Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 532: Wie man das Leben auf der Erde ausrotten kann
Ok, ich gebe zu, dass der Titel dieser Folge etwas pessimistisch klingt. Was ist das für ein komisches Thema; warum sollte man sich damit beschäftigen, wie man das Leben auslöschen kann? So was kommt in irgendwelchen Comics vor, wo Superbösewichte alles zerstören wollen. Aber die Wissenschaft hat doch hoffentlich besseres zu tun, als den Untergang der Welt zu planen?
Hat sie natürlich, zum Beispiel die Suche nach Leben auf anderen Himmelskörpern. Aber genau deswegen muss man sich auch mit der Auslöschung des Lebens beschäftigen. Das Problem bei der Suche nach außerirdischem Leben ist ja, dass wir keine Ahnung haben, wie vielversprechend die ganze Angelegenheit ist. Wir kennen genau einen Himmelskörper im Universum, auf dem definitiv Leben entstanden ist und das ist die Erde. Wir wissen zwar mittlerweile halbwegs gut, wie sich das Leben in den letzten paar Milliarden Jahren entwickelt hat. Wir haben aber immer noch kaum eine Ahnung, was dazu geführt hat, DASS das Leben entstanden ist. Wir kennen nicht alle Voraussetzungen, die nötig sind, damit aus unbelebter Chemie lebendige Biologie entstehen kann. Was nichts anderes bedeutet: Wir können nicht sagen, wie wahrscheinlich es ist, dass irgendwo Leben entsteht. Was aber eine durchaus relevante Information wäre! Ebenso relevant ist aber auch das Gegenteil davon: Um zu wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass man irgendwo Leben finden kann, müssen wir nicht nur wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass es entsteht, sondern auch, wie wahrscheinlich Leben wieder ausgelöscht wird.
Ich sage es zur Sicherheit noch einmal dazu: Es geht hier nicht um irgendwelche Science-Fiction-Szenarien. Ich rede nicht von intelligenten Aliens, die sich vielleicht durch irgendeinen Alien-Atomkrieg selbst auslöschen oder so. Es geht ganz allgemein um Leben. Um irgendwelche Pflanzen, Mikroorganismen, und so weiter. Die führen natürlich keinen Atomkrieg und man muss sich andere Ursachen anschauen, wenn man wissen will, was sie auslöschen könnte.
Menschen sind nicht sehr widerstandsfähig, zumindest wenn man sie mit anderen Lebewesen vergleicht. Ein paar Minuten ohne Sauerstoff; ein paar Minuten in kochendem Wasser; ein bisschen zu viel Druck und wir sind tot. Andere Tiere halten da wesentlich mehr aus. Zum Beispiel die Bärtierchen – das sind keine Bären, sondern winzige Lebewesen, die höchsten 1,5 Millimeter groß werden. Sie leben quasi überall wo es Wasser gibt oder es feucht genug ist. In den Meeren, in den Flüssen und Seen, im Moos, auf Pflanzen, im Boden, und so weiter. Und sie sind zäh! Man kann sie auf -272 Grad abkühlen, also fast auf den absoluten Nullpunkt oder auf 150 Grad aufheizen und sie halten trotzdem noch durch, zumindest ein paar Minuten. Und wenn die Temperaturen nicht so extrem sind, dann tangiert sie das quasi gar nicht. Man kann sie dem extremen Druck am tiefsten Punkt des Ozeans aussetzen und sie kommen damit klar; ebenso wie den Bedingungen im Weltraum (zumindest einige Zeit lang). Man kann sie einer radioaktiven Strahlung aussetzen, die tausend mal stärker ist als die für Menschen tödliche Dosis und sie halten das locker aus. Kurz gesagt: Wenn wir einen Weg finden, die Bärtierchen auszurotten, dann haben wir mit ziemlicher Sicherheit auch einen Großteil des restlichen Lebens auf der Erde ausgelöscht.
