Ich habe es schon oft gesagt und sage es gerne immer wieder. Die Welt auf der wir leben, ist großartig! Ich sage es deswegen so gerne immer wieder, weil wir dazu neigen, es zu vergessen. Verständlicherweise; für uns ist die Welt völlig normal. Jeder einzelne von uns hat sein gesamtes bisheriges Leben auf diesem Planeten verbracht. Die Erde ist der ultimative Alltag für uns. Aber umso wichtiger ist es, sich ab und zu mal ganz bewusst ein paar Gedanken über unsere Welt zu machen. Und dann stellt man fest: Es gibt auf diesem Planeten eigentlich nichts, das nicht extrem faszinierend ist!
Nehmen wir nur einmal Wolken. Die sind so gut wie ständig da und wenn wir sie bewusst betrachten, dann höchstens, um herauszufinden, wie das Wetter wird oder weil wir uns ärgern, dass keine Sonne zu sehen ist. Dabei sind Wolken zutiefst faszinierende Objekte! Wolken sind Wasser. Wasser, das einfach so durch die Luft schwebt. Unzählige winzige Wassertropfen, die gigantische Gebilde formen und über unseren Köpfen hängen. Wolken gibt es, weil es Wasser auf der Erde gibt. Wolken gibt es, weil wir auf diesem Planeten eine Atmosphäre haben. Beides ist absolut nicht selbstverständlich und beides ist absolut nötig, damit wir existieren können. Wir, und so gut wie alles andere Leben auf diesem Planeten.
Bäume zu Beispiel. Bäume sind genauso alltäglich wie Wolken. Aber bei näherer Betrachtung auch genauso faszinierend. Bäume sind nicht einfach so in die Welt geploppt. Auch sie mussten sich im Laufe der Evolution erst entwickeln. Es gab mal eine Zeit auf diesem Planeten, da gab es noch keine Bäume. Es gab auch eine Zeit – und dieser Aspekt der Evolution wird mich auf ewig faszinieren! – da lebte auf der Erde ein Lebewesen, das der gemeinsame Vorfahr aller Menschen und Bäume war (und natürlich noch von jeder Menge anderer Lebewesen, darunter sämtliche Tiere). In einem völlig realen und unesoterischen Sinn ist jeder von uns mit jedem Baum verwandt! Ich könnte eine lange Reihe an Vorfahren aufstellen. Zuerst meine Mutter, dann meine Großmutter, meine Urgroßmutter, und so weiter. Wenn ich bei meiner ungefähr 250000fachen Urgroßmutter angekommen wäre, dann würden sie schon eindeutig eher affenhaft aussehen – ohne dabei aber ein Affe zu sein. Sie wäre der gemeinsame Vorfahr aller Menschen und aller Affen (genauer gesagt der Schimpansen, mit denen wir Menschen am nächsten verwandt sind). Je weiter ich in der Zeit zurück gehe, desto mehr verändern sich meine Vorfahren. Sie werden irgendwann eher einem Nagetier ähneln, einem Reptil, einem Fisch (ohne dabei aber Nagetiere, Reptile oder Fische im heutigen Sinn zu sein!). Und trotzdem führt eine ungebrochene Kette von Mutter zu Tochter bis hin zu meiner Mutter und schließlich zu mir. Irgendwann, etwa 1,6 Milliarden Jahre in der Vergangenheit, ähneln meine Vorfahren auch keinen Tieren mehr… Der Baum vor meinem Fenster (oder auch die ordinäre Topfpflanze am Fensterbrett) könnte seinen Weg durch die Zeit ebenso verfolgen. Seine „Mutter“ wäre der Baum, von dem der Samen stammt, aus dem er gewachsen ist. Seine „Großmutter“ der Baum, der den Samen für seine „Mutter“ geliefert hat. Und so weiter. Auch der Baum kann eine lange Reihe von Vorfahren aufstellen. Und an diesem bestimmten Punkt vor 1,6 Milliarden Jahren wird meine Reihe an Vorfahren auf seine Reihe von Vorfahren treffen! Es hat damals ein Lebewesen gelebt, von dem sowohl ich als auch der Baum direkt abstammen! Dieses Gedankenexperiment lässt sich natürlich mit jedem beliebigen Lebewesen machen. Wie gesagt – dieser Aspekt der Evolution wird mich ewig faszinieren. Und wer mehr darüber erfahren will, dem kann ich das Buch „Geschichten vom Ursprung des Lebens: Eine Zeitreise auf Darwins Spuren“ (englisch: „The Ancestor’s Tale: A Pilgrimage to the Dawn of Evolution“) von Richard Dawkins nur dringend empfehlen. Darin lässt Dawkins genau die oben beschriebene Reihe von Vorfahren aufmarschieren und erzählt, wo wir in der Geschichte der Evolution überall auf die gemeinsamen Vorfahren mit den anderen Lebewesen auf dieser Erde treffen.
