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Sternengeschichten Folge 602: Flackersterne und außerirdisches Leben

Sterne flackern. Wenn wir nachts zum Himmel schauen, dann sehen wir die hellen Punkte der Sterne so gut wie nie konstant leuchten, sondern immer ein bisschen flackern. Das liegt aber an der Bewegung der Luft in der Erdatmosphäre, die das Sternenlicht ganz leicht ablenkt, weswegen die Sterne ein kleines bisschen hin und her zu springen scheinen. Wenn wir flackernde Sterne sehen, hat das nichts mit den Sternen selbst zu tun. Es sei denn, es handelt sich um „Flackersterne“. Das ist deutsche Übersetzung des Fachbegriffs „flare star“, wie diese Gruppe von Sternen normalerweise genannt werden. Oder auch „UV-Ceti-Sterne“ und deswegen werfen wir zu Beginn einen kurzen Blick auf den Namensgeber, den Stern UV Ceti selbst.

UV Ceti befindet sich im Sternbild Walfisch und ist ohne optische Hilfsmittel nicht zu sehen. Er treibt sich dort auch nicht alleine im Weltall herum, sondern ist Teil eines Doppelsternsystems. Das trägt den offiziellen Namen Gliese 65 oder Luyten 726-8. Und damit wir die ganze Sache mit den Namen gleich vom Tisch haben, erwähne ich auch noch, dass dieser Stern das erste Mal im Jahr 1948 in einem Katalog aufgetaucht ist, den der niederländische Astronom Wilhelm Luyten erstellt hat, als er auf der Suche nach Sternen war, die sich vergleichsweise schnell bewegen. Er wies seine Kollegen auf einen der Sterne hin – den mit der Katalognummer 726-8 – damit die den ein wenig genauer ansehen. Das haben Alfred Harrison Joy und Milton Humason mit dem großen Teleskop an der Mount-Wilson-Sternwarte ebenfalls noch 1948 erledigt und gleich einmal festgestellt, dass es sich dabei nicht um einen sondern um zwei Sterne handelt. Heute wissen wir, dass es sich bei beiden Komponenten dieses Doppelsternsystems um rote Zwergsterne handelt, mit jeweils einem Zehntel der Sonnenmasse und beide leuchten circa hunderttausend Mal schwächer als die Sonne. Das wir sie dennoch halbwegs gut mit dem Teleskop beobachten können liegt daran, dass sie uns mit einer Distanz von knapp 9 Lichtjahren recht nahe sind. Joy und Humason stellten bei ihren Beobachtungen auch fest, dass sich die Helligkeit dieser Sterne ändert, und deswegen haben sie die typische Bezeichnung für solche variablen Sterne bekommen, die aus einer Buchstabenkombination und dem Namen des Sternbilds besteht: UV Ceti und BL Ceti.

So, und jetzt wo wir mit den Namen durch sind, schauen wir uns an, was an ihnen und ganz besonders an UV Ceti so bedeutend ist, dass man gleich eine ganze Gruppe von Sternen so benannt hat. Sterne, die ihre Helligkeit ändern gibt es jede Menge; ich habe darüber schon in früheren Folgen der Sternengeschichten berichtet und es gibt jede Menge Gründe, warum Sterne das tun. Die Flaresterne beziehungsweise die UV-Ceti-Sterne sind aber eine ganz besondere Gruppe. Oder eigentlich auch nicht. Das, was dort passiert, passiert auch bei unserer Sonne. Wir wissen ja, dass es dort immer wieder Sonneneruptionen gibt. Die Sonne schleudert Material aus ihrer Atmosphäre hinaus ins All und so etwas nennt man „Flare“. Und bei Flaresternen passiert genau das, nur sehr viel heftiger.

Wir müssen uns also die Flares ein wenig genauer ansehen und wir tun das vorerst mal bei der Sonne. Die äußeren Schichten der Sonne sind durchsetzt von Magnetfeldern, die von der Bewegung der ganzen elektrisch geladenen Teilchen stammen, die sich dort befinden. Die Sonne ist so heiß, dass die elektrisch negativ geladenen Elektronen aus den Hüllen der Atome nicht mehr an den elektrisch positiv geladenen Atomkern gebunden sind. Dieses heiße Plasma bewegt sich und erzeugt Magnetfelder, die wiederum die Bewegung des Plasmas beeinflussen. Es geht also wild zu und ab und zu können sich die Magnetfelder neu arrangieren und dabei Energie abgeben. Ander gesagt: Es gibt immer wieder so etwas wie gewaltige Kurzschlüsse bei denen jede Menge Energie frei wird, die dann das Plasma noch mal extra aufheizt. Das führt einerseits dazu, dass Material aus der Sonnenatmosphäre ins All geschleudert wird. Und andererseits aber auch dazu, dass das extrem aufgeheizte Plasma hell leuchtet.

