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Die aktuelle kosmologische Standardtheorie – das sogenannte ΛCDM-Modell – geht davon aus, dass unser Universum vor knapp 14 Milliarden Jahren entstanden ist und sich seitdem immer weiter ausdehnt. Man kann die Vorgänge im frühen Universum mittlerweile sehr gut erklären; man hat konkrete Vorstellungen davon, wie die erste Materie und die erste großen Strukturen (Sterne, Galaxien, etc) entstanden sind und man kann diese Theorien durch Beobachtungsdaten belegen.

Allerdings ist der „Urknall“ selbst; der allererste Moment; der Zeitpunkt Null immer noch ein Geheimnis. Die aktuellen wissenschaftlichen Theorien (Quantentheorie; Relativitätstheorie) funktionieren hier nicht mehr und man kann keine Aussagen über den Zustand des Universums zu diesem Zeitpunkt machen. Es ist also allen Kosmologen klar, dass unsere Beschreibung des Universums noch nicht die letztgültige Fassung sein kann. Es braucht eine neue Theorie, die den „Urknall“ beschreiben kann und die die aktuelle Kosmologie enthält.

Wer diese neue Theorie findet, der wird in einer Reihe mit den Großen der Wissenschaft (Einstein, Newton, Planck, …) stehen. Und überall auf der Welt arbeiten Physiker daran, diese neue Theorie zu finden. Die meisten glauben sie in der Stringtheorie gefunden zu haben aber auch alternative Ansätze wie zum Beispiel die Schleifenquantengravitation werden verfolgt.

Aber manche Wissenschaftler machen etwas ganz anderes. Anstatt eine neue Theorie zu suchen wollen sie die aktuelle Theorie widerlegen. Könnte man etwas eindeutig beobachten, dass dem ΛCDM-Modell klar widerspricht, dann wäre das nicht minder revolutionär.

Aus verschiedenen Beobachtung, Berechnungen und Messungen (z.B. durch den Satelliten WMAP) weiß man heute ziemlich genau, wie alt das Universum ist: 13,73 Milliarden Jahre (plus/minus 120 Millionen Jahre).

Logischerweise müssen deswegen auch alle Objekte im Universum jünger als 13,73 Milliarden Jahre sein. Könnte man etwas finden, zum Beispiel einen Stern, der deutlich älter ist, dann wäre das ΛCDM-Modell widerlegt.

Genau solche Sterne suchen Jayant Narlikar, Nando Patat und ihre Kollegen. Nando Patat ist Astronom bei der europäischen Südsternwarte ESO und bloggt bei Cosmic Diary. Dort schreibt er auch über seine Zusammenarbeit mit Jayant Narlikar.

Narlikar ist einer der wenigen verbliebenen Anhänger der Steady-State-Theorie. Die wurde Ende der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts vom großen Fred Hoyle, Thomas Gold und Hermann Bondi begründet und in den Jahren danach immer weiter entwickelt und modifiziert.

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Fred Hoyle und Jayant Narlikar (Bild: Inter-University Centre for Astronomy and Astrophysics, Pune, India)

Hauptmerkmal ist ein Universum ohne Anfang. Es dehnt sich zwar trotzdem aus (diese Eigenschaft des Alls mussten auch Hoyle, Gold und Bondi akzeptieren) – aber Materie wird kontinuierlich neu geschaffen und die Materiedichte bleibt gleich.

Nachdem die Steady-State-Kosmologie anfänglich viele Anhänger hatte, wurde sie immer mehr zur Minderheitenmeinung. Besonders nach der Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung 1964 zweifelten nur noch wenige an der Urknall-Theorie. Und spätestens mit den Messungen des COBE-Satelliten war die Steady-State-Kosmologie eigentlich Geschichte.

Aber ein paar Leute forschen immer noch darüber und einer davon ist Jayant Narlikar. Momentan sind er und seine Kollegen mit der Suche nach alten weißen Zwergen beschäftigt. Ein weißer Zwerg ist das, was von einem mittelgroßen Stern wie z.B. der Sonne übrig bleibt, nachdem im Inneren keine Fusion mehr stattfindet. Zuerst bläht sich so ein Stern zu einem roten Riesen auf bis irgendwann die äußeren Schichten der Atmosphäre durch den Sternwind weggepustet worden sind und nur noch der innerste Kern übrig bleibt: ein Mini-Stern, etwa so groß wie die Erde in denen so gut wie kein Wasserstoff mehr existiert. Ein weißer Zwerg kühlt im wesentlichen nur mehr ab und werden immer dunkler. Irgendwann enden sie als schwarze Zwerge – allerdings ist das Universum noch zu jung um solche Objekte zu enthalten.

