Seit das erste Mal ein Mensch ein Fernrohr auf den Mond gerichtet hat, sind schon 400 Jahre vergangen und in der Zwischenzeit hat man ihn nicht nur sehr gut erforscht; Menschen sind sogar schon dort gelandet. Trotzdem ist unser nächster Nachbar im All immer noch für eine Überraschung gut!
Wir wissen ja schon seit langem, dass der Mond der Erde immer die selbe Seite zuwendet. Grund dafür sind die Gezeitenkräfte, die zwischen den beiden Himmelskörpern wirken (hier habe ich das im Detail erklärt). Zwei Wissenschaftler aus Frankreich haben aber nun herausgefunden, dass der Mond sich zwischenzeitlich einmal „umgedreht“ hat.
Mark Wieczorek und Matthieu Le Feuvre vom Institut de Physique du Globe de Paris haben vor kurzem eine Arbeit mit dem Titel „Did a large impact reorient the Moon?“ in der Fachzeitschrift Icarus veröffentlicht. Darin haben sie Alter und Anzahl der Mondkrater statistisch untersucht. Eigentlich wäre zu erwarten, dass sich auf der westlichen Hemisphäre des Mondes („westlich“ bezieht sich hier auf die Sicht von der Erde aus) mehr Krater befinden als auf der östlichen. Das liegt daran, dass diese Seite in die Bewegungsrichtung des Mondes zeigt. Und genauso wie Fahrradfahrer im Sommer (leider) immer viele Mücken ins Gesicht klatschen und wenig auf den Hinterkopf, sollte auch diese Seite des Mondes rein statistisch gesehen mehr Asteroiden abbekommen.
Eine Analyse der Krater ergab nun folgendes Bild: die jüngeren Krater des Mondes treten tatsächlich gehäuft auf der Westseite auf, genauso wie es zu erwarten war. Bei den älteren Kratern ist es dagegen genau umgekehrt: hier findet man mehr auf der Ostseite. Wieczorek und Le Feuvre haben nun berechnet, dass nur eine Wahrscheinlichkeit von 0.3% besteht, dass diese Konfiguration Zufall ist. Sie postulieren, dass der Mond sich in der Vergangenheit (vor etwa 3.9 Milliarden Jahren) einmal um 180 Grad gedreht hat und das, was wir heute als „Vorderseite“ bezeichnen – also die Seite, die wir von der Erde aus sehen können – früher die Rückseite des Mondes war.
Grund für diese Drehung könnte der Einschlag eines großen Himmelskörpers auf dem Mond gewesen sein. Das so etwas in der Frühzeit des Sonnensystems durchaus öfter vorkommen konnte, wissen wir. Schließlich ist ja der Mond selbst durch den Einschlag eines Protoplaneten auf der frühen Erde entstanden.
Ich muss mir erst noch den Volltext des Artikels besorgen um genau zu sehen, was Wieczorek und Le Feuvre gemacht haben. Besonders interessieren würde mich, ob es dazu auch schon numerische Simulationen gibt, die diese These unterstützen. Damit könnte man eventuell auch die genaueren Parameter des Himmelskörpers herausfinden, der damals den Mond umgedreht hat.
Faszinierend ist die Vorstellung allerdings auf jeden Fall…
Wenn du schon dabei bist könntest du auch noch kurz erklären, ob aufgrund der relativ geringen Entfernung zwischen Erde und Mond der Mond als „Schutzschild“ für die Erde fungiert bzw. wieviele von den Steinen, die den Mond treffen, sonst auf der erde gelandet wären…
Zum Thema: Das heisst, dass wenn ein Meteroid sozusagen am Rand eines Planeten (oder in diesem Fall dem Mond) einschlägt, dann dreht sich der Mond wie ein Ball den man seitlich antreibt…?
Also eine gewisse Schutzschildwirkung ist auf jeden Fall da – ich kann auf die Schnelle aber keine quantitativen Werte angeben (müsste ich mal recherchieren).
