Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][Apple]Spotify][Facebook][Twitter]
Wer den Podcast finanziell unterstützen möchte, kann das hier tun: Mit PayPal, Patreon oder Steady.
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
Sternengeschichten Folge 621: Blaneten, die um schwarze Löcher kreisen
Keine Sorge, da ist kein Tippfehler im Titel dieser Folge und nochmal keine Sorge, ich habe auch keine Probleme damit, das Wort „Planet“ richtig auszusprechen. Denn in dieser Folge geht es nicht Planeten, sondern um „Blaneten“, mit einem weichen B wie „Brauner Zwerg“ oder „Balkenspiralgalaxie“ am Anfang. Ich werde mich sehr bemühen, in dieser Folge deutlich zu sprechen, damit klar ist, ob ich gerade von einem Planeten oder Blaneten spreche. Aber, und das ist eine durchaus relevante Frage, was soll das eigentlich?
Was soll ein „Blanet“ sein und warum denkt man sich dafür ein Wort aus, das fast so wie ein anderes Wort klingt? Das ist doch verwirrend… Ja, ist es und die Astronomie ist leider gerne mal verwirrend, wenn es um ihre Begriffe geht. Wir haben planetarische Nebel, die nix mit Planeten zu tun haben, wir messen die Helligkeit von Sternen mit Magnituden, aber je mehr Magnituden ein Stern hat, desto schwächer leuchtet er, der Morgenstern ist kein Stern, und so weiter. Ein „Blanet“ hat aber durchaus etwas mit „Planeten“ zu tun und bevor es noch weiter verwirrend bleibt, lese ich vielleicht den Titel der Facharbeit vor, in der dieser Begriff das erste Mal auftaucht. Das war im Jahr 2021, als die japanischen Astronomen Keiichi Wada, Yusuke Tsukamoto, und Eiichiro Kokubo einen Aufsatz geschrieben haben, der folgenden Titel trägt: „Formation of ‚Blanets‘ from Dust Grains around the Supermassive Black Holes in Galaxies“. Auf deutsch heißt das soviel wie „Entstehung von ‚Blaneten‘ aus Staubkörnern rund um supermassereiche schwarze Löcher in Galaxien“. Ein „Blanet“ ist also ein Planet eines schwarzen Lochs, ein „black hole planet“ oder eben kurz „Blanet“.
Es ist eine komische Idee. Planetenähnliche Himmelskörper, die bei einem schwarzen Loch entstehen? Die Idee ist aber nur so lange komisch, wie man nicht weiter darüber nachdenkt. Und ich fange gleich mal damit an, das erste Missverständnis aus dem Weg zu räumen. Ich habe das in früheren Folgen schon gesagt, aber sage es jetzt nochmal: Ein schwarzes Loch ist kein Staubsauger. Die Dinger saugen nicht gnadenlos alles ein; es ist absolut möglich, dass ein anderer Himmelskörper ein schwarzes Loch auf einer stabilen Umlaufbahn umkreist. Schwarze Löcher sind ja auch nur Ansammlungen von Masse im Universum, die eine Gravitationskraft ausüben und die man, so wie alle anderen Ansammlungen von Masse, auch umkreisen kann. Das einzige außergewöhnliche an ihnen ist ihre Kompaktheit; man kann ihnen so nahe kommen, dass die Anziehungskraft so enorm stark wird, dass man schneller als das Licht sein müsste, um sich wieder zu entfernen. Wenn man ihnen aber nicht sooo nahe kommt und quasi einen Sicherheitsabstand einhält, wird man auch nicht angesaugt.
Aber das ist es nicht, worum es bei den „Blaneten“ geht. Die drei japanischen Forscher haben sich damals folgendes überlegt: Wir wissen, wie Planeten entstehen. Nämlich in sogenannten protoplanetaren Scheiben um junge Sterne. Nachdem ein Stern entstanden ist, ist er noch von jeder Menge Staub und Gas umgeben und das Zeug in dieser Staub- und Gasscheibe kann sich im Laufe der Zeit zusammenballen, so dass größere Objekte wie eben Planeten entstehen. In Wahrheit ist der Vorgang natürlich sehr, sehr viel komplizierter und die Astronomie ist immer noch dabei, die Details der Planetenentstehung zu verstehen. Aber das Grundprinzip ist klar und wir haben nicht nur die Planeten unseres eigenen Sonnensystems als Beispiel, sondern auch schon tausende Planeten bei anderen Sternen gefunden und können bei anderen, jüngeren Sternen sogar die protoplanetaren Scheiben und in seltenen Fällen auch die in Entstehung begriffenen Planeten sehen.
Aber, so haben sich die japanischen Astronomen überlegt, die protoplanetaren Scheiben sind nicht die einzigen Orte im Universum, wo diese Bedingungen für die Entstehung von Planeten existieren. Es gibt auch die „zirkumnuklearen Scheiben“. Die findet man im Zentrum von großen Galaxien, rund um deren supermassereichen schwarzen Löcher. Ich habe in den vergangen Folgen der Sternengeschichten ja schon öfter darüber geredet: Wir wissen, dass alle großen Galaxien in ihrem Zentrum ein schwarzes Loch haben, das ein paar Millionen bis ein paar Milliarden mal so viel Masse wie die Sonne hat. Wir wissen zwar immer noch nicht genau, wie diese Objekte entstehen, haben sie aber einwandfrei nachgewiesen und in einigen Fällen sogar fotografiert. Beziehungsweise: Wir haben nicht das schwarze Loch selbst fotografiert; das geht ja per Definition nicht. Aber in der Umgebung der schwarzen Löcher gibt es jede Menge Gas und Staub, das da rund herum wirbelt und dadurch aufgeheizt wird. Das Zeug leuchtet dadurch hell und ist sichtbar, bis auf den zentralen Bereich, wo das schwarze Loch ist. Fotografiert haben wir diesen dunklen Schatten vor der hell leuchtenden Scheibe aus Gas und Staub und genau die ist es, die uns interessiert, wenn es um die „Blaneten“ geht.
