Nach dem potenziell hitzigen Thema der Elektromobilität, das letzte Woche Teil meiner Serie über die neuen Klimamythen war, lass ich es jetzt ein wenig ruhiger angehen. Das Thema von heute ist aber dennoch ein großes: Es geht um die Frage, ob wir das ganze Kohlendioxid dass uns so viele Probleme schafft, nicht auch wieder aus der Atmosphäre rausholen können und ob es sich lohnt, diese Technik anzuwenden.
Die Dringlichkeit des Klimaschutzes sollte sich eigentlich schon herumgesprochen haben. Wenn wir verhindern wollen, dass die Durchschnittstemperatur der Erde um mehr als 1,5 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten ansteigt, dann müssen wir uns beeilen. Und wir wollen das verhindern! Einerseits, weil wir – d.h. so gut wie alle Länder dieser Welt – genau das auf der Pariser Klimakonferenz verbindlich beschlossen haben. Und andererseits, weil die Folgen des Klimawandels deutlich dramatischer werden, wenn wir das nicht hinkriegen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir unseren CO2-Ausstoß aber massiv reduzieren. Wir müssen JETZT deutlich weniger CO2 freisetzen als im Vorjahr und in jedem kommenden Jahr noch mehr reduzieren. Es sieht allerdings nicht so aus, als würden wir das tun. Die Menge an CO2 in der Atmosphäre steigt unbeirrt weiter.
Aus diesem Grund setzen viele auf das sogenannte „Carbon Capture ans Storage (CCS)“. Kurz gesagt geht es dabei darum, das CO2 zwar zu erzeugen, aber nicht in die Atmosphäre zu entlassen. Und das CO2, das schon drin ist, dort rauszuholen. Ersteres kann man erreichen, wenn man zum Beispiel in Fabriken entsprechende Filteranlagen einbaut, die das CO2 auffangen und auf chemischen Weg in eine Form umwandeln, in der es gespeichert werden kann. Zweiteres funktioniert ähnlich, nur dass hier die Luft der Atmosphäre gefiltert wird.
In der Realität ist das aber deutlich komplizierter. Filteranlagen kann man zwar bauen, aber das kostet Geld. Und noch kann man mit der Speicherung von CO2 nicht viel Geld verdienen. Also macht man es auch nur halbherzig. Es ist auch nicht so, als wäre diese Technik schon massentauglich und anwendungsbereit vorhanden. Es gibt diverse Forschungsprojekte und Testanlagen, zum Beispiel CarbFix in Island. Das holt tatsächlich CO2 aus der Atmosphäre, wird in Wasser gelöst und in den Untergrund gepresst. Dort reagiert es mit dem Gestein und wandelt sich in diverse Mineralien um, aus denen das CO2 dann nicht mehr in die Luft gelangen kann. So weit, so gut – aber CarbFix schafft derzeit nur Umwandlung von knapp 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Angesichts der mehr als 30 Milliarden Tonnen CO2 die wir global pro Jahr in die Luft pusten, reicht das nicht mal ansatzweise. So eine Anlage müsste hunderttausend Mal effektiver sein, wenn sie einen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten will.
Ein weiteres Problem bei der Ausfilterung des von uns erzeugten CO2 liegt in den Quellen: Sie sind zu zahlreich und zu unterschiedlich. Das Zeug kommt ja aus Autos raus, aus Kraftwerken, es entsteht bei der Produktion von Beton, und so weiter. Das kann man nicht alles einfangen, zumindest jetzt noch nicht. Und wenn man es eingefangen hat: Wo speichert man es dann? Nicht überall gibt es geeignete Geografie, um das CO2 in den Untergrund zu verfrachten. Nicht überall lässt sich so leicht in harmloses Gestein umwandeln, wie in Island. Anderswo kommt es irgendwann später vielleicht wieder raus; anderswo wird durch das CO2 im Boden ein Druck aufgebaut, der zu seismischen Erschütterungen führt. All das muss vernünftig geplant und erforscht werden und das braucht Zeit.
