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[Das hier ist eine Rezension eines Kapitels des Buches „Der Drache in meiner Garage“ von Carl Sagan. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel finden sich hier.]

Im ersten Kapitel mit dem Titel „The most precious thing“ spricht Sagan darüber, warum Wissenschaft so wichtig ist und wodurch sie gefährdet wird. Er beschreibt die Begegnung mit einem Taxifahrer von vielen Dingen fasziniert war: Nostradamus, Atlantis, Area 51, Außerirdische, Channeling, etc. Er war etwas enttäuscht, als Sagan im erklärte, das er von diesen Dingen nicht viel hält. Dafür war er umso faszinierter, als Sagan ihm von der echten Wissenschaft erzählte. Sagan schreibt:

Mr. „Buckley“ – well-spoken, intelligent, curious – had heard virtually nothing of modern science. He had a natural appetite for the wonders of the universe. He wanted to know about science. It’s just that all the science had gotten filtered out before it reached him. Our cultural motifs, our educational system, our communications media have failed this man. What the society permitted to trickle through was mainly pretense and confusion. It had never tuaght him how to distinguish real science from the cheap imitation. He knew nothing about how science works.

Damit sind wir auch schon mitten im Thema des Buches. Wissenschaft ist spannend. Wissenschaft ist wichtig. Aber viele Menschen haben nie gelernt zu verstehen, was Wissenschaft eigentlich ist. Die natürliche Neugier des Wissenschaftlers steckt in jedem Menschen. Aber bei vielen wird dieser Drang nach Wissen in falsche Bahnen gelenkt und man landet bei Pseudowissenschaft und Esoterik. Und dagegen etwas zu tun ist nicht leicht:

Spurious accounts that snare the gullible are readily available. Skeptical treatments are much harder to find. Skepticism does not sell well. A bright and curious person who relies entirely on popular culture to be informed on something like Atlantis is hundres or thousands of times more likely to come upon a fable treated uncritically than a sober and balanced assessment.

Wissenschaft muss einen Weg finden, den Menschen zu zeigen, wie faszinierend sie ist. Ansonsten wird die Pseudowissenschaft den Wunsch der Menschen nach Faszination stillen:

Science arouses a soaring sense of wonder. But so does pseudoscience. Sparse and poor popularization of science abandon ecological niches that pseudosciences promptly fills.

Am Beispiel der Entwicklung der Medizin erklärt Sagan, wie wichtig ein vernünftiges Verständnis von Wissenschaftlichkeit ist:

We can pray over a cholera victim oder we can give her 500 milligrams of tetracycline every 12 hours. We can try nearly futile psychoanalysis talk therapy on the schizophrenic patient oder we can give him 300 to 500 milligrams a da of clozapine. The scientific treatments are hundreds or thousands of times more effective than the alternatives. Abandoning science means abandoning much more than air conditioning, CD players, hair dryers and fast cars.

Am Ende des Kapitels beschreibt Sagan noch einmal wunderbar, worin sich Wissenschaft und Pseudowissenschaft unterscheiden:

Perhaps the sharpest distinction between science and pseudoscience is that science has a far keener appreciation of human imperfections and fallibility than does pseudoscience. If we resolutely refuse to acknowledge where we are liable to fall into error, then we can confidently expect that error – even serious error, profound mistakes – will be our companion forever.

Ich finde, auf diesen Aspekt wird viel zu selten hingewiesen. Gerade in der Öffentlichkeut stehen Wissenchaftler oft als die bösen „Dogmatiker“ da, die niemals nicht von ihren Ansichten abrücken; die andere Gesichtspunkten mit „Scheuklappenblick“ ignorieren und sich selbst für unfehlbar halten. Falscher könnte man eigentlich gar nicht liegen – Wissenschaft ist weder dogmatisch, noch verschlossen.

