Die Internetseite Schulradar veröffentlicht Top-10 Listen und Bewertungen von deutschen Schulen. Dem Ministerium scheint das nicht zu gefallen.
Das Lehrer nicht unbedingt gern benotet werden hat Beatrice schon vor kurzem bei Neurons geschrieben. Und über die Bewertung von Hochschuldozenten wird hier gerade heftig diskutiert.
In der OTZ fand ich dazu heute einen passenden Artikel: „Streit um Schulradar“.
Schulradar ist eine Seite der Betreiber des Internetportals SpickMich.de bei dem Schüler ihre Lehrer benoten können. Anhand dieser Bewertungen hat Schulradar für jede Schule eine Durchschnittsbewertung berechnet. Diese Gesamtnote ist nun auf Schulradar veröffentlicht; man kann sich die jeweils besten Schulen (gesplittet nach Schultyp) für jedes Bundesland anzeigen bzw. über die Eingabe einer Postleitzahl nach Schulen in der Umgebung suchen.
Wie sollte es anders sein – auch dieses Evaluierungsprojekt wird von offizieller Seite nicht gern gesehen. „Nach Auffassung des Ministeriums ist es nicht erwünscht, Schulen in einer Leistungsübersicht einzuordnen“ schreibt die OTZ. Warum eigentlich nicht? Jetzt mal unabhängig von SpickMich.de (hier sind die Probleme mit Scherzbewertungen bzw. Beleidigungen vermutlich noch ein bisschen größer als bei MeinProf.de) – wo liegt das Problem bei so einem Schulvergleich? Das Kultusministerium wird ja nicht davon ausgehen, dass alle Schulen gleich gut sind. Und Eltern hätten sicherlich gerne eine Möglichkeit, zumindest abschätzen zu können, wie gut die Schule ist, auf die sie ihre Kinder zu schicken planen.
Der Sprecher des Ministeriums, Dr. Detlef Baer meint, dass Eltern sich „einen persönlichen Eindruck verschaffen sollen“ – damit hat er sicherlich recht. Aber alle in Frage kommenden Schulen einer Region persönlich abzuklappern ist sicherlich etwas mühsam – und es bleibt fragwürdig, ob man bei einem kurzem Besuch als Elternteil wirklich einen umfassenden Eindruck von der Schule erhält. Natürlich kann so ein Ranking nie die komplette Realität abbilden – aber es bietet eine zusätzliche Orientierungshilfe.
Was das Ministerium an solchen Vergleichen wirklich stört, ist weiterhin unklar für mich. Haben die offiziellen Stellen Angst vor schlechten Bewertungen? Angst davor, dass sich dann heraus stellt, dass z.B. die Schulen in Sachsen-Anhalt besser sind als die in Niedersachsen? Falls ja, ist das bedenklich. Das Verheimlichen solcher Tatsachen beseitigt ja nicht die zugrunde liegenden Missstände! Erst durch die Veröffentlichung solcher Vergleiche würden die zuständigen Stellen die Möglichkeit bekommen, Verbesserungen dort anzubringen, wo sie nötig sind!
Der OTZ-Artikel spricht auch die Plattform Kompetenztest.de an. Hier können ebenfalls Lehrer bewertet werden – allerdings wurde diese Seite vom Thüringer Kultusministerium in Zusammenarbeit mit der Universität Jena geschaffen. Hier muss der Lehrer zuerst „erlauben“ dass er bewertet wird und die Ergebnisse kann nur der jeweilige Lehrer einsehen. Eine interessierte Öffentlichkeit hat von diesen Bewertungen zwar nichts – aber zumindest die Lehrer wüssten, wo ihre Problemstellen liegen und könnten etwas dagegen tun. Leider wird auch dieses Angebot nicht genutzt: nur 315 Lehrer haben bisher teilgenommen. Ob das nur an generellem Desinteresse an Lehrerbewertungen liegt oder ob auch hier die Angst vor schlechten Bewertungen der Hinderungsgrund ist, bleibt unklar.
