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Die Wissenschaft macht nicht halt – neue Entdeckungen und Entwicklungen gibt es am laufenden Band. Gerade bei der Forschung über extrasolare Planeten hat sich in den letzten 15 Jahren so viel getan, dass man mit Recht von einer „Revolution“ sprechen kann.

Lohnt es sich dann überhaupt noch, ein Buch zu diesem Thema zu lesen, das vor mehr als 10 Jahren – 1997 – erschienen ist? Beim Buch „Planetenjäger“ von Reto U. Schneider lohnt es sich auf jeden Fall!

Durch Zufall habe ich es gestern in der Bibliothek des Astronomischen Recheninstituts in Heidelberg entdeckt und gleich in einem Rutsch durchgelesen.


1997 steckte die Erforschung der extrasolaren Planeten noch in den Kinderschuhen. Erst 2 Jahre vorher wurde der erste Exoplanet entdeckt und in der Zeit danach hat man gerade Mal sieben weitere Planeten gefunden (Heute kennen wir 347 Exoplaneten!).

Schneider selbst sagt im Vorwort, dass ihm geraten wurde, mit dem Schreiben des Buchs noch abzuwarten, bis die Forschungsergebnisse besser eingeschätzt werden können und mehr Daten vorhanden sind. Aber er hat das Buch trotzdem geschrieben – um „eine Momentaufnahme der Geburtsstunde eines neu entstehenden Wissenschaftszweiges in der Astronomie“ abzubilden.

Und die Geschichte um die Jagd nach dem ersten extrasolaren Planeten ist es wert erzählt zu werden!

Das es extrasolare Planeten, darin waren sich eigentlich die meisten Astronomen ziemlich sicher. Sie waren nur verdammt schwer zu finden! Das von ihnen reflektierte Licht wird vom Stern gnadenlos überstrahlt; eine Beobachtung ist nicht möglich. Deswegen versuchte man es mit indirekten Methoden. Ein Planet bringt einen Stern durch seine gravitative Wirkung ein kleines bisschen zum Wackeln – so ein Stern bewegt sich daher in periodischen Abständen eine Winzigkeit auf uns zu und dann wieder von uns weg. Diese Bewegung wirkt sich auf die Position von Spektrallinien im Lichtspektrum des Sterns aus („Dopplereffekt“) und das ist prinzipiell meßbar – wenn denn die Geräte gut genug sind!

Schon seit langem hat man probiert, dieses Wackeln zu sehen. Seit man 1984 bei den Sternen Wega und Beta Pictoris die ersten Hinweise auf Staubscheiben fand (die wiederum ein Hinweis auf extrasolare Planeten sind), begannen verschiedene Gruppen ernsthaft mit der Suche nach Exoplaneten.

Dazu war es nötig, viele Sterne abzusuchen und nachzusehen, ob sich die Spektrallinien ihrer Spektren periodisch verschoben. Mit den damaligen Techniken war es bestenfalls möglich, sehr große Planeten – vergleichbar mit Jupiter – zu finden. Die damaligen Theorien der Planetenentstehung sagten vorraus, dass solche großen Planeten nur weit entfernt von ihrem Stern entstehen konnten und deswegen auch lange für eine Umrundung brauchen würden. Man machte sich also für eine dementsprechend lange Suche bereit.

Die beiden Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz sind in das Rennen erst mit großer Verspätung eingestiegen. Erst 1994 begannen sie mit der Planetensuche. Sie hatten allerdings einen großen Vorteil: die Computerprogramm, die Didier Queloz zur Datenanalyse geschrieben hatte, machten es möglich, dass nur wenige Minuten nach der Beobachtung schon die Geschwindigkeit des Sterns bestimmt werden konnte. Die anderen Teams mussten die Daten erst in mühsamer Arbeit auswerten – was meist erst monate- oder gar jahrelang nach der eigentlichen Beobachtung geschah. Aber da man ja sowieso damit rechnete, erstmal mindestens 10 Jahre lang Daten sammeln zu müssen, bevor man Effekte eines Planeten sehen konnte, war das kein Problem.

Mayor und Queloz konnten aber gleich sehen, wie sich ihre Sterne bewegten. Und deswegen entdeckten sie auch kurz nach Beginn ihrer Beobachtungskampagne, dass sich der Stern 51 Pegasi mit einer Periode von nur knapp über 4 Tagen hin und her bewegte! Das würde bedeuten, dass ein schwerer Planet – vergleichbar mit Jupiter – sich mit ebendieser Periode um den Stern bewegt. Er müsste also seinem Stern enorm viel näher sein, als Jupiter in unserem Sonnensystem. Dieser Planet wäre seinem Stern sogar viel näher, als es Merkur – der sonnennächsten Planet – der Sonne ist!

So etwas passte überhaupt nicht zu den damaligen Theorien der Planetenentstehung. So ein Planet konnte eigentlich gar nicht existieren. Mayor und Queloz sagten nichts von ihrer Entdeckung und begannen, die Daten zu überprüfen und andere Effekte auszuschließen. Als sie sich sicher waren, dass es ein Planet sein muss, gingen sie trotz aller Skepsis an die Öffentlichkeit: am 6. Oktober 1995 präsentierte Mayor die Entdeckung beom „Cambridge Workshop on Cool Stars, Stellar Systems and the Sun“ in Florenz.

Die anderen Astronomen waren schockiert! Besonders das Team um Geoff Marcy und Paul Butler hätte diesen Planeten schon längst entdecken können, hätten sie nur ihre Daten analysiert! Als sie später ihre Aufnahmen nach solchen kurzperiodischen Planeten untersuchten, konnten sie sofort zwei weitere Exoplaneten finden. Marcy und Butler hatten sich zu sehr von den Versicherungen der Theoretiker beeinflussen lassen, die solche Planeten für unwahrscheinlich hielten.