Aber eben auch nicht offen für jede unbelegte Hypothese, die sich irgendwer ausgedacht hat. Die wissenschaftliche Methode basiert auf der Realität; sie basiert auf Fakten und Überprüfbarkeit. Das hat nichts mit Dogmatismus zu tun. Diese falsche Auffassung der Wissenschaft in der Öffentlichkeit liegt wahrscheinlich in der einseitigen Vermittlung begründet: es werden (wenn überhaupt) nur die Ergebnisse der Wissenschaft kommuniziert.

Dabei wäre es viel wichtiger, auch die wissenschaftliche Methode einer breiten Masse verständlich zugänglich zu machen.

Sagan schließt das Kapitel mit dem Satz:

The method of science, as stodgy and grumpy as it may seem, is far more important than the findings of science.


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13 Gedanken zu „Die kostbare Wissenschaft“
  1. Ich fand vor allem das Vorwort des Buches unglaublich faszinierend und berührend… Es hat in mir den Wunsch geweckt, in meinen Kinder hoffentlich einmal genau so die Freude an der Wissenschaft und dem ‚Denken‘ wecken zu können, wie das Sagans Eltern bei ihm gemacht haben…

  2. @Roger: Hmm – ich würde sagen, es ist schlicht und einfach die Grundlage, von der man ausgehen muss, wenn man die wissenschaftliche Methode korrekt einsetzen will. Und immerhin lassen sich die damit gewonnenen Ergebnisse ja mit der Realität vergleichen: bis jetzt scheint alles zu passen 😉

    @Kathy: Ja, das Vorwort ist gut. Hätte ich auch erwähnen sollen – vielleicht mache ich das noch zum Abschluß.

  3. @Roger
    Das ist ein selbstverständliches Axiom. Methodiken die nicht auf der Realität basieren (bsw. Astrologie und Esoterik) produzieren nur Märchen.
    Die können sicher ein netter Zeitvertreib sein. Das gerechtfertigte Wissen über die Natur vermehren sie aber nicht.

    Gruß Helmut

  4. Als Wissenschaftstheoretiker denke ich, dass das einzige, was wir für Wissenschaft wirklich voraussetzen müssen ist, dass es eine externe Welt gibt, zu der wir durch unsere Sinne zumindest einen gewissen, intersubjektiv verifizierbaren Zugang haben und das es soetwas wie Kausalität über Korrelation heraus gibt.

    Ich gebe Florian absolut recht, dass dies einfach die Grundlagen sind, die sinnvolle Investigation überhaupt möglich machen. Als solche sind sie unverzichtbar und bedürfen keiner Rechtfertigung (auch wenn man durchaus zum Beispiel gegen ein Weltbild, das meint, es gäbe keine ‚externe Welt‘, sondern nur Mentales (Berkeley) argumentieren kann).

    Ich denke nicht, das Methodologie an sich „auf Realität basieren“ kann oder nicht. Die ‚Objekte‘, auf die sie angewandt wird können real oder fiktiv sein, die Schlüsse zu denen sie führt können gerechtfertigt sein oder nicht, basierend darauf, ob die Art, wie die Methodik zu Schlüssen gelangt selbstkritisch und selbst-korrektiv auf Basis ihres Erfolgs (Erfolg gemessen daran, ob sie verlässliche Aussagen macht oder nicht bzw in wiefern sie es uns ermöglicht, die Welt erfolgreich zu ’navigieren‘ und/oder manipulieren).

    Aber wenn wir von der wissenschaftlichen Methodik sagen würden, sie basiere auf Wirklichkeit, würden wir damit ja schon ein gewisses Bild von Wirklichkeit voraussetzen, über das uns jedoch die Methodik eigentlich erst informieren sollte.

    Man sollte auch unterscheiden zwischen der wissenschaftlik Methodik als solche – als der grundlegend Art, wie man rational an Fragen über die natürliche Welt herangeht, und den Arbeitsweisen der speziellen Wissenschaften, die natürlich schon viele Dinge über die Welt in ihren Herangehensweisen voraussetzen (Alllein die Benutzung von Radioteleskopen z.B. setzt vieles über die Natur von Elektromagnetismus und dem Verhältnis von Objekten und EM-Wellen voraus).

