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Sternengeschichten Folge 525: Pflanzen im Weltall
In Folge 336 der Sternengeschichten habe ich von all den Tieren erzählt, die schon ins Weltall geflogen sind. Aber es gibt ja nicht nur Tiere sondern auch Pflanzen und die sind mindestens ebenso wichtig. Auch wenn es um die Raumfahrt und die Astronomie geht. Also schauen wir uns heute mal die Pflanzen im Weltall an. Beziehungsweise die Pflanzen, die wir Menschen ins All gebracht haben. Denn Pflanzen die ohne unser zutun außerhalb der Erde wachsen, haben wir bis jetzt noch nicht entdeckt. Man hat früher zwar mal geglaubt, dass auf dem Mars, der Venus, dem Mond und diversen anderen Himmelskörper Pflanzen wachsen würden; hat sogar geglaubt, zu sehen, wie sie dort wachsen. Aber das hat sich alles als Einbildung, optische Täuschung oder Beobachtungsfehler herausgestellt. Nach allem, was wir bis jetzt wissen, wächst im Sonnensystem nirgendwo was, mit Ausnahme der Erdoberfläche. Vielleicht taucht irgendwo noch die eine oder andere Alge auf und das wäre eine große Sensation. Vielleicht finden wir bei unseren Beobachtungen der Planeten anderer Sterne irgendwo Hinweise auf die Existenz extraterrestrischer Pflanzen und das wäre eine noch größere Entdeckung. Aber bis es so weit ist, müssen wir uns mit irdischen Pflanzen begnügen, die wir mit Raketen ins All gebracht oder dort wachsen haben lassen.
Aber auch das ist eine wichtige Sache. Ohne Pflanzen wären wir nicht überlebensfähig. Hier auf der Erde sind wir es auf keinen Fall. Wir brauchen die Pflanzen als Nahrungsgrundlage; sie produzieren den Sauerstoff den wir atmen und halten die diversen Ökosysteme im Gleichgewicht. Und das ist nur der Anfang; der Anblick der Pflanzen hilft uns auch, unser psychisches Gleichgewicht zu halten; Pflanzen sind Teil aller möglichen kulturellen Praktiken, wir verbringen unsere Freizeit in Wäldern und auf Wiesen, und so weiter. Ohne Pflanzen gäbe es uns nicht.
Wenn wir, so wie jetzt, für vergleichsweise kurze Zeit ins All fliegen, dann kommen wir theoretisch auch ohne Pflanzen aus. Die Nahrung können wir von der Erde aus mit in die Raketen oder Raumstationen nehmen. Ebenso den Sauerstoff. Und wenn es nicht zu lange dauert, dann halten wir es auch seelisch eine Zeit lang aus, nur in einer künstlichen Umgebung ohne natürliche Pflanzen zu leben. Aber für einen längeren Zeitraum oder gar dauerhaft ist das keine Option. Würden wir zum Beispiel eine ständig besetzte Basis auf dem Mond oder dem Mars schaffen wollen oder mit einem Raumschiff Monate oder gar Jahre lang zu weit entfernten Himmelskörpern reisen, dann müssen wir einen Weg finden, wie uns die Pflanzen begleiten können. Wir brauchen Gärten in unseren Raumfahrzeugen, die uns mit Nahrung und Sauerstoff versorgen. Die für unsere psychische Gesundheit sorgen und all die anderen Dinge tun, wofür wir sie brauchen. Es ist daher kein Wunder, dass die Pflanzenforschung von Anfang an Teil der Raumfahrt war.
