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Sternengeschichten Folge 514: Axionen und die dunkle Materie

Heute geht es in den Sternengeschichten um das Axion. Nicht um ein Axiom, also einen Grundsatz einer wissenschaftlichen Theorie; auch nicht um ein Axon, den Teil einer Nervenzelle. Ich erzähle euch etwas über das Axion, ein hypothetisches Elementarteilchen, das unter Umständen eine fundamentale Rolle in unserem Universum spielen könnte.

Und wie immer wenn es um Teilchenphysik geht, ist die Sache ein wenig knifflig. Ich habe in Folge 46 schon einmal ausführlich über das Standardmodell der Teilchenphysik gesprochen und muss das heute noch einmal kurz wiederholen. Alles, was es gibt, besteht aus Elementarteilchen. Das sind vor allem Elektronen und Quarks; den Rest lasse ich vorerst mal weg. Jedes Atom hat eine Hülle; die besteht aus Elektronen. Uns interessiert jetzt aber der Atomkern, der aus elektrisch positiv geladenen Protonen aufgebaut ist und aus elektrisch neutralen Neutronen. Das sind aber keine fundamentalen Teilchen; das sind nur die Quarks. Von denen gibt es sechs grundlegende Arten und in Protonen und Neutronen finden wir die sogenannten „up“ und „down“-Quarks. Im Proton sind es zwei up und ein down-Quark; im Neutron zwei down und ein up-Quark. So weit ist das noch recht einfach. Aber jetzt müssen wir uns mit Farbladungen beschäftigen.

Wir alle wissen, was eine elektrische Ladung ist. Das kennen wir aus dem Alltag, wenn wir mit Batterien oder Magneten hantieren. Da gibt es Plus- und Minuspole; es gibt positive und negative elektrische Ladungen und wir wissen auch, dass sich gleiche Ladungen abstoßen und ungleiche Ladungen anziehen. Das ist auch der Grund, wieso ein Atom zusammenhält, vereinfacht gesagt. Der Kern ist positiv geladen, weil da nur positiv geladene Protonen und ungeladene Neutronen drin sind. Und die Hülle ist wegen der elektrisch negativ geladenen Elektronen auch elektrisch negativ geladen. Außen negativ, innen positiv und das ganze Ding hält zusammen.

Quarks haben auch eine elektrische Ladung. Ein up Quark hat eine positive Ladung die 2/3 der Ladung eines Protons entspricht; ein down-Quark hat eine negative Ladung von 1/3 der Ladung eines Protons. Ein Proton besteht aus zwei ups und einem down, macht 2/3 + 2/3 – 1/3 und ergibt insgesamt +1. Bei einem Neutron haben wir zwei downs und ein up, also -1/3 + -1/3 + 2/3 und das summiert sich zu Null, also gar keiner Ladung. Passt alles. Aber! Ein Quark hat nicht nur eine elektrische Ladung, sondern auch eine Farbladung. Das darf man nicht mit der elektrischen Ladung verwechseln und mit Farbe hat das auch absolut nichts zu tun. Die Farben der Quarks sind einfach nur Beschreibungen die anzeigen, wie die Quarks miteinander wechselwirken. Es gibt dort auch nicht nur zwei Möglichkeiten, wie bei der elektrischen Ladung. Sondern viel mehr. Ein Quark kann rot, grün oder blau sein und ich sage noch einmal: Das hat nichts mit echter Farbe zu tun. Ich könnte auch sagen: „Ein Quark kann zorg, zarg oder zurg sein“ – es braucht einfach irgendwelche Worte, um die Eigenschaft zu beschreiben, um die es geht. Aber in der Physik hat man sich eben entschieden, die Wörter für Farben zu nehmen. Damit muss man jetzt leben. Oder, wie der Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman es ausgedrückt hat: „Diese Physiker-Idioten, unfähig sich irgendwelche wundervollen griechischen Wörter auszudenken, bezeichnen diese Art der Polarisation mit dem unglücklichen Begriff ‚Farbe‘ der nichts mit der Farbe im üblichen Sinn zu tun hat.“

Also: Ein Quark kann rot, grün oder blau sein. Oder, wenn es sich um ein Anti-Quark handelt, antirot, antigrün und antiblau. In einem stabilen Teilchen wie einem Proton oder Neutron findet man immer Quarks mit unterschiedlichen Farben, also ein rotes, ein grünes und ein blaues. Zusammen ergibt das „weiß“, also gar keine Farbe. Und bevor es zu verwirrend wird, sollten wir jetzt mal klären, was es mit dieser Farbe auf sich hat. Es geht dabei um die „starke Ladung“ und die Kraft, die dafür sorgt, dass die Quarks zusammenhalten, nämlich die starke Kernkraft. Das ist, so wie die Gravitation oder die elektromagnetische Kraft, eine fundamentale Kraft im Universum. Nur das wir im Alltag nichts von ihr spüren, weil ihre Reichweite so kurz ist, dass sie nur innerhalb der Atomkerne wirkt.

