Pluto hat es nicht einfach. Als man ihn 1930 entdeckt hat, war man eigentlich auf der Suche nach einem ganz anderen (und viel größeren) Himmelskörper. Dass Pluto nicht der gesuchte Planet war, kann man ihm nicht anlasten. Auch nicht, dass man bald herausfand, dass er sehr viel kleiner ist als die restlichen Planeten des Sonnensystems und sich auf einer für einen Planeten sehr untypischen Bahn bewegt. Pluto passte nie zu den anderen acht Planeten – aber dieses Rätsel klärte sich in den 1990er Jahren auf: Der Himmelskörper war nicht allein, sondern ein großer Brocken inmitten vieler anderer Brocken des Kuiper-Asteroidengürtels. Und ist nicht einnmal der größte Himmelskörper, der im äußeren Sonnensystem seine Runden zieht. Pluto kann auch nichts dafür, dass die Astronomie Wörter wie „Planet“ und „Asteroid“ lange Zeit eher informell verwendet und sich darauf verlassen hat, dass man eh weiß, was damit gemeint ist. Aber dann sind halt immer mehr Himmelskörper aufgetaucht, wo die Lage unklar war; einiges sprach dafür, sie als „Planet“ zu bezeichnen, einiges aber auch, sie als „Asteroid“ zu klassifizieren. Also hat man halt eine Entscheidung getroffen und dass diese im Jahr 2006 festgelegte offizielle Definition des Begriffs „Planet“ nicht sehr gut überlegt war, ist ebenfalls nicht die Schuld von Pluto.
Man hat damals zwar sinnvollerweise beschlossen, Pluto nicht mehr zu den Planeten zu zählen. Mit dieser Entscheidung war und ist die Mehrheit der Astronomie durchaus einerverstanden. Weniger sinnvoll war die Art und Weise, wie dieser Beschluss zustande kam und vor allem, dass man sich den Unsinn mit den „Zwergplaneten“ ausgedacht hat. Trotz allem kommen die meisten damit klar, dass Pluto kein Planet ist. Bis auf eine Gruppe von Forscherinnen und Forscher rund um den amerikanischen Astronomen Alan Stern, die seit Jahren immer wieder versucht, Pluto doch wieder zu einem Planeten zu machen. Diesmal nicht mit naturwissenschaftlichen Argumenten, sondern durch einen Ausflug in die Geschichte.
Der Text um den es geht heißt „Moons Are Planets: Scientific Usefulness Versus Cultural Teleology in the Taxonomy of Planetary Science“ und ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Bevor wir aber einen genaueren Blick darauf werfen, fassen wir noch einmal kurz die bisherige Kontroverse zusammen.
- Pluto hat Eigenschaften, die viel besser zu den Objekten passen, die wir „Asteroiden“ nennen als zu denen, die wir unter „Planeten“ klassifizieren. Das weiß man in vollen Umfang erst seit den 1990er Jahren.
- Weil man da Pluto aber schon seit fast 60 Jahren als „Planet“ geführt hat, hat man lange gezögert, daran etwas zu ändern.
- Ab den 2000er Jahren sind immer wieder Himmelskörper entdeckt worden, die – so wie Pluto – einerseits alle Eigenschaften von Asteroiden zeigen, gleichzeitig aber annähernd so groß wie Pluto bzw. sogar größer sind.
- Viele wollten diese neu entdeckten Asteroiden nun auch „Planeten“ nennen; die anderen setzten sich dafür ein, stattdessen Pluto lieber den Asteroiden zuzuschlagen.
- Um die Kontroverse zu schlichten, hat man im Jahr 2006 probiert, offiziell festzulegen, was ein „Planet“ aus astronomischer Sicht ist. Und nach dieser Definition ist Pluto keiner mehr.