Wolken, Bäume… aber auf unserer Welt gibt es noch viel mehr. Steine! Die liegen nur rum und tun nichts. Aber wenn man über sie nachdenkt, dann tut sich auf einmal enorm viel! Feuer! Vulkane! Plattentektonik! Gebirge, die sich auftürmen und wieder absinken! Magma aus dem Inneren der Erde! Naja, und wenn man dann erst einmal den Blick von den Steinen am Boden nach oben zu den Sternen richtet…
Aber ich schreibe schon wieder viel zu viel. Eigentlich wollte ich ja nur auf ein fantastisches Video von Shawn Reeder hinweisen. Er hat im Yosemite Nationalpark in den USA gefilmt und daraus einen Zeitrafferfilm gemacht. Darin seht ihr Wolken, Bäume, Steine, Sterne… unsere ganz alltägliche, normale Welt eben. Unsere großartige und einzigartige Welt:
Yosemite Range of Light from Shawn Reeder on Vimeo.
Wolken? Schaut mal hier: https://cloudappreciationsociety.org
In diesem Video sind eindeutig die UFOs zu sehen die die ganze Zeit über Yosemite herumflitzen.
Das war ja schon fast poetisch! Aber ich kann deine Faszination für das Leben auf der Erde und dessen Entstehung absolut nachvollziehen. Deshalb hat mir das Buch von Dawkins auch so gut gefallen.
Das ist ein wirklich wundervoller Artikel!
Schade nur, dass viele Menschen die Schönheit und Faszination der Wissenschaft nicht sehen.
Mein Gefühle trifft der Artikel jedoch genau.
Faszinierend!
Mein Dilemma bloß: Kaufe/lese ich erst den Dawkins oder Freistetter? … Langes Grübel …
und freundliche Grüße!
„Jeder einzelne von uns hat sein gesamtes bisheriges Leben auf diesem Planeten verbracht“
Das glaube ich nicht…. : D
Hoffentlich dann im Mai -> https://timescapes.org/
@EinLeser: Erst den Freistetter, der ist locker geschrieben und sehr kurzweilig, hat nur ca. 200 Seiten, Schwerpunkt Universum. Der Dawkins hat ca. 850 Seiten, die volle Konzentration erfordern, und verliert sich manchmal in Details, die einen Laien nicht wirklich interessieren, Schwerpunkt Erde. Beide Werke sollte man aber unbedingt lesen, da hochinteressant.
@Thomas Vollmer: Da stockt einem ja der Atem – toller Tipp, danke.
Cool! Dazu möchte ich so das oft-zitierte Zitat rezitieren:
„The World is so full of wonders, why make up shit about it?“
@Florian
„The chimpanzee-human last common ancestor (CHLCA, CLCA, or C/H LCA) is the last species, a species of African apes, that humans, bonobos and chimpanzees share as a common ancestor.“
Man sollte nicht außer Betracht lassen, dass Wolken nicht nur aus flüssig Wasser, sondern auch aus Eis bestehen, aber davon haben sie, trotz ihres enormen Anblickes gar nicht mal so viel in sich. In der Regel unter einem Gramm pro m^3 in soner Wolke.
Diese Timelaps Videos von irgendwo im nirgendwo aber mit unzähligen Sternen am Himmel regen bei mir immer wieder die Sehnsucht nach Sternegucken. Gibt es noch einen Ort in Deutschlad, der dunkel genug ist, um z.B. die Milchstraße zu erahnen?
@MeraX
Als Österreicher sag ich mal, ganz keck, auf der Zugspitze.