Zum Einschlag: also einen „Rand“ in dem Sinne wie du es gemeint hast, gibt es bei einer Kugel eigentlich nicht 😉 Kommt immer auf den Blickwinkel an. Aber ob sich der Himmelskörper dann gleich komplett umdreht oder nicht hängt natürtlich von der Masse des Impaktors ab. Das beim Mond muss schon ein ordentlicher Brummer gewesen sein.
Kurze Nachfrage, der besseren Verstäntnis wegen:
„Sie postulieren, dass der Mond sich in der Vergangenheit (vor etwa 3.9 Milliarden Jahren) einmal um 180 Grad gedreht hat…“
Sollte die Drehung wirklich nur „einmal … 180 Grad“ betragen haben? Daß die gebundene Rotation sich so schnell wieder einstellt, hätte ich nicht gedacht! Die Erde soll ja auch irgendwann ihrerseits eine gebundene Rotation an den Mond haben/noch entwickeln, und dieser Vorgang des Abbremsens dauert ja schon Milliarden von Jahren.
Könnte das nicht auch die letzte Drehung gewesen sein ? Es wäre doch möglich, dass sich die letzte Drehung des Mondes (vor dem Lock)
a) entweder ziemlich lang dahingezogen hat oder
b) er relativ schnell einschnappte oder
c) er drehte sich nochmal um 180 Grad drüber bevor er einschnappte.
Das erzeugt bei mir ein Grinsen wenn ich mir den Mond so herumschwabbelnd vorstelle 🙂
@Stefan, Ronny: Wie gesagt, ich hab den Volltext der Arbeit noch nicht gelesen (darauf kann ich erst morgen von der Uni aus zugreifen). Aber natürlich hat der Mond sich nicht einfach nur mal eben schnell um 180 Grad gedreht und fertig. Vorher war der Mond in einem stabilen resonanten Zustand (einer sg. Spin-Orbit-Resonanz); der Impakt wird ihn wohl für eine gewissen Zeit gestört haben, bevor er sich wieder in der Spin-Orbit-Resonanz eingerichtet hat.
Hi Flo!
Meine Vorstellung geht in die gleiche Richtung wie die von Ronny. Der Mond ist ja nicht schon immer gebunden um die Erde rotiert, das hat bestimmt eine Weile nach der Entstehung des Erde-Mond Systems gedauert, bis sich das eingestellt hat. Die Erde rotiert ja immer noch nicht gebunden, das dauert auch noch lange, bis es soweit ist. Ich kann mir daher auch vorstellen, dass sich die gebundene Rotation vor eben 3,9 Milliarden Jahren (das sind ca. 600 Milionen Jahre nach der Entstehung der Erde) eingestellt hat, und sich das nun in der Kraterdichte widerspiegelt.
Ich bin gespannt auf den vollständigen Artikel. Vergiss nicht, uns davon zu erzählen, wenn du mehr weisst!
Stefan
Bei meinem ersten Post hatte ich ein Gedankenfehler. Irgendwie bildete sich in meinem Kopf eine Art ‚Schnappmechanismus‘ der aber nicht existiert, da der Mond ja keine Vorzugslage hat (wie es z.B: ein Magnet hätte).
Aber mein Grundgedanke, dass die letzte Rotation des Mondes ja sehr lange gedauert haben muss und damit die älteren Krater auf der anderen Seite liegen müssten, sollte doch korrekt sein ? Da brauchts doch keine Meteoriten.
Wann hat der Mond denn eigentlich seinen ‚Lockzeitpunkt‘ erreicht ? Schon bald nach Bildung des Systems oder erst viel später ?