Ich persönlich hoffe jedenfalls, dass irgendwann in der Zukunft hier ein Stimmungswechsel eintritt. Ich halte es für nicht vertretbar, dass die Personen, die dafür zuständig sind die Kinder auszubilden, keiner oder kaum Evaluierungen unterworfen sind. Lehrerbenotungen sollten verpflichtend an allen Schulen durchgeführt werden! (und übrigens auch an den Universitäten und Fachhochschulen…)
Mir scheint der Sinn von Lehr- und Bildungsevaluationen bekannt und nachvollziehbar sein. Es bietet durchaus die Chance, Entwicklungen und Tendenzen zu erkennnen. Gegebenenfalls wird es auf dem Papier auch Möglichkeiten geben, steuernd einzugreifen.
Und dennoch drängt sich mir auf, dass die kritische Auseinandersetzung und die bildungspolitisch konstruktive Verarbeitung der Ergebnisse in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen nicht gelingen wollte. Und aus denselben Gründen wohl auch in absehbarer Zeit nicht Früchte tragen wird: Noch bevor eine kritische Auseinandersetzung stattfinden kann, verfiel man dort, wo schon evaluiert wurde, allzu schnell in Muster einer kennzahlenorientierten Steuerung.
Diese Steuerung zeichnet sich meiner Ansicht nach nicht durch die nötige Weitsicht aus. Viel zu leicht kann anhand der „harten Messergebnisse“ eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt werden, die eventuell unterentwickelte Bildungsbereiche für ihre Rückstände durch weitere Mittelkürzungen bestraft. Dies könnte zu einem, wie ich finde, letztlich bildungsfeindlichem – oder milder ausgedrückt zumindest meinem Bildungsideal nicht enstprechendem – sozialen, kulturellen und inhaltlichen Mainstreaming auf Kosten von zum Beispiel Schulen in sozialen Brennpunkten oder Orchideenfächern führen.
Es tut mir Leid, doch führte die plumpe, konzeptionslose Forderung nach Evaluierungen in der Regel zu ebenso einfältigen Interpretationen der vermeintlichen Fakten, die darüber hinaus allen nicht-empirischen, nicht-zahlenbasierten Daten vorgezogen wurden. Es wurde leider bisher nahezu immer auf die an Kennzahlen orientierte Notwendigkeit der Schließung oder Mittelkürzung „defizitärer“ Bildungsbereiche und auch Bildungsschichten als Folge empirischer Erkenntnisse abgestellt. Das hat vorher natürlich niemand so gewollt, aber die Zahlen sprachen nun einmal für sich.
Von der egalisierten Anwendung elitärer Leistungskriterien, an deren Verhandlung die potentiell negativ Betroffenen nur in geringem Umfang teilhaben, ist eine kritisch-konstruktive Analyse der Daten aus meiner Sicht nicht zu erwarten. Ich will hier auch nicht den Fehler begehen, dass es im Artikel die Absicht war, solcherlei Prozesse zu fordern, mir erscheint die Forderung im letzten Absatz in dieser Form jedoch ein wenig kurzsichtig.
Ist ein Stimmungswechsel nötig? Gewiss. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass Evaluationen in manchen Kreisen als Argumente angesehen werden, die Handlungen implizieren, statt als Datenmaterial zur vernunftgesteuerten Argumentation – sprich Verhandlung – bildungspolitischer Ziele, Inhalte und Methode zu dienen, die konstruktive, planvolle Handlungen zu Folge haben. In diesem Sinne bedarf es vor der Datenerhebung schon allgemeiner Konzepte.
Einen Stimmungswechsel in diese Richtung befürworte ich uneingeschränkt.
Entschuldigung, ein kleiner selbstkritischer Nachtrag muss sein. Ich habe mich vor allem im letzten Absatz ein wenig verzettelt und beim Korrekturlesen geschludert. Falls mein Kommentar als persönlicher Angriff gewertet werden könnte, bitte ich um Nachsicht. Ich bin extrem müde, wie mir jetzt erst auffiel.
Formal könnte mir zumindest jeder Jurist vorwerfen, vom Gutachten- in den Urteilsstil verfallen zu sein. Müsste ich dann gelten lassen. Grüße und gute Nacht.
@CHR: Danke für den langen Kommentar. Ich empfinde das nicht als persönlichen Angriff; genausowenig wie mein Artikel als Angriff auf irgendjemanden gemeint war. Schon gar nicht wollte ich die Lehrer angreifen.
