SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.

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Sternengeschichten Folge 418: Milkomeda und die galaktische Kollision

In dieser Folge der Sternengeschichten geht es um ein Himmelsobjekt das noch gar nicht existiert. Von dem wir aber wissen, dass es in der Zukunft existieren wird. Nicht nur das: Wir werden sogar ein Teil davon sein. Also nicht „wir“ im Sinn von „wir Menschen“. Uns wird es in dieser Zukunft mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr geben. Aber die Erde, die Sonne und das Sonnensystem. Und die gehören zur Milchstraße, zusammen mit ein paar hundert Milliarden anderer Sterne. Die Milchstraße, unsere Heimatgalaxie, gibt es seit circa 10 Milliarden Jahren. Aber sie hat ein Ablaufdatum.

Auch Galaxien bewegen sich. Sie ziehen sich gegenseitig an; bewegen sich umeinander und aufeinander zu. Und sie können miteinander zusammenstoßen. Sie verschmelzen miteinander und zwei zuvor einzelne Galaxien bilden zusammen eine neue. Genau das wird mit unserer Milchstraße passieren. Sie wird mit ihrer Nachbargalaxie zusammenstoßen. Das klingt dramatisch. Das ist auch dramatisch. Aber es dauert noch ein bisschen bis es soweit ist. Und uns wird dabei mit ziemlicher Sicherheit nicht viel passieren.

Aber es ist ein ziemlich spannender Vorgang und den schauen wir uns deswegen ein bisschen genauer an. Und klären zuerst einmal die Ausgangssituation. Galaxien sind nicht gleichförmig im Universum verteilt. Sie bilden Gruppen, die „Galaxienhaufen“. Die Gruppe, zu der wir gehören, trägt den unspektakulären Namen „Lokale Gruppe“ und ich hab in Folge 371 ausführlich darüber gesprochen. Sie besteht aus ein paar hundert Galaxien; die meisten davon sind aber eher kleine Zwerggalaxien. Nur zwei sind wirklich große, quasi ausgewachsene Sternensysteme: Unsere Milchstraße und die Andromedagalaxie. Welche von beiden größer ist, ist immer noch nicht absolut klar. Früher dachte man, dass die Andromedagalaxie ein bisschen mehr Masse hat als die Milchstraße; neuere Forschung hat gezeigt, dass vermutlich doch unsere Milchstraße massereicher ist. Aber auf jeden Fall sind beide sehr groß und einander vergleichsweise nahe. Sieht man von ein paar winzigen Zwerggalaxien ab, ist die Andromedagalaxie unser galaktischer Nachbar mit einem Abstand von 2,5 Millionen Lichtjahren. Und sie kommt auf uns zu.

Andromeda: Die Nachbargalaxie der Milchstraße (Bild: NASA/JPL-Caltech)

Das mag für manche seltsam klingen. Denn man hört ja immer wieder, dass sich alle Galaxien im Universum voneinander entfernen, da der Kosmos sich ja seit dem Urknall immer weiter ausdehnt. Und das stimmt auch. Allerdings nur für sehr, sehr große Abstände. Wenn wir die Galaxien in anderen Galaxienhaufen betrachten, dann bewegen die sich tatsächlich alle von uns fort. Aber innerhalb unserer lokalen Gruppe liegen die Dinge anders. Hier ist die Gravitationskraft zwischen den einzelnen Galaxien stark genug, um die Gruppe trotz der Expansion des Universums zusammenzuhalten. Und manche der lokalen Galaxien bewegen sich aufeinander zu. So wie die Andromeda und Milchstraße: Aus unserer Sicht bewegt sich die Andromedagalaxie mit 110 Kilometern pro Sekunde auf uns zu.

Das heißt aber nicht unbedingt dass es auch eine Kollision geben muss. Denn die Andromeda bewegt sich nicht nur auf uns zu; es gibt auch eine seitliche Bewegung. Es kann also auch sein, dass die beiden Galaxien einfach aneinander vorbei fliegen. Um das zu klären, muss man genau diese seitliche Bewegung messen, was schwierig ist. Viel schwieriger als nur die sogenannte Radialgeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit mit der sie auf uns zu kommt. Die kann man recht einfach messen; über den sogenannten „Dopplereffekt“. Darüber hab ich auch schon oft gesprochen: Wenn sich eine Lichtquelle auf uns zu (oder von uns weg) bewegt, dann ändert sich die Frequenz – also die Farbe – des Lichts, die wir beobachten. Genau so wie sich auch die Tonhöhe einer Schallquelle ändert, wenn sie sich auf uns zu oder von uns weg bewegt (wie man bei jedem Einsatzfahrzeug hören kann). Das Licht der Sterne in der der Andromeda können wir gut auf diesen Effekt untersuchen. Um aber auch die seitliche Bewegung zu messen, müssen wir die Position der Sterne dort extrem genau bestimmen und auf Veränderungen im Laufe der Zeit untersuchen.

