Es gibt leider immer wieder Wissenschaftler die von anderen abschreiben, ihre Forschungsergebnisse fälschen oder sich sonst auf eine Art und Weise verhalten die absolut unwissenschaftlich ist. Glücklicherweise kommt man vielen dieser Leuten auf die Schliche und sie müssen mit entsprechenden Sanktionen rechnen. Und danach ist ihre wissenschaftliche Karriere zu Ende – oder doch nicht?
Eine aktuelle Studie die am Freitag in Science veröffentlicht wurde beschäftigt sich mit genau diesem Thema. Barbara Redman und Jon Herz haben in ihrem Artikel „Scientific Misconduct: Do the Punishments Fit the Crime?„ die Karriere von Forschern untersucht, die vom U.S. Office of Research Integrity (ORI) wegen Fehlverhaltens schuldig gesprochen wurden.
Im Zeitraum zwischen 1994 und 2001 wurden 106 Wissenschaftler vom ORI eines Fehlverhaltens für schuldig befunden. 63 davon waren noch Studenten (und wurden von den Autoren der Studie nicht weiter untersucht). Bei den verbleibenden 43 Wissenschaftlern gab es 36 Fälle in denen Ergebnisse gefälscht oder erfunden wurden, 10 Fälle von Plagiarismus und 12 Fälle von falschen Angaben. Als Bestrafung wurden die Forscher von allen Gremien und Beratungsausschüssen ausgeschlossen; 30 erhielten für einige Jahre keine Fördergelder mehr, 20 wurden unter „Aufsicht“ gestellt und 14 Wissenschaftler mussten ihre Arbeiten zurückziehen oder korrigieren.
Die 43 verurteilten Wissenschaftler veröffentlichten in der Zeit nach ihrer Verurteilung deutlich weniger wissenschaftliche Arbeiten als vorher. Nur 37 der 43 publizierten weiterhin. Hatten sie vorher aber im Durchschnitt 2.1 Publikationen pro Jahr war es danach nur noch eine.
Mit 22 der 43 Forschern konnten n und Herz Kontakt aufnehmen – 12 davon weigerten sich, über die Vorfälle zu sprechen. 7 Wissenschaftler stimmten allerdings einem Interview zu.
Natürlich stellte die Verurteilung durch das ORI für alle sieben einen deutlichen Einschnitt in ihr Leben dar. Es kam zu juristischen Streiterein, persönlichen Problemen, sogar zu Erkrankungen. Die meisten konnten aber im Laufe der Zeit wieder zu einem „normalen“ wissenschaftlichen Leben zurückfinden. Sechs der sieben inteviewten Wissenschaftler publizierten auch nach ihrer Verurteilung (im Schnitt 1.3 Publikationen pro Jahr) – einer nahm einen Job in der Industrie an.
Natürlich ist diese Studie aufgrund der kleinen Zahlen nicht wirklich aussagekräftig. Es zeigt sich aber doch, dass die Sanktionen für wissenschaftlichen Betrug doch nicht so gravierend sind, wie man vielleicht annehmen würde. Auch innerhalb der wissenschaftlichen Welt dürften die Betrugsfälle nicht allzu ernst genommen werden – denn immerhin arbeiteten viele der verurteilten Forscher auch danach noch an Universitäten und Forschungseinrichtungen.
Die Studie spiegelte auch nur die Situation in den USA wieder. Ich werde mal ein bisschen recherchieren, wie die Lage in Deutschland aussieht – aber hier liegt die Bestrafung von wissenschaftlichen Fehlverhalten ja in den Händen der Universitäten; eine übergeordnete Organisation wie das Office of Research Integrity gibt es nicht. Es wird also wohl schwer, ausreichend Informationen zu bekommen.
Ich denke, das kommt drauf an. Wenn du irgendwo im akademischen Mittelbau vor dich hin kochst, ist so eine Verurteilung eher eine momentane Strafe, nach dem Motto: Gibt zwar einmal ordentlich Ärger, aber in zehn Jahren macht es nicht so den Unterschied.
Wenn du auf deinem Gebiet dagegen in der Weltspitze forschst, dann ist das schon ein massiver Einschnitt, wenn du alle Ämter verlierst und auf lange Sicht nur noch die Hälfte publizierst. Dann bist du weg vom Fenster.
Je näher du an der Spitze bist, desto mehr verlierst du, wenn du beim Schummeln erwischt wirst.
