ResearchBlogging.orgIch bin ja ein großer Fan der Asteroiden. Also nicht, dass Planeten, Sterne, Galaxien und das ganze andere Zeug im Weltall nicht auch toll wären. Aber Asteroiden finde ich persönlich besonders spannend. Und damit meine ich nicht nur die erdnahen Asteroiden – auch wenn die für uns Menschen von besonderer Bedeutung sind. Es gibt ja im Sonnensystem noch jede Menge andere Arten der kleinen Himmelskörper.

Zum Beispiel die Trojaner. Da denken die meisten Leute wahrscheinlich an böse Computerviren oder vielleicht an Homers Ilias. So wird aber auch eine ganz spezielle Gruppen von Asteroiden bezeichnet. Die Trojaner befinden sich in der Nähe der sogenannten Lagrangepunkten von Planeten. Das sind fünf spezielle Punkte im Raum, an denen sich die Kräfte, die der Planet und die Sonne ausüben aufheben (ich habe das hier näher beschrieben). Zwei dieser fünf Punkte (die mit L4 und L5 bezeichnet werden) sind stabil – das bedeutet, in ihrer Nähe können sich kleinere Himmelskörper für lange Zeiten auf stabilen Bahnen bewegen. Diese Punkte befinden sich 60 Grad vor bzw nach dem Planeten entlang seiner Bahn. Das es diese stabilen Punkte gibt, hat schon Lagrange im 18. Jahrhundert ausgerechnet. Aber erst 1906 wurde der erste reale Trojaner entdeckt: der Asteroid Achilles bewegt sich in der Nähe des L4 von Jupiter.

Heute kennen wir einige tausend Asteroiden (die so wie Achilles ebenfalls nach Figuren aus dem trojanischen Krieg benannt wurden; daher die Bezeichung „Trojaner“) die sich mit Jupiter eine Bahn teilen. Man hat sogar eine Handvoll Trojaner bei Mars entdeckt und aus theoretischen Rechnungen weiß man, dass die dynamischen Bedingungen bei Saturn und Uranus zu instabil sind um dort Trojaner finden zu können.

Bleibt von den äußeren Planeten noch Neptun – und dort wurde im Jahr 2001 tatsächlich ein Trojaner gefunden und im Laufe der Zeit noch 5 weitere. Diese Neptun-Trojaner haben eine interessante dynamische Vergangenheit (und Zukunft!) – die letztes Jahr in einer Serie von Artikel erstmals detailliert untersucht wurde.

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Die 5 Lagrangepunkte

Migrierende Planeten

Patryk Lykawka und Tadashi Mukai von der Universität in Kobe haben gemeinsam mit Jonathan Horner und Barrie Jones von der Open University in Milton Keynes die Dynamik der Trojaner genau unter die Lupe genommen. In einer ersten Arbeit mit dem Titel „Origin and Dynamical Evolution of Neptun Trojans – Formation and Planetary Migration“ wollten sie herausfinden, wo die Trojaner des Neptun eigentlich herkommen.

Auch wenn man bisher nur sechs dieser Asteroiden kennt – es existieren auf jeden Fall noch viel mehr! Man geht davon aus, dass die Trojaner des Neptun (und auch die des Jupiter) mindestens so zahlreich sind wie die Asteroiden im Hauptgürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter. Die Trojaner stellen also einen eigenen Asteroidengürtel innerhalb unseres Sonnensystems dar.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten, wie die Neptun-Trojaner entstanden sein können. Einmal können die Asteroiden gleichzeitig mit dem Planeten entstanden sein. Als sich Neptun gebildet hat, haben sich sicherlich auch einige der Planetesimale in dessen Lagrangepunkte angesammelt. Diese ursprüngliche Population war also von Anfang an da. Aber in der Frühzeit des Sonnensystems ist Neptun ein wenig gewandert – so wie auch die anderen großen Planeten. Diese Migration habe ich in einem eigenen Artikel genauer erklärt. Neptun jedenfalls ist eigentlich viel näher an der Sonne entstanden und dann langsam nach außen gewandert. Bei dieser Wanderung hat er eine Scheibe aus Planetesimalen durchquert, die von der Planetenentstehung übrig geblieben sind und auch dort einige als Trojaner eingefangen.

Beide Szenarien sind möglich und wahrscheinlich haben auch beide Szenarien ihren Teil zur Entstehung der Neptun-Trojaner beigetragen. Aber wie groß war der jeweilige Einfluß wirklich? Genau das wollen Lykawka und seine Kollegen mit ihrer Arbeit beantworten.

