SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.

Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter]

Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.

—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 426: Canopus – Steuermann für Raumsonden

Heute gibt es in den Sternengeschichten zur Abwechslung mal wieder eine echte Sternengeschichte. Also eine Geschichte über einen Stern. Wir sehen uns gemeinsam „Canopus“ an. Oder besser gesagt: Wir reden darüber. Denn sehen kann man Canopus von Europa aus so gut wie gar nicht. Nur wenn man wirklich ganz weit nach Süden reist, nach Gibraltar, nach Malta oder nach Kreta zum Beispiel kann man ihn sehen. Oder man befindet sich außerhalb von Europa, in Afrika, in Mittelamerika, sonstirgendwo im Süden oder überhaupt gleich auf der Südhalbkugel der Erde – was ja jede Menge Menschen tun (die aber vermutlich nicht zur regelmäßigen Hörerschaft dieses Podcasts gehören).

Wenn man sich an einem Ort befindet an dem man Canopus sehen kann, dann ist es meistens auch nicht schwer ihn zu sehen. Nach Sirius ist Canopus nämlich der zweithellste Stern am Nachthimmel, da muss man sich nicht sonderlich anstrengen. Deswegen ist er den Menschen auch schon ziemlich früh aufgefallen und sie haben ihn immer wieder beobachten. Das hat zum Beispiel der Astronom Abū l-Walīd Muhammad ibn Ahmad Ibn Ruschd getan, auch und ein wenig kürzer bekannt unter seinem lateinischen Namen „Averroes“. Geboren wurde er in Al-Andalus, im spanischen Cordoba. Von da aus konnte er Canopus nicht sehen, als er aber im Jahr 1153 nach Marrakesh reiste, war Canopus super zu beobachten. Das bestärkte ihn in seiner Ansicht (die zuvor natürlich auch schon längst andere Leute geäußert haben), dass die Erde eine Kugel sein muss. Weil wie sonst soll man es erklären, dass da plötzlich ein Stern am Himmel auftaucht wenn man Richtung Süden reist der im Norden nicht zu sehen ist. Und der wieder unter dem Horizont verschwindet, wenn man zurück nach Norden fährt?

Da sitzt der Averroes und schaut (Bild: gemeinfrei)

Über den Ursprung des Namens gibt es unterschiedliche Versionen. Der griechische Name „Canopus“ wurde schon in der Antike für den Stern verwendet. In der Mythologie hat er immer mit Schiffen zu tun. Bei den Ägyptern war „Kanopus“ der Admiral einer Flotte der die Götter Isis und Osiris nach Indien brachte. In Griechenland erzählte der Dichter Homer die Geschichte des trojanischen Kriegs in dem der König von Sparta – Menelaos – deswegen in besagten Krieg nach Troja zog weil die Trojaner seine Frau entführt haben. Auf der Heimfahrt wurde sein Schiff vom Steuermann „Kanobos“ gesteuert. Das Sternbild, in dem die griechischen Gelehrten den Stern Canopus gesehen hatten, wurde nach einem ebenfalls berühmten Schiff aus der Mythologie benannt. „Argo Navis“ oder „Schiff Argo“; das Boot mit dem der Held Jason und seinen „Argonauten“ sich auf den Weg zu ihren Abenteuern machten. Und wenn man schon ein Schiff an den Himmel setzt, dann braucht es auch einen Steuermann, haben die Leute sich damals wahrscheinlich gedacht und den hellsten Stern dort „Canopus“ genannt.

