Vor knapp einem Monat habe ich angekündigt, das Jahr der Astronomie zu nutzen, um Johannes Keplers großes Werk „Astronomia Nova“ zu lesen und darüber hier in meinem Blog zu berichten.

Jetzt ist es endlich soweit; ich habe meine deutschsprachige Ausgabe erhalten (Danke an den Marixverlag für das Rezensionsexemplar) und hatte Zeit, mit der Lektüre zu beginnen.


Die Einleitung

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Wie bei so alten Werken üblich, dauert es ein wenig, bis es so richtig zur Sache geht. Der volle Titel von Keplers Buch lautet:

Neue, ursächlich begründete Astronomie oder Physik des Himmels. Dargestellt in Untersuchungen über die Bewegungen des Sternes Mars. Aufgrund der Beobachtungen des Edelmannes Tycho Brahe. Auf Geheiß und Kosten Rudolphs II. Römischer Kaiser usw. In mehrjährigem, beharrlichem Studium ausgearbeitet zu Prag von Sr. Heil. Kais. Maj. Mathematiker Johannes Kepler.

Hmm – irgendwie schade, dass solche barocken Titel heutzutage aus der Mode gekommen sind.

Bevor es mit der eigentlichen Einleitung losgeht, wendet sich Kepler erstmal an seinen Finanzier und Arbeitsgeber:

„Erhabenster Herrscher! Dem durchlauchtigstem Namen Ew. Heil. Kais. Majestät, sowie des ganzen Hauses Österreich Heil und Segen! Auf Geheiß Ew. Majestät führe ich endlich einmal den hochedlen Gefangenen zur öffentlichen Schaustellung vor, dessen ich mich schon vor einiger Zeit unter dem Oberbefehl Ew. Majestät in einem beschwerlichen und mühevollen Krieg bemächtigt habe.“

Der „Gefangene“ ist der Planet Mars und Kepler reizt die Kriegsmetapher noch ein paar Seiten lang aus und erzählt, wie mühsam der „Kampf“ mit diesem Himmelskörper war, bevor er ihm seine Geheimnisse entlocken konnte. Dabei spricht er auch kurz diejenigen an, die sich mit Mars hauptsächlich wegen seiner astrologischen Bedeutung beschäftigen – etwas, was Kepler nicht vorhat, zu tun:

„Ich selber wil mich hievon zu etwas anderem wenden, was meinen Kräften eher entspricht. Dabei will ich mich aber nicht auf jenem Gebiet meiner Kunst aufhalten, auf dem ich mit meinen Gefährten in Spannung geraten könnte. Sie mögen sich meinetwegen in ihrer Weise darüber freuen, daß nun der in die Ketten der Rechnung geschlagen ist, der so oft ihren Händen und Blicken entschlüpfte und Vorhersagen von großer Bedeutung zunichte machte, Vorhersagen über Krieg, Sieg, Herrschaft, militärische Auszeichnungen, leitende Stellungen, Spiel, ja sogar Entscheidungen über Tod und Leben. (…) Er ist schließlich auch der Herrscher im Widder, dem nach ihrem Glauben Deutschland unterstellt ist, und so hat er zugleich mit Ew. Heil. Kais, Majestät hier die Herrschaft inne.
Diesen Teil des Triumphs mögen also meinetwegen jene Männer feiern. An so einem festlichen Tag möchte ich ihnen keine Ursache zum Streit geben. Es sei ihnen ihre Freude verstattet, wie man Soldatenspässe hingehen lässt. Ich selbst aber will mich zur Astronomie wenden und von dem Triumphwagen aus den weiteren, mir ganz besonders bekannten Ruhm unseres Gefangenen sowie aller Phasen des Krieges, den ich geführt und nun abgeschlossen habe, darlegen.“

Kepler war also durchaus bewusst, das Astrologie und Astronomie zu trennen sind (von Seiten der Astrologen hört man ja oft Anderes) und nimmt, wenn man nach dieser Einleitung geht, die Astrologen nicht wirklich ernst.