Die neue Definition basiert im Wesentlichen auf der Art und Weise, wie ein Himmelskörper entsteht. Alle bilden sich ja aus Gas und Staub. Dieses Zeug klumpt zusammen und es entstehen immer größere Objekte. Wächst etwas sehr schnell, dann reicht seine Anziehungskraft aus, das restliche Material in seiner Umgebung großräumig anzuziehen oder bei nahen Begegnungen durch entsprechende gravitative Störungen aus dem System zu werfen. Man bekommt also einen vergleichsweise großen Himmelskörper, der vergleichsweise alleine in seiner Ecke des Sonnensystems ist. Wächst ein Himmelskörper nicht schnell genug, dann bleibt er relativ klein und in seiner Umgebung findet man andere, ebenso kleine Objekte, die nie zusammengefunden haben um ein größeres Objekt zu bilden. Die letzteren nennen wir Asteroiden, die ersteren Planeten.
So weit, so klar eigentlich. Nur hat die Definition die astronomisch-physikalischen Zusammenhänge hinter dieser Klassifikation sehr ungenau beschrieben und jede Menge Raum für Fehlinterpretationen gelassen. Und die Tatsache, dass Pluto, der als kleines Objekt inmitten jeder Menge anderer Asteroiden sitzt, demnach nicht mehr als „Planet“ bezeichnet werden kann, hat zumindest einen kleinen Teil der (vor allem aus den USA stammenden) Astronominnen und Astronomen so sehr geärgert, dass sie bis heute versuchen, das wieder rückgängig zu machen.
Argumente dafür kann man grob in zwei Gruppen teilen. Die einen kommen eher von Leuten die nix mit Wissenschaft zu tun haben und man kann sie mit „Pluto war immer schon ein Planet und ich will, dass sich daran nix ändert“ zusammenfassen. Die anderen, eher wissenschaftlichen Argumente beschäftigen sich damit darauf hinzuweisen, dass Pluto ein sehr komplexer Himmelskörper ist und deswegen nicht als schnöder Asteroid bezeichnet werden sollte.
Über das „Ich will so dass es wieder ist wie früher“ brauchen wir nicht weiter diskutieren. Das ist Quatsch. Das mit der Komplexität ist durchaus interessant, aber wenn man sich ausreichend mit astronomischen Objekten beschäftigt, sind ALLE interessant und komplex. Der Mond ist mindestens so komplex wie Pluto, ebenso wie zum Beispiel der Mond Titan des Saturn oder eigentlich jeder andere Mond des Sonnensystems. „Planeten“ nennen wir sie dennoch nicht, genau so wenig wie zum Beispiel den Kometen Tschurjomov-Gerrasimenko, der sich als wahnsinnig komplexe und spannende Welt herausgestellt hat; ebensowenig wie all die Asteroiden, die wir aus der Nähe erforscht haben. Abgesehen davon sollte auch „Finde ich spannend!“ keine Kategorie sein, anhand der man Himmelskörper einteilt. „Langweilige“ Himmelskörper gibt es nicht; es kommt nur darauf an, welche Interessen man hat und wie genau man schaut.
Alan Stern und seine Kolleginnen und Kollegen dürften Pluto SEHR spannend finden. Zu Recht, denn erstens IST Pluto das definitiv. Und zweitens war Stern maßgeblich für die Durchführung der Raumsonde New Horizons verantwortlich, die uns das erste Mal Nahaufnahmen von Pluto geliefert hat. Und das eigene Forschungsobjekt findet man per Definition immer am spannendsten. So oder so: Alle paar Monate gibt es neue Versuche von Stern & Co, Gerechtigkeit (oder das, was sie dafür halten) für Pluto einzufordern. Diesmal eben mit dem Blick auf die Geschichte.