    Nur haben die speziellen Wissenschaften gegenüber den Pseudowissenschaften den Vorteil, dass sich die Voraussetzungen die sie in ihrer Arbeitsweise machen auch nur über die wissenschaftliche Methodik als soche ergeben haben, eben weil sie sich als zuverlässig bezüglich Voraussagen, Beobachtungen und Manipulationen herausgestellt haben, und eben nicht auf einem persönlichen Weltbild beruhen, dass man vertritt, weil es emotionale Bedürfnisse erfüllt (besonders, wie auch bei allen Verschwörungstheoretikern das ‚eingeweiht sein in tiefe Geheimnisse).

    Grundlegende Herangehensweisen an Fragen über die Welt setzen keine spezifischen Zusammenhänge voraus – deshalb denke ich gibt es überhaupt nur eine rationale und viele irrationale Herangehensweisen, wobei die wissenschaftliche eben die rationale ist. Aber eben weil die einzigen Annahmen, die solch eine grundlegende Herangehensweise macht die sind, die unverzichtbar sind um sinnvolle Investigation zu ermöglichen, denke ich nicht dass man von „auf der Realität basierend“ sprechen kann – bei den Herangehensweisen, die solche Annahmen machen (Spezialwissenschaften, aber auch Pseudowissenschaften wie Astrologie) allerdings kann man das schon.

    Da die Astrologie Zusammenhänge voraussetzt, die nicht durch verläßliche Voraussagen, oder durch die Möglichkeit zu verläßlicher Manipulation korroboriert werden, kann man sagen sie ist der Wirklichkeit in keinster Weise angemessen.

    Das wichtigste an der rationalen, wissenschaftlichen herangehensweise dürfte die selbst-korrektivität sein, die auf alle Annahmen und Arbeitsweisen angewendet wird: Wenn etwas nicht zu verläßlicher Vorhersage und Manipulation taugt wird es früher oder später aufgegeben.

    Zu Vorhersage und Manipulation kommen, denke ich, eigentlich nur noch Grundregeln der Logik und Rationalität (philosophischer Natur) wie z.B. das Parsimonitätsprinzip: Wenn zwei Theorien empirisch ununterscheidbar sind, eine jedoch mehr Elemente (Objekte, Regeln etc) postuliert, ist die einzige Möglichkeit, sich gegen Beliebigkeit zu schützen, die Theorie mit den wenigsten Annahmen vorzuziehen… Sowas in der Art.

  5. @Mphil: „Als Wissenschaftstheoretiker denke ich, dass das einzige, was wir für Wissenschaft wirklich voraussetzen müssen ist, dass es eine externe Welt gibt, zu der wir durch unsere Sinne zumindest einen gewissen, intersubjektiv verifizierbaren Zugang haben und das es soetwas wie Kausalität über Korrelation heraus gibt.“

    Darf ich das zusammenfassen: Das einzige, dass man vorausetzen muss ist: Es gibt Naturgesetze.

  6. @Florian:
    Naja, ich hätte das als drei verschiedene Punkte gesehen: 1. Existenz externer Welt 2. Zu dieser haben wir Zugang durch unsere Sinne 3. Es gibt Kausalität über Korrelation hinaus.

    Wenn Kausalität Regularitäten vorausetzt, also dass es identifizierbare Typen von interagierenden Objekten gibt und auch identifizierbare Typen von Aktionen und Interaktionen (für beides könnte man auf der Basis davon argumentieren, dass wir ohne solche Regularitäten nichts geordnetes Wahrnehmen könnten und somit gar keine Aussagen über die Welt treffen könnten), dann könnte man argumentieren, dass diese Regularitäten im Verhalten von Objekten Naturgesetze sind, also könnte man evtl „Es gibt Naturgesetze“ als in Punk 3 inbegriffen schließen.