Nein, Sie haben nicht „schon wieder viel zu viel geschrieben“, dieser Blog ist meine tägliche Bettlektüre (iPad) und genau das habe ich heute gebraucht, sowohl den Text, wie auch den wunderschönen Film! Vielen Dank dafür, Sie haben min. einen Menschen glücklich gemacht… nämlich mich 🙂
@MeraX:
Wenn man https://www.lichtverschmutzung.de/karten/f18_2010gr.jpg glauben darf, dann wäre Brandenburg mein erster Tipp. Aber es reicht teilweise schon, irgendwo ans Meer zu fahren. Da ist es zwar noch nicht so richtig toll dunkel, aber die Milchstraße kann man trotzdem schon erkennen, wenn man sich etwas Zeit nimmt…
@rnlf
Man muss gar nicht sooo weit weg, um die Milchstraße zu sehen, da kann ggf. schon ein dunkler Hinterhof reichen, wenn es richtig klar und natürlich mondlos ist.
Ca. 20 km von meiner Wohnung weg in der Voreifel, mit Köln, Düsseldorf und Aachen am Horizont, erscheint die Milchstraße sogar manchmal wie eine von unten beleuchtete Wolke.
Natürlich wird’s umso besser, je weiter man von größeren Städten entfernt ist. In der Südeifel bei Daun gibt’s eine Profi-Sternwarte auf dem Hohen List. Und in der Caldera auf Teneriffa klappt einem der Kiefer runter, wenn man den Sternenhimmel dort sieht.
@myself
… oder vielmehr gab… 🙁
https://www.hoher-list.de/
ich hab die milchstraße nur einmal gesehen, in der mitte von nirgendwo in nebraska. dort wo wir waren liegen die städtze 20 -30 meilen auseinander ansonsten nur cattle und corn. aber mein onkel meint er hätte sie „vor dem haus“ und der wohnt in einem kaff auf der schwäbischen alb.
@Naivi
Na ja, wer fährt auch nachts aus der Stadt raus, um die Milchstraße anzuschauen?
Wer mal in einer klaren mondlosen Nacht (wenn der Himmel tagsüber richtig schön dunkelblau war) auf der Landstraße oder Autobahn unterwegs ist, der sollte mal auf einem unbeleuchteten Parkplatz stoppen, wenn er sich traut, dann hat man eine gute Chance, die Milchstraße zu sehen. Man muss nur ein paar Minuten warten, bis sich die Augen an die Dunkelheit angepasst haben.
Im Grand Canyon Village habe ich die Milchstraße übrigens nicht sehen können. Hunderte Meilen zur nächsten größeren Stadt, aber viel zu viele Straßenlaternen direkt im Village.
@alle Dunkelsuchenden
Sehe ich ja erst jetzt und kann ein bisschen helfen. Es gibt doch so genannte Dark Sky Parks, dunkle Regionen, würde ich ja spotten, auch in D – früher (bis zu vier Jahre nach Wiedervereinigung) war auch die Gegend um die Müritz zum Beispiel herrlich dunkel und die Milchstraße eine richtige Schau – aber die Modernisierung der Straßenlampen ging doch in die falsche Richtung.
Wüsten wären an sich meine erste Wahl, kaum Luftfeuchtigkeit und wenig Besiedelung, aber D hat ja keine …
Und Brandenburg, ja. https://www.mugv.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.268177.de Da gibt es den Sternen- und Naturpark Westhavelland, am dunkelsten ist es wohl am Gülper See (nur ohne Auto kaum zu erreichen), und südlich von Berlin (Stücken, süd-westlich von Berlin ist enorm düster) gibt es ebenfalls Bestrebungen, auch in der Rhön (nur finde ich keine Webseite dazu). https://www.herzberger-teleskoptreffen.de/news/ds.php – das ist die zweite Stelle, die ich kenne.
Die Eiffel ist ebenfalls recht dunkel, und https://unihedron.com/projects/darksky/database/?allreadings=true — für den ganz großen Überblick. Dort kann man sich den Suchfilter entsprechend einstellen und muss nicht auf die abgelegenen Teile der Welt eifersüchtig werden 😉
Als ich noch klein war, war ich mal im Schwarzwald im Ferienlager. Der Sternenhimmel da war für mich als Stadtkind schon eine Offenbarung. Die Michstrasse war damals locker zu erkennen.
Wie es heute aussieht, wo jede Dorfdisko einen Flakscheinwerfer vor der Tür stehen hat, weiß ich aber nicht…