Das erste was mich an der (68 Seiten!) langen Arbeit überrascht hat, war der Mangel an Historikerinnen und Historikern. Ich habe nicht alle Biografien im Detail geprüft aber soweit ich das gesehen, sind alle die an der Arbeit mitgeschrieben haben, ausgebildete Fachleute für Astronomie und Planetologie (man möge mich bitte korrigieren, wenn es anders ist). Was ein wenig seltsam wirkt, wenn gleich zu Beginn spektakuläre Funde verkündet werden:
„We report the results of a five-year study of the astronomical and planetary science literature to understand how the concept of a planet has evolved in relationship to scientific theory and to culture. What we discovered is surprising: the story that is commonly told about the Copernican Revolution and how it changed the concept of planets is not correct.“
Die Geschichte der Kopernikanischen Revolution muss umgeschrieben werden? Nun, für mich sieht das alles ein wenig anders aus. Kurz zusammengefasst lautet die These der Autorinnen und Autoren so: Früher hat man das Wort „Planet“ ganz anders verstanden als heute. Monde zum Beispiel wurden so bezeichnet. Dann aber wurde der Begriff unter anderem aus religiösen Gründen (alles am Himmel muss ordentlich sein) eher nur für die „ordentlichen“ Himmelskörper benutzt und die „unordentlichen“, so wie die Asteroiden, wurden anders benannt. Die Astronomie hat das später fälschlicherweise selbst übernommen und deswegen streiten wir jetzt so sehr darüber, was ein Planet ist oder nicht: „We argue in this paper that astronomers have erroneously attributed an 1800s folk taxonomy, one that is not aligned with reductionist or ontogenetic theory and therefore has low value for science, to the Copernican Revolution.“
Ich bin natürlich auch kein Wissenschaftshistoriker. Aber viel von dem, was in diesem Artikel „aufgedeckt“ worden ist, fand ich jetzt nicht wirklich neu. Dass die Namensgebung bei Planeten/Asteroiden früher unklar war, man da von „Kleinplaneten“, „Hauptplaneten“, usw gesprochen hat, habe ich zum Beispiel in diesem Artikel schon mal zusammengefasst. Ich bin mir nicht sicher, ob man daraus all die Schlüsse ableiten kann, die in der neuen Arbeit abgeleitet werden. Ich verstehe auch nicht, warum man unbedingt der Meinung sein soll, dass die Verwendung des Begriffs „Planet“ vor dem 19. Jahrhundert „korrekter“ oder „besser“ war als danach. Sie war anders, ja. Aber neues Wissen bringt neues Verständnis. Galileo Galilei hat die vier Monde des Jupiters, die er entdeckt hat, ja zuerst auch die „Mediceischen Sterne“ genannt (später auch „Mediceische Planeten“). Sollen wir deswegen diskutieren, ob der Begriff „Stern“ jetzt auch für Monde verwendet werden kann?
Ja, natürlich kann man darüber diskutieren, ob man „Planet“ so definieren soll, wie das heute der Fall ist. Momentan basiert sie auf Eigenschaften der Umlaufbahn, die sich – so wie oben von mir beschrieben – aus der Art und Weise der Entstehung ergeben. Und es ist durchaus zulässig, Objekte, die auf unterschiedliche Weise entstanden sind, auch unterschiedlich zu bezeichnen. Dass man darüber hinaus auch noch andere Unterscheidungskriterien verwenden kann, ist unbestritten. Ich weiß daher auch nicht so genau, was die Autorinnen und Autoren meinen, wenn sie das hier schreiben:
„The concept of orbit clearing or gravitational dominance is indeed important, but it is far less important than the totality of all the other things that should be said about planets, and we found no cases in the literature of scientists using gravitational dominance or orbit clearing to formulate subsequent hypotheses to explain the further nature of these objects (or if such papers exist, they are very few). If gravitational dominance were accepted as the basis of the planet concept, it
would render the planet concept irrelevant for addressing the vast number of other important aspects of planets since it selects a set of bodies that have only gravitational dominance in common leading to no further insight or application. This has led some astronomers to comment that the planet concept is not useful in science at all.“
Warum kann „gravitational dominance“ denn NICHT als Basis der Planetendefinition verwendet werden? Wir verwenden ja auch „Strahlungsdominanz“, um zwischen Planeten und Sternen unterscheiden zu können, auch wenn es sehr viel mehr gibt, mit dem man Sterne bzw. Planeten charakterisieren kann. Nur weil man sie nicht „Planet“ nennt, heißt das ja nicht, dass Himmelskörper wie Pluto, Titan oder Tschurjomow-Gerrasimenko nicht interessant sind; dass sie keine komplexe Welten sind oder dass sie es nicht wert wären, erforscht zu werden.
