Dieser Gastartikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb. Alle eingereichten Beiträge werden im Lauf des Septembers hier im Blog vorgestellt. Danach werden sie von einer Jury bewertet. Aber auch alle Leserinnen und Leser können mitmachen. Wie ihr eure Wertung abgeben könnt, erfahrt ihr hier.
Dieser Beitrag wurde von Werner Röpke eingereicht.
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Was rastet, das rostet
Der Spaten eines fleißigen Gärtners ist blitzblank, der eines faulen rostet vor sich hin. Deswegen die Überschrift, die ja sonst bekannt ist ist unter „Wer rastet, der rostet“.
Es ist allgemein bekannt: Eisen und Stahl rosten. Dazu braucht es nur den Luftsauerstoff als Oxidationsmittel und etwas Feuchtigkeit und schon bildet sich eine mehr oder weniger lockere Schicht aus Eisen(II)- und Eisen(III)oxid mit Kristallwasser. Die Bezeichnung „wasserhaltiges Oxid” lässt schon vermuten, dass es einen deutlich größeren Raum einnimmt als seine Ausgangskomponenten. Wenn also Wasser an eine Armierung gelangt, bringt der entstehende Rost sogar Beton zum Platzen. Das nennt man dann Bauschäden, bei Brücken wird so was richtig teuer. Die Römer kannten zwar schon Beton, aber keine Armierung, deswegen stehen Aquädukte noch seit 2000 Jahren. Zuschlagstoff zum opus caementitium war damals Vulkanasche, nach seiner Herkunft Pozzulanerde genannt.
Aber wir wollen uns ja nicht mit Rost und Römern beschäftigen, sondern eben mit Nicht-Rost. Kochtöpfe, Spülen und Bestecke sind aus nichtrostendem Stahl, auch als Edelstahl oder V2A-Stahl bezeichnet. Wenn es so etwas gibt, warum nimmt man den nicht als Armierung für Beton?
zu teuer?
Nein, das ist es nicht, sondern Armierungsstahl muß rosten! Darum liegt er draußen im Regen, denn der feuchte Beton verbindet sich unlösbar mit dem angerosteten Stahl – und dann hört er auf zu rosten, jedenfalls, wenn weder Feuchtigkeit noch Sauerstoff Zutritt haben.
Außerdem hat der verwendete Baustahl eine höhere Zugfestigkeit als Edelstahl, ein nicht unwichtiges Kriterium für die Anwendung.
Aber warum rostet Edelstahl eigentlich nicht?
Edelstahl ist nicht von der Zusammensetzung her rostfrei, typischerweise werden Chrom, Nickel, Molybdän und Titan zugesetzt, sondern aufgrund seiner spezifischen Oberfläche. Die Korrosionsbeständigkeit von Edelstahl „rostfrei“ beruht auf einer komplexen, chromreichen Oxid-bzw. Oxidhydratschicht auf dem Stahl, die den normalen Oberflächenzustand darstellt. Die Oxidation läuft spontan ab, sofern genügend Sauerstoff an die Oberfläche gelangt, das heißt, wenn das Blech aus der Walzmaschine kommt, beginnt die Oxidation der Oberfläche und der Stahl ist damit geschützt und rostet normalerweise nicht.
Edelstahl ist ein allgemeiner Ausdruck für nicht rostende Eisenlegierungen, eigentlich müsste man sagen „Edeleisen“, denn Stahl ist der Begriff für harte Eisenlegierung mit sehr hohem Kohlenstoffanteil, und nichtrostende Stähle haben wenig Kohlenstoff, dafür aber hohe Mengen anderer Zuschläge, wobei das Chrom eben hauptsächlich für die schützende Oxidschicht sorgt.
Mit der Zeit nimmt die Dicke dieser Schicht zu und es entsteht eine dauerhaft korrosionsbeständige Oberfläche, die selbst im Fall mechanischer Beschädigung erhalten bleibt.
Wird Edelstahl bearbeitet, gelangt „frischer“ Stahl an die Oberfläche, der sofort wieder passiviert. Dieser Prozess kann mit Hilfe eines Oxidationsmittels beschleunigt werden, um eine gleichmäßige Oxidschicht auf dem Bauteil aufzubauen. Für technische Anwendungen nimmt man hierfür beispielsweise Salpetersäure, die „frißt“, also oxidiert zum Einen alle Verunreinigungen weg, zum Anderen hilft sie, sehr schnell eine Oxidationsschicht aufzubauen.
Grundsätzlich könnte man damit in kürzester Zeit einen angebrannten Kochtopf wieder einsatzbereit machen, allerdings ist Salpetersäure kein typischer Haushaltsreiniger und in der Anwendung auch nicht ungefährlich.
