Weihnachten ist vielleicht nicht unbedingt der beste Tag um über Massensterben zu sprechen. Und schon gar nicht Weihnachten 2020. Aber andererseits: Einen passenden Tag dafür gibt es sowieso nicht und außerdem müssen wir vor dem „Weltuntergang“ um den es hier geht keine wirklich akute Angst haben. Es geht um eine Geschichte die hier im Blog schon öfter mal Thema war. Das erste Mal vor 9 Jahren: Da habe ich von „Nemesis“ erzählt. So nannte man einen hypothetischen Begleitstern der Sonne der auf seiner Bahn alle paar Millionen Jahren in die Nähe der Oortschen Wolke kommt, mit seiner Gravitation dort alles ein wenig durchwirbelt und einen Schwung Kometen in das innere Sonnensystem schickt wo sie unter Umständen mit der Erde kollidieren. So etwas hat man sich natürlich nicht aus Spaß an der Freude ausgedacht sondern weil man damit einen seltsamen paläontologischen Befund erklären wollte. Dass es in der Vergangenheit der Erde immer wieder zu globalen Massensterben kommt wusste man ja schon länger. Das bekannteste Ereignis dieser Art ist das Aussterben der Dinosaurier durch einen Asteroideneinschlag vor 65 Millionen Jahren (bei dem aber nicht alle Dinos starben und auch jede Menge andere Arten von der Erde verschwunden sind). Was man aber in den 1980er Jahren entdeckte waren Hinweise darauf, dass solche Massensterben periodisch stattfinden (habe ich hier genauer erklärt). Und um diese seltsame Sache zu erklären hat man den Stern Nemesis herangezogen.
Diese Hypothese war extrem spannend; immerhin würde das bedeuten, dass da noch ein komplett anderer Stern zu unserem Sonnensystem gehört den wir bisher übersehen haben. Aber wenn Nemesis wirklich existiert, dann hätte er spätestens in den Daten der Gaia-Mission auftauchen müssen. Was er nicht getan hat. Nemesis gibt es nicht und die Sache mit dem periodischen Massensterben blieb ebenfalls umstritten. Mal sah man entsprechende Hinweise und mal nicht. Aber jetzt gibt es neue Daten!
Man kann sich dem Thema des Massensterbens ja auf zwei Arten nähern. Entweder man zählt Einschlagskrater auf Erde und Mond und schaut, ob es da im Laufe der Zeit häufigen gab. Genau in solchen Daten glaubte man mal eine Periodizität zu sehen und mal verschwand sie wieder bei genauerer Analyse. Aber diese Methode ist erstens indirekt: Man schließt von Einschlagskratern auf ein Massensterben. Und zweitens setzt man schon eine Ursache voraus, nämlich dass die Massensterben durch Einschläge verursacht werden. Drittens ist die Alterbestimmung von Kratern ein ungenaues und schwieriges Geschäft… Die zweite Methode ist direkter; hier sucht man direkt in den Daten der Paläontologie nach einer Periodizität von Aussterbenereignissen. Das setzt keine bestimmte Ursache voraus; man schaut nur wann Arten auf der Erde gestorben sind und wie das alles zeitlich verteilt ist. Genau so hat man schon 2018 nachweisen können dass es in den letzten 420 Millionen Jahren Massensterben in den Ozeanen gab die eine Periode von 26 bis 30 Millionen Jahren zeigen. Und eine kürzlich erschienene Arbeit hat das ganze für Landlebewesen wiederholt. In „A 27.5-My underlying periodicity detected in extinction episodes of non-marine tetrapods“ verraten die Autoren in guter wissenschaftlichen Tradition schon die Pointe ihrer Forschung.
Aber schauen wir trotzdem nochmal genauer hin: In den letzten 300 Millionen Jahren wurden 10 Ereignisse identifiziert bei denen eine große Anzahl an Lebewesen auf der Erde ausgestorben sind. Acht passen zeitlich zu den Massensterben in den Ozeanen. Und eine statistische Auswertung zeigt mit einer Signifikanz von 99% dass diese Massensterben mit einer Periode von 27,5 Millionen Jahren stattfinden. Es scheint also doch zu periodischen Weltuntergängen auf der Erde zu kommen. Aber wenn nicht Nemesis dafür verantwortlich ist: Was dann?
Drei der Ereignisse konnten die Autoren zumindest in zeitlicher Nähe zu drei sehr großen Einschlagskratern auf der Erde platzieren. Aber die acht Ereignisse die zu Massensterben an Land und im Ozean führten, fielen alle mit Eruptionen sogenannter Magmatischer Großprovinzen statt. Dass kann man sich so wie einen Supervulkanausbruch vorstellen. Wäre aber falsch, denn wenn eine Magmatische Großprovinz ausbricht, läuft das ganz anders ab. Dabei können gewaltige Regionen von mehreren Millionen Quadratkilometern mit Lava „überflutet“ werden. Das passiert aber nicht plötzlich, sondern im Laufe einiger hundertausend bis Millionen Jahren. Was aus geologischer Sicht aber immer noch „plötzlich“ ist und außerdem die Umwelt dramatisch beeinflussen kann. So etwas hat natürlich unter anderem Einfluss auf das Klima oder den Sauerstoffgehalt in den Meeren und kann absolut ein Grund für ein Massensterben sein.