Sie postulieren, dass der Mond sich in der Vergangenheit (vor etwa 3.9 Milliarden Jahren) einmal um 180 Grad gedreht hat
Vor 3,9 Mrd Jahren war die Erdentstehung gerade mal so weit abgeschlossen, dass sich eine erste feste Kruste zu bilden begann. Der Mond soll ja aus de frühen Urerde herausgeschlagen worden sein, also vor ca. 4,123… Mrd. Jahren. Ich würde mal sagen, dass er vor 3,9 Mrd. Jahren noch nicht auf umlaufbahngebundene Rotation abgebremst war. Womöglich war der Mond zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit abgekühlt, dass es Krater mit diesem Alter überhaupt geben könnte. Mir scheint, es liegt dort ein Tippfehler vor. April haben wir ja noch nicht…
Gruß // Jörg
@Jörg: Danke für den Hinweis. Ich muss mir endlich mal die Zeit nehmen, und mir das Paper genau ansehen… aber irgendwie kommt immer was dazwischen 🙁
Faszinierende Vorstellung, aber was kann den Mond dazu bringen, und die andere Seite zuzuwenden und wie lange hat es danach gedauert, bis seine Rotation gebunden war? Und war sie es vorher wirklich? Die Kraterzählerei in der westlichen und östliche Hemisphäre deutet daraufhin, dass die Wissenschaftler genau davon ausgegangen sind.
Und die wichtigste Frage: Hat es in den letzten sieben Jahren die Zeit gegeben, sich die Forschung genauer anzuschauen?
@Captain E.
Eine ungleichmäßige Verteilung der Masse innerhalb des Mondes. In Sky&Telescope war letztens ein Artikel, demgemäß die Kruste auf der Seite, die der Erde zugewandt ist, etwas dünner ist, was eine leichte Unwucht verusacht. Möglicherweise ist dies so entstanden, weil ein Objekt (z.B. ein zweiter Mond, der mit unserem entstand) dort eingeschlagen ist. Oder die ursprünglich heiße Erde hat den damals viel näheren Mond mit ihrer Wärmestrahlung einseitig erwärmt. Oder die Erwärmung durch Tiden war auf beiden Hemisphären unterschiedlich groß.
Die gebundene Rotation wurde, nach dem was ich im Web gefunden habe, nach höchstens 16 Millionen Jahren erreicht, wohlmöglich noch schneller. Da war die Erde jedenfalls noch nicht abgekühlt.
Der Einschlag müsste dann (mehr oder weniger) auf der erdzugewandten Seite erfolgt sein, und zwar dergestalt, dass sich ein großer Teil des Impaktors angelagert hat. Also Einschlag, Beulenbildung, Stabilisierung der gebundenen Rotation.
Die Aufheizvorstellung widerspricht dem aber irgendwie. Demzufolge wäre der Mond auf der erdabgewandten Seite schneller abgekühlt, da die glühende Erde als gewaltige Heizung gewirkt hätte. Die Beule auf der abgewandten Seite wäre dann durch das Fließen des nicht erstarrten Mondmaterials entstanden.
@Captain E.
Das sind ja ganz verschiedene Theorien. Details weiß ich jetzt auch nicht. Ich schaue mir zu Hause nochmal den S&T-Artikel an.
Na ja, vielleicht hat das Bestrahlung durch die Erde zwar stattgefunden, ist aber recht oberflächlich geblieben und somit nicht verantwortlich für die Massenverteilung des Mondes.
…beware of the Evil Thread Necromancer! …
Sollte die 180-Grad-Drehung durch einen auf dem Mond eingeschlagenen Asteroiden bewirkt worden sein: könnte dann das Südpol-Aitken-Becken (immerhin 2000 km Durchmesser!) der zugehörige Krater sein?
@Yadgar
Wieczorek, Feuvre nennen das Mare Smythii als einen Impaktkrater, der die notwendigen Merkmale hätte, um eine 180°-Drehung des Mondes verursacht haben zu können. Das Paper gibts z. B. hier.
Es gibt da natürlich auch noch eine Synestia-Hypothese. Der zufolge hat die Ur-Erde keinen Streifschuss, sondern einen Volltreffer abbekommen und wurde genau wie der Impaktor Theia vollständig zerstört. Da aber natürlich Masse nicht mal einfach so verschwindet, wäre in Folge eine glühende, wirbelnde Masse aus Staub und Steinen um die Sonne gekreist. In den Außenbereichen dieser Synestia könnten sich mehrere Monde zusammengeballt haben, von denen aber später einige kollidiert wären. Der Kernbereich der Synestia hätte sich, wahrscheinlich sogar nach den Monden, zu einem neuen Planeten formiert. Der schmutzige Rest wäre logischerweise auf den größeren Himmelskörpern herabgeregnet.