Es gibt natürlich auch CCS-Methoden, die weniger technisch sind. Aufforstung zum Beispiel: Bäume sind ein guter Weg, um CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Allerdings nur, wenn man sie nicht gleich wieder fällt und verbrennt. Oder sie irgendwann natürlich absterben und verrotten. Auch hier muss man einen Weg finden, dass das CO2 dauerhaft im Holz bleibt. Und man kann nicht einfach überall auf der Welt Bäume pflanzen. Wir brauchen das Land auch für andere Dinge, zum Beispiel die Landwirtschaft. Wir brauchen – auch aus Gründen des Klimaschutzes – eine diverse Landschaft und nicht nur Wälder. Nicht alle Baumarten wachsen überall und wenn wir ohne Plan wie wild aufforsten, machen wir die Biodiversität und vielleicht auch das Klima kaputter als vorher.
Es gibt noch sehr, sehr viel was man über CCS schreiben kann. Die Technik birgt enorme Chancen, hat viele Risiken und jede Menge offene Fragen. Ein paar Punkte sind aber jetzt schon klar:
- Wir sind derzeit nicht in der Lage, relevante Mengen an CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre zu holen.
- Bis wir dazu in der Lage sind, haben wir die notwendigen Klimaziele schon längst verfehlt.
- Wir werden langfristig gesehen nicht umhin kommen, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Es ist nicht möglich, unsere CO2-Emissionen komplett auf Null zu senken.
Daraus folgt, dass es absolut notwendig ist, alle sinnvollen Techniken des CCS zu erforschen. So umfassend und so schnell wie möglich. Daraus folgt aber auch, dass wir deswegen nicht darauf verzichten dürfen, JETZT SCHON mit der Reduktion unserer Treibhausemissionen anzufangen. CCS ist etwas, was uns in Zukunft dabei helfen kann, den Schutz unseres Klimas nachhaltig zu gestalten. Die Zeit bis dahin müssen wir uns aber mit der sofortigen Reduktion des globalen CO2-Ausstoßes erkaufen. Wir dürfen den Klimaschutz nicht in Hoffnung auf eine zukünftige Technologie aufschieben!
Die eigentliche Gefahr von „Geoengineering-Konzepten“ wie CCS liegt aber in der Verlockung des Nichtstuns. Wenn wir einen Weg finden, die globale Erwärmung zu stoppen, ohne unsere Treibhausgasemissionen zu reduzieren, wird es gefährlich. Denn dann sind wir genau diesem Geoengineering völlig ausgeliefert. Wir dürfen nicht mehr damit aufhören, sonst trifft uns die Klimakrise noch heftiger und schneller als zuvor. Klimaschutz ist nur nachhaltig, wenn die Treibhausgasemissionen reduziert werden und zwar dauerhaft. Alles andere kann (und soll!) uns dabei helfen – darf die CO2-Vermeidung aber keinesfalls ersetzen.