Tritt auf einem Edelstahlteil Rost auf, wurde dieser wahrscheinlich von einem unedlen Eisenteil übertragen.
Legt man zum Beispiel einen feuchten, stählernen Putzschwamm auf eine Edelstahlspüle, so hat sich nach einem Tag ein Rostfleck gebildet, der nur grobmechanisch entfernt werden kann. Es rostet zuerst der „schwarze” Stahl und greift dann nach und nach die Oxidschicht des „weißen” Stahls an.
Durch Abschleifen und Polieren lässt sich eine solche Roststelle wieder vollständig beseitigen, wenn sie noch nicht sehr lange bestanden hat, sonst bleibt eine Fehlstelle.
Natürlich ist Edelstahl auch beständig gegen Salzwasser und Chlor, sonst würden Schwimmbadleitern ja sofort wegrosten. Allerdings verwendet man dafür Legierungen mit sehr hohen Molybdän- und Chromanteil, keinen „Küchenstahl“.
Und warum macht man einen faule-Gärtner-Spaten nicht auch aus Edelstahl? Macht man, aber das sind dann keine Profi-Spaten, sondern solche für Gelegenheitsgärtner.
Den Unterschied sieht man spätestens, wenn man viele Steine im Boden hat und Wurzeln. Edelstahl ist, wie schon oben erwähnt, aufgrund der Zusammensetzung immer weicher als ein hoch kohlenstoffhaltiger, aber rostender, Stahl.
Aber ein guter Gärtner ist ja so fleißig, daß sein Spaten keine Zeit hat zum Rosten!
@Werner Röpke
Toll, wieder was gelernt.
Kannst Du vielleicht noch erklären, warum Salzwasser so viel aggressiver gegenüber Stahl ist? Ich hab‘ ein Salzwasseraquarium, worin ich gelegentlich mit einem alten Küchenmesser hantiere. Die an sich rostfreie Klinge rostet jedenfalls nach Kontakt mit Salzwasser, wie auch andere Metallteile, die schon mal einen Spritzer Wasser abbekommen.
Danke für diesen Artikel. Informativ und kurzweilig.
Jetzt weiß ich endlich, warum immer so rostiges Zeugs bei den Baustellen rumliegt.
Danke!
@OP
Danke für den Textbeitrag. Ich weiß nicht, ob Sie fachlich mit Stählen zu tun haben oder, wie die Autorin des ersten Artikels des Schreibwettbewerbs, sich einfach nur mit einem interessanten Thema befassten. Es finden sich nämlich ein paar kleine Fehler – oder eher Ungenauigkeiten – in Ihrem Text, auf die ich kurz hinweisen möchte:
Edelstahl bedeutet nicht, dass es sich um einen rostfreien Stahl handelt. Dieser Fehler wird leider immer wieder in der Umgangssprache begangen. In der DIN EN 10020 („Begriffsbestimmungen für die Einteilung der Stähle“) wird angegeben, dass Edelstähle einfach nur einen höheren Reinheitsgrad als Qualitätsstähle aufweisen müssen. Vor allem im Hinblick auf nichtmetallische Einschlüsse. In der selben Norm findet man auch eine Definition für nichtrostende Stähle. Und zwar müssen diese einen Massenanteil von mindestens 10,5 % Chrom und maximal 1,2 % Kohlenstoff aufweisen.
Übliche Baustähle haben eigentlich eine geringere Zugfestigkeit als der V2A. Ein Standard-Baustahl ist zum Beispiel der S235JR (Werkstoffnr. 1.0038). Dieser wird mit einer Zugfestigkeit von 360-510 MPa [1] angegeben (andere gehen bis maximal 630 MPa). Der nichtrostende Edelstahl X5CrNi18-10 (Werkstoffnr. 1.4301, auch bekannt als V2A) hat hingegen eine Zugfestigkeit von 500-700 MPa [2].
Für Armierungen wird aber sowieso statt Baustahl eher der sogenannte Betonstahl verwendet. Der BSt500 S (Werkstoffnr. 1.0438) kommt aber auch nur auf eine Zugfestigkeit von 550 MPa [3].
Trotzdem nochmals danke für den Artikel und falls Sie anderweitige Informationen haben, die meine Aussagen zunichte machen, würde ich mich über weiteres Wissen freuen.
@Soturi: Ich hab die Autoren der Artikel für den Schreibwettbewerb alle darüber informiert, wann ihre Artikel erscheinen und sie darauf hingewiesen, dass eventuell Fragen von Lesern kommen können. Ob die Autoren allerdings tatsächlich hier vorbei schauen und Fragen beantworten, kann ich nicht versprechen.
