Als die internationale astronomische Union (IAU) vor 2 Jahren eine neue wissenschaftliche Definition des Wortes „Planet“ veröffentlichte gab es nicht nur unter den Fachleuten große Streitereien. Auch viele an der Astronomie interessierte Laien waren darüber verärgert das Pluto ab sofort kein Planet mehr sein sollte. Heute wurde der Ex-Planet von der IAU teilweise rehabilitiert: Pluto wurde der Namensgeber einer neuen Klasse von Zwergplaneten – den Plutoiden.


Pluto, der neunte Planet

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Im August 2006 wurde bei der Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union in Prag eine Definition des Wortes „Planet“ bechlossen. In den Jahren davor gab es zunehmende Diskussionen und Streitigkeiten darüber, was ein Planet ist und was nicht. Besonders der Status des bis dahin äußersten Planeten in unserem Sonnensystem, Pluto (Bild rechts), war höchst umstritten. Als er 1930 vom amerikanischen Astronomen Clyde Tombaugh entdeckt wurde hatte niemand Zweifel daran, dass es sich um einen Planeten handelte. Man wusste zwar, dass Pluto sehr viel kleiner war als die anderen, riesigen Planeten im äußeren Sonnensystem (Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun) und das er auch kleiner war als die inneren Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars). Er war auch kein Gasplanet so wie seine Nachbarn sondern ein felsiger, eisiger Planet mit fester Oberfläche. Trotzdem war sein Status als Planet immer ohne Zweifel.


Die Asteroiden im Kuipergürtel

 
1992 wurde allerdings ein weiteres Objekt in unserem Sonnensystem entdeckt, das sich außerhalb der Bahn von Pluto befand. Bei 1992 QB1 handelte es sich aber um einen kleinen Asteroiden, nicht um einen Planet. In den folgenden Jahren entdeckte man weitere kleine Himmelskörper die sich in den äußeren Bereichen unseres Sonnensystems bewegten. Das bestätigte die schon viel früher aufgestellte Hypothese eines zusätzlichen Asteroidengürtels außerhalb der Neptunbahn. Heute kennt man schon mehr als tausend Objekte in diesem „Kuipergürtel“ genannten Bereich. Und langsam wurde auch am Planetenstatus von Pluto gewackelt. Aus astronomischer Sicht sprach nämlich tatsächlich einiges dafür, Pluto nicht mehr als Planet zu bezeichnen: im Vergleich zu den anderern Planeten im äußeren Sonnensystem ist Pluto enorm klein. Auch seine Bahn ähnelt den Bahnen der anderen Planeten überhaupt nicht. Die bewegen sich nämlich alle mehr oder weniger in einer Ebene; Plutos

Bahn ist stark gegen diese Ebene geneigt und weicht noch dazu stark von der Kreisform ab. Außerdem befinden sich in umittelbarer Umgebung seiner Bahn noch sehr viele andere kleine Himmelskörper. All diese Dinge passen eher zu Asteroiden als zu Planeten. Das einzige was Plutos Status als Planet noch rettete war seine Größe (im Vergleich zu den restlichen bekannten Asteroiden im Kuipergürtel war er noch relativ groß) und di

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70 Jahre, in denen sich Pluto als Teil der Planetenfamilie fix in den Köpfen der Öffentlichkeit festgesetzt hatte. Die IAU,

zuständig für astronomische Definitionen und Namensgebung der Himmelskörper, ist daher auch nie den diversen Vorschlägen von Astronomen gefolgt, Pluto zu „degradieren“. In den

letzten Jahren wurde die Situation für Pluto aber immer kritischer: mehr und mehr neue, große Asteroiden im Kuipergürtel wurden entdeckt. 2005 erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt: amerikanische Astronomen veröffentlichten die Entdeckung eines Asteroiden mit einem Durchmesser von 2400 km!  Dieses Objekt – später Eris genannt (Bild rechts) – war also größer Pluto! Und durfte doch nicht als Planet bezeichnet werden. Spätestens jetzt war klar, dass eine Neubewertung des Planetenstatus unumgänglich war.

Eine neue Definition

2006 wurde daher bei der Generalversammlung der IAU in Prag eine neue Defintion präsentiert. Der erste Vorschlag war relativ weit gefasst: alle Himmelskörper, die sich um einen Stern bewegen (und keine Monde sind) und dabei genug Masse haben um durch ihre Eigengravitation eine annähernd runde Form zu erhalten, sollten als Planeten bezeichnet werden. Demnach wäre nicht nur Pluto weiterhin ein Planet, auch Charon (Plutos Mond, der aber nach einer ebenfalls neuen Definition von „Mond“ keiner mehr gewesen wäre), Eris und Ceres (bisher größter Asteroid im Hauptgürtel der Asteroiden zwischen Mars und Jupiter) wären zur Planetenfamilie gestoßen. Die Nachricht der „3 neuen Planeten“ wurde weltweit in allen Medien veröffentlicht – dumm nur, dass die IAU die Presse informierte, bevor die Mitglieder überhaupt über diesen Vorschlag abgestimmt hatten.
Die haben ihn nämlich abgelehnt – und das aus gutem Grund! Denn nicht nur Charon, Eris und Ceres wären neue Planeten gewesen – man rechnete damit das in den nächsten Monaten nach entsprechender Überprüfung noch 12 weitere Asteroiden zu Planeten befördert werden müssten:

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Und in den nächsten Jahren wäre zu erwarten gewesen, dass durch neue Entdeckungen noch dutzende bzw. hunderte neue „Planeten“ dazukommen! Das Sonnensystem wäre dann von einem Sammelsurium der unterschiedlichsten Himmelskörper – vom kleinsten Steinbrocken im Asteroidengürtel bis hin zum gewaltigen Gasriesen Jupiter – mit Planetenstatus bevölkert gewesen und das Wort „Planet“ wäre mehr oder weniger bedeutungslos geworden. Man beschloß daher, eine neue Defintion zu formulieren*. Sie lautete:

Ein Himmelskörper ist ein Planet wenn er sich auf einer Bahn um die Sonne befindet und über eine ausreichende Masse verfügt, um durch seine Eigengravitation eine annähernd runde Form zu bilden und die Umgebung seiner Bahn bereinigt hat.“


Pluto ist kein Planet mehr!

Dieser letzte Zusatz („und die Umgebung seiner Bahn bereinigt hat„) würde Pluto seinen Planetenstatus kosten. Der befindet sich nämlich mitten im Kuipergürtel, umgeben von tausenden anderen Himmelskörpern. Anderer Planeten, wie z.B. Saturn waren bei ihrer Entstehung schnell genug gewachsen um als dominierendes Objekt alle kleineren Himmelskörper durch gravitative Wechselwirkungen entweder „aufzusaugen“ oder aus dem Sonnensystem zu werden. Pluto hatte das nicht geschafft und wäre nach dieser Definition kein Planet mehr.

Diese neue Defintion wurde angenommen und seitdem hat unser Sonnensystem nur noch 8 Planeten! Diese Entscheidung hat zwar den Großteil der Astronomen zufrieden gestellt – die Öffentlichkeit war davon aber weniger begeistert. In den USA gab es regelrechte Demonstrationen mit dem Ziel, Pluto wieder zum Planeten zu machen:

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Auch heute noch gibt es Widerstand gegen diese Entscheidung – wer will kann sich bei den „Friends of Pluto“ informieren.

Zwergplaneten

Um Pluto aber nicht vollständig zu degradieren wurde die Klasse der „Zwergplaneten“ geschaffen. Für die gilt das gleiche wie für die Planeten – sie müssen aber ihre Umgebung nicht bereinigt haben. Pluto war zwar ab August 2006 kein Planet mehr – aber nun immerhin noch ein Zwergplanet. Gemeinsam mit Eris und Ceres (aber nicht Charon; die neue Monddefinition wurde wieder verworfen und Charon blieb der Mond des Zwergplaneten Pluto) bildete er eine kleine Gruppe besonderer Himmelskörper: weniger als ein Planet aber immerhin noch mehr als ein simpler Asteroid.

Aber auch die neue Planetendefinition hat jede Menge Schwachpunkte – vor allem ist sie sehr schlampig formuliert. Man merkt, dass sie schnell am Ende der Versammlung verfasst wurde (zum Zeitpunkt der Abstimmung war auch der Großteil der Mitglieder längst abgereist). Würde man sie wortwörtlich anwenden (was man ja eigentlich bei Definitionen machen sollte) dürften auch die Erde, Mars und Jupiter keine Planeten mehr sein (in ihrer Umgebung befinden sich jede Menge Asteroiden). In der Definition wurde nun auch explizit von der „Sonne“ gesprochen und nicht mehr allgemein von „Stern“ wie zuvor. „Planet“ darf daher nur genannt werden, was unsere Sonne umkreist – die knapp 200 zu diesem Zeitpunkt bekannten extrasolaren Planeten wurden komplett ignoriert. Ausserdem beschäftigt sich die Definition nur mit der unteren Grenze zwischen Planet und Asteroid – die obere Abgrenzung zwischen Planeten und Sternen bzw. braunen Zwergen wurde nicht angesprochen.

Die Plutoiden

Trotz all der Mängel gilt diese Definition nun aber – und heute kam eine neue Untergruppe dazu. Bei einem Treffen der IAU in Oslo wurde die Gruppe der Plutoiden definiert:

„Plutoids are celestial bodies in orbit around the Sun at a
distance greater than that of Neptune that have sufficient mass for
their self-gravity to overcome rigid body forces so that they assume a
hydrostatic equilibrium (near-spherical) shape, and that have not
cleared the neighbourhood around their orbit.“

Demnach sind Plutoiden also eine Untergruppe der Zwergplaneten. Alle bisherigen Zwergplaneten deren Bahn außerhalb der Neptunbahn liegt, gehören dazu. Zur Zeit wären das nur Pluto und Eris – man geht aber davon aus das in Zukunft noch viele weitere Plutoide entdeckt werden. Ceres bleibt zwar weiterhin ein Zwergplanet – ist aber kein Plutoid (ihre Bahn liegt weit innerhalb der Neptunbahn).