Solange eine solche Missetat auch sanktioniert wird, gibt es schon eine wirksame Abschreckung gegen die Wiederholung. Mindestens ebenso effektiv wie die „amtliche“ Strafe wirkt da wohl auch der Verlust der Reputation. Jedes wissenschaftliche Fachgebiet hat eine relativ überschaubare Community, die Leute kennen einander. Wenn bei einem Symposium das Raunen durch den Saal geht „das ist doch der …“, dann ist das sicher alles andere als angenehm, und beim Peer-Review jeder weiteren Veröffentlichung wird wohl bei einem schon einschlägig bekannten Kandidaten doppelt und dreimal genau hingeschaut.
Vielleicht sollte man auch diesen Mechanismen ihren Lauf lassen und Menschen die Möglichkeit einräumen, sich zu rehabilitieren. Vielleicht begeht einmal ein junger, ehrgeiziger, ja sogar brillianter Wissenschaftler den Fehler, sich zu einer unsauberen Aktion hinreißen zu lassen. Wird er dabei ertappt, gibt es Mechanismen, um dieses Fehlverhalten zu anhnden, formale wie informelle, s.o. Darüber hinaus sollte ihm ein solcher Fehler aber nicht unbedingt das ganze Leben anhängen, solange er danach sauber bleibt.
Insofern sehe ich die Tatsache, dass ein einschlägig aufgefallener Wissenschaftler noch eine Anstellung bei einem Institut oder einer Universität hat, nicht gleich als Indiz dafür, solches Verhalten werde nicht allzu ernst genommen.
Unsere Gesellschaft gibt auch Gewaltverbrechern eine Chance, sich einzugliedern und zu rehabilitieren. Diese Großzügigkeit sollte man dann allemal auch Wissenschaftlern zuteil werden lassen, die sich in ihrer Karriere eine Unsauberkeit geleistet haben.
Ohnehin drückt die wissenschaftliche Welt ja bei vielerlei anderem Fehlverhalten gern mal ein oder gar beide Augen zu. Wenn Professoren oder Institutsleiter bei jedem Paper eines untergeordneten Institutsangestellten darauf bestehen, auf der Autorenliste zu stehen, gar an erster Stelle, obwohl ihr Beitrag zu der betreffenden Arbeit gegen Null tendiert, finde ich das ausgesprochen kritikwürdig; dass soches Verhalten nun aber grundsätzlich sanktioniert würde, wäre mir neu.
@Michael Khan: Also die Möglichkeit der Rehabilitierung will ich natürlich niemanden nehmen. Es hat mich nur gewundert, dass doch so viele anscheinend ohne große Probleme „einfach weitergemacht“ haben. Aber wie ich schon oben gesagt habe: die Studie arbeitet mit sehr kleinen Zahlen. Daraus lässt sich wohl nicht wirklich was gültiges ableiten.
Zu dem was du über die Autorenlisten der Papers gesagt hast: absolute Zustimmung! Das ist ne Praxis die ich nicht wirklich gut finde! Ich kann mich erinnern, dass die DFG irgendwann vor 2 Jahren oder so mal ne Richtlinie zu dem Thema rausgebracht hat. Ich denke aber nicht, dass die wirklich umgesetzt wird.
da gabs doch gerade erst einen fall in bonn, der ungewöhnlich hart bestraft wurde
https://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,542058,00.html
Ja, weniger Arbeit bei vollem Gehalt – das ist allerdings ne schwere Strafe…
Und im Artikel steht auch noch:
„Die Uni hat auf das Fehlverhalten dienstrechtlich reagiert, und zwar schärfer als andere Hochschulleitungen in vergleichbaren Plagiatsfällen. In Darmstadt, Berlin oder Erlangen blieb es stets bei einer rein symbolischen, rechtlich folgenlosen „Missbilligung“ durch Rektor oder Präsident.“
Die Frage wird wohl auch sein, wieviel „Öffentlichkeit“ einem Betrug gewidmet wird. Ein namhafter Wissenschaftler, dessen Betrug durch alle Medien hindurch diskutiert werden würde, hätte es vermutlich schwerer, als ein Wissenschaftler, welcher „nur“ von einem Gremium „abgestraft“ wird.
Und bzgl. der „Strafe“ weniger Arbeit bei vollem Gehalt…da lacht sich wohl einer kräftig ins Fäustchen…“Mallorca auf Staatskosten“ ??
Tja, wundern tut mich das alles nicht. Wie die Autoren des Buches „Professor (Un-)tat“ berichten, gehört das alles ja zur „Organisationsstruktur“ unseres Hochschulwesens 😉
Hochschulpolitik, Professor (Un)tat & Wissenschaftlerdasein in Deutschland
In Südkorea hat man es da schwerer als in Deutschland…
https://derstandard.at/?url=/?id=1216918252214
@Ulrich: Bei Fälschungen dieser Größenordnung und Tragweite finde ich das auch angebracht!