Schon 1946 wurden die ersten Samen mit umgebauten V2-Raketen ins All geschossen. Die USA hat die von Deutschland im zweiten Weltkrieg erbeuteten Kriegswaffen genutzt, um erste Versuche in der Raumfahrt zu unternehmen. Damals wusste man noch nicht, ob man überhaupt Menschen ins All bringen kann und wenn ja, ob sie dort überleben können. Um die Auswirkungen der kosmischen Strahlung auf Lebewesen zu untersuchen, hat man daher mit Pflanzen und Tieren entsprechende Tests durchgeführt. Die ersten Samenkörner flogen 134 Kilometer hoch; die Rakete konnte aber nach der Landung auf der Erde nicht mehr geborgen werden. Erst ein ähnlicher Versuch ein paar Tage später, am 30. Juli 1946 lieferte Maiskörner, die sich zumindest für kurze Zeit außerhalb der Erdatmosphäre befunden haben. Es folgen andere Samen, die – zurück auf der Erde – eingepflanzt wurden um zu sehen, ob der Aufenthalt im All irgendwelche negativen Folge hatte. Eher nicht, Experimente aus der Sowjetunion legten sogar nahe, dass sie besser wachsen also die, die auf der Erde geblieben sind.
Es würde zu weit führen, alle Pflanzenexperimente im All aufzuzählen. Später jedenfalls ist man dazu übergegangen, das Wachstum der Pflanzen direkt im All zu untersuchen. Denn genau darum geht es ja: Man will sie auf einer Raumstation wachsen lassen oder in einem Raumschiff. Und die Frage die sich da sofort stellt, ist: Geht das? Hier auf der Erde wachsen Pflanzen nach oben; die Wurzeln graben sich nach unten in die Erde. Aber im All gibt es kein „oben“ und „unten“: Wissen die Pflanzen da überhaupt, wie sie wachsen sollen? Auf der Erde richten sich die Pflanzen oft nach der Sonne aus und orientieren ihren Stoffwechsel am Tag-Nacht-Rhythmus. Auch der fehlt im Weltall. Welche Nährstoffe brauchen sie und in welcher Erde müssen sie wachsen? Und so weiter. Auch hier würde es viel zu weit führen, alle Aspekte der Astrobotanik zu erklären. Aber schauen wir vielleicht auf den sogenannten „Gravitropismus“. Als „Tropismus“ wird in der Botanik ganz allgemein eine „Reizrichtungsreaktion“ bezeichnet. Ein bestimmter Reiz bestimmt also wie und in welche Richtung sich eine Pflanze oder Teile von ihr bewegen. Wenn eine Pflanze auf Licht reagiert, sich also etwa Sprossen zum Licht hin bewegen und Wurzeln vom Licht weg, dann ist das ein „Phototropismus“. Eine Reaktion auf Wärme ist ein Thermotropismus, reagiert die Pflanzen auf bestimmte Nährstoffe, handelt es sich um Chemotropismus, und so weiter. Es gibt jede Menge Tropismen und beim Gravitropismus ist der Reiz auf den reagiert wird die Gravitation. Wenn eine Pflanze zum Beispiel auf einem steilen Berghang trotzdem gerade nach oben und nicht einfach irgendwie schräge aus dem Hang wächst, dann kann sie das deswegen, weil sie in der Lage ist, ihr Wachstum an der zum Erdmittelpunkt gerichteten Gravitationskraft zu orientieren. Viele Pflanzen sind darauf angewiesen, dass ihre Teile zum richtigen Zeitpunkt nach oben, nach unten oder sonst irgendie korrekt ausgerichtet sind. Wie sie das können? Mit Statolithen – das sind winzige Körnchen aus festem Material, die sich im Inneren bestimmter Zellen befinden. Bewegt sich die Zelle, dann sorgt die Trägheit der Statolithen dafür, dass sie diese Bewegung zumindest kurzfristig nicht mitmachen und an bestimmten Stellen gegen die Zellwand drücken. Dieser Reiz kann registriert werden und der Pflanze sagen, wohin die Gravitation gerade wirkt. Übrigens benutzen nicht nur Pflanzen solche Statolithen, sondern auch jede Menge ander Lebewesen, aber das ist eine andere Geschichte. Bei den Pflanten spielen Amyloplasten die Rolle der Schwerkraftanzeiger; das sind bestimmte Zellbestandteile die eigentlich zur Speicherung von Stärke dienen, aber auch in der Lage sind, wie Statolithen zu wirken.