Was es daneben auch noch gibt ist eine ägyptische Stadt die „Kanopus“ heißt. Beziehungsweise gibt es sie nicht mehr, aber früher hat es sie mal gegeben. Im westlichen Nildelta, an der Küste des Mittelmeers, ein Stück östlich wo sich heute die Stadt Alexandria befindet. Angeblich soll Menelaos dort seinen Steuermann begraben haben als der dort etwas überraschend bei einem Landausflug von einer Schlange gebissen wurde und starb. Es kann auch sein, dass der Name damit gar nix zu tun hat, sondern vom ägyptischen Begriff „Kahi Nub“ kommt, was so viel wie „goldene Erde“ bedeutet und sich darauf beziehen könnte, dass man den Stern Canopus von der Stadt Kanopus direkt am Horizont stehen sehen konnte, wo sein Licht gelb-golden erscheint weil es den ganzen Staub der dicken Atmosphäre durchqueren muss. Oder aber die Stadt heißt nicht „goldene Erde“ sondern „goldener Boden“ weil es ganz einfach eine sehr reiche Hafenstadt war.

Kurz gesagt: Es gibt jede Menge Mythen und warum der Stern so heißt wie er heißt, ist unklar. Klar ist dagegen, dass er seit Juli 2016 ganz offiziell den Eigennamen „Canopus“ trägt, das hat die Internationale Astronomische Union so entschieden. Sein offizieller Katalogname war und ist immer noch „Alpha Carinae“. Also der hellste Stern (alpha) im Sternbild Carina und „Carina“ heißt auf deutsch „Kiel des Schiffes“. Als der französische Astronom Nicolas-Louis de Lacaille im 18. Jahrhundert die Sternbilder am Himmel neu organsierte, war im das enorm große Sternbild „Argo Navis“ aus der Antike ein wenig zu unübersichtlich. Also hat er es in drei kleinere Sternbilder aufgeteilt: Puppis, Carina und Vela oder auf deutsch „Achterdeck“, „Kiel“ und „Segel“ des Schiffes. Der Steuermann ist im Kiel gelandet und leuchtet seither als hellster Stern dieses Sternbilds vom Himmel.

Sternbild „Argo Navis“ in einer Karte von 1551 (Bild: gemeinfrei)

Das war jetzt ziemlich viel Geschichte und Mythologie und recht wenig Astronomie. Dabei gibt es gerade da sehr viel von Canopus zu erzählen. Mittlerweile auf jeden Fall, denn lange Zeit war da ziemlich viel unklar. Das hat schon bei seinem Abstand zur Erde angefangen. Die angegeben Werte schwankten zwischen knapp 100 und 1200 Lichtjahren. Das ist ein ziemlich großes Intervall und es ist überraschend, dass man das noch bis 2007 nicht genauer wusste. Das Problem ist das Problem das wir haben wenn es darum geht die Entfernung zu einem Stern zu bestimmen. Die Dinger schauen ja immer nur aus wie helle Punkte am Himmel, egal ob sie nah sind oder weit weg. Man kann jetzt entweder probieren die Parallaxe zu messen. Also die scheinbare Verschiebung in der Position des Sterns wenn man ihn aus unterschiedlichen Richtungen betrachtet. Zum Beispiel einmal im Juni und einmal im Januar, da die Erde sich ja in der Zwischenzeit ein großes Stück entlang ihrer Bahn um die Sonne bewegt hat. Dieser Effekt ist aber winzing und es hat bis 1838 gedauert bis man das überhaupt mal bei einem Stern messen konnte, wie ich schon in Folge 19 erzählt habe. Und selbst ab da war es schwer, mit dieser Methode die Entfernung erstens genau und zweitens für eine relevante Menge an Sternen zu bestimmen. Also hat man sich mit anderen Methoden beholfen. Wenn man wüsste, wie hell ein Stern WIRKLICH leuchtet, dann müsste man nur diese „absolute Helligkeit“ mit der am Himmel sichtbaren „scheinbaren Helligkeit“ vergleichen. Und kann daraus schnell und einfach den Abstand berechnen. Das Problem: Die absolute Helligkeit kennt man nicht, wenn man sie genau wissen will geht das nur, wenn man den Abstand schon kennt. Man kann sie aber zumindest schätzen, aus dem Spektraltyp des Sterns. Also – vereinfacht gesagt – aus seiner Farbe und seiner scheinbaren Helligkeit. Daraus lässt sich die Temperatur abschätzen, die Masse des Sterns und damit kann man wiederum ungefähr ableiten wie die absolute Helligkeit ist. Aber nur, wenn man wirklich genau weiß, wie diese ganzen Größen zusammenhängen und wie die Spektraltypen genau funktionieren. Was kompliziert ist, wie ich in Folge 132 schon genau erklärt habe. Vor allem muss man viele unterschiedliche Beispiel für den in Frage stehenden Spektraltyp kennen und studieren können. Und leider gehört Canopus zu einer Spektralklasse für die man kaum Sterne kannte und die daher schlecht untersucht und verstanden war.