Flare auf der Sonne (Bild: NASA/TRACE gemeinfrei)

Während eines Flares wird ein Stern also ein wenig heller. Die Sonne ist allerdings ein vergleichsweise großer Stern und ihre Gesamthelligkeit wird durch die Flares die ab und zu stattfinden, nicht dramatisch verändert. Bei den Flaresternen ist es anders. Dabei handelt es sich üblicherweise um rote Zwerge, also Sterne, die sehr viel weniger Masse haben als die Sonne und auch kleiner sind. Jetzt könnte man meinen, dass kleinere Sterne auch nicht so große Flares produzieren können. Tatsächlich ist es aber genau andersherum. Die Stärke der Flares wird von der Stärke des Magnetfeldes bestimmt und rote Zwerge können enorm starke Magnetfelder haben, gerade weil sie so klein sind.

In Sternen wie der Sonne gibt es, sehr grob eingeteilt, zwei unterschiedliche Zonen. Ganz im Inneren findet die Kernfusion statt und die dabei freiwerdende Energie wird in Form von Strahlung nach außen transportiert. Die Strahlung wird aber durch die Wechselwirkung mit der dichten Materie im Sonneninneren immer wieder abgelenkt, sie verliert Energie und irgendwann kommt sie – vereinfacht gesagt – nicht mehr vorwärts. Das ist dann der Punkt, an dem die Energie durch Konvektion weiter transportiert wird. Die Energie heizt das Plasma der Sonne auf, das heiße Plasma steigt an die Oberfläche, kühlt dort ab und sinkt wieder nach unten. Das ist der gleiche Prozess, der auch in einem Topf voll kochendem Wasser stattfindet und der Grund, warum das Wasser brodelt. In der Sonne gibt es also eine Strahlungszone innen und weiter außen eine Konvektionszone. Und die Bewegung des Plasmas durch die Konvektion ist es auch, die zu einem großen Teil für die Stärke des Magnetfeldes verantwortlich ist.

Bei Roten Zwergsternen ist das anders. Sie sind kühler und es gibt in ihrem Inneren quasi keine Strahlungszone. Die Energie wird direkt aus dem Kern per Konvektion transportiert oder anders gesagt: Der ganze Stern ist eine Konvektionszone; seine gesamte Masse wird quasi ständig durchgerührt. Durch diese großflächigen Bewegungen kann das Magnetfeld verstärkt werden, das ist wie beim Fahrraddynamo. Na ja, fast wie beim Fahrraddynamo. Eigentlich gar nicht wie beim Fahrraddynamo. Aber das Phänomen nennt sich trotzdem „Dynamo-Effekt“, und beschreibt die Entstehung von Magnetfeldern, wenn man elektrisch leitfähiges Plasma hat und einen Stern, der schnell rotiert. Die Details sind nicht unkompliziert, drum lasse ich sie jetzt auch aus. Aber kurz gesagt: Je großflächiger die Bewegung des Plasmas durch die Konvektion ist und je schneller ein Stern rotiert, desto stärker das Magnetfeld.

Wir wissen, dass rote Zwerge eine starke Konvektion haben. Und wenn es sich um junge rote Zwerge handelt, dann ist auch die Chance groß, dass sie schnell rotieren. Denn junge Sterne rotieren im Allgemeinen schneller als alte. Im Laufe der Zeit verliert ein Stern ein wenig seiner Rotationsenergie, zum Beispiel durch die ganze Materie, die er bei Flares ins All schleudert. Oder durch die Wechselwirkung mit seinem eigenen Magnetfeld, was man sich wie eine magnetische Bremse vorstellen kann.

Also: Rote Zwerge die jung sind, haben besonders starke Magnetfelder und dadurch auch besonders starke Flares. Und „stark“ heißt hier auch wirklich stark. Das, was Alfred Harrison Joy und Milton Humason 1948 bei UV Ceti beobachtet haben, war wirklich gewaltig. Daten, die innerhalb weniger Tage aufgenommen wurde, haben einen Anstiegt der Temperatur des Sterns um 10.000 Grad gezeigt und seine Helligkeit ist um vier Größenklassen gestiegen, also um fast das 40fache.

