Die schlechte Schlagzeile von heute habe ich zur Abwechslung mal ganz klassisch und offline gefunden. In der Zeitung, in der ich geblättert habe, als ich am Morgen beim Bäcker auf meinen Kaffee gewartet habe. Das war die Kronen Zeitung und die lese ich nicht nur nicht, ich vermeide es im Allgemeinen auch darin zu blättern. Die Krone ist das österreichische Pendant zur BILD, nur noch ein wenig ärger. Und wenn heute nicht schon auf der Titelseite eine Geschichte über Mathematik in der Schule angeteasert worden wäre, dann hätte ich sie wie sonst einfach ignoriert. Gekauft habe ich sie dennoch nicht; die entsprechende Geschichte gibt es auch online. Dort ist sie mit der Schlagzeile „Mathematik vermiest vielen den ganzen Schultag“ überschrieben und gleich danach wird versprochen: „Experten geben für „Krone“ einen Einblick, wie man „das“ Schreckgespenst vieler Schülerinnen und Schüler wieder loswerden kann.“ (Expertinnen gibt es bei der Krone selbstverständlich nicht, wo kämen wir denn da hin!).

Es geht weiter mit harten Zahlen: “ „Wenn Mathe auf dem Stundenplan steht, freut mich der ganze Schultag nicht“, sagen 73,4 Prozent.“. Fast drei Viertel der Schülerinnen und Schüler haben solche Probleme mit Mathematik, dass es ihnen den ganzen Tag kaputt macht? Klingt unglaubwürdig und ist auch falsch. Dazu aber gleich mehr. Erst hören wir noch kurz dem Experten zu, nämlich Angela Schmidt: „„Wir beobachten seit 25 Jahren, dass Mathematik das Problemfach Nr. 1 ist““. Das will ich auch gar nicht bestreiten. Aber, und darüber informiert auch die Krone selbst, Frau Schmidt ist die Sprecherin einer Nachhilfe-Organisation und von dort stammt auch die Umfrage, die Anlass für den Artikel ist. Jetzt sind Meinungsumfragen aktuell in Österreich Anlass für jede Menge Unruhe: Die Staatsanwaltschaft wirft jeder Menge Spitzenpersonal der Regierungspartei ÖVP (inklusive dem jetzt Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz) unter anderem vor, gefälschte Umfragen beauftragt und gegen das Versprechen von Inseratengeldern in Boulevardzeitungen untergebracht zu haben. Man ist also skeptisch, wenn es um Umfragen geht und auch wenn das Mathe-Thema nichts mit der Korruptionsaffäre zu tun hat, ist es einen zweiten Blick wert, wenn ein Nachhilfe-Institut Umfragen zu den Lernschwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern veröffentlicht.

Screenshot: krone.at, 21.10.2021

Laut Krone ist die Lage auf jeden Fall dramatisch:

„Dabei zeigt schon die Umfrage, für wie viele Mathe „das“ Schreckgespenst in der Schule ist: Jeder Dritte kommt im Unterricht kaum mit, 55,1 Prozent fürchten sich vor Schularbeiten und Prüfungen – was heißt: Er muss sich dann daheim entsprechend länger mit Hausübungen quälen, die er nicht versteht, und sich zusätzlich noch Hilfe holen, hat Angst vor den Prüfungen, was wiederum dazu führt, dass Gelerntes nicht gut abrufbar ist – und der Teufelskreis beginnt.“

Ja, wenn er sich daheim „quälen“ muss, ist das wirklich kontraproduktiv (übrigens auch, wenn sie das tun muss, aber so wie Expertinnen kennt die Krone offensichtlich auch keine Schülerinnen). Aber schauen wir doch einfach mal weg vom Boulevard (immer eine gute Idee) und hin zu den Daten, die Grundlage des ganzen sind. Die findet man hier und wir erfahren als erstes, dass es sich um eine Online-Befragung von 635 Schülerinnen und Schülern zwischen 10 und 19 Jahren im Sommer 2021 handelt. Davon, ob die Erhebung repräsentativ ist, oder in welchen Schulen und Schultypen die Umfrage durchgeführt worden ist, erfährt man nichts. Aber gut, schauen wir weiter…

Zuerst wird gefragt, wie denn der Mathe-Unterricht gefällt, so ganz allgemein. Bewertet wurde durch Schulnoten (von „Sehr gut“ bis „Ungenügend“) und immerhin 82,5 Prozent geben ihrem Unterricht eine positive Note; „Nicht genügend“ empfinden ihn nur 17,5 Prozent. 28,9 Prozent halten ihren Mathe-Unterricht für „Sehr gut“ oder „gut“ und nimmt man auch noch die 31,2 Prozent mit „Befriedigend“ dazu, dann hat man 60,1 Prozent, die mit dem Unterricht im großen und ganzen zufrieden sind.

