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Sternengeschichten Folge 534: Quaoar, ein besonderer Asteroid

Im Jahr 2002 konnte man in einigen Medien lesen, dass der „zehnte Planet“ unseres Sonnensystems entdeckt worden ist. Zur Erinnerung: Damals galt auch Pluto noch als Planet, nämlich als Planet Nummer Neun. Erst 2006 war die Astronomie so weit, die fehlerhafte Klassifikation von Pluto als Planet zu korrigieren. Aber damals hatte das Sonnensystem ganz offiziell noch 9 Planeten und – zumindest den Schlagzeilen im Jahr 2002 zufolge – vielleicht bald 10.

Die amerikanischen Astronomen Chad Trujilo und Mike Brown hatten am 4. Juni 2002 Beobachtungen am Palomar-Observatorium in Kalifornien angestellt. Sie waren auf der Suche nach noch unbekannten Asteroiden im äußeren Sonnensystem. Und wurden an diesem Abend fündig. Das merkten sie aber erst 2 Tage später, als sie die Bilder am Computer auswerteten. Im Sternbild Schlangenträger bewegte sich ein Himmelskörper um die Sonne, der bisher noch unbekannt war. Die ersten Daten zeigten, dass er noch weiter entfernt von der Sonne ist als Pluto. Zumindest teilweise, denn Plutos Umlaufbahn ist sehr langgestreckt. Am sonnennächsten Punkt ist Pluto knapp 30 mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde, am sonnenfernsten Punkt ist es der 50fache Erdabstand. Der neu entdeckte Himmelskörper hat eine mehr kreisförmige Bahn und die Extreme ändern sich nicht so stark. Er kommt der Sonne nie näher als die 41fache Distanz zwischen Erde und Sonne und am fernsten Punkt ist er gut 45mal so weit entfernt wie die Erde.

Übrigens: Die Bestimmung der Bahn gelang nicht allein mit den Bildern die am 4. Juni 2002 aufgenommen wurden. Je mehr Bilder man hat und je größer der Zeitraum zwischen den Aufnahmen ist, desto genauer kann man die Bahn bestimmen. Trujilo und Brown haben sich also sofort auf die Suche nach sogenannten „precoveries“ gemacht. Sie haben abgeschätzt, wo sich der Himmelskörper in der Vergangenheit befunden haben könnte und dann in den Archiven nach Aufnahmen von diesen Himmelsregionen gesucht. Und dort dann nachgesehen, ob sie das neu entdeckte Objekt finden können. Das kommt öfter vor als man denken würde. Denn ist natürlich nicht möglich, bei jeder astronomischen Aufnahmen jeden einzelnen Lichtpunkt zu identifizieren. Meistens ist man ja nur an einem bestimmten Stern oder anderem Objekt interessiert und macht sich nicht die Mühe, all die anderen Objekte auf dem Bild auch noch im Detail zu untersuchen. Aber wenn man weiß, wonach man sucht, wird man in den alten Daten oft fündig. In dem Fall gleich mehrfach; die ältesten Bilder die das neu entdeckte Objekt zeigten waren aus dem 1983 und noch auf klassischen Fotoplatten. Auf jeden Fall war mit diesen precoveries eine genaue Bestimmung der Bahn und des Abstands zur Erde möglich.

Wie jeder andere neu entdeckte Asteroid bekam auch dieser vorerst eine sogenannte „provisorische Bezeichnung“ aus Zahlen und Buchstaben, mit denen der Zeitpunkt der Entdeckung kodiert wird: 2002 LM60. Es war auch ziemlich bald klar, dass es sich um ein vergleichsweise großes Objekt handeln muss. 2002 LM60 war recht hell und angesichts seiner großen Entfernung von der Sonne muss er auch recht groß sein. Man schätzte den Durchmesser auf 1300 Kilometer. Damit wäre er immerhin halb so groß wie Pluto gewesen und das größte Objekt, das man seit Plutos Entdeckung 1930 im Sonnensystem bis dahin gefunden hätte. Und egal ob Planet oder nicht – so ein großes Ding braucht natürlich auch einen Namen. Die Entdecker suchten in der Mythologie der amerikanischen Ureinwohner, insbesondere von denen, die in der Nähe der Palomar-Sternwarte lebten, nach Ideen. Ihr Vorschlag: Quaoar, nach der Schöpfergottheit der Tongva, die früher dort lebten, wo sich heute Los Angeles befindet.

