlich genau ⅔ atto-AE².
Ca. 220.000 DIN-A4 Seiten.
@Bjoern
Geht es darum, ob Pulsare wirklich Neutronensterne sind?
Man findet Pulsare verdächtig häufig in Supernovaeüberresten. Wenn man aus der Masse dieser Nebel die Masse der ursprünglichen Sterne abschätzt, landet man genau in dem Bereich, in dem sich laut den Sternmodellen Neutronensterne bilden sollten.
Wenn man häufig genau da Pulsare findet, wo sich eigentlich Neutronensterne befinden sollten, ist das schon ein starker Hinweis.
Bekanntestes Beispiel für so etwas dürfte der Krebsnebel sein.
Ein anderer sehr starker Beleg sind Doppelsternensysteme. Mit Hilfe der Beobachtung der periodischen Zeitverschiebungen der Pulsarsignale kann man die Bahnen der beiden Sterne berechnen. Bekanntestes Beispiel dürfte PSR 1913+16 sein. Da umkreisen sich ein Pulsar ein und normaler Neutronenstern. Berühmt ist dieses System bekanntlich für den indirekten Nachweis von Gravitationswellen.
Die beobachtete Abstandsänderung stimmt perfekt mit den Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie überein. Dabei geht man in den Rechnung davon aus, dass sich zwei Neutronensterne umkreisen.
Dafür gabs dann auch 1993 den Nobelpreis for the discovery of a new type of pulsar, a discovery that has opened up new possibilities for the study of gravitation.
Dazu kommt dann überdies noch, dass die empfangenen Signale recht gut zu den theoretischen Rechnungen für rotierende Neutronensterne passen.
Soweit ich weiß gibt es keine plausiblen anderen Möglichkeiten für Objekte, die solche Signale abgeben könnten.
(Hast du gesehen, dass ich dir bei „Video: Gibt es schwarze Löcher wirklich?“ geantwortet habe?)
Ups.
Ich sehe erst jetzt, dass die Frage von 2010 war. Das dürfte sich mittlerweile erledigt haben. 😉
@Niels:
Und hast du auch gesehen, dass du ihm hier auf ein 3 Jahre und 29 Tage altes Posting geantwortet hast? 😉
Ah .. du hast es schneller gesehen, als ich tippen konnte.
Nehme mein letztes Post zurück … 🙂
PDP10 schrieb am 5. April 2013:
> Ca. 220.000 DIN-A4 Seite
Das sagt mir was. Das sind 220.000/2^(-4) m² = 13750 m², knapp anderthalb ha.
-is
Puh, welch lebhafte Diskussion. 😉