Dafür haben sie verschiedene Modelle der planetaren Migration simuliert. Neptun hatte dabei unterschiedliche Startpositionen: einmal wurde er am Anfang der Simulation bei 18.1 Astronomischen Einheiten platziert; einmal bei 23.1 Astronomischen Einheiten. Außerdem hat er in den Simulation die Wanderung zu seiner heutigen Position mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zurückgelegt: einmal brauchte er 5 Millionen Jahre; einmal 50 Millionen Jahre. Bei jeder Simulation bekam Neptun eine eigene Population an ursprünglichen Trojanern und es wurde auch eine Scheibe von Planetesimalen simuliert, die Neptun durchqueren musste (und natürlich wurde auch der gravitive Einfluß der anderen großen Paneten inkludiert). Im Laufe einer Simulation konnte Neptun einige seiner ursprünglichen Trojaner verlieren – aber auch neue aus der Scheibe einfangen. Die Frage war nun, ob die am Ende entstehende Verteilung der Neptun-Trojaner irgendwelche Aufschlüsse über ihre Herkunft erlaubt und ob es Übereinstimmungen mit den Beobachtungen gibt.

Wo kommen die Trojaner her?

Dieses Bild zeigt das Ergebnis:

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Man sieht hier in jedem der kleinen Bilder die Werte von Exzentrizität und Inklination die die Trojaner am Ende der Simulation hatten. In der linken Spalte sind die Daten der ursprünglichen Trojaner zu finden; rechts die der eingefangenen. Die unterschiedlichen Farben der Punkte zeigen an ob sich die Asteroiden in der Nähe von L4 (rot), L5 (blau) oder um beide Punkte herum (schwarz) bewegen.

In der ersten Reihe sieht man das Ergebnis für die Simulation, bei der Neptun am Anfang 18.1 AU von der Sonne entfernt war und sich schnell zu seiner heutigen Position bewegt („18AU-F1“). Man erkennt einen deutlichen Unterschied zwischen den ursprünglichen und den eingefangenen Trojanern. Die ersteren sind dynamisch „kalt“. Das bedeutet, sie haben die kreisförmigen und ebenen Bahnen (kleine Exzentrizitäten und Inklinationen) die sie anfangs hatten auch während der Migration beibehalten. Die eingefangenen Trojaner dagegen sind dynamisch „heiß“ und zeigen hohe Werte für Exzentrizität und Inklination. Das ist auch für die Simulationen der Fall, bei denen Neptun sich am Anfang 23.1 AU von der Sonne entfernt befand und die Geschwindigkeit der Migration macht hier keinen Unterschied. Einzige Ausnahme ist die Simulation N18-S, deren Ergebnisse in der zweiten Reihe angezeigt wurden (Startposition bei 18.1 AU und langsame Migration). Hier sind sowohl die ursprünglichen als auch die eingefangenen Trojaner am Ende dynamisch heiß und nicht unterscheidbar.

Was hier genau passiert, sieht man auch, wenn man betrachtet, wieviele der ursprünglichen Trojaner die Migration eigentlich überlebt haben. Diese Zahl hing stark von den genauen Anfangsbedingungen ab – war aber generell immer hoch und lag zwischen 50 und 96 Prozent. Nur bei Simulation N18-S haben so gut wie kein der ursprünglichen Trojaner überlebt – der Wert lag bei 0.15%.

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So sah die Situation zu Beginn der Simulation aus (hellblau: die äußeren Planeten; blau und rot: die ursprünglichen Neptun-Trojaner; schwarz: die Asteroiden der Scheibe)

Grund dafür war in diesem Fall die gravitative Wechselwirkung mit Uranus. In dieser speziellen Konfiguration befinden sie sich in der Nähe ihrer gemeinsamen 3:4 Resonanz (Was eine Resonanz ist, habe ich hier genau erklärt). Dadurch werden die Bahnen der Trojaner destabilisiert und Neptun verliert fast seine ganze Population – kann aber interessanterweise einige davon wieder einfangen. Die sind nun aber dynamisch heiß und nicht mehr von den anderen eingefangen Trojanern aus der Scheibe zu unterscheiden.

Chaos oder Ordnung?

Es bleiben also zwei prinzipiell Möglichkeiten: entweder die Migration der Planeten verlief so, dass es keine großen chaotischen Ereignisse gab. Dann hätte Neptun seine ursprünglichen Trojaner behalten und es müsste eine Menge dynamisch kalte Asteroiden geben; plus eine dynamisch heiße Population, die von den eingefangen Trojaner her rührt.