Interessant ist die Frage: „Hast du den Eindruck, dass du während des Schul‐Unterrichts alles verstehst, was in Mathe unterrichtet wird?“. 34,9 Prozent können „Immer“ bzw. „Meistens“ folgen; „Selten“ oder „Nie“ kommen 32,2 Prozent mit. Ein Drittel an Schülerinnen und Schülern, die gröbere Schwierigkeiten im Mathe-Unterricht haben sind natürlich nicht gut. Aber immerhin kann die Mehrheit im großen und ganzen verstehen, was unterrichtet wird. Die Hausaufgaben werden von nur 26,3 Prozent als „ziemlich“ oder „sehr schwierig“ empfunden; der Rest sieht den Schwierigkeitsgrad als unterdurchschnittlich oder normal an – und im Schnitt werden 40 Minuten für die Erledigung der Aufgaben benötigt.

Bei den Schularbeiten („Klassenarbeiten“ für die Mitlesenden aus Deutschland) ist die Furcht bei 55,1 Prozent „Sehr“ oder „Ziemlich“ groß (das ist auch die Zahl, die im Krone-Artikel erwähnt wird). Das ist natürlich nicht gut – aber hier stellt sich mir jetzt sehr drängend eine Frage, die sich mir bei der kompletten Umfrage gestellt hat: Wie ist das in anderen Fächern? Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, dann hatte ich eigentlich vor keiner Schularbeit das Gefühl „Ja, kein Problem, alles locker“. Direkt gefürchtet habe ich mich auch nicht, aber um zu wissen, um 55 Prozent an Furcht jetzt viel oder wenig ist, müsste man zuerst einmal wissen, wie das im Vergleich zu anderen Fächern ist und idealerweise auch, ob diese Furcht mit schlechten Noten und den anderen negativen Metriken der Umfrage korreliert. Denn man kann ja durchaus auch Ahnung von Mathe haben, sich vor der Schularbeit aber dennoch fürchten und trotzdem eine gute Note schreiben…

Schreibt coole Sachen auf Schultafeln!

Und gegen Ende der Umfrage finden wir nun auch die Zahlen, die mit der Freude am Schultag zu tun haben. Abgefragt wurde die Zustimmung zum Satz „Wenn Mathe auf dem Stundenplan steht, freut mich der ganze Schultag nicht“. Das Resultat: 33,1 Prozent. Das sind deutlich weniger als die 73,4 Prozent aus dem Krone-Artikel. Was daran liegt, dass die Zahl dort einfach falsch ist. Die 73,4 kriegt man, wenn man die Prozentwerte aus der Frage zu den Hausübungen addiert und zwar nicht nur die, die mit „ziemlich“ und „sehr schwierig“ geantwortet haben, sondern auch die, die Übungen als „durchschnittlich schwierig“ empfinden. Warum man diese Gruppen zusammenfassen sollte, erschließt sich mir zwar nicht – aber so kommt man auf die 73,4 Prozent (die die Krone dann auch, zumindest in ihrem Kontext, korrekt auf einer selbst erstellten Grafik präsentiert).

Es gibt noch mehr Daten in der Umfrage, ich möchte aber nur noch kurz auf „Haben sich deine Noten in Mathematik während der Corona‐Pandemie verändert?“ schauen. 37,2 Prozent hatten schlechtere Noten, bei den restlichen 62,8 Prozent blieben sie gleich oder wurden besser. Ich weiß nicht, ob man das als „Verschärfung des Mathe-Dilemmas“ bezeichnen kann, wie das die Nachhilfe-Firma in ihrer Zusammenfassung der Daten tut. Dazu müsste man wissen, ob das eine überdurchschnittliche Veränderung ist oder nicht. Denn Noten werden halt aus vielen Gründen besser oder schlechter…