Wir können froh sein, dass unsere Sonne halbwegs ruhig ist. Ok, ab und zu gibt es größere Ausbrüche, aber im großen und ganzen verhält sie sich friedlich. Auf Flaresternen geht es dagegen richtig rund. Es gibt ständig Ausbrüche, die viel gewaltiger sind als bei uns. Und das hat Konsequenzen. Wenn das Material, das bei den Flares ins All geschleudert wird, auf einen Planeten trifft, kann es dort geomagnetische Stürme geben. Was vorerst nur dann ein Problem ist, wenn es auf dem Planeten auch eine elektrische Infrastruktur gibt, die dadurch geschädigt werden kann. Aber wenn das geladene Zeug eines Sterns auf das Magnetfeld eines Planeten trifft, kann das dadurch verändert und abgeschwächt werden. Und dann kann viel mehr Strahlung auf die Oberfläche treffen, was an sich schon nicht gut ist und noch blöder bei einem Stern, der dazu neigt, unvorhersagbar seine Helligkeit und damit auch das Ausmaß der gefährlicheren Strahlungsarten, wie UV- oder Röntgenstrahlung, zu erhöhen. Im schlimmsten Fall kann die Strahlung die Atmosphäre eines Planeten komplett wegpusten. Oder anders gesagt: Planeten in der Nähe von Flaresternen sind keine guten Orte für Leben.

Ein roter Zwerg ruiniert einen Planeten (Künstlerische Darstellung: NASA, ESA, and D. Player (STScI))

Ein weiteres Problem: Flaresterne sind, wie ich vorhin erzählt habe, vor allem klein und kühl. Das heißt, ein Planet, der ausreichend viel Wärme abkriegen will, damit dort Leben existieren könnte, müsste so einem Stern auch sehr nahe sein und damit voll in der Gefahrenzone. Rote Zwergsterne sind außerdem noch bei weitem die häufigste Klasse von Sternen im Universum. Ungefähr drei Viertel aller Sterne sind rote Zwergsterne; Sterne wie unsere Sonne machen nur circa 6 Prozent aus.

Wir leben also in einem Universum, wo gerade die häufigsten Sterne die Art von Sternen sind, die dazu neigen, Planeten in ihrer Nähe durch Flares quasi zu grillen und Leben unmöglich zu machen. Aber vielleicht ist die Lage doch nicht so düster. 2020 haben Forscherinnen und Forscher sich – in Computermodellen – die Atmosphären von Planeten in der Nähe von Flaresternen angesehen und mit denen von Planeten bei normalen Sternen verglichen. Der Einfluss der Flares hat natürlich auch die chemische Zusammensetzung der Atmosphären verändert. Die Arbeit hat nichts an der Erkenntnis geändert, das Leben auf Planeten bei Flaresternen einen schweren Stand hat. Aber dort, wo es vielleicht gelernt hat, mit den harten Bedingungen klar zu kommen, können Flares die Chemie der Atmosphäre so verändern, dass wir es von der Erde aus mit unseren Instrumenten leichter nachweisen können.

Das macht zumindest noch ein klein wenig Hoffnung. Immerhin ist der uns nächstgelegene Planet eines anderen Sterns ein Planet, der Proxima Centauri umkreist. Dieser 4 Lichtjahre entfernte Stern hat mindestens 2 und vielleicht sogar drei Planeten und einer davon wäre sogar im richtigen Abstand für lebensfreundliche Bedingungen. Proxima Centauri ist allerdings ein roter Zwerg und Flarestern. Ob es dort tatsächlich Leben geben kann und vielleicht sogar Leben gibt, werden wir aber wohl erst wissen, wenn wir Flaresterne besser verstanden – und eine Raumsonde zu unserem Nachbarn im All geschickt haben.

Ein Gedanke zu „Sternengeschichten Folge 602: Flackersterne und außerirdisches Leben“
  1. „UV Ceti befindet sich im Sternbild Walfisch und ist ohne optische Hilfsmittel nicht zu sehen“

    Das Sternbild Walfisch taucht auch in der griechischen Mythologie auf. Dort gibt es das Meeresungeheuer Keto, dieses wurde von Perseus getötet. Es ging nämlich darum, Perseus die schöne Prinzessin Andromeda retten wollte. Das tote Meeresungeheuer Keto wurde von den Göttern als Sternbild Walfisch (Cetus) an das Himmelszelt befördert ->

    https://www.mythologie-antike.com/t18-meeresungeheuer-keto-zum-gluck-von-perseus-getotet

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