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Sternengeschichten Folge 597: Der grüne Blitz
1882 hat der französische Autor Jules Verne in seinem Buch „Der grüne Strahl“ folgendes geschrieben:
„»Haben Sie jemals die Sonne beobachtet, wenn sie unter einem Meereshorizonte verschwand? – Ja, sicherlich. Sind Sie ihr auch mit dem Blick gefolgt bis zu Moment, wo sie, wenn der obere Rand ihrer Scheibe den Wasserrand berührt, eben gänzlich untergehen will? – Höchst wahrscheinlich. Aber haben Sie dabei die Erscheinung bemerkt, welche genau in dem Augenblicke auftritt, wo sie uns, vorausgesetzt, daß der dunstlose Himmel eine durch nichts gestörte Fernsicht gewährt, ihren letzten Strahl zusendet? – Nein, vielleicht nicht. Nun, so bald sich Ihnen eine Gelegenheit bietet – und das ist nur selten der Fall – bei der Sie diese Beobachtung machen können, so werden Sie wahrnehmen, daß nicht, wie man glauben könnte, ein rother, sondern ein »grüner« Strahl die Netzhaut des Auges trifft, aber ein Strahl von ganz wunderbarem Grün, von einem Farbenton, wie ihn kein Maler auf seiner Palette erzeugen kann, einem Grün, welches die Natur selbst weder in der so verschiedenen Färbung der Pflanzen, noch in der der klarsten, durchsichtigsten Meere jemals wieder in gleicher Nuance hervorbringt. Wenn es im Paradiese Grün gibt, so kann es nur das hier gemeinte sein, welches ohne Zweifel das wirkliche Grün der Hoffnung darstellt!«
So lautete der Artikel der »Morning-Post«, welches Blatt Miß Campbell beim Eintritt in den Salon in der Hand hielt. Die kurze Notiz hatte sie vollkommen eingenommen. Mit enthusiastischer Stimme las sie ihren beiden Onkels auch die angeführten wenigen Zeilen vor, welche in lyrischer Form die Schönheit jenes Grünen Strahles priesen.
Miß Campbell sagte dabei aber nicht, daß gerade dieser Grüne Strahl mit einer alten Legende in Verbindung steht, deren wirklicher Sinn ihr bisher verborgen geblieben war, einer gleich vielen anderen überhaupt unerklärten sagenhaften Ueberlieferung, nach welcher derjenige, der jenen Grünen Strahl nur einmal gesehen, sich in Herzenssachen nicht mehr täuschen könne; sein Erscheinen zerstört alle Illusionen und Unwahrheiten; wer so glücklich war, ihn nur einmal wahrzunehmen, sieht dann eben so klar im eigenen Herzen wie in dem Anderer.“
Ok, Jules Verne hat sich jede Menge irres Zeug ausgedacht. Eine Reise zum Mittelpunkt der Erde. Ein riesiges U-Boot. Ein Raumschiff das mit einer gigantischen Kanone zum Mond geschossen wird. Und so weiter. In „Der grüne Strahl“ geht es aber nicht um Raumfahrt, Abenteuer im Inneren der Erde oder sonst irgendwas utopisches. Es ist eigentlich nur ein Liebesroman und auch dieser seltsame grüne Strahl der Sonne ist keine Science Fiction sondern echte Science.
Die Sonne kann tatsächlich grün aufleuchten und wenn wir verstehen wollen, warum sie das tut, müssen wir uns zuerst einmal mit der Lichtbrechung beschäftigen. Lichtbrechung bedeutet, dass eine Lichtwelle ihre Richtung ändert, wenn sie sich von einem Medium in ein anderes Medium bewegt. Zum Beispiel von der Luft ins Wasser; ein Phänomen das alle schon mal beobachtet haben und das dazu führt, dass es immer ein wenig komisch aussieht, wenn man zum Beispiel von außerhalb auf Objekte blickt, die sich am Boden eines Swimmingpools befinden – oder wenn man umgekehrt von unter der Wasseroberfläche das beobachtet, was sich außerhalb des Wassers befindet. Warum Lichtwellen ihre Richtung ändern, wenn sie das Medium wechseln durch das sie sich bewegen, ist gar nicht so einfach zu erklären, und deswegen verschieben wir diese Erklärung auch auf eine andere Folge der Sternengeschichten. Aber sie tun es und sie tun es auch, wenn sie zum Beispiel vom Vakuum des Weltalls auf die Atmosphäre der Erde treffen. Oder wenn sie unterschiedlich dichte Schichten der Erdatmosphäre durchqueren. Und wie stark die Lichtwellen dabei ihre Richtung ändern, hängt von ihrer Wellenlänge ab. Oder anders gesagt: Von der Farbe des Lichts. Blaues Licht hat eine kürzere Wellenlänge als zum Beispiel rotes Licht und es wird deswegen auch stärker abgelenkt.
