Bild: ESO, CC-BY 4.0

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Sternengeschichten Folge 571 – Die Dunkelwolke Barnard 68

Die Astronomie ist oft sehr direkt, wenn es darum geht, Dinge zu benennen. Wenn es also in der heutigen Folge um „Dunkelwolken“ geht, dann ist es also auch wenig überraschend, wenn ich erkläre, dass eine „Dunkelwolke“ eine dunkle Wolke ist. Aber ein bisschen komplexer ist es natürlich schon. Es geht nicht um Wolken, wie wir sie bei uns am Himmel finden, dunkel oder nicht. Die astronomischen Dunkelwolken sind deutlich größer; die können einige Lichtjahre groß sein.

Sie bestehen vor allem aus Wasserstoff, enthalten aber auch jede Menge andere Moleküle; das, was man üblicherweise als „kosmischen Staub“ bezeichnet. Die typische Dichte einer Dunkelwolke liegt bei 100 bis 300 Molekülen pro Kubikzentimeter. In einem Labor auf der Erde wäre das ein ziemlich perfektes Vakuum; im noch viel leereren Weltraum ist das aber eine ganze Menge; vor allem wenn man all die Kubikzentimeter zusammenzählt, die in einen Durchmesser von ein paar Lichtjahren passen.

Eine Dunkelwolke ist also eine enorm große Ansammlung von Gas und Staub, die sich zwischen den Sternen befindet. Und sie ist deswegen dunkel, weil der ganze Staub das Licht der Sterne blockiert, die sich von uns aus gesehen hinter der Wolke befinden. Eine Dunkelwolke sieht also für uns tatsächlich wie ein dunkler Fleck aus, der sich am ansonsten von Sternen übersääten Himmel befindet; fast so wie ein Loch im Universum.

Die uns nächstgelegene Dunkelwolke ist – vermutlich – diejenige mit der Bezeichnung „Barnard 68“. Die trägt sie deswegen, weil der amerikanische Astronom Edward Emerson Barnard 1927 einen Katalog voller Dunkelwolken publiziert hat, in dem diese Wolke Nummer 68 war. Sie schaut aus wie ein typischer formloser Blob, sofern es so etwas wie einen „typischen formlosen Blob“ überhaupt geben kann. Aber es ist halt nicht jede Dunkelwolke so formschön wie etwa der Pferdekopfnebel, den ich in Folge 425 der Sternengeschichten ausführlich vorgestellt habe. Aber Barnard 68 mangelnde Formgebung wird durch seine Nähe zu Erde auf jeden Fall wettgemacht. Die Distanz liegt bei circa 500 Lichtjahren und weil diese Wolke eben eine deutlich höhere Dichte hat als das umgebende Weltall und uns so nahe ist, können wir sie besonders gut beobachten.

Und wir wollen sie besonders gut beobachten! Denn diese Wolken sind genau die Objekte, aus denen später einmal Sterne entstehen. Wenn die Wolke unter ihrem eigenen Gewicht in sich zusammenfällt, ist das Resultat ein Stern. Beziehungsweise meistens mehrere Sterne. Aber bei Barnard 68 ist das noch passiert und deswegen ist diese Dunkelwolke ein super Forschungsobjekt, wenn wir verstehen wollen, wie Sterne entstehen.

Fangen wir damit an, was wir wissen. Barnard 68 hat einen Durchmesser von circa einem halben Lichtjahr. Die Masse der Wolke ist größtenteils Wasserstoff, was blöd ist, weil sich der so schlecht beobachten lässt. Zumindest wenn er so kalt ist wie der Wasserstoff in solchen Wolken üblicherweise ist, nämlich circa -264 Grad Celsius; nur knapp 10 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Wir wissen aber auch, dass da jede Menge Staub drin ist; diverse komplexere Molekül-Ansammlungen die ein paar Mikrometer groß sind. Diese Teilchen haben die Angewohnheit, Lichtwellen zu blockieren und zwar umso stärker, je kürzer die Wellenlänge des Lichts ist. Deswegen erscheinen sie uns ja auch dunkel, wenn wir mit normalen Teleskopen hinschauen. Das Licht der dahinter liegenden Sterne wird vom Staub blockiert und wir können nix sehen. Aber wenn wir langwelligeres Licht beobachten, sieht die Sache ganz anders aus. Infarotstrahlung zum Beispiel. Die können unsere Augen nicht sehen, aber mit den passenden Teleskopen ist es überhaupt kein Problem. Und die langwellige Infrarotstrahlung wird von der Wolke sehr viel weniger oder gar nicht blockiert. Anders gesagt: Für ein Infrarotteleskop wird die Wolke durchsichtig und wir können das Licht der Sterne sehen, die hinter der Wolke liegen.

Barnard 68 im normalen Licht und mit Infrarotteleskop (Bild: ESO, CC-BY 4.0)

Man wird natürlich immer noch eine Abschwächung des Lichts beobachten. Vor allem in der zentralen Region der Wolke, wo der Staub am dichtesten ist und das Licht der Hintergrundsterne die größte Strecke durch den Staub zurücklegen muss. Aber genau das hilft uns dabei, die Struktur von Barnard 68 zu verstehen. Die Details sind kompliziert: Aber wenn man sich ansieht, wie sich das Licht der Sterne verändert hat, die man durch die Wolke hindurch beobachtet hat, kann man daraus berechnen, wie viel Staub dieses Licht durchquert hat. Und bekommt so eine Ahnung von der Staubverteilung innerhalb der Wolke. Durch den Vergleich der Daten mit anderen Beobachtungen und diverser komplexer Berechnungen kann man aus der Menge an Staub auch auf die Menge an Wasserstoffgas in der Wolke schließen und bekommt so eine Gesamtmasse. Bei Barnard 68 liegt sie bei circa der dreifachen Sonnenmasse und nur ein Hundertstel davon ist der Staub, der das Licht blockiert.