Ein wenig ausführlicher über dieses Thema habe ich mit Martin Puntigam in einer Episode des Science Busters Podcast gesprochen:
Sehr empfehlen möchte ich euch auch dieses kurze Video von Professor Andreas Oschlies vom GEOMAR. Er erklärt darin sehr verständlich die Wissenschaft die hinter CCS steckt und weist auch auf die Gefahren und Risiken dieser Technik hin. Und auf die viele Arbeit, die noch vor uns liegt, wenn wir das vernünftig nutzen wollen:
Die komplette Serie
- Teil 01: Einleitung
- Teil 02: Um die Klimakrise zu lösen, muss das Bevölkerungswachstum gestoppt werden (erscheint am 05.07.2021)
- Teil 03: Kernkraft ist nötig, um die Klimakrise zu bekämpfen (erscheint am 07.07.2021)
- Teil 04: Sternengeschichten Folge 450: Kippelemente im Klimasystem (erscheint am 09.07.2021)
- Teil 05: Die Kernfusion wird die Klimakrise für uns lösen (erscheint am 12.07.2021)
- Teil 06: Das Klima ist so komplex, dass man den Modellen der Forschung nicht vertrauen kann (erscheint am 14.07.2021)
- Teil 07: Sternengeschichten Folge 451: Der Treibhauseffekt auf anderen Himmelskörpern (erscheint am 16.07.2021)
- Teil 08: Elektro- und Wasserstoffautos sind die Lösung für die Klimakrise (erscheint am 19.07.2021)
- Teil 09: Solange wir das CO2 nicht aus der Atmosphäre entfernen können, brauchen wir mit dem Klimaschutz gar nicht anfangen (erscheint am 21.07.2021)
- Teil 10: Sternengeschichten Folge 452: Die Keeling-Kurve (erscheint am 23.07.2021)
- Teil 11: Was Deutschland (Österreich) tut, hat auf das globale Klima doch keinen Einfluss (erscheint am 26.07.2021)
- Teil 12: Es ist doch eh längst zu spät, etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen (erscheint am 28.07.2021)
- Teil 13: Fazit und Zusammenfassung(erscheint am 02.08.2021)
Ich vermute die Idee „Baume wachsen lassen, dann abholzen, und dann unter die Erde verfrachten sodass sie nicht wieder verrotten und auf diese Weise das CO2 aus der Atmosphaere bekommen“ ist schon 1000x mal gekommen.
Die Idee klingt einfach zu simpel als dass sie nicht schon mehrfach diskutiert wurde. Wie es so ist bei einfachen Loesungen: Es ist in Wirklichkeit komplizierter.
Trotzdem wuerde ich gerne verstehen was genau an der Idee nicht funktioniert.
Zu wenig Waldflaeche? Zu wenig Holzendlager? Zu langsam? Zu ineffizient? Kein Finanzierungsmodell?
Think positive,
CO2 ist ein Teil der belebten Natur, man spricht sogar von einem Kohlendioxidkreislauf.
Wie läuft der Kohlenstoffkreislauf ab? – Bio einfach erklärt (oliverkohlhaas.de)
Beim Klima haben wir es mit Gleichgewichtszuständen zu tun. Dem Gleichgewicht zwischen Temperatur und Druck und Luftfeuchtigkeit. Jede Störung wird mit Winden, Regen, Wolkenbildung beantwortet. Die wiederum wirken auf die Sonneneinstrahlung ein. Und die wirkt sich wieder aus auf die Temperatur und die Temperatur beeinflusst die Luftfeuchtigkeit und so geht das immer im Kreis. Und jetzt kommen die Pflanzen, die nehmen Wasser auf und geben Wasser ab und die Pflanzen nehmen CO2 auf und bilden daraus Zellulose.. Je mehr CO2 um so besser.
Aber wir haben es ja mit Gleichgewichtszuständen zu tun. Denn die Zellulsose kann auch verbrennen bei Waldbränden z.B. und das CO2 gelangt wieder in die Atmosphäre.
Wieso haben wir also auf einmal zuviel CO2 in der Atmosphäre.
Das kommt von der Verbrennung von fossilen Brennstoffen der Kohle und vom Erdöl.
Das Grundübel des Ganzen, die Verbrennung von fossilen Brennstoffen Die muss gestoppt werden und zwar sofort. Und wie bekommen wir das „Zuviele“ Co2 wieder aus der Atmosphäre ? Das machen die Pflanzen für uns. Wir müssen als Zweites den Regenwald wieder aufforsten.
Wir müssen den Anteil an Wald auf die Gesamtfläche erhöheen. That´s all.
Wann geht denn das Erdöl eigentlich aus?
@Ingo:
Holz ist bei gleichem Kohlenstoffgehalt viel teuer als Steinkohle. Daher wäre es viel billiger Steinkohle aufzukaufen und zu vergraben, als dies mit produziertem Holz zu tun.