Im Text geht es weiter mit der Beschreibung des Krieges gegen Mars und Kepler beschreibt die erfolglosen Versuche der Vergangenheit, die Bewegung dieses Planeten zu erklären. Schön ist hier der Fall des Georg Joachim Rhaeticus (Schüler des Kopernikus), der angeblich sogar einen Geist beschwörte, um hinter das Geheimnis der Marsbewegung zu kommen:

„Da habe der unholde Beschützer gereizt den lästigen Frager am Haar gepackt und abwechselnd mit dem Kopf oben an die Decke angeschlagen und dann wieder herabgelassen und seinen Körper auf den Boden niedergestoßen, wozu er den Orakelspruch fügte: >>Das ist die Bewegung des Mars.<<.“

Kepler hält nicht viel von solchen Geistergeschichten und erklärt:

„Es ist jedoch ganz wohl glaubhaft, daß Rheticus verwirrten Geistes wütend aufgefahren ist, als seine Spekulationen keinen Erfolg brachten und seinen Kopf selber an die Wand angeschlagen hat.“

Natürlich lobt er dann auch die Arbeit seines Vorgängers, Tycho Brahe. Ohne dessen Beobachtungen hätte Kepler seine „Astronomia Nova“ nicht verfassen können. Es gibt zwar Gerüchte, dass Kepler beim Tod seines Vorgängers etwas nachgeholfen hatte, um schneller an dessen Daten zu kommen – aber das konnte bis jetzt nie bestätigt werden.

Nach weiteren Kriegs- und Feldzugsmetaphern hat Kepler den Mars schließlich gefangen genommen. Der eingekerkerte Mars hat nun aber noch einen Wunsch an Rudolph II:

„Um eines bittet er nun, Ew. Majestät: Er besitzt in den Ätherregionen viele Verwandte (Jupiter ist sein Vater, Saturn sein Großvater, Venus seine Schwester und zugleich seine Freundin, sowie schon früher sein besonderer Trost, als er in Fesseln lag, Merkur sein Bruder und treuer Unterhändler). Wegen der Übereinstimmung in der Lebensart trägt er nach ihnen und sie nach ihm großes Verlangen. Darum möchte er wünschen, daß sie wie er in Verkehr mit den Menschen treten und gleichfalls der Ehre, die im angetan wird, teilhaftig werden. Darum wolle Ew. Majestät ihm so bald als möglich seine Gefährten wiedergeben, indem der Feldzug, der nach seiner Unterwerfung weiter keine Gefahr mehr birgt, vollends entschlossen zu Ende geführt wird. Hierzu biete ich (wohlgeübt im Kampf mit dem Streitbarsten und des Geländes kundig) meine nicht unnützen und beneso wie treuen Dienste bereitwillig an, wobei ich Ew. Kais. Majestät einzig bitte und beschwöre (…) den Schatzmeistern zu befehlen, sie mögen an den Lebensnerv des Krieges denken und mir von neuem Geld zur Werbung von Soldaten zur Verfügung stellen.“

Das ist mal eine originelle Art, um Fördergelder zur bitten. Vielleicht sollte ich in Zukunft meine DFG-Anträge ebenso formulieren 😉

Nun folgen noch einige Seiten mit Gedichten zum Thema – und erst dann geht es los, mit der eigentlichen Einleitung. Dazu aber dann mehr beim nächsten Mal.

Noch mehr Buchrezensionen auf ScienceBlogs:

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9 Gedanken zu „Johannes Kepler: Astronomia Nova – Die Einleitung (1)“
  1. @Florian:
    Ich wünsche ebenfalls viel Vergnügen bei der Lektüre des Buches „Astronomia Nova“.
    Allerdings scheint das keine leichte Kost zu sein.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang den italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli (1835-1910) zitieren, der im Alter von 22 Jahren in seinem Tagebuch notierte:

    „Ich habe gerade … den ersten Teil der Neuausgabe der Werke von Kepler gekauft … was für ein bizarrer und sympatischer Mensch. Mein Kopf ist wirklich klein, aber doch dem seinem ähnlich. Auch er hat den Fehler, beim Denken in tausend Verstiegenheiten abzugleiten; und auch er ist auf der siebten Seite seines Briefes, bevor er überhaupt darauf zu sprechen komt, was er will.“
    (Spektrum der Wissenschaft Biografie, 4/2000)

    Ich hoffe doch sehr, dass diese sicher spannende Lektüre deine Aufmerksamkeit nicht zu sehr von diesem Blog ablenkt.

