WOH G64 ist ein wirklich großer Stern! Er ist zweitausendmal so groß wie unsere Sonne – und befindet sich außerhalb unserer Milchstrasse. Trotzdem ist es Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn vor kurzem gelungen ein räumlich aufgelöstes Bild dieses Stern zu machen.
Sterne zu beobachten ist prinzipiell leicht. Der Nachthimmel ist voll damit und je größer die benutzten Teleskope sind, desto mehr Sterne kann man sehen. Allerdings ist es enorm schwierig, wenn man mehr als nur einen Lichtpunkt sehen möchte. Selbst die allernächsten Sterne (die Sonne ausgenommen) sind so weit entfernt, dass es fast unmöglich ist, ein räumlich aufgelöstes Bild zu erhalten. Bis jetzt ist erst bei einer handvollen, vergleichsweise nahen Sternen gelungen, solche Bilder zu bekommen. WOH G64 ist nun allerdings wirklich nicht nahe – er befindet sich nichteinmal in unserer Galaxis! Dieser Stern ist 163000 Lichtjahre entfernt und Teil der großen magellanschen Wolke – einer kleinen Nachbargalaxie der Erde:
Trotzdem ist es nun Forschern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn in Zusammenarbeit mit der Europäischen Südsternwarte (ESO) gelungen, eine räumlich aufgelöste Aufnahme dieses Sterns zu bekommen. Wie konnte das funktionieren? Ganz einfach – dieser Stern ist groß! Wirklich groß! Etwa zweitausendmal so groß wie unsere Sonne. Wäre die Sonne so groß wie WOH G64 würde sie bis zur Bahn des Saturn reichen!
So ein großer Stern zu sein ist allerdings nicht immer praktisch. Je größer der Stern, desto schneller verbrennt er sein Material und desto kürzer ist seine Lebensdauer. Auch WOH G64 steht kurz vor seinem Tod. Ein weiteres Kennzeichen alter, massereicher Sterne ist ein sehr starker Sternwind: diese Sterne stoßen große Mengen ihres Materials mit hoher Geschwindigkeit ins umgebende Weltall aus das dann eine dicke Hülle um den Stern bildet. Genau das konnte man bei WOH G64 beobachten. Die Originalbilder finden sich in der Veröffentlichung die auf dem arxiv-Server kostenlos zugänglich ist: „Spatially resolved dusty torus toward the red supergiant WOH G64 in the Large Magellanic Cloud“ von Keiichi Ohnaka, Thomas Driebe, Karl-Heinz Hofmann, Gerd Weigelt und Markus Wittkowski. Das hier ist eine künstlerische Darstellung des Sterns und der ihn umgebenden Hülle:
Diese Hülle aus Staub gibt (wie ich hier schon erklärt habe) die Strahlung des Sterns in Form von Wärme wieder ab – und das kann beobachtet werden. An der europäischen Südsternwarte wurde das Very Large Telescope Interferometer (VLTI) benutzt um durch Kombination von zwei 8,2-Meter-Spiegel das Auflösungsvermögen eines virtuellen 60-Meter-Teleskops zu erreichen.
Das hat gereicht, um ein räumlich auflösendes Bild von WOH G64 zu bekommen. Das ist nicht nur an sich eine große Leistung – sondern hat natürlich auch großen wissenschaftlichen Wert.
„Zum ersten Mal haben wir eine detaillierte Ansicht
von einem Stern gewonnen, der außerhalb unserer Milchstraße liegt. Das
ist ein wichtiger erster Schritt, um zu verstehen, wie sterbende Sterne
in anderen Galaxien sich von denen in unserer eigenen unterscheiden“,
sagt Keiichi Ohnaka vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
Auch die Ausdehnung des Staubrings konnte gemessen werden: sein innerer Rand liegt etwa 120 Astronomische Einheiten vom Stern entfernt – 120mal weiter entfernt als die Erde von der Sonne. Der äußere Rand des Rings liegt in einer Entfernung von etwa einem Lichtjahr!
Dieser gewaltige Ring enthält natürlich auch sehr viel Masse. Anhand von Modellrechnungen konnte man abschätzen, dass WOH G64 früher etwa 25mal so schwer war die Sonne – aber bis heute zwischen 10 und 40% dieser Masse via Sternwind ins All geblasen hat. Daraus hat sich dann der Ring gebildet.
In diesem Tempo geht es auch weiter und der Stern nähert sich damit seinem Ende. In einigen tausend Jahren wird er in einer gewaltigen Supernova vergehen, die dann auch von der Erde aus deutlich sichtbar sein wird. Bis dahin wird er noch als herrvoragendes Forschungsobjekt für die Astronomen dienen, die herausfinden wollen, wie solche großen Sterne entstehen und vergehen.
Wenn ich das richtig verstehe, sehen wir jetzt den Stern so, wie er vor 163.000 Jahren war. Und ein paar tausend Jahre später explodierte er in einer Supernova, was wir noch nicht sehen konnten. Warum wird in Veröffentlichungen so selten auf diesen Blick in die Vergangenheit hingewiesen?
@books: hmm – eine komplizierte Frage. Erstmal ist es aus wissenschaftlicher Sicht meistens egal wann das Ereignis stattgefunden hat. Die Erkenntnisse, die die Forscher hier über die Entwicklung von Überriesen gewinnen haben nichts mit der Entfernung/Vergangenheit zu tun. Dann ist es den meisten professionellen Astronomen sowieso bewußt, dass Entfernung immer ein Blick in die Vergangenheit ist, weswegen sie vielleicht nicht immer darauf hinweisen – und in Veröffentlichungen für die Medien etc. verwirren solche Hinweise unter Umständen mehr als das sie hilfreich sind.
Hinzu kommen die relativistischen und „philosophischen“ Aspekte: Lichtgeschwindigkeit ist die höchste Geschwindigkeit, mit der wir Informationen erhalten können. Was auch immer „jetzt gerade“ bei WOH G64 passiert, kann unter keinen Umständen irgendeinen Einfluss auf uns haben – dieser „Einfluss“ breitet sich eben mit Lichtgeschwindigkeit aus und wird uns erst in 163000 Jahren erreichen. Erst dann kann es für uns irgendeine Rolle spielen. Über das grundlegende Problem der Gleichzeitigkeit schreibt ja auch schon Einsten in seiner Arbeite „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“, die die Grundlage der speziellen Relativitätstheorie darstellt.