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Der weiße Zwerg Sirius B ist der kleine Punkt links unter dem großen hellen Sirius A (Bild: NASA, ESA)

Aus dem theoretischen Abkühlungsverhaltzen kann man das Alter von weißen Zwergen relativ gut bestimmen und darum eignen sie sich gut für Projekte wie das von Narlikar. Er sucht solche Objekte in der großen Magellanschen Wolke (eine Nachbargalaxie der Milchstrasse) und hofft dabei auf Objekte zu stoßen, die alt sind. Sehr alt. Älter als 13.73 Milliarden Jahre!

Mit dem Hubble-Weltraumteleskop und dem Very Large Telescope der ESO hat man jede Menge Bilder aufgenommen und ausgewertet. Noch sind die Ergebnisse noch nicht offiziell veröffentlicht. Aber Nando Patat schreibt, dass mittlerweile schon ein fertiger Artikel zum Thema existiert, mit dem – relativ unspektatulären – Titel „Observational evidence for old stars“. Die Autoren scheinen tatsächlich zu glauben, sie hätten Sterne gefunden, die älter sind als das Universum!

Das ist natürlich eine gewagte Behauptung und dementsprechend streng wird der Begutachtungsprozeß ablaufen. Aber selbst wenn hier keine gravierenden Fehler gefunden werden ist das noch lange nicht das Ende der Urknalltheorie. Patat schreibt selbst, dass für die Ergebnisse auch noch alternative Erklärungen existieren.

Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt auf die fertige Arbeit. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass das ΛCDM-Modell widerlegt worden ist – aber spannend ist diese Art der Forschung auf jeden Fall!

17 Gedanken zu „Sind manche Sterne älter als das Universum?“
  1. Das ist der Haken am review – wenn man keinen heißen Draht zum Autor hat, muß man sich nach so früher Andeutung in Geduld üben 😉 Die von Patat erwähnten, in der Arbeit mitgelieferten alternativen Erklärungen würden mich besonders interessieren.

  2. Die Autoren scheinen tatsächlich zu glauben, das sie Sterne entdeckt haben, die älter sind als das Universum!

    Das wäre schon ein Anachronismus. Wenn es tatsächlich so ist, dann müssten die alternativen Erklärungen schon verdammt gut sein. Ich schätze mal, das die Urknalltheorie dadurch schon einen erheblichen Knacks bekommen würde, wenn es sich bewahrheiten würde, das es diese schwarzen Zwerge gibt.

  3. Rein philosophisch betrachtet beisst man sich hier an der Frage „Wie ist das Uni-(Multi-)versum gebootet worden?“.
    Gab es ein Nichts vor dem Etwas?
    Als Humanteilnehmer kann man hier ganz vermutlich nicht sinnvoll beitragen, ausser vielleicht festzustellen, dass die falschen Maßstäbe angelegt werden und mit falschen Kategorien gearbeitet wird.
    Was auch nicht wirklich überraschen täte.

    Die Ur-Wahrheit ist jedenfalls „Etwas ist.“.

    MFG
    ff

  4. Gab es ein Nichts vor dem Etwas?

    Nein. Die Kategorien „vor“ und „nach“ gibt es im Nichts nicht. Das Nichts ist nur dann ein Nichts, wenn es nur das Nichts gibt, würde es mehr geben, dann gäbe es das Nichts nicht mehr, denn dann gäbe es ja Etwas. Also muss das Etwas dem Nichts entsprechen, tut es das nicht, gibt es auch das Etwas nicht, dann gäbe es wirklich nur das Nichts.

  5. @ff Gab es ein Nichts vor dem Etwas?

    Die moderne Kosmologie hat jede Menge faszinierende Ideen. Es kann zum Beispiel reinen Raum ohne Zeit geben. Ein Teil dieses Raumes kann sich „spontan“ in Zeit umwandeln -> Urknall (ist glaub ich ne Theorie von Hawking). Bei Brian Greene (Der Stoff aus dem der Kosmos ist) ist das ausführlicher beschrieben.

  6. @Horiomu:„Angenommen es gäbe diese schwarzen Zwerge, was genau wäre die wahrscheinlichste Erklärung dafür? „

    Da ist wohl ein Mißverständnis aufgetreten. Narlikar et al suchen nicht nach schwarzen Zwergen. Die wären sowieso zu dunkel um sie zu sehen. Außerdem müssten sie mindestens 10 hoch 15 Jahre alt sein – also eine Million Milliarden Jahre…

    Narlikar sucht einfach „nur“ alte weiße Zwerge. Wie die alternativen Erklärungen für zu alte Zwerge aussehen weiß ich momentan auch nicht. Ungenaue Modelle für die Auskühlung eventuell oder Beobachtungsprobleme.