Im Prinzip gibt es drei Phänomene, die ausreichend mächtig wären, um das zu bewerkstelligen: Asteroideneinschläge, Supernova-Explosionen und Gammablitze. Fangen wir mit den Asteroideneinschlägen an: Da reicht natürlich nicht irgendein Asteroid. Dass die durchaus in der Lage sein können, ein Massensterben zu verursachen, haben wir ja in der Vergangenheit oft genug gesehen. Die Dinosaurier sind die prominentesten Opfer, aber bei weitem nicht die einzigen. Aber selbst bei diesem Ereignis vor 65 Millionen Jahren haben die meisten Fische im Meer überlebt. Und die Bärtierchen haben damals vermutlich nicht mal mit der Wimper gezuckt (wenn sie denn Wimpern gehabt hätten). Man müsste schon den gesamten Ozean zum Kochen bringen um sie in Bedrängnis zu bringen. Aber das würde man prinzipiell hinkriegen können. Um die Temperatur der Meere um 1 Grad zu erhöhen, muss man gut 6 x 10 hoch 24 Joule in sie hineinstecken. Das ist sehr viel Energie; ungefähr ein 1/70 der Energie die unsere Sonne pro Sekunde erzeugt oder 11 mal so viel Energie wie der Einschlag des Asteroids freigesetzt hat, der damals die Dinos ausgerottet hat. Aber selbst dann hat man die Temperatur nur um ein Grad erhöht. Wir brauchen hundert mal so viel! Man kann leicht ausrechnen, wie viel Masse ein Himmelskörper haben muss, damit seine Bewegungsenergie beim Einschlag ausreichend viel Wärmeenergie freisetzt um die Ozeane zum Kochen zu bringen: circa 2 Trillionen Kilogramm.
Das klingt viel und ist auch viel. Aber wenn wir uns mal die Asteroiden im Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter anschauen, dann finden wir einige, die das hinkriegen. Ceres, der größte Asteroid dort, hat zum Beispiel eine fast 500 mal größere Masse. Vesta und Pallas, die nächstgrößeren Asteroiden haben immer noch weit mehr als das hundertfache der Masse, die man braucht um die Ozeane zu verkochen. Insgesamt sind es gut 30 Asteroiden im Sonnensystem, die die Bedingung erfüllen. Dazu kämen dann natürlich noch ein Schwung großer Monde der Planeten und die Planeten selbst. Aber es ist definitiv nicht damit zu rechnen, dass ein anderer Planet auf der Erde einschlägt; genauso wenig wird ein Mond seinen Planeten verlassen und mit uns kollidieren. Und auch die ausreichend großen Asteroiden bewegen sich alle auf stabilen Bahnen und sind für uns nicht gefährlich. Wäre es anderes, dann wären solche Kollisionen in den vergangenen Milliarden Jahren ja schon passiert.
Aber wir sehen, dass es zumindest prinzipiell möglich ist: Es gibt Asteroiden, die ausreichend viel Masse haben, um bei einer Kollision die Bärtierchen und alle anderen Tiere auszulöschen. Sehr wahrscheinlich ist es allerdings nicht. Über die gesamte typische Lebensdauer eines Planeten gerechnet, liegt die Wahrscheinlichkeit für so ein Ereignis bei unter einem Hunderttausendstel.
Aber wie schaut es mit Gammablitzen und Supernova-Explosionen aus? In beiden Fällen handelt es sich um das, was passiert wenn große Sterne am Ende ihres Lebens explodieren. Dabei wird sehr viel potenziell gefährliche kosmische Strahlung frei und ganz besonders viel, wenn der explodierende Stern sehr groß ist, weswegen man dann nicht mehr von einer Supernova, sondern einem Gammablitz spricht. Wenn diese Strahlung auf die Erde trifft, dann kann sie einerseits die Ozonschicht schädigen, was zu noch mehr Strahlung auf der Erde führt, da diese Schicht eine Art Schutzschild vor der kosmischen Strahlung bildet. Gammablitze und Supernova-Explosionen können aber auch direkt Energie in die Ozeane übertragen und sie erwärmen. Wasser bildet allerdings auch einen Schutz vor kosmischer Strahlung und man kann sie ausrechnen, wie viel Strahlung in einer gewissen Tiefe noch übrig bleibt. Dann sieht man: Wenn man ausreichend viel Strahlung hat, um Bärtierchen in einer bestimmten Meerestiefe durch diese Strahlung zu töten, dann muss die so energiereich sein, dass der Ozean darüber allein dadurch darüber schon weggekocht ist. Es reicht also, sich auch hier auf den Temperaturanstieg zu konzentrieren.
