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Sternengeschichten Folge 474: Weihnachten und die Wintersonnenwende

Weihnachten ist ein religiöses Fest der Christen. Weihnachten ist mittlerweile auch ein Fest, das ganz ohne Religion begannen werden kann und wird; einfach als großes Familienfest oder auch nur als ruhiger Tag an dem man sich ein wenig erholen kann. Aber egal ob Religion oder nicht – mit Astronomie scheint Weihnachten auf den ersten Blick nichts zu tun zu haben.

Hat es aber natürlich. So gut wie jedes große Fest das wir Menschen begehen, hat auf die eine oder andere Art mit Astronomie zu tun. Wenn man ein wenig darüber nachdenkt, dann ist das auch kein Wunder. Der Himmel war immer schon der ultimative Taktgeber für unsere Kultur. Die natürlichen Rhythmen von Tag und Nacht, der Mondphasen oder der Jahreszeiten lassen sich direkt am Himmel beobachten. Und selbstverständlich haben sich um diese Rhythmen herum alle möglichen Bräuche, Feste und Traditionen entwickelt.

Der Lauf der Jahreszeiten hat die Welt früher noch viel mehr dominiert als heute, wo zumindest in den industrialisierten Ländern nur noch wenige Menschen in der Landwirtschaft tätig sind. Aber für eine Zivilisation in der so gut wie alle ihre Nahrung selbst anbauen müssen, ist es von fundamentaler Notwendigkeit, die Jahreszeiten im Blick zu haben. Im Frühling muss man ausäen und sich darum kümmern, dass alles zu wachsen beginnt. Im Herbst muss geerntet werden, damit genug zu essen da ist, wenn der kalte und dunkle Winter kommt, in dem nichts angebaut werden kann.

Dass nach dem Winter irgendwann wieder der nächste Frühling und der nächste Sommer kommt: Das haben die Menschen natürlich immer schon gewusst. Aber sie haben nicht gewusst, was die Ursache für den regelmäßigen Lauf der Jahreszeiten ist. Und da ist es nicht verwunderlich, wenn man diese Vorgänge genau verfolgt und mit entsprechenden Ritualen ausstattet. Stellen wir uns einfach mal vor, wie es so gewesen sein könnte, vor ein paar tausend Jahren… Der Winter ist da, draußen ist es kalt. Die Sonne geht spät auf, sie geht früh wieder unter. Es ist dunkel und je länger der Winter fortschreitet, desto länger dauert die Nacht. Und die Nacht war damals natürlich auch noch eine echte Nacht. Keine hell erleuchteten Städte und Straßen, keine Lichter in den Häusern. Wenn, dann hatte man ein offenes Feuer, das ein bisschen Licht und Wärme in der langen Nacht gespendet hat.

Im Winter ists kalt
(Bild: Pieter Bruegel)

Selbstverständlich hat man damals sehr genau zum Himmel geschaut. Und darauf gewartet, dass die Tage endlich wieder länger werden. Denn wer weiß; vielleicht hört der Winter ja irgendwann doch nicht mehr auf? Aber wenn dann die Nacht wieder kürzer wird; wenn die Sonne Tag für Tag ein kleines bisschen früher aufgeht und ein kleines bisschen länger am Himmel steht: Dann kann man sich sicher sein, dass der Frühling kommen wird.

Der Zeitpunkt an dem das passiert; an dem also die Nacht _nicht_ mehr länger wird, wird „Wintersonnenwende“ genannt und war genau deswegen immer schon von großer Bedeutung für die Menschen. Was dabei aus astronomischer Sicht abläuft, habe ich in Folge 135 schon ein bisschen genauer erklärt, als ich über das Gegenstück im Sommer gesprochen habe: Die Sommersonnenwende. Ich werde nicht alles wiederholen; sage aber noch einmal dazu, dass ich auch hier wieder die Situation auf der Nordhalbkugel bespreche; auf der südlichen Hälfte der Erde läuft die Sache umgekehrt, da dort ja Sommer ist, wenn wir hier Winter haben.

Gehen wir gedanklich noch einmal zurück in die Zeit vor ein paar tausend Jahren. Damals wusste man noch nichts über den Aufbau des Sonnensystems, kannte das Gravitationsgesetz noch nicht und hatte keine Ahnung, dass die Sonne ein Stern ist, der von der Erde, einem Planeten, umkreist wird. Aber man konnte die Sonne am Himmel sehen. Und die Menschen waren damals auch nicht dümmer als heute; sie waren durchaus in der Lage, die Himmelskörper und ihre Bewegung zu registrieren und sich ihre Gedanken dazu zu machen. Von der Erde aus sehen wir die Sonne immer in Richtung Osten aufgehen und abends immer in Richtung Westen hinter dem Horizont verschwinden. Wenn man lange genug beobachtet, dann wird man feststellen, dass die Sonne nicht immer am gleichen Punkt erscheint und verschwindet. Im Sommer zum Beispiel geht die Sonne deutlich östlicher auf als im Winter und sie geht weiter westlicher unter. Was bedeutet, dass sie im Sommer auch einen längeren Weg über den Himmel zurücklegt und es länger hell ist. Was man ebenfalls feststellen kann: Im Sommer steigt die Sonne bei ihrem Weg über den Himmel sehr viel höher am Himmel hinauf als im Winter. Wenn man an jedem Tag des Jahres beobachtet, wie weit die Sonne steigt, bis sie zu Mittag ihren höchsten Punkt am Himmel erreicht, dann wird man sehr schnell ein Muster erkennen.