  7. Ich hab mich schon öfter gefragt obs nicht zuviele weisse Zwerge gibt.

    Laut Wikipedia sollen ca. 10% aller Sterne weisse Zwerge sein.
    Jetzt hat ein Stern von der Masse der Sonne eine Lebensdauer von ca. 11milliarden Jahren und das Universum ist ca. 14milliarden Lichtjahre alt.
    Geht sich das rechnerisch aus? Weil da müssten ja die heutigen weissen Zwerge alle von den ersten entstandenen Sternen abstammen.?! Und seitdem sind ja ein Haufen neuer Sterne entstanden. Und trotzdem gibts 10% weisse Zwerge?

    Und dann haben ja die weissen Zwerge selber noch ein Alter.
    Wenn ein weisser Zwerg selber schon ein paar Milliarden Jahre alt ist, und der Vorläuferstern auch noch einmal 11milliarden Jahre braucht um zum weissen Zwerg zu werden kann was nicht stimmen oder?

  8. Ja aber die Sterne aus denen weisse Zwerge entstehen sind doch relativ leicht und leben sehr lange. Von daher dürfts ja nur ziemlich junge weisse Zwerge geben.
    So versteh ich das. Hab ich da einen schweren Denkfehler?

    Ich würd gern mehr zum Thema lesen.
    Gibts da bessere Quellen im Internet dafür als Wikipedia?

  9. @Florian Mayer: Die Grenze wo ein Stern nicht mehr zu einem Weißen Zwerg kolabiert sondern zu einen Neutronenstern beträgt zwischen 1.44 und 3.2 sonnenmassen – wohlgemerkt nach dem Abstoss seiner Materie durch Supernovae oder ähnlichen (der Weisse Zwerg der von der Sonne übrig bleibt wird nur noch ca. 0,5 Sonnenmassen betragen).
    Ein solcher Stern der nun in seiner Hauptreihenphase 3 Sonnenmassen oder noch mehr hatte (bis zu 8 Sonnenmassen, die aber während der Supernovaexplosion „weggesprengt“ werden) „lebt“ bedeutend kürzer.

  10. Versteh. Ich dachte immer weisse Zwerge werden aus Sternen wie der Sonne x1,44 und kleiner. Aber wenn das bis zu 8 Sonnenmassen geht ist das natürlich was anderes

  11. Raum ohne Zeit ist kein Problem, aber ein Nichts vor dem Etwas wäre es genau dann wenn es zu einer Gleichverteilung der Zeit kommt.
    Genau das scheint hier in Frage gestellt zu werden.
    Diejenigen Objekte, die „älter“ als das Universum sind, müssten dann aber eine schnellere Zeiterfahrung/“Zeitbeschleunigung“ erlebt haben, vermutlich geht es bei dieser Betrachtung genau darum.
    Nunja, es wäre nicht die erste „Standardtheorie“, die angepasst wurde.
    Ein Nichts vor dem Etwas, die gegenwärtig befürwortete Folgerichtigkeit nutzend, kann es natürlich nicht geben.

  12. Ich finde es sehr gut, dass trotz mittlerweile etablierter Theorien weiterhin an Alternativen oder „früheren“ Ansätzen gearbeitet wird. Nur so ist gerade im Bereich der Naturwissenschaften eine Fortentwicklung möglich. Ich bin gespannt, was bei der Studie herauskommt, auch wenn ich nicht wirklich daran glaube, dass sie erfolgreich sein wird. Aber es sind ja bereits einige große Theorien der Falsifizierung zum Opfer gefallen.

  13. @ff: „eine schnellere Zeiterfahrung/“Zeitbeschleunigung“ erlebt haben“ – so quasi eine inflation der zeitdimension, ähnlich der des raumes … warum auch nicht? zeit existiert als dimension, wie auch die raumdimensionen existieren. das „verinnen“, „vergehen“ dürfte ja eher ein psychologisches Phänomen sein [*]. warum also nicht? bisher gibt es noch keine hintergrundunabhängige theorie, wir wissen nicht was raum und zeit ist. Ansätze liefert die quantum loop gravity und auch die string-theorie.
    aber bevor wir das auch nur in betracht ziehen, warten wir mal das paper ab, prüfen es, versuchen die ergebnisse zu reproduzieren und schauen wir ob die ergebnisse nicht durch „alltägliche“ phänomene besser erklärbar ist – erst dann wenden wir uns der „inflation der zeitdimension“ zu, die paar jahre der prüfung und testens sind auch schon wurscht … 😉

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