Ich hab das Gefühl, Alan Stern und all die anderen, die unbedingt die Planetendefinition so ändern wollen, dass auch Pluto wieder ein Planet wird, haben eine sehr engstirnige Sicht was diese ganze Klassifikation angeht. Im Universum gibt es jede Menge Objekte. Es gibt Galaxien, es gibt Sterne, es gibt Planeten, es gibt Monde, es gibt Asteroiden und Kometen. Alle sind interessant, alle sind wichtig als Informationsquelle für unser Verständnis des Kosmos. Genauso wie all die Dinge, die keine Himmelskörper sind: Interstellare Staubwolken, das intergalaktische Medium, Magnetfelder, kosmische Strahlung, Gravitationswellen, und so weiter. Pluto ist um nichts weniger interessant, wenn man ihn „Asteroid“ nennt anstatt „Planet“. Ich kann nicht nachvollziehen, woher diese Fixierung auf „Pluto muss ein Planet sein, alles andere ist ungerecht“ kommt.
Sehr interessant fand ich auch den letzten Satz aus obigen Zitat: „This has led some astronomers to comment that the planet concept is not useful in science at all.“ Genau so ist es. Aber das gilt in beide Richtungen! Jede Definition, die wir so hinbasteln, dass sie Pluto als Planet enthält, muss zwangsläufig auch hunderte bis tausende andere Himmelskörper des Sonnensystems (Monde, Asteroiden, Kometen, etc) enthalten. Was wäre gewonnen, wenn das Wort „Planet“ sowohl einen gigantischen Gasplaneten wie Jupiter als auch einen kleinen Brocken wie Pluto oder Ceres beschreibt? Dann würde „Planet“ nicht viel mehr heißen als „Ding, dass die Sonne umkreist und ausreichend interessant für die Wissenschaft ist“ – und wäre damit tatsächlich eine komplett sinnlose Definition.
Es IST sinnlos, sich so an diesem einem Wort festzubeißen. Es ist doch völlig egal, ob etwas ein „Planet“ ist oder nicht. Es kommt darauf an, was wir bei der Erforschung des Himmelskörpers lernen können! Wenn es nach mir geht, dann können wir diese binäre Definition von „Planet“ oder „Kein Planet“ sowieso abschaffen. Andere Wissenschaft haben das ja auch auf die Reihe gekriegt. In der Biologie gibt es ja auch nicht nur „Vogel“ oder „Kein Vogel“. Da gibt es Familien, Gattungen, Arten, Unterarten, und so weiter. Das kann man in der Astronomie doch auch machen. Aber mir kommt es so vor, als würde da eine sehr kleine Gruppe an Leuten sehr viel Wirbel machen, um ihr Lieblingsforschungsobjekt Pluto mit Gewalt von einer subjektiv empfundenen „Abwertung“ zu befreien. Macht euch doch keinen Stress! Pluto ist super, Pluto ist spannend, Pluto ist der „King of the Kuiperbelt“. Eure Forschung über Pluto ist super und wichtig – und spannend genug. Ihr müsst nicht jahrelang historische Texte wälzen, nur damit ihr einen Weg findet, ihn „Planet“ zu nennen. Das wirkt lächerlich…
Kommt diese Aufruhr nicht auch deswegen hauptsächlich aus den USA, weil Pluto der einzige „Planet“ ist, der von einem US-Amerikaner entdeckt wurde? Dass die „Degradierung“ des Pluto also einfach den Nationalstolz angekratzt hat?
Warum erklären die US-Amerikaner dann nicht gleich den Erdmond zum Planeten – nur damit die USA stolz drauf sein kann, dass US-Amerikaner (Neil Armstrong, Buzz Aldrin usw.) als erste Menschen einen anderen „Planeten“ betreten haben?
Niemand käme heutzutage auf die Idee, den Erdmond als Planeten zu bezeichnen.
Und der Pluto ist vom Volumen nur etwa ein Drittel so groß wie der Erdmond.
