Am heutigen Tag dreht sich alles um die Asteroiden. Rodney Gomes (Observatório Nacional, Brasilien) gab zu Beginn einen Übersichtsvortrag über den Kuipergürtel: „The Kuiper Belt Dynamics“ (Die Dynamik des Kuipergürtels). Der Kuipergürtel ist eine große Ansammlung von Asteroiden außerhalb der Bahn von Neptun. Er wurde zwar schon früh postuliert; das erste tatsächlich Objekt im Kuipergürtel wurde allerdings erst 1992 entdeckt. Heute kennt man schon hunderte Asteroiden, die sich dort befinden – und manche ihrer Eigenschaften konnte man sich lange nicht erklären (auch heute noch wird daran geforscht). Viele der Kuipergürtelobjekte haben große Bahnneigungen und Exzentrizitäten; in der Nähe von Pluto befinden sich viele Asteroiden mit besonders großen Abweichungen von der Kreisbahn („Plutinos“); der Kuipergürtel endet bei etwa 50 Astronomischen Einheiten – das sind alles Dinge, die man mit den ersten, einfachen Rechnungen nicht erklären konnte. Geht man von einer flachen, ringförmigen Verteilung der Asteroiden aus (so wie es in der Frühzeit des Sonnensystems wahrscheinlich der Fall war) und berechnet der Bahnen bis zum heutigen Zeitpunkt, dann erhält man eine Verteilung der Asteroiden, die der aktuellen ähnlich ist. Aber manche Sachen lassen sich eben nicht so einfach erklären. Man muss die Modelle also erweitern. Man kann z.B. die Migration von Neptun berücksichtigen. „Migration“ bedeutet, dass Neptun in der Frühzeit des Sonnensystems ganz langsam ein kleines Stückchen nach außen gewandert ist (Grund dafür ist seine gravitative Interaktion mit den Asteroiden). Wird dieser Effekt in den Simulation berücksichtigt, kann man die aktuelle Verteilung der Asteroiden schon besser erklären; ganz stimmt es aber immer noch nicht. Es gibt daher mehrere mögliche Modelle, um auch noch die restlichen Probleme auszuräumen. Es wäre beispielsweise möglich, dass sich (ganz) früher noch ein weiterer Planet um die Sonne bewegte, der die Kuipergürtelasteroiden beeinflusst hat und später aus dem Sonnensystem ausgeworfen wurde. Es kann auch sein, dass sich weiter draussen im Kuipergürtel noch ein kleinerer, bisher unentdeckter Planet befindet dessen Einfluss für die aktuelle Verteilung der Asteroiden verantwortlich ist. Wie auch immer die richtige Lösung aussieht – in den äußeren Bereichen des Sonnensystems ist jedenfalls noch viel zu entdecken!
Der zweite Vortrag des Tages beschäftigte sich mit Doppelasteroiden. Daniel Scheeres (University of Colorado, USA) sprach über „Dynamics of Binary Asteroids“ (Dynamik von Doppelasteroiden). Es gibt sehr viele Asteroiden, die von kleineren Asteroiden umkreist werden – man schätzt, das etwa 15% der erdnahen Asteroiden solche Begleiter haben. Scheeres hat nun zuerst untersucht, wie solche Doppelasteroiden überhaupt entstehen können. Das läuft vermutlich folgendermaßen ab: viele Asteroiden sind keine einzelnen, festen Gesteinsbrocken – sondern eher „rubble piles„: Steinhaufen, die von einer Schicht aus Staub bedeckt gemeinsam durchs All fliegen. Auf dem Bild des Asteroiden Itokawa kann man das schön sehen:
Er besteht aus einem größeren und einem kleineren Stück, lose verbunden durch Geröll und Staub. Ob diese Stücke nun verbunden bleiben oder auseinanderfliegen hängt vor allem von der Rotationsgeschwindigkeit des Asteroids ab. Rotiert er schnell, kann es passieren, dass der Steinhaufen sich auflöst und einzelne Stücke davonfliegen. Durch die Strahlung der Sonne kann nun so ein Asteroid aufgeheizt werden. Diese Energie wird wieder abgestrahlt und im Endeffekt führt dies unter Umständen zu einer sehr schwachen Drehkraft, die auf den Asteroiden wirkt („YORP-Effekt„). Dadurch kann die Rotation eines Asteroiden beschleunigt oder abgeschwächt werden. Der Asteroid Itokawa rotiert derzeit einmal in 12 Stunden um seine eigene Achse. Würde sich diese Geschwindigkeit verdoppeln, würde er sich aufspalten und es könnte ein Doppelasteroid entstehen: beide Bruchstücke würden einander umkreisen. Scheeres hat in seiner Arbeit nun die Umstände untersucht, untder denen so eine Aufspaltung stattfinden kann und gezeigt, wann daraus Doppelasteroiden entstehen können und wann nicht.
Nach der Kaffeepause ging es mit den Asteroiden weiter: Joachim Schubart (ARI Heidelberg, Deutschland) sprach über „Numerical studies of chaotic Hilda-type orbits“ (Numerische Studien der chaotischen Hilda-Bahnen) und Irina Tupikova hielt einen Vortrag zum Thema „Towards an analytical theory of asteroid motion with fully interacting perturbing planets“ (Eine analytische Theorie der Asteroidenbewegung mit voll interagierenden störenden Planeten). Beide Vorträge werde ich hier nicht näher erklären – dazu waren sie zu technisch.