Zurück zur Sonne: Von dort kommt ja Licht in allen Farben zu uns, deswegen erscheint sie uns ja auch weißlich. Alle Farben sind zusammengemischt. Wenn das Sonnenlicht jetzt die Erdatmosphäre durchquert, dann wird es natürlich auch gebrochen. Was bedeutet das? Zuerst einmal, dass die Sonne in Wahrheit nicht dort am Himmel steht, wo wir sie sehen. Das klingt komisch, ist aber tatsächlich so. Stellen wir uns vor, wir stehen an einem schönen Strand, der Himmel ist klar und es ist Abend. Die Sonne geht unter und ihr unterer Rand berührt gerade den Horizont. Und anstatt jede Menge Fotos des Sonnenuntergangs zu machen oder eine romantische Liebeserklärung oder was man halt sonst üblicherweise so in der Abendstimmung am Meer macht, denken wir lieber ein wenig über die Physik des Lichts nach. Das Licht der Sonne wird, wie ich gerade erklärt habe, gebrochen. Es ändert also seine Richtung und in diesem Fall bedeutet es, dass es quasi ein wenig gebogen wird und zwar in Richtung des Erdbodens. Oder anders gesagt: Wenn wir die Sonne gerade den Horizont berühren sehen, dann ist sie eigentlich schon untergegangen. Aber die Lichtbrechnung sorgt dafür, dass ihr Licht quasi noch um den Horizont herum gebogen wird. Das Bild der Sonne, das wir sehen, ist ein bisschen nach oben verschoben. Der Effekt ist um so stärker, je mehr Atmosphäre das Licht durchqueren muss und deswegen merkt man das bei Sonnenauf- und untergang am stärksten. Da reicht die Lichtbrechung tatsächlich, um die Sonne noch sichtbar sein zu lassen, obwohl sie schon unter dem Horizont steht.
Das ist der erste wichtige Punkt. Der zweite hat damit zu tun, dass die Lichtbrechnung eben auch von der Wellenlänge abhängt. Wir können uns die weiße Sonnenscheibe, die wir am Himmel sehen als Überlagerung jeder Menge farbiger Sonnenbilder vorstellen. Eine blaue Sonne, eine gelbe Sonne, eine grüne Sonne, eine rote Sonne, und so weiter. Und wenn wir all diese Bilder übereinanderlegen, kommt die normale weiße Sonne raus (und ich muss hoffentlich nicht dazu sagen, dass man bitte nicht ohne Schutz direkt in die Sonne schauen soll, schon gar nicht mit einem Fernglas oder Teleskop). Wenn jetzt die Lichtbrechung in der Nähe des Horizonts aber besonders stark ist, werden die einzelnen farbigen Sonnenbilder ein wenig zueinander verschoben. Blaues Licht wird am stärksten abgelenkt, grünes Licht ein bisschen weniger stark, gelbes noch weniger und das rote am wenigsten. Der blaue Anteil des Sonnenlichts oder eben das blaue Bild der Sonne steht also am höchsten, darunter das grüne Bild, und so weiter. Wie gesagt: Der Effekt ist nicht enorm groß, und wir sehen bei Sonnenauf- oder untergang ja auch nicht jede Menge bunte Sonnenbilder am Himmel stehen. Die farbigen Bilder überlappen sich immer noch so sehr, dass wir vor allem die Mischung des Lichts sehen und die übliche gelblich-weiße Sonne. Der Effekt der Lichtbrechung wird nur an den Rändern sichtbar. Die Oberkante der Sonnenscheibe hat einen schmalen blauen Rand und die Unterkante leuchtet rötlich.
Normalerweise können wir das nicht sehen; dafür ist das Phänomen zu wenig ausgeprägt. Unter bestimmten Bedingungen kann der Effekt aber verstärkt werden. Ganz besonders dann, wenn die Temperaturunterschiede in der Atmosphäre besonders groß sind. Zum Beispiel am Meer, wenn die Luft über dem Wasser kühler ist, aber auch an Land. Es muss halt nur der Boden wärmer sein als die Luft darüber – was in der Wüste sehr oft der Fall ist. Und in der Wüste kann man auch die dann entstehenden charakteristischen Luftspieglungen beobachten, die man auch „Fata Morgana“ nennt. Wenn man so etwas bei der untergehenden Sonne sehen kann, stehen die Chancen gut, auch einen grünen Blitz sehen zu können.
Denn dann ist die Lichtbrechnung stark ausgeprägt. Die Sonne geht unter und – erinnern wir uns wieder an die überlagerten farbigen Bilder – zuerst tut das die rote Sonnenscheibe. Dann kommt die gelbe Sonnenscheibe und als letztes geht die grüne Sonnenscheibe unter. Ok, eigentlich geht als letztes die blaue Sonnenscheibe unter. Aber gerade weil der blaue Anteil des Lichts so stark gebrochen wird, erreicht kaum etwas davon direkt unser Auge. Das blaue Licht wird in alle Richtungen gestreut, und das ist ja auch der Grund, warum der Himmel für uns blau erscheint. Also: Der rote/gelbe Anteil des Lichts ist schon unter dem Horizont. Der blaue Anteil kommt nicht bis zu uns. Übrig bleibt also nur der grüne Teil und in den wenigen Sekunden, die es braucht, bis die komplette Sonne tatsächlich hinter dem Horizont verschwunden ist, kann genau dieser Anteil zu sehen sein. Es gibt einen grünen Blitz!
Um dieses Phänomen beobachten zu können, braucht es aber nicht nur die schon beschriebenen Bedingungen in der Atmosphäre, der Himmel sollte auch wirklich klar sein; es sollten keine künstlichen Lichtquellen in der Nähe sein, und so weiter. Man muss also Glück haben. Und da schließt sich der Kreis wieder, zurück zu Jules Verne. Auch in der Liebe braucht man ein wenig Glück denn leider hilft der Anblick des grünen Blitzes in der echten Welt dann doch nicht dabei, dass man sich in Herzensangelegenheiten nicht mehr irren kann.
Der letzte Satz ist ja wirklich ernüchternd, Danke dafür 😉 Aber so ist Wissenschaft nun mal, kann man nix machen.
„Dann kommt die gelbe Sonnenscheibe und als letztes geht die grüne Sonnenscheibe unter“
In den Mythologien wird die Sonne tatsächlich als Scheibe gedacht, z. B. Aton in der ägyptischen Mythologie und Helios in der griechischen
Mythologie ->
https://www.mythologie-antike.com/t94-helios-sonnengott-mit-gespann-von-vier-pferden-uber-den-himmel-gezogen