Mir persönlich ist noch nicht ganz klar, welchen Zweck diese Definition hat. Im Prinzip dient sie nur dazu, Ceres aus der Gruppe der Zwergplaneten auszuschließen bzw. Zwergplaneten im inneren Sonnensystem von denen im äußeren Sonnensystem zu unterscheiden. Dazu wäre aber nicht unbedingt ein neuer Name nötig gewesen. Bei den „echten“ Planeten hat man auch keine offiziellen Namen für die innere Gruppe (Merkur, Venus, Erde, Mars) und die äußere Gruppe (Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun). Außerdem ist diese Definition schon wieder so seltsam schlampig formuliert! Die Bahn des Pluto überschneidet sich teilweise mit der des Neptun und zu bestimmten Zeiten befindet sich Pluto daher näher an der Sonne als Neptun! Wenn man der Defintion folgt ist Pluto also nur ein „Teilzeitplutoid“. Und eine Defintion, bei der ein Objekt während eines Umlaufs um die Sonne seinen Status mehrmals ändert macht meiner Meinung nach nicht wirklich Sinn.

Wie auch immer – jetzt ist die Definition erstmal beschloßen und neben Planeten, Zwergplaneten und Asteroiden bewohnen nun auch vorerst zwei Plutoide unser Sonnensystem!

Weiterführende Informationen

  • Hier kann man sich meinen Vortrag: „Riesenringe, Eisvulkane und Planeten die keine Planeten sind: eine Tour durch unser Sonnensystem“ online ansehen bzw. runterladen. Im zweiten Teil des Vortrags erzähle ich die ganze Geschichte über die Planetendefinition und die Rolle von Pluto (es ist sogar eine russische Version des Vortrags verfügbar).
  • Informationen über Pluto bei „Die Neun Acht Planeten“
  • Hier kann man übrigens auch lesen, wie die Astrologen probieren, mit der Degradierung Plutos, der ja in den Horoskopen eine wichtige Rolle spielt, zurechtzukommen.


*:Gerüchten zufolge wurde der erste, ziemlich schlechte Vorschlag absichtlich so formuliert das Pluto weiterhin Planet sein konnte. Die Amerikaner wollten sich nämlich nicht den einzigen Planeten nehmen lassen, der von einem ihrern Landsleute entdeckt wurde.



12 Gedanken zu „Planeten, Pluto und die Plutoiden“
  1. Die IAU musste ein Wort für Zwergplaneten im Kuipergürtel liefern, dazu wurde sie bei der Abstimmung in Prag 2006 von den Plutofans „verdonnert“. Viel interessanter ist übrigens die Tatsache, dass man jetzt auch „Zwergplanet auf Abruf“ werden kann: Sobald ein Himmelskörper im Kuipergürtel nämlich eine Absoluthelligkeit von +1 mag. überschreitet, gelten für ihn die Namensgebungs-Regeln für Zwergplaneten und nicht mehr die legerer gehandhabten für Asteroiden. Die Riesen-Kuiperoids 2003 EL61 und 2005 FY9 werden daher bald in den Genuss echter Namen kommen. Sollten allerdings spätere Forschungen zeigen, dass ihnen das Zwergplanetenkriterium der Rundheit fehlt (was bei 2003 EL61 ein Problem sein könnte), wird ihnen die Plutoid-Natur wieder aberkannt, aber der Name bleibt.

  2. @Daniel: Danke für den Hinweis. Die Sache mit der Benennung bei Helligkeitsüberschreitung hatte ich glatt vergessen.

    Ja, das wird noch einige lustige Diskussionen bei der IAU Generalversammlung nächstes Jahr geben 😉

  3. Also für mich klingt das auch nach einer nicht komplett durchdachten Definition, aber Teilzeitplutoid oder Zwergplanet auf Abruf hört sich doch gut an, oder?

    Ich bin ja schon gespannt, wie das weiter geht und vor allem auf den Bericht von der nächsten IAU Generalsversammlung 🙂

  4. @monique: Wenn man sich Plutos Eigenschaften ansieht, dann verhält er sich viel mehr wie ein Asteroid als wie ein Planet. Das wusste man nur lange Zeit nicht. Die restlichen Asteroiden in Plutos Umgebung hat man erst vor ein paar Jahren entdeckt (steht aber eh alles in meinem Artikel). In der Wissenschaft gehts halt leider nicht darum, was man gern hätte…. Hätte man Pluto den Planetenstatus nicht aberkannt, müssten auch dutzende (wahrscheinlich hunderte) andere Objekte in Zukunft als Planeten bezeichnet werden – Objekte, bei denen eigentlich nie jemand auf die Idee kommen würde, sie als Planet zu bezeichnen. Das macht einfach keinen Sinn.

  5. @Marcel: „ich brauch aber was anderses als das für die Schule! „

    Hmm – dann solltest du vielleicht woanders schauen? Wie wärs in ner Bibliothek? Oder du besuchst das nächstgelegene Planetarium/Volkssternwarte. Informationen gibts nicht nur im Internet.

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