Der Name wurde bekannt gegeben, noch bevor die Internationale Astronomische Union, die eigentlich für solche Benennungen zuständig ist, sich dazu äußern konnte. Denn normalerweise läuft es so, dass ein Asteroid nach seiner Entdeckung eine provisorische Bezeichnung bekommt und dann, wenn seine Bahn ausreichen gut bestimmt worden ist, eine offizielle Nummer. Und erst dann wird ein echter Name gesucht und vergeben. In diesem Fall war der Name vor der Nummer da, aber die IAU war nicht böse. Im Gegenteil, sie gab Quaoar die Nummer 50.000, um die Tatsache hervorzuheben, dass es sich wegen seiner Größe um ein besonderes Objekt handelt. Normalerweise werden die Asteroiden ja einfach in der Reihenfolge ihrer Entdeckungen durchnummeriert, aber für Quaoar hat man eine Ausnahme gemacht und ihn mit der schönen, runden Nummer 50.000 einsortiert.

Quaoar und Weywot, gesehen vom Hubble-Teleskop (Bild: gemeinfrei)

Mittlerweile wissen wir, dass die ersten Schätzungen über die Größe von Quaoar etwas zu groß war. Der Asteroid hat einen Durchmesser von gut 1100 Kilometern, was aber immer noch sehr groß ist. Und besonders ist Quaoar auf jeden Fall. Wie alle größeren Objekte in der Region hinter der Umlaufbahn von Neptun ist auch Quaoar ein eisiger Himmelskörper. Seine Oberfläche ist mit gefrorenem Methan, Ethan, Ammoniak und Stickstoff bedeckt. Man hat aber auch Wassereis gefunden und Hinweise darauf, dass das Innere von Quaoar ein wenig wärmer ist. So warm, dass dort Wasser vielleicht auch flüssig sein kann und durch Spalten an die Oberfläche dringt. So einen „Eisvulkanismus“ kennen wir auch von anderen Himmelskörpern, aber auch der ferne Quaoar zeigt, dass das Phänomen vielleicht häufiger ist, als man dachte.

2007 gab es dann die nächste Entdeckung bei Quaoar. Mike Brown hatte sich noch einmal die Bilder angesehen, die im Jahr zuvor mit dem Hubble-Weltraumteleskop gemacht wurden. Damals wollte man eigentlich nur möglichst gute Daten des neu entdeckten Objekts sammeln und Quaoar war tatsächlich auch der erste Asteroid hinter der Neptunbahn der mit Hubble untersucht wurde. Auf den Bildern war aber bei genauerer Betrachtung noch mehr zu erkennen: Nämlich ein kleiner Mond, der um Quaoar kreist. Diesmal fragte Mike Brown gleich direkt bei den Tongva selbst nach einem Namen für das Objekt und die Wahl fiel auf Weywot, den Himmelsgott und Sohn von Quaoar in der Mythologie der Ureinwohner. Weywot hat einen Durchmesser von circa 170 Kilometern und umkreist den Asteroid in einem Abstand von 14.500 Kilometer. Das Asteroiden Monde haben beziehungsweise es Doppelasteroide gibt ist nicht ungewöhnlich. Man hat schon einige davon gefunden und meistens entsteht so etwas bei Kollisionen, wo Bruchstücke des größeren Objekts dann in einer Umlaufbahn landen. Vermutlich war das auch bei Quaoar der Fall, der in der Vergangenheit mit einem anderen großen Asteroid zusammengestoßen sein muss.

Damit ist die Geschichte über den besonderen Asteroid aber noch nicht zu Ende. Im Februar 2023 gab die Europäische Weltraumagentur die Ergebnisse bekannt, die bei der Beobachtung von Quaoar durch CHEOPS gewonnen wurden. CHEOPS ist ein kleines Weltraumteleskop und der Name steht für „CHaracterising ExOPlanet Satellite“. Und wie dieser Name sagt, ist es der eigentliche Job dieses Instruments, sich die Planeten anderer Sterne genauer anzusehen. Das tut das Teleskop, in dem es die Helligkeit von Sternen sehr genau misst und nach Verdunkelungem sucht, die durch vorbeiziehende Planeten verursacht werden. Aber mit der Helligkeitsmessungen von Sternen kann man auch andere Dinge herausfinden. Es kommt immer wieder mal vor, dass ein Asteroid des Sonnensystems von uns aus gesehen genau vor einem Stern vorüber zieht. Der Asteroid ist zwar sehr viel kleiner als so ein Stern aber natürlich auch sehr, sehr viel näher. Deswegen kann er das Licht des nur punktförmig erscheinenden Sterns verdunkeln. Das dauert meist nur sehr kurz, aber wenn man vorher darüber Bescheid weiß, kann man im richtigen Moment hinschauen. Und wenn man weiß, wie schnell sich der Asteroid bewegt kann man aus der Dauer der Verdunkelung seine Größe sehr viel exakter bestimmen als mit anderen Methoden.