Es was auch keine „plumpe, konzeptionslose Forderung nach Evaluierungen„. Ich bin weder Pädagoge, Soziologe, Statistiker oder sonstwie qualifiziert ein vernünftiges, allgemeingültiges Evaluierungskonzept zu erstellen. Aber als jemand, der lange in den Lehrbetrieb an Universitäten eingebunden war, bin ich mir über die Wichtigkeit guter Lehre im Klaren (und das gilt natürlich genauso für Schulen). Und ohne irgendeine Art der Evaluierung lässt sich – meiner Meinung nach – die Qualität nicht dauerhaft sicherstellen. Und wenn ich fordere, das Lehrerevaluierungen verpflichtend eingeführt werden sollen, dann impliziert das natürlich auch, dass diese Evaluierung vernünftig erfolgt (Als Astronom hab ich auch klarerweise kein Interesse daran, dass „Orchideenfächer“ gekürzt werden 😉 )
Genau den Vorwurf der Konzeptionslosigkeit habe ich gar nicht auf den Blogeintrag bezogen – meine Unachtsamkeit ist schuld. Ich hätte an dieser Stelle deutlicher machen sollen, dass meine persönliche Erfahrungen (leider oftmals mit Frustrationen gleichzusetzen) in Gremien und Ausschüssen folgende waren: Der notwendige und sinnvolle Ansatz der kritischen (Selbst-)Evaluierung führte in Fächern, die vorgeblich nicht den Anforderungen der „Wirtschaftlichkeit“ entsprachen, zu erheblichen Einschnitten.
Um hier aber nicht nur kritisch aufzutreten, möchte ich noch kurz erwähnen, dass ich derzeit einer sehr interessanten Evaluationskommission angehöre, in der sich alle beteiligten Institute aus ihrer fachlichen Perspektive gegenseitig evaluieren. Dies wohlgemerkt auf qualitativer Ebene. Die bisherigen Zwischenergebnisse deuten gute und konstruktive Schlüsse an – auch wenn diese nicht immer angenehm sein müssen. Diese Form der Evaluierung – fernab quantitativer Wirtschaftlichkeitsanalysen – wirkt auf mich vielversprechend. Ähnliche Ansätze auch in anderen Bildungsbereichen sind natürlich jederzeit begrüßenswert.
@CHR: ja, jetzt versteh ich besser, was im vorherigen Kommentar gemeint war. Klar, die Gefahr, Evaluierung zu „Einsparungen“ zu benutzen besteht immer. Ich persönlich gehe aber davon aus, das eine Evaluierung hauptsächlich mal dazu genutzt werden soll, um zu verbessern. Also nicht gleich abschaffen, nur weils etwas zu kritisieren gibt sondern das, was kritisiert wird verbessern. Aber es stimmt leider, wenn manche Politiker anfangen zu evaluieren, dann oft mit dem Hintergedanken, danach einzusparen.
Insofern sind unabhängige Projekte wie MeinProf und Spickmich vielleicht doch die bessere Wahl? Auch hier können die Ergebnisse natürlich mißbraucht werden – aber zumindest die Zielsetzung ist i.A. nicht auf Abschaffung ausgerichtet…
Also ich bin sehr kritisch gegenüber solchen Bewertungssystemen.
Auf Uni-Ebene könnten sie durchaus funktionieren, aber auf den niedrigen Schulstufen gebe ich ihn einfach kaum Chance.
Bestes Beispiel ist die Schule, die ich besuche: technologisch hochgerüstet, organisatorisch immer ein bisschen Mangelhaft.
Würde man unter den Schülern aber eine befragung machen, dann würde mitnichten eine durchschnittliche oder knapp überdurchschnittliche note rauskommen….(die „verdiente“ Note wäre weit über dem Durchschnitt, was die vielen hervorragenden internationalen Urteile über die Schule bestätigen).
Es würde eine sehr unterdurchschnittliche note rauskommen.
Warum?
Die Techik ist nach ein paar wochen selbstverständlich, die nicht perfekte Organisation fällt den Schülern sofort auf und wird völlig überbewertet.