Das Standardmodell der Teilchenphysik (Bild: Particle Fever)

Es ist schwierig, etwas anschaulich zu beschreiben, was wir nirgendwo sehen, spüren und was außerhalb unserer Wahrnehmung stattfindet. Aber zwischen den Quarks wirkt eine Kraft, eben die starke Kernkraft. Und so wie sich elektrisch positiv und negativ geladene Teilchen je nach Ladung anziehen oder abstoßen, tun das die Quarks auch, je nach Art ihrer Farbladung. Das ist wie gesagt, alles sehr vereinfacht. Aber es ist vor allem wichtig zu verstehen, dass die Quarks diese Eigenschaft haben, die wir mit Wörtern für Farbe kennzeichnen und dass es eine Kraft gibt, die zwischen ihnen wirkt.

Die Disziplin, die diese ganze Wechselwirkung der Farbladungen beschreibt, nennt sich Quantenchromodynamik; sie ist für die starke Kernkraft das, was die Elektrodynamik für den Elektromagnetismus ist. Und in der Quantenchromodynamik finden wir auch den Ursprung des Axions. Die starke Kernkraft kennt nämlich keinen Unterschied zwischen Materie und Antimaterie. Das klingt seltsam und wir müssen das ein wenig erläutern. Dazu müssen wir mit der CP-Symmetrie anfangen. Das „C“ steht für „charge“ und das „P“ für „parity“. Mit charge ist die Ladung gemeint und mit parity die räumliche Ausrichtung. Ich will jetzt nicht in die Details gehen, das wird sehr schnell sehr verwirrend. Aber es gibt aus diversen Gründen Prozesse, die sich nicht ändern, wenn man die Ladungen und die räumliche Anordung aller Teilchen vertauscht. Wenn man also alle Teilchen durch ihre Antiteilchen ersetzt und dann alles nochmal spiegelt. Das ist bei einer CP-Symmetrie der Fall; man kann – was die physikalischen Gesetze angeht mit denen man solche Systeme beschreibt – keinen Unterschied finden, wenn man die entsprechenden Vertauschungen durchführt. Genau das ist gemeint, wenn man sagt, dass die starke Kernkraft symmetrisch ist. Es ist komplett egal, ob man Reaktionen der starken Kraft zwischen Teilchen anschaut oder Antiteilchen, ob die Teilchen räumlich oder zeitlich gespiegelt werden; ob man die Prozesse also vorwärts in der Zeit laufend oder rückwärts betrachtet. Bei einer anderen Grundkraft, der schwachen Wechselwirkung, gibt es aber Prozesse, bei denen die CP-Symmetrie verletzt wird, wo es also durchaus darauf ankommt, ob Ladung oder räumlich/zeitliche Ausrichtung vertauscht wird. Vielleicht kann man das mit einem etwas schiefen Vergleich aus dem Alltag verstehen. Wenn ich Suppe machen will, kommt es nicht darauf an, ob ich zuerst das heiße Wasser in den Topf gebe und dann den Suppenwürfel. Oder zuerst den Suppenwürfel und dann das heiße Wasser darauf. Wenn ich aber Kartoffelpüree mache, ist es durchaus wichtig, die Karoffeln zuerst zu schälen, dann zu kochen und danach zu stampfen. Würde ich sie zuerst stampfen, dann kochen und erst am Schluss probieren sie zu schälen, kriege ich eine große Sauerei, aber mit Sicherheit kein Kartoffelpüree. Die Suppe ist symmetrisch, beim Kartoffelpüree ist die Symmetrie verletzt.