Oder aber die Migration verlief mit chaotischen Phasen wodurch die gesamte Trojanerpopulation des Neptun dynamisch heiß ist und es keine Möglichkeit gibt, die Herkunft der Trojaner zu unterscheiden.

Alle bisherigen Forschungen zur Migration deuten darauf hin, dass die erste Möglichkeit die wahrscheinlichere ist. Ein Vergleich mit den Trojaner-Beobachtungen ist allerdings schwierig. Man kennt heute ja erst sechs Exemplare. Von denen haben 2 kleine Inklinationen, zwei liegen im mittleren Bereich und zwei Werte sind hoch. Wenn man diese spärlichen Daten verallgemeinert, dann müsste die Anzahl der ursprünglichen Trojaner viel kleiner sein als die in der Scheibe, die Neptun durchquert hat. Denn im nichtchaotischen Szenario ist Neptun wesentlich effektiver darin, seine schon vorhandenen Trojaner zu behalten als neue Trojaner einzufangen. Um also keinen Überschuß an „kalten“ Trojanern zu produzieren – die ja aus der ursprünglichen Population stammen – müssen davon anfangs weniger da gewesen sein. Die Autoren schätzen, dass die Gesamtmasse der ursprünglich geformten Trojaner drei Größenordnungen kleiner sein müsste als die der Objekte in der Scheibe.

Aber ohne mehr Beobachtungsdaten über die Neptun-Trojaner zu haben lassen sich vorerst noch keine verbindlichen Aussagen über ihre Herkunft machen. Wir werden die Resultate der laufenden und zukünftigen Beobachtungskampagnen abwarten müssen (Missionen wie WISE, PanSTARRS oder GAIA werden hier sicher viele Daten liefern) um die Ergebnisse dieser Simulationen richtig einordnen zu können.

Sehr viel besser hat man verstanden, wie die Trojaner ihr Leben beenden – aber dazu mehr im nächsten Teil.


P. S. Lykawka, J. Horner, B. W. Jones, & T. Mukai (2009). Origin and Dynamical Evolution of Neptune Trojans – I: Formation and
Planetary Migration MNRAS 398, 1715-1729 (2009) arXiv: 0909.0404v2

3 Gedanken zu „Die Trojaner des Neptun – Teil 1: Entstehung“
  1. Puh. Ihr sturen Dogmatiker und Ersenzähler. Könnt ihr denn nicht einmal die WAHRHEIT© schreiben? (Die in diesem Fall … äh…. ach ja: darin besteht, daß es gar keinen Neptun gibt – der ist nur eine Theorie. )

    Waaah… ich fühl mich ja schon gesteinigt. *renn*

    Nee, mal im Ernst: iich finds ja schon toll, mal wieder was über echte Wissenschaft zu lesen. Solche Themen über ‚hard facts‘, in denen über haufenweise Tellerränder hinausgelinst wird, werden komischerweise nie von VT’lern geflamt. 🙂
    Aber eine Frage zu den L-Punkten hab ich trotzdem: darf ich mir die als Vektorfelder vorstellen, in deren Zentren (also genau an den L-Punkten) kräftefreie Bedingungen herrschen und ein Kräftegradient radial sphärisch nach außen zeigt? Oder nach innen? Oder gibt es da noch andere einschränkende Bedingungen (oder mach ich mir ein überhaupt ganz falsches Bild davon)?

  2. Die Lagrangepunkte 1 bis 3 sind instabil, da wird jeder Körper, den man nicht perfekt auf den Punkt packt, nach außen driften. Die letzten beiden Lagrangepunkte sind anders: Die sind stabil.

    Die Begründung dafür ist allerdings nicht ganz einfach, denn sie beinhaltet die Corioliskraft 😉 Der Wikipedia-Artikel zu den Lagrangepunkten ist ganz nett, dort hat man auch eine Darstellung des effektiven Potentials (effektives Potential: Gravitationspotential und Zentrifugalpotential zusammengenommen). Die L1 bis L3 sind Sattelpunkte; stabil in einer Richtung, instabil in der dazu senkrechten Richtung. Die L4 und L5 sind eigentlich instabil, d.h. sie stellen Maxima des effektiven Potentials da. Lustigerweise sind sie trotzdem stabil! Das liegt daran, dass beim wegdriften die Corioliskraft den Körper wieder in Richtung Lagrangepunkt treibt.

    Lustige Sache!

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