So, hier noch die Quellen:
[1]: https://www.metallbau-tix.de/Materialkunde-Baustahl_files/Datenblatt%20Baustahl%20S235JR.pdf
[2]: https://www.batz-burgel.de/downloads/stahl/B&B_V2A.pdf
[3]: https://rosmetiz.ru/upload/files/gosts/din%20488-1.pdf
@OP:
Kurzer Nachtrag:
Wahrscheinlich meinten Sie statt Zugfestigkeit Streckgrenze. Dies würde ja auch deutlich mehr Sinn machen, da man ja eine plastische Verformung vermeiden möchte. Da hat der BSt 500 M in der Tat die Nase vorne. Mit einer Streckgrenze von 500 MPa liegt man deutlich über der Mindeststreckgrenze von 190 MPa eines V2A.
@Alderamin
Das liegt an den Chlor-Ionen, die die Chromoxid-Oberfläche angreifen. In Salzwasserumgebung rostet auch „nichtrostenden“ Stahl – es gab da mal einen fiesen Fall in einem Schwimmbad, wo die Chlorionen Stahlträger zum rosten brachten und die Decke einstürzte.
@MartinB
Danke.
Ha, jetzt hab ich ja einen Fachmann, den ich fragen kann, warum ich in meiner Edelstahlspüle nach dem Urlaub plötzlich Rostflecke habe, die kaum zu entfernen sind…
Schöner, knapper Beitrag und wieder mal Antworten auf Fragen bekommen, über die ich noch nie nachgedacht habe (rostiger Armierungsstahl) 🙂
Guter Gastbeitrag, vielen Dank. Die Bemerkung zum Inhalt: Bewehrung muß nicht rosten. Die Frage, ob schwarz, verzinkt oder Edelstahl ist abhängig von der Verwendung des fertigen Bauteils. Betonüberdeckung, Witterung, Chemikalien, Wasserdurchlässigkeit und mehr. Der gemeine Baustahl ist rostig, weil er eben keinen Rostschutz hat und einige Tage beim Händler lag. Frischer schwarzer Stahl hat allerdings wieder den Nachteil, daß unerwünschte Reste aus Hochofen und Walze, also Fett und Öl, die Betonbindung stören können.
Chrom an der Oberfläche ? Bildet das nicht auch giftige Chromate aller Art ? Arrr, meine armen Steaks !!
Schöner Text! In Zukunft mehr davon, bitte.
Noch ein Hinweis zum guten Gastbetrag.
Der Bewehrungstahl muss nicht auf der Baustelle rumliegen damit er anrostet.
Es spielt schlicht keine Rolle ob rostige oder noch blanke Bewehrung eingebaut wird, und es dauert lange bis ein Armierungseisen so weit abgerostet ist, dass der benötigte Querschnitt über alle Sicherheiten zu gering ist.
Der Stahl im Beton rostet nicht weiter, weil im Beton durch Calciumhydroxid (Zementbestandteil) ein alkalisches Milieu herrscht. CO2 der Luft carbonatisiert (CaOH2+CO2->CaCO3+H2O) den Beton mit der Zeit von außen. (CaOH2+CO2->CaCO3+H2O) Sinkt der ph-Wert dann in der Umgebung des Stahls unter 10 kann Bewehrungskorrosion eintreten mit den entsprechenden Schäden.
Dagegen hilft die Betondeckung (Abstand des Stahles von der Außenkante des Betonbauteils).
https://de.wikipedia.org/wiki/Carbonatisierung_(Beton)
Liebe Kommentatoren, ich bin der Gründer der https://www.techlab.de ( keine Schleichwerbung, es gibt keinen „Endkundenverkauf“ im Sinne des Gesetzgebers) und beschäftige mich aus dieser Richtung mit rostfreien Materialien. Ich versuche in meinen Publikationen immer möglichst einfach und verständlich zu schreiben, wobei natürlich die eine oder andere Ungenauigkeit einfließt.
In Bezug „Baustahl“ bin ich kein ausgewiesener Fachmann, gebe ich offen zu. Wenn ich nun sage, ich bin Spezialist für die Hochdruckflüssigkeitschromatografie, wird sich wohl kaum ein Leser was drunter vorstellen können. Aber da rostet es mal richtig und wird auch teuer, wenn man nicht hochwertige Kapillaren und Verschraubungen aus Edelstahl nimmt. Da kommt dann auch die genaue Definition von Zugfestigkeit und Streckgrenze zum Tragen, wie ein Kommentator ganz richtig bemerkt. Edelstahl 1.4571 ist so „weich“, daß ich meinen Kunden immer wieder sagen mußte: nach fest kommt ab! Bitte vorsichtig anziehen.