Nur: Warum sollten solche megavulkanischen Ereignisse periodisch auftreten? Das weiß man nicht. Aber die Autoren haben ein paar Hypothesen. Die Entstehung von magmatischen Großprovinzen ist noch nicht vollständig verstanden. Aber es ist plausibel dass dafür irgendwelche Vorgänge im Inneren der Erde verantwortlich sind. Vielleicht läuft da irgendwas mit der Rotation des Erdkerns oder ein anderer Prozesse periodisch ab? Es gäbe aber auch noch astronomische Verbindungen. Die Sonne bewegt sich mitsamt dem Sonnensystem um das Zentrum der Milchstraße herum und braucht für einen Umlauf circa 220 Millionen Jahre. Man darf sich das aber nicht so wie den Umlauf eines Planeten um die Sonne vorstellen. Unser Sonnensystem bewegt sich zwar um das galaktische Zentrum herum, dabei aber auch auf und ab. Ein bisschen so als wenn man auf einem altmodischen Karusellpferd sitzen würde…
Unsere Milchstraße ist eine scheibenförmige Spiralgalaxie. Der Großteil ihrer Sterne ist einer Scheibe mit einem Durchmesser von circa 150.000 Lichtjahren und einer Dicke von 1000 Lichtjahren verteilt. Die Sonne durchquert diese Scheibe bei ihrem Auf und Ab immer wieder. Momentan befindet sie sich gerade 65 Lichtjahre über der galaktischen Ebene und entfernt sich weiter davon. Erst bei einem Abstand von circa 250 Lichtjahren wird sie wieder umkehren. Und tatsächlich durchquert sie die Ebene mit einer Periode von ungefähr 30 Millionen Jahren. Schon früher hat man deswegen genau diese Durchquerung als potentielle Ursache für Massensterben verantwortlich gemacht. Und genau das tun auch die Autoren der aktuellen Arbeit.
Der genaue Mechanismus ist allerdings unklar. Die galaktische Ebene ist ja kein massives Objekt. Der Erde passiert nichts akut gefährliches wenn sie sie durchquert; da rummst nix oder so… Aber vielleicht gibt es ein spezielles Zusammenspiel der gravitativen Kräfte das jedesmal beim Durchqueren der Ebene Auswirkungen hat. Neben den sichtbaren Sternen ist in dieser Ebene ja auch die dunkle Materie der Milchstraße ein wenig dichter als anderswo. Die gravitativen Störungen könnten dafür sorgen, dass im Erdinneren irgendwas passiert was zur Entstehung einer magmatischen Großprovinz führt. Oder aber vielleicht werden dadurch doch die Kometen der Oortschen Wolke durchgeschüttelt, schlagen auf der Erde ein und verursachen auf diese Weise die tektonischen Mega-Ereignisse. Es gibt auch noch seltsamere Hypothesen: Man hat schon früher tatsächlich erforscht ob und wie es sich auswirken würde, wenn dunkle Materie im Inneren der Erde „eingefangen“ würde. Und auch da kam man zu dem Schluss dass es zu einer verstärkten tektonischen Aktivität führen könnte.
Das ist alles natürlich enorm hypothetisch. Aber der Befund der Periodizität der Massensterben bleibt vorerst bestehen. Was die konkrete Ursache dafür angeht werden wir wohl noch ein wenig Arbeit in die Forschung stecken müssen. Wir müssen die Erde und vor allem ihr Inneres besser verstehen. Wir müssen die Galaxis und die Dynamik ihrer Sterne besser verstehen. Und zumindest was das letztere angeht sind wir auf einem guten Weg; die schon oben erwähnten Daten der Gaia-Sonde werden unser Wissen was das angeht in den nächsten Jahren revolutionieren. Und irgendwann wissen wir dann vielleicht auch genau, ob und warum es immer wieder Weltuntergang gibt.
Grund zur Sorge gibt es aber – wie schon eingangs gesagt – definitiv nicht. Bis wir die Ebene der Milchstraße das nächste Mal durchqueren werden noch sehr viele Millionen Jahre vergehen. Bis dahin gibt es sehr viel akutere Probleme (allen voran die Klimakrise) die wir in den Griff kriegen müssen. Zuerst aber einmal ist Weihnachten. Und egal ob ihr das feiert oder nicht wünsche ich allen Leserinnen und Lesern meines Blogs erholsame Feiertage (sofern möglich) und ausreichend Gesundheit!
P.S. Und wenn ihr das ganze nochmal anders erklärt haben (und dazu noch jede Menge andere coole Geschichten über Wissenschaft hören) wollt, dann empfehle ich euch sehr die aktuelle Folge des Minkorrekt-Podcast.
Gerne. Immer wieder gerne. Doch bei dem zu Erblickenden 4:1:33 sträubt sich im Moment alles^^ Außerdem ist grad im Radio der blogpassendeYuri mit dem hiesig urlaubsstimmungs- und überhaupt passenden Oneironaut angelaufen. Nur ein Viertelstündchen
Deu ich mir mal auf den mp3Player fürs nächste zuFuß, ins Auto gehört Musik ;·) Mal schauen, wie die Rezeption sein wird…
Stehen eigentlich schon die wichtigsten Termine für die Weltuntergänge 2021 fest? Ich wollte mir ein paar Festival T-Shirts davon drucken lassen.
Da bekäme „ungünstige Sternenkonstellation“ ja sogar eine Bedeutung…
Wir wissen nicht, was jener Herr empfahl, wir empfehlen ein UniversalTee frei nach K.Wecker: ‚Wir wollen täglich einen neuen Weltuntergang!‘
Mal völlig off topic, ich wünsche allen Kommentierern, allen Stammkommentierern, Florian und sogar allen Pappnasen
FROHE WEIHNACHTEN.
Ohne euch alle wär ich auch nicht hier.
Die T-Shirts sind einfach klasse 🙂
@Till
Die zwei Dinos auf dem T-Shirt kennen sich wirklich mit Astronomie aus.
(1288) Santa, Asteroid 😉