In diesen Anfangstagen der Exoplanetenforschung gab es noch jede Menge Diskussionen und Streitereien über die Natur der gefundenen Objekte. Waren es wirklich Planeten? Oder „nur“ braune Zwerge oder gar kleine Sterne? Waren die Theoretiker schuld, dass die Amerikaner das Rennen um den ersten Planeten verloren haben? Gibt es den Planeten bei 51 Pegasi überhaupt oder haben sich Mayor und Queloz geirrt?

Teilweise dauern die Diskussionen bis heute an. Auch wenn wir extrasolare Planeten und deren Entstehung besser verstehen als 1995, ist die Natur und die Entwicklung dieser kurzperiodischen, großen Planeten immer noch nicht geklärt und die Wissenschaftler streiten immer noch, ob sie so nahe am Stern entstehen konnten oder sich irgendwie von weiter außen dorthin bewegt haben.

„Planetenjäger“ ist eine fantastische und faszinierende Beschreibung der wissenschaftlichen Arbeit. All die Kleinigkeiten, die hier eine wichtige Rolle spielen, werden beschrieben. Die Schwierigkeit, seine Entdeckungen vor einer Veröffentlichung geheim zu halten. Die Probleme mit Gutachtern und der Veröffentlichung – so durften Mayor und Queloz sich z.B. erst 2 Monate nachdem sie die Entdeckung auf der Konferenz in Florenz vorgestellt hatten, der Presse gegenüber äußern. Die Zeitschrift Nature brauchte so lange für die letzten Gutachten und verbat den Forschern in der Zwischenzeit, mit Journalisten darüber zu reden. Eine unbefriedigende Situation – da sowieso schon jeder Bescheid wusste und alle anderen Forscher ständig in den Medien ihre Kommentare zum neuen Planeten abgaben. Auch die Eifersüchteleien zwischen den Kollegen werden anschaulich beschrieben; ebenso wie die zwischen Europa und Amerika: die Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten durch zwei Schweizer wurde in den amerikanischen Medien eher nachlässig behandelt; als aber später zwei Amerikaner (Marcy und Butler) die Entdeckung durch eigene Messungen bestätigten, waren sie auf Titelseiten und in Fernsehshows…

Ich kann dieses Buch nur ausdrücklich empfehlen! Ich selbst habe die Entdeckung dieses Planeten damals nicht wirklich mitbekommen. Im Oktober 1995 hatte ich gerade mein Studium begonnen und war wohl noch zu sehr mit den Anfangsschwierigkeiten des Studentenlebens beschäftigt 😉 Umso mehr freue ich mich, dass ich die ganze spannende Geschichte in diesem Buch nachlesen konnte!


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6 Gedanken zu „Planetenjäger“
  1. Oh, Danke für den Tipp – ich hab das Buch im Regal, mal aus ’nem Wühlkorb gezogen, aber nie gelesen – muss ich dringend mal nachholen. Ich bewundere aber immer alle, die solch ein Buch „in einem Rutsch“ durchlesen können ;-).

    Als Update zu dem Buch ist vielleicht interessant (bin grade über den Link gestolpert) „The detection and characterization of exoplanets“ im aktuellen Heft von Physics Today (ist frei zugänglich).

  2. Wird in dem Buch auch die – m.E. noch viel spannendere – Geschichte der kanadischen Planetenentdeckungen der späten 1980-er Jahre erzählt? Damals waren Exoplaneten für die meisten Astrophysiker etwas „Unmögliches“, und die Entdecker – mindestens zwei ihrer Planeten stellten sich Jahre später als echt heraus, wie ich durch Vergleich der damaligen Daten mit modernen RV-Kurven feststellen konnte – wurden derart gemobbt, dass einer sogar ganz die Astronomie verließ (er soll heute Steuerberater sein, hat mir ein Kollege erzählt).

    Andere Bücher über die „moderne Ära“ der Exoplanetenforschung, d.h. die Zeit ab Mayor & Marcy, schweigen diese tragische Episode der Astronomiegeschichte unmittelbar davor regelmäßig tot – dabei kann man daran so viel über zentrale Aspekte des Wesens der Wissenschaft an sich lernen, von der Frage, was eigentlich eine Entdeckung ist, bis zu den Mechanismen, was in der Astrophysik gerade „in“ ist und wer am Ende groß rauskommt und wer nicht …

  3. wusste ich es doch, dass es mir das cover bekannt vorkommt :-), habs noch im vorigen jahrtausend gelesen.

    jedoch auch nicht in einem rutsch, ich bin da ganz anders, bei mir dauert so etwas immer „ewig“.

  4. Auf den Artikel hin hab ich es mir aus der Bücherei geholt und auch in einem Rutsch gelesen. Wirklich ein tolles Buch. Immer wieder interessant finde ich, wie wichtig die Meßapparatur ist und daß man möglichst für alle Messungen die gleiche Apparatur verwendet. Auch interessant fand ich die damals scheinbar unüberwindliche Vorstellung, auf sonnennahen Bahnen seien keine massereichen Gasplaneten („hot Jupiters“) möglich. Viele Astronomen konnten sich von dieser theoretischen Annahme nicht frei machen.
    Auch die ganze Kleinarbeit in der Forschung ist sehr anschaulich beschrieben und nie langweilig.

    @Daniel Fischer:
    Meinen Sie Bruce Campbell? Über den heißt es: „1990 entschloß er sich, die Forschung zu verlassen. Heute arbeitet er als erfolgreicher Geschäftsmann in Victoria.“

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