Acrux ist einer der hellsten Sterne am Südhimmel. Er ist nicht nur von astronomischer Bedeutung – sondern spielt auch eine wichtige Rolle in der Vexillologie (das ist die Flaggenkunde; ich habe das Wort selbst erst heute gelernt 😉 )

acruxAcrux gehört mit einer scheinbaren Helligkeit von 0.77 Magnituden zu den hellsten am Himmel. Über seine Masse oder seinen Radius ist bis jetzt noch nichts Genaues bekann. Acrux ist etwa 320 Lichtjahre von der Erde entfernt und eigentlich ein Dreifachsternsystem! Zwei Komponenten davon lassen sich mit den heutigen Teleskopen auch optisch getrennt beobachten: α¹ Cru und α² Cru. Es handelt sich dabei um Sterne des Spektraltyps B – das bedeutet, dass sie sehr viel heisser sind als die Sonne. Die Oberflächentemperaturen betragen etwa 28000 bzw. 26000 Kelvin!

α¹ Cru ist selbst eigentlich wieder ein Doppelstern. Die zwei Komponenten sind allerdings so nahe beieinander (etwa eine astronomische Einheit, also knapp 150 Millionen Kilometer), dass sie auch mit den besten Teleskopen optisch nicht getrennt beobachtet werden können1. Eventuell ist noch ein zusätzlicher Stern gravitativ an das ganze System gebunden – dann würde es sich bei Acrux um ein Vierfachsternsystem handeln. Um das zu bestätigen gibt es allerdings im Moment noch zu wenig Beobachtungsdaten.

Bis jetzt ist das alles noch nicht sonderlich aufregend. Es gibt sehr viele solcher Mehrfachsysteme – aber Acrux hat noch ein paar andere Besonderheiten auf Lager.

Erste außergewöhnliche Eigenschaft ist der Name. Helle Sterne wie Acrux haben normalerweise einen Eigennamen wie z.B. Wega oder Sirius. Nun ist Acrux ja auch ein Eigenname – allerdings kein „üblicher“. Die hellen Sterne werden nach dem Bayer/Flamsteed-Code benannt. Das sind zwei verschiedene (aber sehr ähnliche) Arten, Sterne zu bezeichnen die Anfang des 18. Jahrhunderts (von John Flamsteed) bzw. Anfang des 17. Jahrhunderts (von Johann Bayer) eingeführt wurden. Am gebräuchlichsten ist heute die Bayer-Bezeichnung. Der Name eines Sterns setzt sich laut diesem Schema aus einem griechischen Buchstaben und dem Genitiv des lateinischen Namens des Sternbilds, in dem der Stern liegt zusammen. So heißt z.B. der hellste Stern im Sternbild Zentaur Alpha Centauri (oder α Cen); der zweithellste Stern im Sternbild Maler (Pictor) heisst Beta Pictoris (oder β Pic). Im Allgemeinen folgen die griechischen Buchstaben mit dem Alphabet der Helligkeit (also α für den hellsten Stern im Sternbild, β für den zweithellsten, usw) – allerdings wurde dieses Schema nicht konsequent eingehalten, es gibt einige Ausnahmen. Für Sterne die nicht mit einer Bayer-Bezeichnung versehen wurde wird meist die Flamsteed-Bezeichnung benutzt. Analog zur Bayer-Bezeichnung setzt sie sich aus der sg. Flamsteed-Nummer und dem Genitiv des lateinischen Namens des Sternbilds, in dem der Stern liegt zusammen. Die Flamsteed-Nummer hat allerdings nichts mit der Helligkeit zu tun; Flamsteed nummerierte damals alle mit freiem Auge sichtbaren Sterne anhand ihrer Rektaszension2 durch. Ein Beispiel dafür wäre der Stern 55 Cancri im Sternbild Krebs (über den schreibe ich sicher auch nochmal – immerhin hat man schon fünf (!) extrasolare Planeten entdeckt, die um diesen Stern kreisen).