Dass vor allem in den USA – unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ebenso wie in der breiteren Bevölkerung – die Reputation von Pluto als Planet so einen emotional wichtigen Status hat, liegt sicher daran, dass er der erste „Planet“ war, der von einem Amerikaner (Clyde Tombaugh am Lowell-Observatorium) entdeckt wurde. Da spielt eine Riesenportion von Nationalismus mit…
Ich bin der Meinung, dass dieses frei räumen der eigenen Umlaufbahn, eine schwache Idee ist. Für sinniger halte ich es die Eigenschaft Planet aus einer Eigenschaft des Körpers selbst abzuleiten. Planeten sind alle Körper, die unter ihrem Eigengewicht eine kugelförmige Gestalt annehmen und nie eine Kernfusion ingang setzten konnten . Dann wären Erde und Mond zwar ein Doppelplanetensystem. Aber es gibt ja auch Doppelsterne. Denen ist es ja auch nicht gelungen all die Materie aus der Vorläuferwolke in sich zu vereinen. Es entspricht zwar nicht unseren Gepflogenheiten, den Jupiter als mehr Planetensystem zu betrachten, beschreibt sein Eigenschaften deutlich besser. – Meine Meinung.
Ich schliesse mich da meinen Vorkommentatoren an.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es unterm Strich nur darum geht, dass Pluto der bisher einzige „Planet“ unseres Systems ist, den ein US- Amerikaner entdeckt hat. Hätte man (warum auch immer) einen der anderen Planeten zurückgestuft, wären Stern und Kollegen wohl kaum so verbissen hinter der Sache her.
Muss man denn Begriffe aus der Historie einer Wissenschaft unbedingt hinterfragen, wenn es dafür keinen sachlichen Grund gibt? An sich bedeutet Planet ja nur etwas am Himmel wanderndes. Wie wäre es damit: „Ein Planet im Sonnensystem ist, was historisch als planet bezeichnet wurde.“
Neuentdeckte Himmelskörper können ja nach einem neuen Schema klassifiziert werden.
Zitat: „Ein Planet im Sonnensystem ist, was historisch als planet bezeichnet wurde.“
Historisch wurden – außer Pluto und Eris – aber auch Ceres, Pallas, Juno, Vesta und Astraea nach ihrer Entdeckung zunächst als „Planet“ bezeichnet.
Im Jahr 1846 wurden nach der Entdeckung des Neptuns im Sonnensystem also zunächst 13 Planeten gezählt.
Ab 1847 wurden aber immer mehr neue Himmelkörper zwischen Mars und Jupiter entdeckt. Deshalb führte man in der Astronomie die neue Kategorie der Asteroiden ein (früher wurden diese auch Planetoiden oder Kleinplaneten genannt).
Das Himmelkörpern der Planeten-Status auf Basis von neueren Beobachtungen später wieder aberkannt wird, ist also schon mal dagewesen.
Pallas, Juno, Vesta und Astraea sind unregelmäßig geformt (sie sind nicht „annähernd rund“, sie haben kein hydrostatisches Gleichgewicht), man würde sie heutzutage noch nicht einmal zu den Zwergplanten einordnen.
Würde man alle Objekte mit hydrostatischem Gleichgewicht als „Planeten“ klassifizieren, dann hätte man womöglich bald hunderte von „Planeten“ im Sonnensystem.
Warum führen die Forschenden nicht selbst die Idee an Planeten zu klassifizieren in Planeten 1. Ordnung, Planeten 2. Ordnung und 3. Ordnung? Dann könnte Pluto zwar planet heißen, aber mit 2. Ordnung.
Mein Vater erklärt mir jeden Samstag unsere neuen Planetendefinitionen. Das passt immer…
hatten wir schon mal, aber weil es so schön ist: Man sollte Pluto nicht ohne Charon denken.
Ich glaube, das Kernproblem liegt an der gefühlten „Definition“ (eher Substitut), die im allgemeinen Gebrauch ist, auch jenseits astronomischer Kreise:
Planeten werden als Welten verstanden. Ist einer keiner mehr, ist eben gleich empfindsamer Weise eine ganze Welt verschwunden, bzw. hat den Weltenstatus aberkannt bekommen. Logisch, dass das als massiver Verlust empfunden wird, obwohl faktisch gar nichts passiert ist. Liegt an unserer Psyche.