Canopus gehört zum Spektraltyp F0II (das war zumindest einer der Werte die früher bekannt waren), das sind Sterne die ein bisschen heißer und massereicher sind als unsere Sonne. Was aber nicht das Problem ist. Das steckt in der „Leuchtkraftklasse“. Dabei geht es um den Entwicklungszustand, also um die Frage ob der Stern noch ein normaler Stern ist, ob er sich schon zu einem Riesenstern aufgebläht hat weil er sich dem Ende seines Lebens nähert, und so weiter. Unsere Sonne gehört zum Typ „V“, ist also offiziell ein „Zwergstern“, also noch in ihrem normalen Zustand. Erst in ein paar Milliarden Jahren wird sie sich zu einem Roten Riesen aufblähen und dann auch eine andere Leuchtkraftklasse haben (wahrscheinlich III). Canopus aber gehört zur Leuchtkraftklasse II, was sogenannte „Helle Riesen“ bezeichnet. Das sind Sterne, die gerade an der Grenze zwischen Riesensternen und den noch größeren/helleren/heißeren Überriesen stehen. So oder so – es war schwer nur aus der Beobachtung des Canopus von der Erde aus rauszufinden, welche Art von Stern man da vor sich hat.

Je nachdem was man da jetzt für Schätzwerte eingesetzt hat, kam mal eine größere Entfernung raus und mal eine kleinere. Erst als gegen Ende des 20. Jahrhunderts der Satellit Hipparcos – über den ich in Folge 87 ausführlich gesprochen habe – bei hunderttausenden Sternen genaue Parallaxen messen konnte, war klar: Canopus ist knapp 300 Lichtjahre von der Erde entfernt. Darüber hinaus hat er eine Masse die dem 15fachen der Sonnenmasse entspricht. Der Radius von Canopus beträgt das 71fache des Sonnenradius und der Stern leuchtet mehr als 10.000 Mal heller als unsere Sonne. Mit einer Oberflächentemperatur von 7500 Kelvin ist er ein wenig heißer als unsere Sonne. Und welcher Spektral- und Leuchtkraftklasse er angehört ist immer noch nicht ganz klar. Er liegt irgendwo an der Grenze zwischen den Spektralklassen A und F und an der Grenze zwischen den hellen Riesen und den Überriesensternen.

Canopus von der ISS aus gesehen (Bild: NASA, gemeinfrei)

Was wir von Canopus auch schon beobachtet haben sind Röntgenstrahlen; die werden vermutlich in der extrem heißen äußersten Atmosphärenschicht des Sterns erzeugt. Was wir dort bis jetzt nicht gefunden haben sind Planeten; man hat zwar mal vor langer Zeit gedacht dass man entsprechende Anzeichen dort gefunden hat. Die sich aber als Fehlinterpretation herausgestellt haben. Das was man für die Auswirkungen der Gravitation eines Planeten auf die Bewegung des Sterns gehalten hatte, war in Wahrheit die Bewegung der Atmosphäre des Sterns selbst.