Ich will keinesfalls so tun, als wäre mit dem Unterricht an Österreichs Schulen im Allgemeinen und dem Mathe-Unterricht im Speziellen alles paletti. Das ist sicher nicht so. Und es ist nicht nur schade, sondern durchaus auch aus gesellschaftlichen Gründen schlecht, wenn die Mathematik schon in den Schulen einen schlechten Ruf hat. Mathe ist wichtig! Auch wenn man später einen „normalen“ Job hat und nicht in der Naturwissenschaft arbeitet, hilft einem ein Sinn für Mathematik, die Komplexität der Welt ein wenig besser durchschauen zu können. Deswegen wäre es absolut wünschenswert, wenn Mathematik so unterrichtet wird, dass alle verstehen können, was dieses Fach eigentlich ist und worin sein Wert und seine Faszination bestehen. Über all das, was im Mathe-Unterricht falsch läuft, habe ich vor ein paar Jahren schon einen Text geschrieben, inklusive Möglichkeiten, wie man das ändern könnte.

Was aber definitiv nicht sinnvoll ist: Einen reißerischen Artikel in der auflagenstärksten österreichischen Tageszeitung zu veröffentlichen, der auf Daten basiert, die aus einer (möglicherweise nicht repräsentativen) Online-Umfage stammen, die von einer Institution durchgeführt wurde, die beim Thema „Haben die Kinder Probleme mit Mathematik“ nicht unbedingt als „neutral“ bezeichnet werden kann.

Tatsächlich kann ich aber dem letzten Satz des Artikels voll und ganz zustimmen. Die schon eingangs erwähnte Sprecherin des Nachhilfe-Instituts sagt da: „Wir würden uns wünschen, dass sich ein Expertengremium zusammensetzt und das Schulfach überdenkt“. So etwas ist zwar einfacher gefordert als getan. Aber auch wenn die Lage vermutlich nicht so dramatisch ist, wie der Krone-Artikel es darstellt: Ein wenig Reform täte dem Mathematik-Unterricht mit Sicherheit gut!

Mehr schlechte Schlagzeilen gibt es hier

23 Gedanken zu „„Mathematik vermiest vielen den ganzen Schultag“ (Schlechte Schlagzeilen Folge 32)“
  1. Wenn man auf den Berggipfel will, muss man sich anstrengen. Wenn man Physik oder chemie studieren will, muss man sich anstrengen.
    Daran führt kein Weg vorbei.
    Was reformbedürftig wäre, das wäre die Versetzungsordnung in den Schulen. Einem sprachbegabtem Mädchen sollte nicht wegen Mathematik der Weg zum Abitur verbaut werden.
    Man muss zur Kenntnis nehmen: mathematisches Denken ist auch nur eine Begabung, genau sie Musik und Sport.

  2. Tja, was soll man da sagen… Mathematik ist definitiv eines der Angstfächer. War bei mir auch so, obwohl ich es zumindest in den späteren Schuljahren und mit viel Mühe zu ganz passablen Noten gebracht habe und es zu meinen Lieblingsfächern gehörte. Aber es gibt wohl nur sehr wenige, denen Mathematik wirklich mühelos von der Hand geht. Ich empfand es immer als anstrengend, was aber nicht unbedingt negativ war.

    Ich glaube es ist eines der Fächer, für das man einen „Sinn“ haben muss. Ich vergleiche Mathematik in dieser Hinsicht am ehesten mit Kunst: Kunstkenner geraten beim Betrachten der Mona Lisa ins Schwärmen, andere sehen darin nur eine lächelnde Frau (und werden dafür als Banausen beschimpft). Manche geraten in Verblüffung über den zweitausend Jahre alten Primzahlbeweis von Euklid, andere fragen sich, wozu diese Buchstabenrechnerei gut sein soll (und ernten freundschaftliches Schulterklopfen).

    Mathematik ist eine der Königisdisziplinen der Wissenschaft, und dementsprechend anspruchsvoll wird auch das Schulfach immer sein. Auch wenn man den Mathematikunterricht in den Schulen um einiges besser gestalten könnte, ein „Breitensport“ wird Mathematik wohl nie werden.