Der nächste Vortrag wurde von Giovanni Valsecchi (Universität Rom, Italien) gehalten. Er sprach über „Collision solutions in orbital element space“ (Kollisionslösungen im Raum der Bahnelemente). Das ist ein sehr interessantes Thema: es geht dabei nämlich um die Bahnbestimmung von erdnahen Asteroiden und darum, herauszufinden, ob sie mit der Erde kollidieren oder nicht. Das ist nämlich gar nicht so einfach. In den Sci-Fi Kinofilmen sieht man ja meist immer einen Astronomen, der eben mal durchs Teleskop sieht, einen neuen Asteroiden findet und dann hektisch irgendwelche Daten in den Computer tippt. Der reagiert prompt mit einer tollen 3-D Animation der Bahn die dramatisch in einer Kollision mit der Erde endet. Abgesehen davon, dass man auch nicht einfach mal mit nem Blick durch ein Teleskop einen Asteroiden entdecken kann ist die Bahnbestimmung in Wirklichkeit natürlich auch viel schwerer. Mit einer einzigen Beobachtung funktioniert das überhaupt nicht. Normalerweise braucht man mindestens drei unterschiedliche Positionsbestimmungen um eine Bahn ausrechnen zu können. Und die sollten nach Möglichkeit auch zeitlich ein bisschen weiter auseinander liegen. So ein Asteroide bewegt sich im Laufe einer Nacht ja nur ein kleines Stückchen am Himmel – um gute Daten zu bekommen sollte man also am Besten Beobachtungen in mehreren Nächten machen. Aber auch dann hat man meistens nur wenige Daten zur Verfügung – und wie man aus so wenigen Daten eine Bahn bestimmen kann, ist das Arbeitsgebiet von Giovanni Valsecchi. Jede Beobachtung ist natürlich auch noch mit Fehler behaftet – das lässt sich nie vermeiden. Also ist auch die bestimmte Bahn nicht exakt bekannt. Um herauszufinden, ob ein Asteroid mit der Erde kollidiert oder nicht muss man nun diese Fehler berücksichtigen und alle möglichen Bahnen bestimmen, die innerhalb der Fehlergrenzen liegen. Je nachdem, wieviele dieser Bahnen dann mit der Erde kollidieren oder nicht kann man eine Kollisionswahrscheinlichkeit berechnen. In seinem Vortrag hat Giovanni nun ein paar neue Eigenschaften seiner Methoden zur Bahnberechnung präsentiert.
Siegfried Eggl (Universität Wien, Österreich) setzte in seinem Vortrag „On the orbit determination of near earth asteroids via simultaneous observations by two satellites“ (Über die Bahnbestimmung von erdnahen Asteroiden mittels simultaner Beobachtung mit 2 Satelliten) das Thema fort. Er stellte eine Methode vor, mit der sich die Bahn eines Asteroiden schon mit nur 2 Beobachtungen bestimmen lässt. Dazu benutzt man 2 Satelliten, die sich möglichst weit voneinander entfernt in einer Bahn um die Sonne bewegen. Wenn diese Satelliten nun simultan das gleiche Objekt beobachten, lässt sich die Bahn viel einfacher bestimmen. Die Beobachtung vom Weltraum hat natürlich auch noch weitere Vorteile: man ist natürlich im Weltraum und kann ohne störende Erdatmosphäre viel besser beobachten. Ausserdem hat man von dort eine bessere „Sicht“ auf manche Asteroiden die von der Erde aus gesehen zu nahe an der Sonne stehen würden, um gut beobachtet zu werden. Wenn so ein System von Satelliten wirklich einmal funktionieren sollte, dann wäre das ein tolles Frühwarnsystem für Kollisionen mit Asteroiden!
Der Nachmittag fing wieder etwas theoretisch an: Bonnie Steves (Universität Glasgow, Großbritannien) sprach über „Periodic Orbits in the Caledonian Symetric 4 Body Problem“ (Periodische Bahnen im symmetrischen 4 Körper „Kaledonien-Problem“). Dieses Problem ist ein Spezialfall der 4 Körperbewegung bei der die 4 Objekte immer ein Parallelogram bilden. Genau wie das Sitnikovproblem ist auch das ein System, das von den Astronomen zur vereinfachten Untersuchung dynamischer Systeme verwendet wird.
Als nächstes war ich an der Reihe! Mein Vortrag über „Fuzzy Characterisation of Near-Earth-Asteroids“ (Charakterisierung von erdnahen Asteroiden mit Methoden der Fuzzy Logic) kam ziemlich gut an. Es gab danach viele interesierte und interessante Fragen; auch später beim Abendessen haben mich noch einige Leute darauf angesprochen und wollten mehr wissen. Ich bin also ziemlich zufrieden 😉 Und werde später noch einen sehr ausführlichen, allgemeinverständlichen Beitrag zu meinem Vortragsthema verfassen.
Christoph Lhotka (Universität Wien, Österreich) war der Letzte des heutigen Tages. Sein Thema „The Hadjidimetriou mapping revisited“ (Neue Betrachtung des Hadjidemetriou Mappings) war heute das einzige, das nicht mit Asteroiden zu tun hatte. Dabei ging es wieder, wie gestern, um ziemlich heftige Mathematik zur Untersuchung chaotischer Systeme.