Aber ganz unabhängig von all dem was man über Canopus weiß oder nicht weiß – eines bleibt fix. Der Stern ist von der Erde aus extrem hell und gut zu beobachten. Nicht nur weil er so hell ist, sondern weil in seiner Umgebung auch so wenig andere helle Sterne sind. Das macht ihn besonders gut geeignet um ihn als Markierung zur Navigation zu benutzen. Was jede Menge Völker im Laufe der Zeit in Afrika, Australien, Polynesien, Mittel- und Südamerika, China, Indien und so weiter getan haben. Sie alle haben eigene Mythen und Geschichten über den hellen Stern erzählt, ihm ihre eigenen Namen gegeben und ihre eigene Forschung darüber angestellt.

Aber nicht nur früher, auch heute noch dient Canopus der Orientierung am Himmel. Der mythologische Steuermann weist zum Beispiel Raumsonden den Weg durchs All die den hellen und leicht zu findenden Stern zur Positionsbestimmung benutzen. Unsere Fantasie regt Canopus aber auch weiterhin an. Der Stern hat es in das Werk der britischen Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Doris Lessing geschafft; sogar bis in den Titel ihrer fünfbändigen Science-Fiction-Serie „Canopus im Argos“. Und in der grandiosen Romanreihe „Dune“ von Frank Herbert umkreist der titelgebende Planet ebenfalls den Stern Canopus.

Wer also von euch mal die Chance haben sollte, den Stern zu beobachten sollte das auf jeden Fall machen!

4 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 426: Canopus – Steuermann für Raumsonden“
  1. Hallo Florian!
    Da ist leider ein Sprechfehler bei 10’3“ passiert. Anders als im geschriebenen Text wird der Abstand mit 3000LJ angegeben.
    Sonst wie immer eine wunderschöne Sternengeschichte.
    LG. Ludger

  2. Am Ende der Folge erzählen sie, dass Raumsonden Canopus zur Positionsbestimmung benutzen. Ich würde gerne mehr darüber erfahren. Wie schaffen es Raumsonden, punktgenau andere Himmelkörper zu erreichen? Schließlich sind die Entfernungen enorm, und der Raum für Fehler entsprechend klein.

  3. @Jakob H.:
    Mein Fachgebiet ist eher die Lage- als die Positionsbestimmung (also „Wo schaue ich hin“ statt „Wo bin ich“). Dafür nutzen Satelliten und Sonden u.a. Star Tracker, also quasi Kameras, die den Sternenhimmel aufnehmen und mit gespeicherten Katalogen vergleichen. Sehr helle Sterne wie Canopus sind da ziemlich wertvoll, weil sie selten und, nun ja, hell sind.

    Interplanetare Reisen bestehen klassischerweise zum Großteil aus (sehr langen) Freiflugphasen und einigen wenigen Manövern. An welcher Position mit welcher Ausrichtung (da spielt wieder die Lageregelung eine Rolle) das Triebwerk dafür wie lange gezündet werden muss, kann man im Voraus auf der Erde berechnen; die Betreiber haben dafür ziemlich gute Modelle und Simulationen und aufgrund der langen Flugdauern hat man auch genug Zeit. Meistens gibt es nach den größeren Manövern nochmal kleinere Korrekturmanöver und dann fliegt die Sonde wieder sehr lange frei.

    Die Positionsbestimmung der Sonde findet auch über Bodenstationen auf der Erde statt (über Radar- und Dopplereffektmessungen, Stichwort Deep Space Network), und kann durch Bordsysteme gestützt werden (z.B. Beschleunigungsmesser oder Kameras). Die genaue Ausführung hängt auch von der Mission ab: Bei einem Marsorbiter lässt sich der Orbit“einschuss“ gut im Voraus planen und von der Erde kommandieren und wenn der Orbit dann noch nicht perfekt ist, hat man Zeit zum Korrigieren. New Horizons musste am Pluto aber autonom navigieren (auf die Schnelle habe ich dieses Paper über New Horizons‘ Navigationssystem gefunden).

    Bei den Scilogs bloggt aber jemand, der sich mit dem Thema deutlich besser auskennt als ich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.