Und eigentlich sollte auch bei der starken Kernkraft die CP-Symmetrie verletzt sein. Das sagt zumindest all das, was wir über die Quantenchromodynamik wissen. Aber wenn wir anschauen, wie die starke Kernkraft tatsächlich wirkt, sehen wir diese Verletzung nicht. Wenn die starke Kernkraft die CP-Symmetrie tatsächlich verletzt, müsste es Teilchen geben, die wir auch schon längst beobachten hätten müssen. Haben wir aber nicht. Man kann das Problem lösen, wenn man an der mathematischen Beschreibung der Quantenchromodynamik ein bisschen rumbastelt. Das klingt ein wenig unseriös und ist auch massiv vereinfacht dargestellt. Aber wenn sich die Quarks auf eine bestimmte Weise verhalten; wenn man einen bestimmten Parameter einführt um ihre Anordnung zu beschreiben und wenn dieser Parameter immer sehr klein ist, dann lässt sich damit erklären, warum die CP-Symmetrie nicht verletzt wird, obwohl das eigentlich der Fall sein sollte. Das neue Problem: Man muss erklären, WARUM dieser neue Parameter (es geht um einen sogenannten „Vakuumwinkel“, aber das würde zu weit führen) immer so klein ist. Dafür haben der italienische Physiker Roberto Peccei und die australische Physikerin Helen Quinn im Jahr 1977 eine neue Hypothese eingeführt. Auch das kann ich nur in Ansätzen erklären: Sie haben im Wesentlichen vorgeschlagen, dass da vielleicht noch ein bisher unbekanntes Feld existiert und dieses Feld sorgt mit seiner Wirkung dafür, dass der Parameter immer klein ist und die Symmetrie nicht gebrochen wird.

Also müssen wir jetzt noch einmal schnell über Felder sprechen. Das habe ich ja schon in Folge 247 ausführlich getan. In der modernen Physik sind „Quantenfelder“ ja die Grundlage von allem. Sie sind das, was fundamental ist im Universum und Teilchen sind nur das, was passiert, wenn man Energie in ein Feld steckt. Quantenfelder wie das Higgs-Feld existieren im gesamten Kosmos und wenn so ein Feld ausreichend angeregt wird, entsteht dabei ein Higgs-Teilchen. Das Photon, das Lichtteilchen, ist etwas, das aus der Anregung eines elektromagnetischen Felds entsteht, und so weiter. Jedem Teilchen entspricht ein Quantenfeld. Und jedem Quantenfeld ein Teilchen. Wenn man also zur Erklärung eines Phänomens ein neues Quantenfeld erfindet, dann behauptet man gleichzeitig, dass es auch ein noch unbekanntes Teilchen geben. Das hat damals Peter Higgs gemacht, als er seinen Higgs-Mechanismus postuliert hat und tatsächlich hat man dann ein paar Jahrzehnte später auch das dazugehörige Higgs-Teilchen entdeckt.

Und jetzt sind wir endlich beim Axion. So heißt das Teilchen, dass zum Quantenfeld gehört, das Peccei und Quinn erfunden haben, um das Problem der CP-Symmetrie in der Quantenchromodynamik zu lösen. Der Name stammt übrigens vom amerikanischen Physik-Nobelpreisträger Frank Wilczek und bezieht sich auf die Waschmittelmarke, die ebenfalls Axion heißt. Laut Wilczek ist das ein passender Name, da das neue Teilchen ein Problem entfernt und die Theorie quasi säubert.

Ein Korb voll Axionen?

Jetzt werden in der theoretischen Physik immer wieder Teilchen postuliert. Das geht einfach. Viel schwieriger ist es, sie auch nachzuweisen. Vor allem so ein Ding wie das Axion. Wenn es das leisten soll, was es tut, dann kann man berechnen, dass es eine sehr geringe Masse haben muss. Enorm gering und damit ist es auch schwer aufzuspüren. Aber nicht unmöglich. Denn ein Axion hat zwar selbst keine elektrische Ladung; ist aber in der Lage mit elektromagnetischen Feldern wechselzuwirken. Zumindest wenn es sich um wirklich, wirklich, wirklich starke Felder handelt. Dann können sich Axionen in Photonen, also in Lichtteilchen umwandeln. Umgekehrt geht es auch; in einem sehr starken Magnetfeld kann ein Photon sich in Axionen umwandeln. Das bietet interessante Möglichkeiten: Man könnte zum Beispiel einen Laserstrahl durch ein solches Magnetfeld laufen lassen. Und ihn dann blockieren. Wenn die Theorie stimmt, sollten sich ein paar Photonen in Axionen umwandeln. Die können – im Gegensatz zum Licht – durch die Barriere hindurch und würden sich danach wieder in elektromagnetische Strahlung umwandeln. Man könnte so also quasi durch eine Mauer durchleuchten.