  3. @Schlappohr

    für mich war es immer eines der besten und interessantesten fächer.
    zusammen mit Chemie. (beide LK)
    ich hatte einen super lehrer, der nicht nur die lehrpläne abarbeitete, sondern er hatte immer tolle bezüge zum leben, rätsel und lehrte uns auch immer erst abzuschätzen welche grössenordnung das ergebnis haben sollte.
    so war es eher fremdsprache und geschichte die zu meinen fürchterlicheren fächern zählten.

    noch heute erinnere ich mich gerne an die kleinen dinge, die in meinen gehirnwindungen hängen geblieben sind, wenn mal wieder irgendwo eine matheaufgabe zu lesen ist … wenn es nicht gerade von @Thilo oder @Martin.B geschrieben wurde.

    Grüssle

  4. @mes

    Mein Mathematiklehrer in der Oberstufe hatte neben Mathematik auch Physik und Astronomie studiert, dementsprechend hat er den Unterricht gewürzt. Ich glaube, viele aus der Klasse konnten sich dank seiner didaktischen Fähigkeiten verbessern. Allerdings waren wir im naturwissenschaftlichen Zweig, da sind die Leute von vornherein anders „gebiast“.

    Geschichte war auch ein Graus für mich, zusammen mit Religion und – dank meiner überragenden Körperbeherrschung – auch Sport.

  5. Wenn ich mich an meine Schulzeit (1970 bis 1983) zurück erinnere, war Mathe auch in meiner Klasse ungemein unbeliebt. Der Schnitt bei Klassenarbeiten ging bis zur Klasse 10 stetig in den Keller. (Meine Mathe-Lehrerin von der 5. bis zur 10. Klasse legte großen Wert auf Statistik und gab nach jeder Arbeit den Zensurenspiegel mit Durchschnitt an, der sich auf der letzten Seite eines jeden Matheheftes tabellarisch eintragen ließ.)
    Heute werden die Zensuren gnadenlos geschönt, wenn zu viele Fünfen und Sechsen drohen. Die damalige Generation von Lehrern ließ so etwas nicht mit sich machen.
    Das ganze Elend mündete darin, daß sich aus unserer Klasse in 11.2 lediglich zwei Schüler zuzügl. meiner Wenigkeit für dem LK-M entschieden. Insgesamt kam der LK mit 23 Schülern von unserer Schule zusammen, während in anderen Städten locker zwei LKs zusammen kamen. Zudem mußten wir für Mathe regelmäßig zum Nachbargymnasium pendeln. In Dinslaken gab es zur damaligen Zeit drei Gymnasien, die untereinander kooperierten. So ließen sich auch exotische LKs wie Kunst oder Musik realisieren. Ohne diese Coop wäre der LK-M in unserem Jahrgang gescheitert.
    Wir gehörten damals wohl zu einer der letzten Klassen, die noch die Kegelschnitte ausführlich behandelten. Erst auf der Uni erschloß sich mir, wie wichtig dieser traditionelle Stoff ist.
    Viele der heute frischgebackenen Physik-, Chemie- oder Biologie-Studenten scheitern gnadenlos an der Mathematik, was wohl so etwas wie eine Binse geworden ist. (Nach Kegelschnitte wagt man da schon gar nicht zu fragen.) Ein Ergebnis von Noteninflation und fehlender Förderung in der Schule.
    Von wegen, früher war alles besser…

  6. Bei mir gab es nur ein ausschlaggebendes Moment zu ‚mag ich nicht‘ – und das war die jeweilige Lehrperson. Erdkunde 4 Jahre, Bio 3 Jahre, Musik die halbe Zeit, Sport ebenso.

    Ansonsten gabs für mich nur die Unterscheidung ‚heute interessant?‘ ja/nein. Doch durchaus gab es bei Vielen zu gewissen Fächern geradezu phobische Zustände, aber ob ein und wenn ja welches Fach darunter das Gros ausmachte, da schweigt sich die Erinnerung aus…

  7. Man muss sich nur mal die Titelseiten von Mathematikbüchern ansehen. Schlimmstenfalls enthalten sie Aussagen, die schlichtweg falsch sind.

    Was soll das das durchgestrichene D im Bild oben? Habe ich nie gesehen als mathematisches Zeichen. Eine Kürzung aus der Summe? Dann müßte dies auch in den anderen Summanden erscheinen, tut es aber nicht.