    Aber ich denke die ersten beiden Punkte sind noch grundlegendere Annahmen, die wir machen müssen.

    Und dann kommt natürlich die große Frage, was Naturgesetze überhaupt sind. Da gibt verschiedene hochinteressante Ansätze. Diese Seite bietet einen wunderbaren Überblick:

    https://plato.stanford.edu/entries/laws-of-nature/

    (Die Stanford Online Encyclopedia of Philosophy) hat sowieso m.E. die besten Artikel zu allen möglichen philosophischen (und auch vielen wissenschaftlichen) Themen (zum Beispiel „Many-Worlds interpretation of Quantum Mechanics“, „Scientific Explanation“, verschiedene Einträge zu „Causation“, „Measurement in Quantum Mechanics“, „Interpreations of Probability“ etc).

    Ich persönlich sehe mich momentan zu folgender Auffassung hingezogen: (intrinsische) Eigenschaften von Objekten sind als Dispositionen zu verstehen sind. So bedeutet also z.B. eine Ladung von -1 zu haben nichts weiter als, ceteris paribus, sich auf bestimmte Art zu verhalten wenn man einem elektrischen Feld ausgesetzt ist usw. . Somit kann man schließlich auch die z.B. Eigenschaft, ein Elektron zu sein dispositionell ausdrücken, indem man Masse, Ladung, Spin etc über die Verhaltensregularitäten bezüglich der jeweiligen Eigenschaften charakterisiert.

    Wenn wir also Eigenschaften als Verhaltensdispositionen auffassen, und sagen können, dass für gewisse Objekt-Typen gewisse Eigenschaften essentiell sind (etwas ist kein Elektron wenn es keine Ladung von -1 hat z.B.), dann können wir Naturgesetze als die Verhaltensregularitäten betrachten, die notwendig aus den Definitionen der Objekte folgen. Das ist natürlich nur eine (womöglich mißverständliche) Kurzzusammenfassung, aber so ungefähr dürfte das hinkommen.

  7. @Florian

    Ja, gut. Mal abgesehen von etwaigen Konstruktionen des Naturgesetz-Begriffs in einem idealistischen Monismus (Berkeley), stimmt das schon, dass zumindest 1 und 3 aus „Es gibt Naturgesetze“ folgen, und wir wohl nicht darüber reden würden, würden wir nicht 2 auch annehmen. Aber das sind eben wiederum die Voraussetzungen, die wir machen müssen, wenn wir postulieren „Es gibt Naturgesetze“. 1-3 sind so schon da mit inbegriffen, aber nur weil es 1-3 voraussetzt, deshalb denke ich das die Punkte Grundlegender sind.

  8. @Mphil: Ok – du hast recht – Pkt.2 ist nicht zwingendermaßen enthalten. Aber „Es gibt Naturgesetze und wir sind prinzipiell in der Lage, sie zu erkennen“ dürfte wohl eine gute Zusammenfassung für die Grundlagen der Wissenschaft sein.

  9. „We can try nearly futile psychoanalysis talk therapy on the schizophrenic patient oder we can give him 300 to 500 milligrams a da of clozapine.“ (- heisst es da oder day?)

    Ist Psychologie eine Pseudowissenschaft? Soll das heissen, dass bei jeder psychischen Krankheit die Medikamente besser sind? Was halten Skeptiker von der Psychologie?

  10. @katja: Also zumindest die Freudsche Psychoanalyse (die in diesem Zitat wohl gemeint ist und die in den USA noch weit verbreitet ist) hat durchaus sehr viel von einer Pseudowissenschaft.

  11. Da hatte Sagan aber Glück mit seinem Fahrer, daß der einfach nur unwissend war.

    Wenn man sich da die hiesigen üblilchen Verdächtigen ansieht, die sehr viel bessere Möglichkeiten hätten, sich zu informieren und trotzdem immer in ein stumpfsinniges „Wissenschaft ist doof“ verfallen…

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