Wie Pflanzen die Gravitation spüren können, wissen wir also. Und was machen sie mit dieser Fähigkeit? Das erforscht die „Gravitationsbiologie“ und nein, den Begriff habe ich mir nicht ausgedacht. Die Untersuchung von Pflanzen macht aber nur einen kleinen Teil dieser Wissenschaft aus; viel öfter interessiert man sich für die Auswirkungen der Gravitation oder ihrem Fehlen auf Menschen. Die Anfänge dieser Disziplin gehen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurück und damals hat man tatsächlich Pflanzen untersucht und sie auf einer Art Drehgestell wachsen lassen um zu schauen, was passiert und zu sehen, ob sie trotzdem noch wissen, in welche Richtung sie wachsen sollen.
Später konnte man die Pflanzen dann aber auch direkt im All erforschen, zum Beispiel auf der Internationalen Raumstation. Dort hat man herausgefunden, dass Pflanzen auch in der Lage sind, die extrem geringe Mikrogravitation zu spüren, die dort herrscht und ihr Wachstum entsprechend auszurichten. Es ist also durchaus möglich, Pflanzen im All wachsen zu lassen; sogar welche, mit denen wir Menschen etwas anfangen können. Das hat zum Beispiel das Experiment mit dem schönen Namen „Veggie“ gezeigt. 2014 flog diese kleine Kammer in der Pflanzen wachsen können zur Raumstation und man began dort Römersalat anzubauen. Im ersten Durchlauf ließ man die Pflanzen 33 Tage lang wachsen bevor sie geerntet, eingefroren und zur Analyse zurück zur Erde geschickt wurden. Beim zweiten Durchlauf im Jahr 2015 wuchs der Salat ebenfalls 33 Tage, aber dann konnten sich die für das Experiment zuständigen Astronauten Scott Kelly und Kjell Lindgren offensichtlich nicht mehr zurück halten und verputzten die Hälfte der Ernte selbst. Mit Balsamico-Essig und Oliven-Öl, wie die NASA verlautbart hat und Kjell Lindgren hat sich damit seinen Cheesburger verfeinert. Es hat ihnen offensichtlich nicht geschadet, ebenso wie die kulinarischen Resulate der weiteren Salat-Experimente und das hat die Wissenschaft mittlerweile auch offiziell festgestellt. Der Nährstoffgehalt des Weltraumsalats ist dem des auf der Erde gewachsenen Gemüses sehr ähnlich. Man findet im Salat der Raumstation allerdings mehr Mikroorganismen, was vermutlich an den speziellen hygienischen Bedingungen auf der ISS liegt. Gefährlich war aber keiner dieser Keime für Menschen.
Nur grüner Salat wird aber ein wenig langweilig. Zum Glück macht die Wissenschaft Fortschritte: 2020 wurden die ersten 20 Radieschen auf der ISS gezüchtet und 2021 wurden die ersten Paprika geerntet. Langsam kommt ein vernünftiges Menü zusammen, aber bis sich die Menschen auf der Raumstation selbst versorgen können wird es noch ein weiter Weg sein. Ganz besonders dann, wenn sie nicht mehr mit von der Erde mitgebrachten Boden arbeiten können, sondern zum Beispiel Pflanzen im Mars- oder Mondboden wachsen lassen wollen. Dort fehlen nämlich – nach allem was wir bis jetzt wissen – die Mikroorganismen die überall auf der Erde zu finden sind. Und die sind dringend nötig, damit im Boden all die Nährstoffe enthalten sein können, die Pflanzen brauchen.
Die Zeit, in der nur Testpiloten und Kampfflieger ins All gereist sind, sind schon lange vorbei. Heute sollte man auf jeden Fall auch immer ein paar Leute dabei haben, die sich mit Botanik und Gartenarbeit auskennen!