  8. Was soll das das durchgestrichene D im Bild oben? Habe ich nie gesehen als mathematisches Zeichen. Eine Kürzung aus der Summe? Dann müßte dies auch in den anderen Summanden erscheinen, tut es aber nicht.

    Nö, das ist eine Slash-Notation.
    Wenn du schlimm bist, dann schmeiße ich nicht ein Integral oder Differtial in deine Richtung sondern ein Feynman-Dolch oder oder Feynman-Dagger . Also ein mathematisches Zeichen für schlimme Buben. 🙂

  9. Es gibt leider nur ganz wenige Lehrer, die gut Mathematik unterrichten können. Wenn ein Drittel oft nicht mitkommen – bei einer Befragung mit einer solch peinlichen Frage dürfte das dann sogar mehr sein – dann ist das ein klares Zeigen, dass der Mathematikunterricht oft nicht ankommt.

    Hier besteht seit langem ein echtes Problem. Und gute Lösungen tun Not. Ich hatte das Glück, einen exzellenten Mathematiklehrer kennen zu lernen. Dessen Methodik war so gut, dass seine Klassen und Kurse meist weit über dem Ergebnis von Parallelklassen und Kursen abschnitten. Er verstand es, mittels Lösungsstrategien – Algorithmen zum Selberdurchführen – alles ganz glasklar zu machen. Das ist wohl eine eigene Kunstform.

    Ich stimme zu, dass solche Artikel erstmal wenig hilfreich sind. Wobei der Artikel ja zu diesem Blogbeitrag führte, und schliesslich zu der Diskussion hier 😉

    Vielleicht war die Kritik – so unglücklich formuliert sie auch ist – doch ganz hilfreich? 😉

  10. @schlappohr: wenn ich’s nicht selbst miterlebt hätte, welch gewaltigen Unterschied absolute Klarheit für die Schüler macht, dann würde ich Dir hier nicht widersprechen wollen 😉

    Nachtrag:

    Ich hab mal eben geschaut, was aus dem Mathelehrer geworden ist, der diesen grossen Unterschied zum Positiven gemacht hat. Er hat seine Methode wohl aufgeschrieben:

    https://www.orellfuessli.ch/shop/home/artikeldetails/A1056357578
    https://www.orellfuessli.ch/shop/home/artikeldetails/A1052893492

    Ich habe diese Bücher noch nicht gelesen sondern eben erst entdeckt. Falls es ihm gelungen ist, das geeignet niederzulegen, was er im Unterricht getan hat, sind das “Game Changer”.

    Werd die mal bestellen und anschauen.

  11. Als Mathelehrer ist man es gewohnt, dass man zu den natürlichen Feinden der Schülerinnen und Schüler gehört, insofern sehe ich solche Artikel/Umfragen eher entspannt…

    Der Artikel an sich ist typischer Boulevardjournalismus, da kann man nicht viel erwarten. Zumindest geben sie am Ende des Artikels… also wenigstens bei der Internetvariante… ein paar sinnvolle Hinweise zum Lernen ‍♂️

    Wenn man sich die Menschen ansieht, die da zu Wort kommen, kann man wohl davon ausgehen, dass sowohl die Umfrage als auch der Artikel wohl eher Werbung für besagtes Nachhilfeinstitut sein sollen

    Letztendlich ist es wohl mit dem Matheunterricht wie mit den meisten anderen Fächern. Es steht und fällt mit der Lehrkraft. Ist diese motiviert und vermittelt den Schülerinnen und Schülern Freude und zeigt auch mal Empathie, dann macht der Unterricht auch Spaß. Werden hingegen nur Präsentationen durchgeklickt, wird es eher nicht zum Lieblingsfach ‍♂️

  12. „Pendant zur BILD, nur noch ein wenig ärger“

    Jeder vierte Österreicher liest die Krone, jeder vierzigste Deutsche die Bild – in Einfluss und Reichweite ist die Krone schon ein bisschen mehr, als ‚ein wenig ärger‘. Der Kurz hat sein Geld gut angelegt.