Solche Experimente sind aber schwer durchzuführen; es ist ein großer Aufwand und die Messungen sind komplex. Aber wenn es Axionen gibt, dann werden sie auch auf natürlichem Weg produziert; zum Beispiel im Inneren der Sonne. Da gibt es jede Menge Photonen und da gibt es auch sehr starke Magnetfelder. Dadurch könnten Axionen im Kern der Sonne entstehen und dann von dort hinaus ins All sausen. Man kann Detektoren bauen um danach zu suchen; im Wesentlichen sind das sehr starke Magneten, die eventuell vorbei kommende Axionen dazu bringen, sich in Lichtteilchen umzuwandeln. Wie gesagt: Im Detail ist das alles sehr viel komplexer und die Geräte sind extrem aufwendig zu konstruieren; man muss sie tief unter der Erde betreiben um Störstrahlung auszuschließen, und so weiter. Aber rein theoretisch wäre es damit möglich, Axionen aus der Sonne nachzuweisen.

Das ist natürlich ein statistischer Prozess. Man misst die Axionen ja nicht direkt, sondern nur die Lichtteilchen die bei ihrer Umwandlung durch Magnetfelder entstehen. Es gibt aber auch andere Prozesse, die Lichtteilchen hervorbringen. Man muss sich vorher ganz genau überlegen, was im Detektor alles dafür sorgen kann, dass Photonen entstehen. Und nur wenn man danach signifikant MEHR Photonen misst und es auch noch Photonen sind die die richtigen Eigenschaft haben, kann man die Entdeckung von Axionen verkünden.

Vielleicht passiert das irgendwann. Vielleicht ist es schon passiert, wenn ihr diesen Podcast irgendwann lange nach seiner Veröffentlichung hört. So oder so: Es wäre eine große Nachricht. Denn wenn es Axionen wirklich gibt, dann entstehen sie nicht nur im Inneren der Sonne. Dann sind sie auch in enorm großer Anzahl direkt nach dem Urknall entstanden. Und auch wenn sie eine sehr geringe Masse haben: Wenn es ausreichend viele sind, dann können sie das Rätsel der dunklen Materie lösen. Wir wissen ja, dass sich die Objekte im Universum so bewegen, als würden sie mehr Gravitationskraft spüren, als die von uns direkt beobachtbare Masse der Sterne und Galaxien ausüben können. Deswegen gehen die meisten Wissenschaftler:innen davon aus, dass es neben der normalen Materie noch eine weitere, von uns noch nicht entdeckte Form von Materie gibt, die für diese Gravitionskraft verantwortlich ist. Es muss Materie sein, die im ganzen Universum verteilt ist; die nicht zu so etwas wie Sternen oder Planeten zusammenklumpt, sondern quasi beständig in gigantischen Wolken durch den Kosmos wabert. Sie muss beim Urknall entstanden sein; sie muss Gravitationskraft ausüben und darf nicht zu stark mit normaler Materie wechselwirken. Und es muss fast sechsmal so viel davon geben wie von der normalen Materie die wir sehen können.

Das Axion würde all diese Bedingungen erfüllen. Es muss halt nur noch existieren. Denn eine Theorie kann noch so schön und vielversprechend sein – wenn sie nicht mit den Beobachtungen übereinstimmt, dann muss man sie verwerfen. Da kennt das Universum kein Erbarmen. Egal was wir uns ausdenken und wünschen; es ist nicht verpflichtet unsere Wünsche zu erfüllen. Aber wer weiß: Vielleicht haben wir mit dem Axion ja doch recht.

4 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 514: Axionen und die dunkle Materie“
  1. Das gilt aber, wenn wir den geschriebenen Text betrachten, nur für den grau unterlegten. Schwarz auf weiß steht es dagegen völlig korrekt als „elektrisch neutral“.

  2. „[E]ine Theorie kann noch so schön und vielversprechend sein – wenn sie nicht mit den Beobachtungen übereinstimmt, dann muss man sie verwerfen.“
    Da, ganz zum Schluß nochmal ein Feynman. 🙂

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