  2. als an Astronomiegeschichte interessierter Laie habe ich die deutsche Übersetzung
    der Astronomia Nova vor gut zehn Jahren gelesen. Folgende Aspekte haben mir bei dem Verständnis des Werkes und der Einordung der Leistung von Johannes Kepler sehr geholfen:

    1. Kepler hat die Astronomia Nova im Jahre 1609 vollendet und konnte daher die Planetenbahnen nur auf Grundlage der von Tycho Brahe gemessenen Planetenpositionen bestimmen. Die physikalischen Grundlagen der Bewegungslehre (Kinematik) wurden gerade erst von Galillei entwickelt und wahren Kepler daher unbekannt. Kepler hatte daher nur die Möglichkeit die zur seiner Zeit konkurierenden Planetenmodelle mit den neuesten ihm verfügbaren Messdaten zu verifizieren.

    2. Bei der Durchführung des Projektes hat Kepler nicht nur, wie es heute üblich ist, den wesentlichen Gedankengang und das Ergebnis präsentiert, sondern in der barocken Tradition chronologisch aufgeführt wie er die Planetenbewegung entschlüsselt hat. Dabei wurden von Kepler sogar seine Fehlannahmen und ihm unterlaufende Rechenfehler wahrheitsgetreu wiedergegeben. D.h. anhand der Astronomia Nova können wir den Gedankengang Keplers bei der Suche nach den Planetengesetzen nachvollziehen. Dies ist (leider) in der modernen wissenschaftlichen Literatur nicht mehr üblich.

    3. Zur Zeit Keplers wurden algebraische Zusammenhänge in der Umgangssprache formuliert. Die uns bekannte Formulierung von mathematischen Zusammenhängen in algebaischen Gleichungen wurde erst eine Generation später von Renee Descartes eingeführt. Man tut sich leichter mit dem Verständnis wenn man beim lesen des Textes die Umgangssprache in die uns geläufige algebraische Notation umsetzt.

    4. Die Astronomia Nova dokumentiert auch wie sich Kepler von animistischen Vorstellungen über die Ursache der Planetenbewegung zu einer rationalen auf physikalischen Grundlagen beruhenden Vorstellung weiterentwickelt.
    Nach Aristoteles gibt es nur zwei natürliche Bewegungsformen, nämlich die lineare für die sublunare, vergängliche Welt und die kreisförmige für die himmlische, unvergängliche Welt. Diese beiden Bewegungsarten konnten von seelenlosen Dingen ausgeführt werden. Kompliziertere Bewegungen konnten laut Aristoteles nur von beseelten Geschöpfen wie zum Beispiel Tiere ausgeführt werden. Von diesem zur Barockzeit vorherschenden Paradigma musste sich Kepler erst lösen.

    5. Angeregt durch den Flächensatz der Planetenbewegung hat Kepler den Versuch unternommen die physikalischen Ursache für die Planetenbewegung zu finden. Kepler nimmt als erster für die Ursache der Planetenbewegung ein von der Sonne ausgehendes Kraftfeld an. Bei der Formulierung dieses Gesetzes trifft Kepler die Fehlannahme, dass sich diese Kraftlinien nur entlang der Ekliptik ausbreiten, weshalb Kepler zu dem Schluss kommt, dass die Kraft umgekehrt proportional zum Abstand der Sonne abnimmmt. Wie Isaak Newton bewiesen hat nimmt die Kraft umgekehrt quadratisch mit dem Abstand zur Sonne ab. Trotz dieses Fehlers gebührt Kepler die Ehre als erster den Versuch unternommen zu haben die Planetenbewegung rein physikalisch zu erklären.

  3. Der Mars, ein Planet oder hier einfach nur ein Schokoriegel. Den Schokoriegel habe ich mit all meinen Sinnen geniessen können. Den Planeten selbst kenn ich nur von Erzählungen her. İch muss mich daher auf das Wissen, was ja auch nicht mehr ist als gefestigter Glauben verlassen. Solang ich den Mars nicht mit allen Sinnen dieses inzwischen Mulitversums fühlen konnte, bleibt er nur ein Gedanke.

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