  13. Jetzt mal völlig ab vom Boulevardjournalismus: ich habe bedingt durch Umzüge sechs verschiedene Schulen besucht und immer war Mathe dabei das Problemfach Nr. 1 der allermeisten Leute. Bei mir selbst fand ein eklatanter Wandel statt, angefangen von einem beinahe schon mathematischen Autisten, dem es spielend leicht fiel, aufgehört mit der Perspektive, dass ich mich über eine 5 (mangelhaft) wirklich freuen konnte, leider ganz ohne Ironie. Mag auch an den Umzügen und dem föderalen System gelegen haben, mag an vielem gelegen haben bei mir. Aber ich war nun wirklich nicht der Einzige, der v.a. zum Ende hin enorme Probleme hatte.

    Ich denke, dass man Folgendes generalisieren kann, nicht nur zu Mathe:

    Eher leicht fällt Lernen, wenn diese Faktoren zugegen sind:

    1. Interesse ist vorhanden oder
    2. Interesse wird generiert
    3. Vermittlung ist nachvollziehbar
    4. Assoziationen lassen sich leicht bilden
    5. Lücken können leicht mit Denken hergeleitet werden
    6. Lücken sind keine Gamechanger per se
    7. Formalismen halten sich in Grenzen oder man hat eine Präferenz für diese
    8. Zusammenhänge und Relevanz sind klar

    Einige dieser Faktoren sind individuell höchst verschieden, hängen vom Lehrpersonal, eigenen Präferenz, allem Möglichen ab. Kritisch sind jedoch alle Punkte ab Punkt 4. Der extrem hohe Abstraktionsgrad, gepaart mit dem maximalen, formalistischen Grad lassen kaum Spielraum für Lernstrategien auf herkömmlicher Herleitungsbasis, wie man sie in anderen Fächern machen kann. Entweder man weiss, wie es geht oder nicht, boolsche Logik, die schon immer unbarmherzig war. Da der Abstraktionsgrad im Laufe der Zeit immer mehr zunimmt, nimmt proportional dazu natürlich auch die gefühlte Relevanz ab, die klassische Frage: „Wofür ist das gut und brauche ich das später wirklich?“ paart sich mit dem Gefühl „Ich habe schon das Kapitel zuvor nicht verstanden, das davor bestenfalls halb, alles baut aufeinander auf, ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll“ – und das ist eine verheerende Kombi.

    Die Frage ist also:
    Wie kann man Mathe interessanter machen und dessen Relevanz besser vermitteln? Denn es sind die einzigen Faktoren, an denen man wirklich drehen kann. Beim Rest wüsste ich nicht, wie das gehen soll.

  14. Adam ,
    Mathe kann man interessanter machen, wenn man sie mit konkreten Aufgaben aus der Technik oder Spiel kombiniert.
    Beispiel Gleichungen. Man geht mit den Schülern zum Spielplatz, wo eine Wippe steht. Der leichteste Schüler sitzt ganz außen. Wer jetzt von den schwereren Schülern vorher angeben kann, wohin er sich setzt um Gleichgewicht herzustellen, der bekommt einen Preis. Verwendetes Material, eine Fußwaage und für jeden Schüler einen Zollstock. Damit behandelt man das Hebelgesetz und die Einführung in Gleichungen.
    Fazit: Mathe ist immer nur Mittel zum Zweck, nie Selbstzweck.

  15. Mathe kann man interessanter machen, wenn man sie mit konkreten Aufgaben aus der Technik oder Spiel kombiniert.

    Ich denke da an eine Exkursion, auf der wir, ausgerüstet mit Bandmaß, einer Pappscheibe mit Gradeineinteilung und einem Faden mit einem Gewicht daran, in Zweiergruppen die Höhe eines nahe gelegenen Wasserturms bestimmt hatten und zu erstaunlich übereinstimmenden Ergebnissen gekommen waren. Einer von uns meinte dann, wenn er die Höhe von dem Ding wissen will, fragt er einfach beim Wasserversorger nach. Einem anderen war es egal wie hoch der Turm ist, Hauptsache es kommt Wasser raus. Was will man da sagen. Das mit dem Praxisbezug klappt nicht immer.
    Ehrlich gesagt fand ich Mathematik am interessantesten, wenn sie eben keinen direkten Bezug mehr zu einer Anwendung hat, wie z.B. in den frühen Semestern die algebraischen Strukturen (Gruppen, Ringe, Körper…), die hochgradig abstrakt sind und sich jeder Anschaulichkeit entziehen. Das war für mich eine vollkommen fremdartige Welt, die dennoch den Gesetzen der Logik folgt. Das machte es so faszinierend.
    Umso erstaunter war ich, als ich später lernte, dass solche Strukturen z.B. in der theoretischen Physik und in der Kryptopographie ein zentrale Rolle spielen.