Da der Begriff „Welt“ widerum jede Menge Assoziationen auslöst und immer auch den Rückbezug inkl. Vergleichsmöglichkeiten zu unserer Welt hat, also dem Planeten Erde, entsteht so auch ein Gefälle bzw. ein Ranking in der allgemeinen Wahrnehmung. Ein Planet wird als etwas Besonderes gesehen, da er eine ganze Welt ist, während ein Mond nur als eine Welt zweiter Klasse empfunden wird oder als Mini-Ausgabe davon (was ja keineswegs so sein muss, man blicke auf Titan oder Europa mit seinen vermuteten, größten Ozean unter dem Eispanzer im System) und ein Asteroid nur als ein Gesteinsbrocken, also nur als Bruchstück einer Welt.
Diese empfundene Hierarchie und der Zentrismus auf uns selbst widerum wird auch von der Astronomie ungewollt befeuert. So werden z.B. Exoplaneten, die keine Gasriesen sind, also eine feste Oberfläche haben, aber deren Masse größer als die der Erde ist, dennoch Supererden genannt werden und nicht etwa Supermarse, Supervenusse oder Supermerkure – auch nicht neutral z.B. „massive Gesteinsplaneten“. Klar, „Supererde“ ist kürzer und prägnanter, aber das dürfte dennoch nicht die ganze Wahrheit sein, warum sich dieser Begriff einbürgerte.
Wir werden unseren Egozentrismus einfach nicht los, sehen uns immer noch allein und als Maß aller Dinge und unsere Welt ebenfalls. Gleichzeitig haben wir aber die Sehnsucht danach, dass das nicht schon alles ist. Eine der vielen Ambivalenzen des Menschen, um nicht zu sagen: Widersprüche.
Ist eine andere Welt plötzlich also keine mehr, sind wir gefühlt wieder ein Stück einsamer geworden. Mit Astronomie hat das nicht viel zu tun. Mit uns hingegen sehr viel.
Wenn wir schon die Historie bemühen, anstatt die wissenschaftlichen Fakten, warum dann nicht so:
Die Planeten (abgesehen von der Erde) sind nach (römischen) Göttern benannt. Pluto war jedoch bei den alten Römern kein Gott, sondern ein Dämon. also hat er sowieso nie zu diesem Pantheon dazugehört.
Müssten nicht auch alle Asteroiden umbenannt werden? Was an ihnen ist im Lichte heutigen Wissens denn „sternartig“?
Das Hauptproblem, dass diese US-Forscher überraschenderweise völlig aus den Augen verloren zu haben scheinen, ist der Aspekt, welche Auswirkungen eine Definition hätte. Was wollen sie denn? „Ein Planet ist ein Himmelskörper, der einst als ‚Planet‘ bezeichnet wurde?“ Dann wären Ceres, Pallas, Vesta, Juno und Astraea sofort wieder Planeten. Gehen wir noch weiter zurück, werden Sonne und Mond Planeten, die Erde aber nicht – und Pluto natürlich auch nicht. Überhaupt ist „Planet“ eigentlich ein dummer Begriff, bedeutet er doch „Wanderer“ oder „Wandelstern“, und bezeichnet alles, was nicht „Fixstern“ ist. Beides macht so keinen Sinn mehr.
Wenn wir aber am Begriff „Planet“ festhalten wollen, dann braucht es nun einmal eine Definition, was dazu gehören soll und was nicht. Klar, man könnte es allein am hydrostatischem Gleichgewicht festmachen. Dann hätten wir zurzeit 13 Planeten, womöglich aber auch 32 – oder noch sehr viel mehr. Dabei wären die Monde noch nicht einmal berücksichtigt, auch wenn Charon aufgrund seiner speziellen Umlaufbahn eher dazu gehören müsste.