Braunkohle wäre noch billiger als Steinkohle.
Noch billiger wäre es, die Kohle gar nicht erst auszugraben.
@Andreas Szelegowitz
Nach der letzten Energiestudie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe von 2019 gibt es noch 31189 EJ an Erdöl, wenn man die Ressourcen und unkonventionellen Quellen wie Ölsande und -schiefer mitrechnet. Das ist das 167-fache der Förderung von 2018.
@Ingo: wieso vergraben? Ein Verwandter hat sich kürzlich aus Holz ein Dreifamilienhaus gebaut. Mit so etwas schlägt man gleich 2 Fliegen mit einer Klappe: das Holz speichert CO2 und man spart jede Menge CO2-Emissionen aus der Zementherstellung. Baumwachstum dauert natürlich, deswegen kann die Umstellung der Bauweise von Zement/Ziegel auf Holz nur einen kleinen Beitrag leisten, aber immerhin.
@ Florian Freistetter
Wenn man sich Deine Mythen so ansieht, dann bleibt nicht mehr viel: wir müssen die Systemfrage stellen! Das kapitalistische kann schlicht und ergreifend, da es auf Wachstum setzt, die Klimakrise nicht in den Griff bekommen. Du schreibst selbst: „und noch kann man mit der Speicherung von CO2 nicht viel Geld verdienen.“ Und darum geht es immer: Geld, Macht und Gier. Aber gut, ich will nicht meckern, bringt auch nichts. Im Grunde muß der Mensch wohl zu seinem Glücke gezwungen werden und wenn es 2 Grad mehr oder ein kleines Virus ist. Den ganzen Quark, den der Mensch anhäuft, um sein Ego aufzublasen, braucht es eigentlich nicht. Aber gut -egal.
Dietmar,
es geht nicht nur um Macht und Gier. Bei 2/3 der Menschheit geht es um das nackte Überleben. wir müssen den Entwicklungländern eine Perspektive aufzeigen, sie die Energieerzeugung ohne Verbrennung funktionieren kann.
Ein gutes und funktionierendes Gerät ist der Hohlspiegel mit dem man kochen kann. Wir könnten den Entwicklungsländer Energiemodule schenken, mit Solarzellen, die Strom für TV und Handy liefern.
Alles im eigenen Interesse. Jetzt verkaufen die Entwicklungsländer ihre Wälder um sich die Techniken kaufen zu können. Nur als Beispiel
@Dietmar Hilsebein
Natürlich wirft sich dabei auch die Systemfrage auf. Im speziellen geht es um das Wirtschaftssystem, sprich die Ökonomie. Mit den Worten von Karl Polanyi, geht es um die Intergrierung der Ökonomie wieder zurück in die Gesellschaft nicht um die intergrierung der Gesellschaft in die Ökonomie, was zurzeit der Fall ist. So wie es jetzt ist, wird es wahrlich sehr schwer irgendwelche Maßnahmen, zum Schutz des Klimas aber auch zum Schutz der Umwelt allgemein, durchzusetzen.
Foucault hat schon sehr früh erkannt was der Neoliberalismus wirklich bedeutet und warnte uns davor. Und meiner Einschätzung nach macht diese Wirtschaftsform alles noch viel schwieriger. Es war schon schwer mit den klassischen Kapitalisten zu verhandeln. Mit den Vertretern der kapitalistischen Neoklassik ist das nahezu unmöglich geworden.
Zum Auffangen von Kohlenstoff bei Kraftwerken gab es grade aus Australien schlechte Nachrichten. Es sollten 80% der CO2-Emissionen aufgefangen, es ist aber nur bei 30% davon gelungen.
https://www.theguardian.com/environment/2021/jul/20/a-shocking-failure-chevron-criticised-for-missing-carbon-capture-target-at-wa-gas-project
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