  16. Bin leider reichlich spät dran damit, in die Diskussion einzusteigen, also gleich mal Antworten auf mehrere Kommentare auf einmal. 😉

    @hwied #16: Das klappt bei Themen aus der Mittelstufe wie eben (einfachen!) linearen Gleichungen, ja. Wird in der Oberstufe aber zunehmend schwierig. _Gerade_ die Aufgaben mit Anwendungsbezug (Extremwertprobleme, auch bekannt als Optimierungsaufgaben) sind da am meisten verhasst.

    @Adam #15: Wie erklärst du dir, dass die klassische Frage “Wofür ist das gut und brauche ich das später wirklich?” in anderen Fächern (z. B. bei Gedichtinterpretationen im Fach Deutsch, oder bei der Lektüre klassischer Schriften von Shakespeare im Fach Englisch) deutlich weniger gestellt wird?

    @Volker Birk #11: „Er verstand es, mittels Lösungsstrategien – Algorithmen zum Selberdurchführen – alles ganz glasklar zu machen.“

    Sprich: Er gab den SchülerInnen Schema-F-Anleitungen, wie man die Aufgaben zu lösen hat? Das ist eigentlich gerade _nicht_ Sinn des Mathe-Unterrichts. Sondern der Sinn ist, dass man den Stoff so gut verstanden hat, dass man _selbst_ in der Lage ist, so einen Algorithmus zu entwickeln. (Schafft leider fast niemand…)

    @Bernd #7: „Man muss sich nur mal die Titelseiten von Mathematikbüchern ansehen. Schlimmstenfalls enthalten sie Aussagen, die schlichtweg falsch sind.“

    Hast du Beispiele dafür? Ich kenne keins.

  17. @Björn:

    Die Frage stellt sich durchaus (auch in anderen Bereichen), sie wird aber in diesem Fall von den anderen Faktoren überlagert und fällt damit nicht mehr ins Gewicht:

    Assoziationen lassen sich leichter bilden, Lücken lassen sich leichter füllen, Lücken sind keine Gamechanger per se … etc. Eine Interpretation schrieb ich mit „verbundenen“ Augen und bekam immer Bestnoten, aber eine Differentialgleichung konnte ich nicht lösen. Das Eine kann ich assoziativ herleiten, selbst ohne den geringsten Aufwand, das andere muss ich wissen, verstehen und anwenden können und selbst dann gibt es keinen zweiten Versuch, nur eine exakte Lösung (selbst bei mehreren, wie z.B. Beträgen).

    Das entspricht nicht der nativen Funktionsweise unseres Hirns, denn wir nutzen Sprache als Medium tagein, tagaus, sie ist die Grundlage der assoziativen Architektur in unserem Hirn. „Logik“ – was zu Schulzeiten gerne mal gleichgesetzt wird mit Mathematik, kommt aus dem Griechischen und bedeutet „denkende Kunst“. Darin steckt auch „Logos“ – das Wort, nicht die Zahl! Zahlen oder abstrakte Zeichen hingegen kommen entweder nur selten vor, nur in bestimmten Berufen gehäuft oder, in jungen Jahren, wenn eine Präferenz gegeben ist.

    Sie sind dann die höchste Abstraktions- und Formalisierungsstufe und „überholen“ sogar selbst abgehobene, schöngeistige Überlegungen philosophischer Art, indem sie zu ihrem Selbstzweck werden. Ein Mathematiker spricht von Eleganz und liebt es zu sehen, wohin sich Gleichungen entwickeln, was für Muster sie parat halten, wie das Eine in das Andere hinein greift – ganz analog zu einem Dichter mit der Basis des Wortes. Am Ende wird beides also ziemlich gleich, wobei Mathematik natürlich den Vorteil hat, dass dabei Mechanismen ersonnen werden, die in anderen Anwendungsfeldern direkt eingesetzt werden können.

    Also bitte nicht missverstehen: ich verteufle Mathematik keinesfalls, nur weil ich v.a. gegen Schluß hin miserabel in ihr war. Ich habe sie immer geachtet und bewundert. Das geht auch mit Dingen, in denen man selbst nicht gut ist, warum auch nicht?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.