Wer also Pluto wieder zum Planeten machen möchte, muss eine brauchbare Definition aufstellen – und muss mit den Konsequenzen leben. Manche Traditionalisten möchten aber wohl am liebsten mit diesen hier arbeiten:
„Alle Himmelskörper im Sonnensystem sind Planeten, die am 13. März 1930 als Planeten betrachtet worden waren.“
„Die Planeten im Sonnensystem heißen Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto.“
Merkur, Venus, Erde, Mars, Ceres, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto, Haumea, Makemake, Eris.
Mein Vater erklärt mir charismatisch jeden Sonntag unsere nichtssagende Planetendefinition, häufig mittels Exportbier.
Passt gut.
Und nix mehr mit „Jupiter ist der fünfte Planet“. Voll Cool. Müssen sich die Leute halt dran gewöhnen, Hauptsache Pluto ist Planet.
Nur weil man was früher, oder schon immer, so gemacht hat, heißt das noch lange nicht dass es nicht bescheuert ist.
Gruß
Aginor
Die Assoziation von Planeten mit „Welten“ gefällt mir. Da spielt letztlich auch die Emotion eine Rolle und das ist nichts schlechtes. Wissenschaft völlig ohne Emotionen wollen wir doch auch nicht haben.
@Rob:
Tja, aber wie genau wäre die Bedingung, damit ein Himmelskörper eine „Welt“ ist oder eben nicht?
@ Aginor:
Sackstark! *grins*
@Aginor:
Ach, du weißt ja:
„Das haben wir immer schon so gemacht.“
„Da könnte ja jeder kommen.“
„Es ist noch immer gut gegangen.“
Tja, und was, wenn (225088) Gonggong, (50000) Quaoar, (90377) Sedna auch noch Planeten werden? Immerhin dürften sie alle größer sein als Ceres.
Merkur, Venus, Erde, Mars, Ceres, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto, Haumea, Quaoar, Makemake, Gonggong, Eris, Sedna.
„Manischer Verrückter erklärt mir cholerisch jeden Samstagabend unsere nichtsnutzige Planetendefinition, häufig qualvoll mit ganz ermüdendem Sermon.“
Im Gegensatz zu Herrn Freistetter halte ich den Begriff „Zwergplanet“ durchaus für sinnvoll, da dieser Begriff auch gleich ein Bild einer runden Sache, äh, Welt ergibt.
Ich würde für alle Himmelskörper folgende Definition bzw. Klassifikation vorschlagen, für die ich den Vorschlag von Nicole Schnass so ein wenig aufgreifen und ausarbeiten möchte.
Stern:
Selbstleuchtendes Objekt, dass eine ständige Kernfusion aufrecht erhalten kann.
Dabei kann das bisherige Hauptreihensystem beibehalten werden.
Planet:
Klasse A = Einzelplaneten, durch die Masse eine (oblate) Sphäre (Beispiel Erde). Das gilt, wenn das Baryzentrum (1) von Planet und ggf. Mond sich noch innerhalb des größeren Objekts befindet.
Klasse A1 = Gasgiganten wie Jupiter.
Klasse A2 = Terrestrische Planeten wie die Erde bzw. Supererden in Exosystemen mit fester Gesteinsoberfläche und ggf. einer Atmosphäre.
Klasse A3 = Unabhängige Planeten, die keinen Stern umkreisen. Dabei alle Untergliederungen als A3a, A3b … geführt.
Klasse B = Doppelplaneten. Das gilt, wenn sich das Baryzentrum von größerem und kleinerem sich gegenseitig umkreisenden Objekt außerhalb beider oder mehr Objekte befindet.
Klasse B1 = Doppel-Gasplaneten
Klasse B2 = Doppel-Terrestrische Planeten.
Klasse C = Zwergplaneten. Planeten, die in größeren Verbänden wie einem Asteroidengürtel kreisen (Beispiel Sedna, Quaoar, Haumea).
Klasse C1: Doppel-Zwergplaneten (Beispiel Pluto und Charon)
Monde:
Kleinobjekte, die ein deutlich größeres umkreisen und sich das Baryzentrum noch im Hauptkörper selbst befindet.