Sonnenhöchststand im Laufe eines Jahres, für 49 Grad Nord (Bild: S. Wetzel, CC-BY-SA 4.0)

Im Laufe des Frühlings wandert dieser höchste Punkt immer höher hinauf, bis im Sommer ein Höchstwert erreicht ist. Dann scheint die Sonne dort kurz zu verharren; sie steigt nicht weiter und beginnt in den folgenden Tagen zu sinken. Sie kommt nicht mehr so weit nach oben wie zuvor und Tag für Tag wird sie Mittags ein wenig tiefer am Himmel stehen. Das geht bis in den Winter hinein so weiter, die Tage werden kürzer und kälter. Bis sie das zweite Mal stillzustehen scheint und dann wieder langsam damit beginnt, höher am Himmel zu stehen. Diese beiden Punkte im Jahr nennt man die „Sonnenwenden“ oder auf lateinische die „Solstitien“, was nichts anderes bedeutet als „Stillstand der Sonne“.

Diese Beobachtungen kann man auch ohne großes technisches Gerät anstellen; man braucht nur einen fixen Beobachtungsort und ein gutes Gedächtnis. Oder stellt zum Beispiel einen großen Pfahl auf, über den man die Sonne jeden Tag zu Mittag anvisiert und dann mit einer Kerbe den jeweiligen Höchststand markiert. Über die Sonnenwenden haben die Menschen schon in der Steinzeit Bescheid gewusst, was man auch an der Konstruktion und Ausrichtung von Bauwerken wie Stonehenge oder der Kreisgrabenanlage von Goseck sehen kann.

In der modernen Astronomie markieren die Tage der Sommer- und Wintersonnenwende den Anfang von Sommer beziehungsweise Winter. Aber immer schon hat man diese Tage auch mit entsprechenden Festen und Ritualen begangen. Wenn endlich klar war, dass die dunkle und kalte Jahreszeit zwar noch nicht vorbei ist, aber bald vorbei sein wird, konnte man auch einen Teil der angelegten Vorräte auftischen und nach der Zeit der Entbehrungen ordentlich feiern. So haben sich überall große Mittwinterfeste entwickelt, bei denen man die längste Nacht des Jahres mit vielen Lichtern erhellt und es sich in Freude auf den nächsten Frühling gut gehen lässt.

Weihnachten auf der Raumstation (Bild: NASA)

Die Wintersonnenwende findet immer am 21. oder 22. Dezember statt (das kommt darauf an, ob gerade ein Schaltjahr ist oder nicht). Und das ist zwar nahe an Weihnachten – aber eben nicht ganz exakt. Weihnachten feiern wir am 24.12 – oder am 25.12, je nach Kulturkreis. Trotzdem gehört die Wintersonnenwende hier dazu. Es ist zwar historisch nicht ganz klar, welche Feste welche Völker an welchen Tagen gefeiert haben oder nicht – ob etwa das germanische „Julfest“ direkt zur Wintersonnenwende begangen wurde oder irgendwann später im Winter, weiß man nicht so genau. Aber es gab andere Feste zur Wintersonnenwende, zum Beispiel die Feierlichkeiten zu Ehren des römischen Gottes „Sol Invictus“, einem Sonnengott, der natürlich gerade zur Wintersonnenwende besonders verehrt wurde.

Im Christentum feiert man Weihnachten erst seit dem 4. Jahrhundert. Eine komplette historische Abhandlung über die Entstehung von Weihnachten würde den Rahmen des Podcasts sprengen – aber auch wenn die Christen an Weihnachten die Geburt von Jesus feiern ist klar, dass es hier nicht um ein historisch belegtes Ereignis geht. Niemand weiß, an welchem Tag Jesus tatsächlich geboren wurde (man kann nicht mal mit Sicherheit sagen, ob er überhaupt geboren wurde). Erst als das Christentum nach ein paar Jahrhunderten zu einer relevanten Religion herangewachsen ist, machte man sich Gedanken darüber, wie und wann man das Fest zur Geburt von Jesus begehen soll. Und hat es dann klugerweise auf den Tag der Wintersonnenwende gelegt. Wenn da sowieso schon so viele Feste anderer Religionen stattfinden, kann man die dann dadurch quasi boykottieren und die Menschen waren sowieso daran gewöhnt, dass an diesem Tag gefeiert wird; also können sie auch gleich die neue Religion feiern…