Andylee
@Andylee: also du hast prinzipiell natürlich mal recht, dass es bei Evaulierungen genau zu den Problemen kommen kann, die du hier beschrieben hast. Aber ich vermute mal, dass man das irgendwie umgehen/korrigieren kann wenn man die Fragebögen und die Auswertung auf die richtige Art und Weise durchführt. Ich bin kein Statistiker oder Meinungsforscher – aber ich hoffe doch, dass die solche Probleme mit Umfragen prinzipiell in den Griff bekommen können… (Ich werd mal ein paar Leute fragen, die vielleicht Bescheid wissen)
im prinzip ist eine lehrerevaluation eine interessante und spannende sache nud kann wie alles auch missbraucht werden. ein lehrer sollte immer an der verbesserung seiner lehrmethoden arbeiten und versuchen so „gut“ wie moeglich zu erklaeren. wer bewertet, sollte sich auch bewerten lassen, problematisch erscheint mir, dass lehrer, bei denen man einfach durchkommt, besser benotet werden, als jene, die einsatz und fleiss verlangen, aber da unterschaetze ich wahrscheinlich schueler und studenten einfach. ich freue mich ueber hospitationen und bewertungen, sie helfen mich zu verbessern. an die lehrer: fuerchtet euch nicht, euer unterricht ist besser, als ihr glaubt!
@matthias: Das Problem mit der „Schwere“ des Unterrichts habe ich schon öfter gehört. Der gleiche Professor wird (an der Uni) wahrscheinlich in einer Einführungsveranstaltung des ersten Semester schlechter bewertet als in einer speziellen Lehrveranstaltung für höhere Semester. Ich frage mich, ob es da keine Möglichkeit gäbe, solche Effekte bei der Auswertung rauszurechnen.
Wenn es ums „einfache durchkommen“ geht, wird es wohl allerdings wirklich schwierig werden, das irgendwie statistisch zu korrigieren.
Ich glaub die schwierigste Frage ist es, wer wirklich Lehrkräfte beurteilen sollte.
Ich frag mich stark ob Schüler/Studenten die Richtigen sind, um Lehrer/Professoren zu beurteilen. Als Student, der auch ein bisschen unterrichtet hat, wiß ich, dass das Problem mit dem schwer=unbeliebt eindeutig existiert. War einer von wenigen Leuten, der Professoren mit schweren Vorlesungen gern gehabt hat und welche mit leichten Vorlesungen kritisiert hat (außer die Qualität war so schlecht, dass man es nicht hinnehmen konnte).
Eltern sind im Schulfall auch nicht unproblematisch, da
1):Die Schüler oft als perfekt angesehen werden, und die Schülermeinung 1:1 übernommen wird
2):Sie wenig von der Schule mitbekommen, und somit auf öberflächliche Eindrücke oder die Schülermeinung vertrauen müssen.
Möglich wäre es wohl für Eltern Teil der Schulalltags zu werden und so gut informiert zu sein, aber ich fürchte das ist Utopie.
Damit sind wir aber imo bei einem großen Problem: Schulen/uni/Lehrer/professoren sollten auf jeden Fall bewertet werden um Probleme zu erkennen und zu lösen, denn bisher ist es mir vorgekommen, sowohl in Schule als auch Uni, dass Unterrichtsqualität rein freiwillig von den Lehrenden sichergestellt wird, aber es keinem Leherer/Prof. einen echten vorteil bringt sich zu bemühen bzw. keine Nachteil bringt möglichst wenig zu tun.Meiner Meinung muss also auch eine Evaluierung als Motivation für guten Unterricht her. Die große Frage ist jedfoch, wie bewertet man, sodass man sinnvolle Daten rauskriegt, nicht nur eine Agende(Durchkommen, Wirtschaftlichkeit,…).
Somit wäre eigentlich meine große Frage an die Lehrer die schon kommenteirt haben: von welchen Personen bzw. nach welchen Kriterien würdet ihr eine Bewertung eurer Tätigkeit für sinnvoll halten?
@Alexander: „Ich glaub die schwierigste Frage ist es, wer wirklich Lehrkräfte beurteilen sollte. Ich frag mich stark ob Schüler/Studenten die Richtigen sind, um Lehrer/Professoren zu beurteilen.“
Na wer denn sonst? Schüler/Studenten sind die, die es angeht und die betroffen sind. Sie sind fast die einzigen die einen Lehrer/Professor richtig beurteilen können.
Vielen Dank für Ihre Zeit, dies zu diskutieren, ich fühle mich stark daran und lieben lernen mehr über dieses Thema. Wenn möglich, wie Sie Know-how zu erlangen, würde es Ihnen etwas ausmachen Aktualisierung Blog mit mehr Informationen? Es ist äußerst hilfreich für mich.