Oder genauer gesagt: Es sind die äußeren Bereiche der Scheibe. In unmittelbarer Umgebung des Lochs ist es unangenehm. Das ganze Material wird zu stark aufgeheizt; erzeugt zu viel helle und harte Strahlung und dort fällt das Material auch irgendwann in das schwarze Loch. Aber weiter außen, eben in der zirkumnuklearen Scheibe, geht es ein wenig ruhiger zu. Dort könnten ähnliche Bedingungen wie in der prototplanetaren Scheibe eines jungen Sterns herrschen, wo sich Material im Laufe der Zeit zusammenballt um planetengroße Himmelskörper zu bilden.
Ob das wirklich so funktioniert und unter welchen Bedingungen haben die drei Japaner erforscht und das Ergebnis lautet: Ja, das kann klappen. Es geht nur weit genug entfernt vom schwarzen Loch und „weit“ heißt hier ungefähr ein paar Lichtjahre. Das bedeutet, dass man auch ausreichend große schwarze Löcher braucht, um so große Scheiben aus Material zu kriegen. Mindestens eine Million Sonnenmassen sollte es schon haben, aber das haben die meisten supermassereichen schwarzen Löcher – das im Zentrum unserer Milchstraße hat zum Beispiel gut 4 Millionen Sonnenmassen. Die Masse ist aber nicht das einzige; es kommt auch auf das Alter an. In einer jungen Galaxie ist noch viel Gas und Staub vorhanden um eine ordentliche zirkumnukleare Scheibe zu bilden; in alten, wie unserer Milchstraße, ist das ganze Material schon verschwunden. Hier können als keine neuen Blaneten mehr entstehen – aber vielleicht ist das ja schon früher passiert.
Die Blaneten, die entstehen, haben typischerweise mehr Masse als die Erde, teilweise sogar viel mehr. Sie sind auch viel weiter voneinander entfernt als die Planeten in unserem Sonnensystem. Aber, so das Fazit der Arbeit, rein prinzipiell spricht nichts dagegen, dass sich rund um ein supermassereiches schwarzes Loch ein System aus Blaneten unterschiedlicher Größe bildet, die sich dort auf stabilen Umlaufbahnen bewegen.
Bleiben zwei Fragen. Erstens: Kann man diese Dinger nachweisen, wenn sie da draußen sein sollten? Und zweitens: Kann man dort leben? Fangen wir mit Frage 1 an und die Antwort darauf lautet: Eher nicht. Die Methoden, mit denen wir bisher die Planeten anderer Sterne entdeckt haben, funktionieren alle nicht bei schwarzen Löchern. Sie werden nicht von ihrem Stern angeleuchtet, weil sie keinen haben. Wir können nicht messen, wie das schwarze Loch dunkler wird, wenn der Blanet von uns aus gesehen daran vorüber zieht, weil ein schwarzes Loch schon so dunkel ist, wie es nur geht, und so weiter. Man könnte probieren, die Röntgenstrahlung zu beobachten, die aus der Umgebung des schwarzen Lochs kommt und schauen, ob die in periodischen Abständen schwächer wird. Aber auch das ist eher hoffnungslos, den selbst das schwarze Loch in unserer eigenen Milchstraße ist gut 26.000 Lichtjahre entfernt und bei anderen Galaxien sind die Abstände unvorstellbar viel größer. Mit der absehbaren Beobachtungstechnik werden wir die Blaneten wahrscheinlich nicht finden, wenn sie denn da sind.
Aber wir können uns trotzdem noch fragen: Könnte man – oder eher: etwas – dort leben? Vielleicht! Es ist durchaus möglich, dass sich diese Blaneten auch eine Atmosphäre zulegen; Gas gibt es in der zirkumnuklearen Scheibe ja genug. Problematisch wird es, was die Energiequelle angeht. Mit Licht und Wärme ist bei einem schwarzen Loch nicht zu rechnen. Und die ganze Strahlung die aus der Umgebung des schwarzen Lochs kommt, hätte die Atmosphäre der Blaneten vermutlich auch schnell zerstört. Wenn es sich nicht um eine Art von Leben handelt, die sich völlig von dem unterscheidet was wir bis jetzt kennen und was wir uns sinnvollerweise anhand dessen vorstellen können, was wir über die Entstehung von Leben gelernt haben, dann werden Blaneten eher lebensfeindliche Orte sein. Trotzdem: Die Vorstellung, man könnte auf einem Himmelskörper stehen und am Himmel ein gigantisches schwarzes Loch mit leuchtender Scheibe drumherum sehen ist verlockend. Selbst wenn man diesen Himmelskörper dann als „Blanet“ bezeichnen müsste…
Ein Staubsauger ist das Schwarze Loch sicher nicht. Die Frage bleibt aber, warum in dessen Umgebung keine Keplerbahnen möglich sind. Diese dürften ja nicht damit enden, dass das Material hinein fällt.
Im Jahr 1993 erschien ein Spektrum-Artikel, der ein sehr seltsames Phänomen beschrieb. Die Fliehkraft innerhalb eines Schwarzen Lochs wirkt nach innen. Dort, wo ein Lichtstrahl gerade umläuft, ist sie gleich null. Hier ist der Artikel:
https://www.spektrum.de/magazin/das-fliehkraft-paradoxon-bei-schwarzen-loechern/820841