Wieder zurück zu Acrux. Dieser Stern ist nur aus sehr südlichen Bereichen der Erde zu sehen und erhielt deswegen keinen Eigennamen. Oder besser gesagt: die alten Kulturvölker der Nordhalbkugel (Griechen, Römer, Araber) haben ihm keinen Namen gegeben – die Menschen weiter südlich hatten sicher Bezeichnungen für ihn. Indische Astronomen nannten ihn z.B. „Trishanku„. Aber diese Bezeichnung wurde natürlich von der westlichen Welt nicht übernommen. Der aktuelle „Eigenname“, Acrux, ist daher nur eine Ableitung der Bayer-Bezeichung des Sterns. Acrux ist der hellste Stern im Sternbild Kreuz (Crux) und wird daher Alpha Crucis (α Cru) genannt. Daraus hat sich dann das „Acrux“ entwickelt.

Als hellster Stern im Kreuz des Südens kann Acrux aber mit noch ein paar Besonderheiten aufwarten.

Dieses Sternbild ist nämlich Teil der Flaggen von Neuseeland, Australien undbrasil Brasilien!

Bei Neuseeland und Australien hat sich die aktuelle Flagge aus der Flagge der „Anti-Transportation League“ entwickelt bei der jeder Stern des Sternbilds eine der australischen Kolonien repräsentierte.

Die brasilianische Flagge ist astronomisch gesehen noch interessanter. Hier ist nicht nur das Kreuz des Südens zu sehen sondern gleich ein ganzer Sternhimmel! Es sind 27 Sterne des Südhimmels abgebildet wobei jeder Stern einen der brasilianischen Bundesstaaten repräsentiert. Acrux steht dabei für den Staat São Paulo. Wer genau geschaut hat, dem wird vielleicht aufgefallen, das Kreuz des Südens auf der australischen und neuseeländischen Flagge anders aussieht als auf der brasilianischen Flagge. Das liegt am speziellen Symbolismus: auf der Flagge wird der Himmel des 15. November 1889 dargestellt, wie er um 8:30 ausgesehen hätte (Tag und Zeit der Proklamation der Republik Brasilien). Und per Gesetz ist festgelegt, dass diese Abbildung so auszusehen hat, als blicke man von hinter den Sternen durch sie hindurch auf Brasilien! Die Sternbilder sind also gespiegelt.

Acrux ist also nicht nur einer der hellsten und prominentesten Sterne des Südhimmels und ein astronomisch interessantes Mehrfachsystem sondern hat es durch seine Präsenz auf den Flaggen auch in den menschlichen „Alltag“ geschafft. Und ich persönlich finde es nett, dass beim Entwurf der brasilianischen Flagge offensichtlich ein Astronom beschäftigt werden musste – solche originellen Aufgaben können wir nicht sehr oft erledigen 😉


Fussnoten:1: Dass es sich um 2 Sterne handelt kann man durch spektroskopische Messungen feststellen. Man benutzt dabei den Dopplereffekt, also die Tatsache, das sich die Position der Spektrallinien verschiebt, wenn sich die Lichtquelle auf uns zu oder von uns weg bewegt. Bei Doppelsternen tritt dieser Effekt auf da die Komponenten eines Doppelsterns ja um einen gemeinsamen Schwerpunkt rotieren und sich deswegen von der Erde aus gesehen von uns weg bzw. auf uns zu bewegen. Solche engen Doppelsterne werden daher auch spektroskopische Doppelsterne genannt.
2: Die Rektaszension ist eine in der Astronomie verwendete Koordinate zur Angabe der Position eines Objekts am Himmel. Die Rektaszension entspricht dabei der geografischen Länge bei der Angabe von Koordinaten auf der Erdkugel. Die zweite Koordinate ist die Deklination, die der geografischen Breite entsprechen würde.

P.S. Aus Zeitgründen ist dieser Beitrag von heute nur eine Wiederholung eines Beitrags aus meinem altem Blog


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