Eine Supernova, die ausreichend mächtig ist um die Ozeane zum Kochen zu bringen, müsste auf jeden Fall näher als 0,13 Lichtjahre sein. Das wäre quasi noch in unserem Sonnensystem; das entspricht der 8250fachen Distanz zwischen Sonne und Erde. Gut, es wäre in den äußersten Bereichen des Sonnensystems, aber es wäre enorm nahe und wir wissen, dass da bei uns kein großer Stern rumhängt. Der uns nächstgelegene Stern ist Proxima Centauri, in 4 Lichtjahren Entfernung und der ist erstens viel zu klein, um als Supernova zu enden. Und selbst wenn Proxima ein größerer Stern wäre, würde eine Supernova in dieser Entfernung bei uns gerade mal zu einem Temperaturanstiegt von 0,1 Grad in den Ozeanen führen.
Gammablitze sind deutlich energiereicher und wenn wir den schlechtesten Fall annehmen, also davon ausgehen, dass die gesamte Energie so einer Mega-Explosion in Richtung Erde strahlt, dann reicht schon ein Abstand von gut 45 Lichtjahren um die Meere zum Kochen zu bringen. Es wird aber nicht jeder Stern am Ende seines Lebens einen Gammablitz erzeugen; das tun wirklich nur die, die sehr, sehr groß sind. Und von denen gibt es nicht sehr viele. Die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Gammablitz ausreichend nahe stattfindet und dabei die ganze Strahlung in Richtung der Erde gelangt ist enorm gering und liegt bei einem 10 Milliardstel.
Es ist also durchaus schwer, das ganze Leben auf einem Planeten auszulöschen. Und genaugenommen haben wir ja auch nicht vom gesamten Leben gesprochen, sondern nur vom tierischen Leben. Ok, die Pflanzen würden die beschriebenen Ereignisse auch nicht überleben. Aber die Welt ist ja voll mit Mikroorganismen; mit Bakterien und so weiter und die können durchaus noch zäher sein als die Bärtierchen. Es gibt Mikroorganismen, die kilometertief im Gestein leben und vermutlich nicht mal dann Probleme kriegen, wenn man die gesamte Erdkruste aufschmelzen würde. Es würde dann vermutlich wieder ein paar Milliarden Jahre dauern, bis sich aus diesen Überlebenden neue Tiere und Pflanzen entwickelt hätten. Aber sofern ma den Planeten nicht komplett zerstört und quasi zerbröselt, wird man die Mikroorganismen nur schwer los werden.
Um Tiere und Pflanzen auszurotten muss man sich dafür vermutlich nicht ganz so anstrengen. Ein gewaltiger Asteroid oder ein Gammablitz vor der Haustür schaffen den Job zwar auf jeden Fall. Aber wenn man sich ein bisschen Zeit nimmt, dann geht es auch mit weniger Energie. Durch den menschengemachten Klimawandel sind wir ja gerade dabei, die Temperatur der Meere und der Atmosphäre zu erhöhen. Wir werden es natürlich nicht schaffen, die Meere zum Kochen zu bringen. Aber es reicht auch schon ein deutlich geringerer Anstieg, um die komplexen ökologischen Netzwerke und Nahrungsketten durcheinander zu bringen. Und wenn das Bärtierchen nix mehr zum Fressen findet, dann nutzt ihm seine Zähigkeit auch nichts.
Wir können diese Folge also mit einem gemischten Fazit beenden. Es ist einerseits sehr unwahrscheinlich, dass ein einziges Ereignis das Leben auf der Erde auslöscht. Wir sollten aber trotzdem sehr gut darüber nachdenken, wie wir mit der Welt umgehen. Denn zumindest wir Menschen sind nicht so unverwundbar wie das Bärtierchen.
Das wäre doch mal eine Idee für ein Computerspiel (die meisten heutzutage sind ja doch eher der gefühlt hunderttausendste Aufguss derselben Ideen): „Extinction“. Man schmeisst alles mögliche nach einem Planeten und schaut, wie der und das Leben auf ihm damit klarkommen.
Und wenn man es wieder nicht geschafft hat, kommt ein kleines Bärtierchen und lacht einen aus.
Zu morbide?