Das ist aber erst der Anfang. Diese Beobachtungen von Barnard 68 haben auch gezeigt, wie stark das Licht abgeschwächt wird. Um 35 Größenklassen, was echt sehr, sehr viel ist. Zum Vergleich: Würden wir das Licht der Sonne so sehr abschwächen, dann wäre es auf der Erde stockfinster. Wir könnten die Sonne nicht mal mehr mit freiem Auge wahrnehmen und bräuchten ein vergleichsweise gutes Teleskop, um sie sehen zu können.

Kurzer Einschub: Wenn eine Wolke das Licht so stark verfinstern kann. Und wenn diese Wolken überall da draußen in der Milchstraße sind. Und wenn sich Sterne und Wolken durch die Milchstraße bewegen: Kann es da nicht sein, dass so eine Wolke mal mit dem Sonnensystem kollidiert? Oder besser gesagt: Kann es sein, dass die Sonne auf ihrem Weg durch die Galaxis mal durch so eine Wolke durchfliegt und dann alles auf einmal finster wird? Nun ja – unmöglich ist es nicht. Wir würden dann zuerst bemerken, dass das Licht der Sterne sehr viel weniger hell leuchtet als früher. Es würde vermutlich wenig von dem Staub und Gas der Wolke in das innere Sonnensystem gelangen; da schützt uns die Heliosphäre der Sonne. Also der Bereich, in dem der Sonnenwind noch vergleichsweise stark ist. Die Teilchen, die die Sonne ständig hinaus ins All bläst halten die Teilchen der Wolke davon ab, zu tief ins Sonnensystem einzudringen. Aber wenn die Wolke dicht genug ist, könnte trotzdem was davon bis zu uns gelangen. Dann würde es zwar nicht stockfinster, aber es könnte schon ein wenig dunkler werden auf der Erde, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Temperatur oder die Photosynthese der Pflanzen. Es gibt Hypothesen, die vergangene Massensterben und Eiszeiten auf den Durchgang des Sonnensystems durch eine Dunkelwolke zurückführen. Aber es gibt keine wirklich guten Belege dafür, dass das wirklich so war.

Bleiben wir bei dem, was wir tatsächlich wissen und bei Barnard 68. Die Daten zeigen aber auch, dass Barnard 68 gerade in einer ganz besonderen Phase sein muss. Es dauert typischerweise nur ein paar 100.000 Jahre bis so eine Wolke zu einem Stern kollabiert. Das ist aus astronomischer Sicht ein sehr kurzer Zeitraum und Barnard 68 kann auf diesem Weg noch nicht sehr weit gekommen sein. Wäre der Kollaps der Wolke schon wesentlich voran geschritten, dann wäre der Staub in ihrem Zentrum schon so dicht, dass wir auch mit Infrarotteleskopen nicht mehr durchsehen könnten. Barnard 68 muss sich also tatsächlich in den allerersten Phasen des Prozesses befinden, bei dem am Ende ein Stern entsteht. Deswegen ist ihr Inneres, wie die Messungen zeigen, auch vergleichsweise homogen – es gibt dort keine Klumpen, wie man es gegen Ende der Sternentstehung erwarten würde.

Barnard 68 befindet sich also noch in einem einigermaßen guten Gleichgewicht. Die Teilchen in der Wolke bewegen sich; nicht viel, weil es ja so kalt dort ist. Aber ein bisschen Bewegung ist vorhanden und die erzeugt einen nach außen gerichteten Druck, der der nach innen gerichteten Kraft entgegen wirkt, die von der Gravitation der Masse der Wolke stammt. Weil die Wolke so ausgedehnt ist, also vergleichsweise wenig Masse auf vergleichsweise viel Raum verteilt, ist die Gravitationskraft, die sie auf sich selbst ausübt und die zu einem Kollaps führen kann, ziemlich schwach. Und der Druck der Teilchen reicht aus, um den Kollaps zu verhinden. Noch jedenfalls. Die Wolke verhält sich aktuell so wie eine Seifenblase, die zwar ein bisschen vor sich hin wobbelt, aber nicht dauerhaft größer oder kleiner wird. Nur wenn die Gravitationskraft in Barnard 68 ausreichend lange die Oberhand gewinnt, kann die Wolke kollabieren und zu einem Stern werden.

Wann das passiert, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass wir hier eine wirklich gut Gelegenheit haben, die allerersten Schritte zu beobachten, die gegangen werden müssen, wenn ein großer Haufen Wasserstoff und Staub ein Stern werden möchte. Und deswegen werden wir diesen dunklen Fleck im Universum auch weiterhin sehr genau im Blick behalten.

Ein Gedanke zu „Sternengeschichten Folge 571 – Die Dunkelwolke Barnard 68“
  1. Vielen Dank für diese, meine erste Sternengeschichte. Anschaulich geschrieben und faszinierend. Ich werde den Blick vermehrt in diesen Blog und damit ins Universum richten.

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