Genau deswegen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das „Lucky Star project“ gestartet und probiert, Sternbedeckungen durch Asteroiden vorherzusagen und zu beobachten. Dazu muss man natürlich die Position der Sterne möglichst gut kennen und ein wenig Glück braucht man auch noch. Das hatte man in diesem Fall und konnte zwischen 2018 und 2021 beobachten, wie mehrere Sterne von Quaoar bedeckt wurden. Normalerweise würde man erwarten, dass das Licht des Sterns in dem Moment verschwindet, in dem sich der Asteroid von uns aus gesehen vor ihn schiebt und dann wieder zu sehen ist, wenn er vorbei gezogen ist. Licht an, Licht aus, quasi. Nur war das hier nicht so. Der Stern flackerte zuerst ein wenig, bevor er nicht mehr zu sehen war und er flackerte ein wenig, bevor er wieder komplett sichtbar wurde. Hätte man die Beobachtung mit einem Teleskop von der Erde aus gemacht, dann wäre das wenig überraschend gewesen. Die Störungen durch die Erdatmosphäre können genau so einen Effekt erzeugen. Aber CHEOPS ist ein Weltraumeteleskop und deswegen blieb nur eine Möglichkeit, die Daten zu erklären: Quaoar ist von einigen dünnen Ringen umgeben!

Künstlerische Darstellung der Ringe von Quaoar (Bild: ESA CC-BY-SA 3.0 IGO)

Im Gegensatz zur Entdeckung des Asteroiden-Mondes Waywot ist ein Asteroiden-Ring durchaus überraschend. Wir kennen zwar andere Asteroiden die Ringe haben, aber sehr, sehr viel weniger als Asteroiden mit Monden. Und vor allem hat Quaoar Ringe, die er eigentlich gar nicht haben dürfte. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie ein Himmelskörper zu Ringen kommen kann. Es kann sich zum Beispiel um die Reste einer Kollision haben. Oder um Material, das von Eisvulkanismus stammt. Asteroideneinschläge auf Monden können Staub ins All schleudern, der einen Ring bildet. Und so weiter. Aber solche Ringe sollten sich eigentlich innerhalb der sogenannten „Roche-Grenze“ befinden. Das ist, vereinfacht gesagt, der Abstand zu einem großen Himmelskörper, innerhalb dessen sich keine Monde befinden können. Kommt ein Mond zum Beispiel einem Planeten näher als das Roche-Limit, dann wird er durch dessen Gezeitenkräfte zerstört – und es entsteht ein Ring aus Trümmern. Gibt es irgendwelche Trümmer außerhalb der Roche-Grenze, dann sollten die sich im Laufe der Zeit zu einem Mond zusammenballen. Alle bekannten Ringe von Asteroiden befinden sich innerhalb der Roche-Grenze. Aber der Ring von Quaor nicht. Der Grund dafür könnten die extrem tiefen Temperaturen sein, die verhindern das die Eisteilchen aus denen die Ringe bestehen, zusammenhalten. Aber um das Rätsel der Ringe von Quaoar zu lösen, wird man noch sehr viel genauer hinschauen müssen.

Noch ist keine Raumsonde in der Nähe von Quaoar vorbeigeflogen. Aber es gibt Konzepte für die Erforschung dieses fernen Himmelskörpers. Wenn eine entsprechende Sonde gebaut wird, wird es aber auf jeden Fall bis zur Mitte des Jahrhunderts dauern, bis sie gestartet und bei Quaoar angekommen ist. Aber wer weiß, was wir dort dann zu sehen kriegen!

Ein Gedanke zu „Sternengeschichten Folge 534: Quaoar, ein besonderer Asteroid“
  1. Ich find es toll, daß du hier die Transkriptionen deines Podcasts veröffentlichst, weil ich viel lieber lese als längere Texte zu hören, aber ich find die Einstiege in die Artikel hier etwas unglücklich.
    Im alten Blog fiel es mir nicht so auf, weil da zwischen den Sternengeschichten mehr andere Sachen eingestreut waren, aber hier startet gerade mit einer Ausnahme (Kultur und Klimakrise) jeder Artikel auf der Startseite mit:
    „Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.

    Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter]“
    Und genau das ist auch das einzige, was man in der Artikelvorschau auf der Startseite sieht.
    Ich weiß natürlich nicht, wie viel Aufwand es wäre, daran etwas zu ändern, aber wenn der erste „echte“ Absatz oder die Tags oder so vor den Hinweis auf den Podcast gezogen werden könnten, würd man in der Übersicht schonmal etwas mehr eine Idee bekommen, um was es inhaltlich geht.

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