Man hat das Fest also auf den 25. Dezember gelegt und damals WAR das der Tag der Wintersonnenwende. Denn damals wurde noch der alte julianische Kalender verwendet; erst im 16. Jahrhundert gab es eine Kalenderreform mit der der Kalender eingeführt wurde, den wir auch heute benutzen. Dabei verschob sich alles um ein paar Tage, weswegen die Wintersonnenwende kalendarisch heute eben auf den 21. oder 22. Dezember fällt. Das christliche Weihnachtsfest blieb aber beim alten Datum.

Egal wie man Weihnachten feiert; mit oder ohne Religion; mit vielen Freunden oder nicht: Es ist ein Fest, dass die Menschen schon von Anfang an feiern. Wir feiern den Kreislauf der Jahreszeiten und damit auch die Bewegung der Himmelskörper. Und letztendlich feiern wir das, auf das man sich unabhängig von allen Unterschieden und Streitigkeiten immer einigen kann: Dass nach der langen Dunkelheit endlich wieder hellere Tage kommen werden.

Frohe Weihnachten!

12 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 474: Weihnachten und die Wintersonnenwende“
  1. Lieber Florian, dir auch wieder frohe Festtage und ein lebensfrohes neues Jahr.
    Aber eine Frage hätte ich noch in diesem Jahr zu diesen Zusammenhängen:

    Man meint ja oft, dass nach dem kürzesten Tag, also nach der Wintersonmnenwende die Tage wieder länger werden. Das stimmt ja auch, aber seltsam ist, dass noch eine ganze Zeit lang die Sonnenaufgänge trotzdem immer später kommen, aber die Sonnenuntergänge kommen noch ein bischen später, und machen das wieder mehr als wett. In Berlin ist z.B. der späteste Sonnenaufgang dieses Jahr am 30.12. um 8:17 MEZ.
    Ja, ich weiß. da gibt es die Zeitgleichung, aber die erklärt die Sache ja nicht von der Ursache her.
    Kann man irgendeine einigermaßen einfache Erklärung dafür angeben?

  2. Um dass alles noch komplizierter zu machen könnte man erwähnen, dass die Sonne auch nur zweimal im Jahr „mittags“ exakt im Süden steht und der zeitigste Sonnenuntergang schon vor Mitte Dezember, der späteste Sonnenaufgang dagegen erst Anfang Januar ist.
    Das Thema Sonnenwende kam mal wieder am Weihnachtsesstisch auf, mein Erklärungsversuch zu obigem erzeugte aber leider nur verständnislose Blicke…..

    Schöne Restweihnachten noch! 🙂

  3. Am 21. Dezember wurde das aber beim Wetterbericht im ZDF Mittagsmagazin ein wenig anders erklärt (ich zitiere mal sinngemäss aus dem Gedächtnis):

    Wahrscheinlich fand die Geburt Jesu (und dass es ihn gegeben haben soll, ist ja inzwischen historisch fast unstrittig) nicht im Winter, sondern eher im Frühjahr statt. Begründung: in Bethlehem ist es im Dezember nachts doch empfindlich kalt, so dass die Hirten wohl eher nicht – wie in der Bibel überliefert, vor dem Stall campiert hätten. Im Frühjahr macht das allerdings mehr Sinn.

    Im Frühjahr wäre man aber mit dem Geburtstermin mit dem höchsten Fest der Christenheit – Ostern – ins Gehege gekommen. Gleichzeitig brauchte man in der ausgehenden Antike wohl ein paar zusätzliche Anreize, auch ausserhalb von Osten ins heilige Land zu pilgern (vor allem, um die gerade erst errichtete erste Geburtskirche von den Pilgern besuchen zu lassen). Und so sei man auf die Idee mit dem Termin im winter gekommen, der auch den lokalen Herbergen zusätzliche Erträge einbringen sollte.

    Ist aber wahrscheinlich auch nur eine weitere These unter vielen…

  4. Der (symbolische) Weihnachtstermin kann auch vom 25. März abgeleitet sein. Eine Identität von Geburts- und Sterbedatum (14. Nisan des Jahres 30 = 25. März) galt als Zeichen der Vollkommenheit (ganze Lebensjahre) und für ersteres wurde das Datum der Empfängnis angesetzt, woraus dann der 25. Dezember als Geburtsdatum folgt. Diese Herleitung ist schon aus dem 3. Jh. (Weltchronik des Sextus Julius Africanus) überliefert.

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