Asteroiden:
Unregelmäßig geformte Kleinobjekte.
(1) Für Neueinsteiger in die faszinierende Welt der Astronomie, die zufällig den Artikel von Herrn Freistetter angeklickt hatten.
Das ist der gravitative Mittelpunkt eines Systems zweier oder mehr astronomischer Objekte, die sich gegenseitig umreisen.
PS: Wer alle noch auffindbaren orthografischen Feler findet, kann sie behalten, ich betrachte die als Teil meiner künstlerischen Freiheit 😉 Hahaha.
Autschn. Da fehlen dann die Randobjekte wie z.B. Braune Zwerge. Und Klasse B sollte „Mehrfachplaneten“ heißen. (Und was ist mit einem Planeten, dessen einer Teil Gas- und der andere Teil terrestrischer Planet ist? Die entstehen wahrscheinlich nicht zusammen, aber unmöglich fänd ich das auf den ersten Hieb nicht.)
Prinzipiell aber empfinde ich diese Struktur als etwas, womit man zumindest mal anfangen kann, die Gedanken zu ordnen, ohne auf den schon erwähnten „hamwaschonimmasojemacht“-Nagel zu treten.
Pluto war, ist und bleibt der coolste Asteroid aller Zeiten. Ihn zum kleinsten Planeten des Sonnensystems degradieren zu wollen, ist absurd.
cool – stark einleuchtendes Argument dafür, VarianteA vor VarianteP einzuordnen.
Was ja auch alphabetisch sachzwingend ist.
@Captain E.
Ich hatte die tatsächlich noch ausgelassen da IIRC die Namen noch nicht final sind. Bin aber jetzt schon ein Fan Deines Merksatzes!
Gruß
Aginor
@Aginor:
Klar, denn die Entscheidung steht ja in der Tat noch aus. Aber natürlich macht es keinen Sinn, kugelrunden Objekten, die für einen echten Planeten zu klein sind, diesen Status zu verweigern, insbesondere wenn mit Ceres ein kleinerer Körper bereits so eingestuft wurde. Allerdings gibt es ja auch noch kleinere Kandidaten, und spätestens dann ist wieder Phantasie gefragt für einen nochmals verlängerten Merkspruch.
Übrigens: Auch wenn ich dein Exportbier wieder hinaus geworfen habe, hatte ich jede Menge Alkohol im Sinn, weil ich mir das Ganze, angeregt von deinem Merkspruch, in einer samstagabendlichen Kneipenszene vorgestellt habe.
Tja. Schon mal überlegt, was passiert, wenn demnächst herauskommt, dass wir nur in einem Zwerguniversum leben?
Nö, hat mich bisher nicht die Bohne interessiert und die Wahrscheinlichkeit für ‚irgendwann einmal‘ liegt auch verdammt dicht an der Null.
Doch mindestens ein Mensch scheints gemacht zu haben: stone1.
Ich kann die Aufregung verstehen: Wie sollen schließlich all die astrologischen Systeme und Berechnungen ohne den Planeten Pluto auskommen?
Zitat: „Wie sollen schließlich all die astrologischen Systeme und Berechnungen ohne den Planeten Pluto auskommen?“
Ein Kommilitone sagte mir mal: „Astrologie ist totaler Humbug und zu nichts nütze – außer um Astrologie-gläubige Frauen aufzureißen! Du musst nur erwähnen, dass dein Pluto im Skorpion steht, und schon halten sie dich für einen heißen Liebhaber…“
@Bluesze:
Tja, vermutlich genau so, wie sie vor dem 13. März 1930 (Bekanntgabe) oder gar dem 18. Februar 1930 (Entdeckung) haben auskommen müssen – mehr schlecht als recht. Geändert hat sich 1930 allerdings an der Qualität nicht das Geringste.
@Captain:
Aber sie haben doch jetzt das fantastische Astrologie-Programm von Astro.com – öffentlich und kostenlos.
Achtung: M.-Termin-Gebabbel inside.
Danke für den Link, Bullet. Was hab ich gelacht!