Und „extrem genau“ heißt hier wirklich EXTREM genau. Man muss Veränderungen der Sternpositionen messen, die nur ein paar Tausendstel eines Pixel der Kamera des Hubble-Weltraumteleskops entsprechen. Trotz dieser Schwierigkeiten ist es aber im Jahr 2012 gelungen, die seitliche Geschwindigkeit der Andromeda zu messen. Sie liegt bei 17 Kilometer pro Sekunde und das ist zu wenig, um eine Kollision zu vermeiden. In 3,9 Milliarden Jahren werden die beiden Galaxien miteinander kollidieren. Aber: Was bedeutet das Wort „Kollision“ wenn es um zwei Galaxien geht? Definitiv nichts, wo irgendwas aufeinander kracht; nichts, wo tatsächlich physische Objekte miteinander kollidieren.

Es ist einfach viel zu viel Platz zwischen den Sternen! Und es ist verdammt schwer, das irgendwie zu veranschaulichen. Wenn wir die gewaltige große Sonne mit ihrem Durchmesser von 1,4 Millionen Kilometer auf die Größe eines Tischtennisballs schrumpfen, dann wäre in diesem Maßstab der uns nächstgelegene Stern immer noch 1100 Kilometer weit weg. Und die gesamte Milchstraße immer noch 30 Millionen Kilometer groß. Ok, im Zentrum einer Galaxie stehen die Sterne dichter beieinander als in den Außenbereichen wo sich die Sonne befindet. Aber selbst wenn man das berücksichtigt, stehen – im Tischtennisballmodell der Galaxie – die Sterne im Schnitt mehr als 3 Kilometer weit auseinander. Und das gilt für die Andromeda genau so. Wir haben also zwei Objekte, die im Wesentlichen aus leerem Raum bestehen in dem sich ab und zu mal ein Stern befindet. Eine „Kollision“ ist also eher ein „Durchdringen“; die Chance dass da tatsächlich zwei Sterne physisch zusammenstoßen ist also so enorm gering, dass man sie getrost ignorieren kann.

So könnte der Himmel der fernen Zukunft aussehen, wenn die Andromeda-Galaxie sich anschickt, mit der Milchstraße zu kollidieren (Künstlerische Darstellung: NASA, ESA, Z. Levay and R. van der Marel (STScI), T. Hallas, and A. Mellinger)

Ich habe vorhin gesagt, dass die beiden Galaxien in 3,9 Milliarden Jahren kollidieren werden. Damit ist gemeint, dass die beiden Zentren der Galaxien weniger als 80.000 Lichtjahre voneinander entfernt sind. Das hat man einfach so definiert, weil irgendwas muss man ja definieren. Die Kollision ist damit aber nicht vorbei. Die beiden Galaxien werden einander durchdringen und sich wieder voneinander entfernen. Aber nicht weit, denn durch ihre gegenseitige Anziehungskraft haben sie sich abgebremst. 2 Milliarden Jahre nach der ersten Begegnung, also in knapp 6 Milliarden Jahren von heute an, werden sie sich erneut treffen und dann miteinander verschmelzen. Aus den beiden Spiralgalaxien wird eine elliptische Galaxie entstehen, also ein gewaltiger kugelförmiger Haufen aus Sternen.

In dieser fernen Zukunft wird es keine Menschen mehr geben. Wir werden dabei nicht zusehen können und nicht in dieser neuen Galaxie leben. Aber wir haben sicherheitshalber schon mal einen Namen für sie gefunden: Die Astronomen Thomas Cox und Abraham Loeb haben in einer Arbeit aus dem Jahr 2007 den Namen „Milkomeda“ für die verschmolzene Galaxie gewählt und der ist geblieben.

Unsere Sonne hat eine längere Zukunft vor sich als die Menschheit. Sie wird noch circa 6 Milliarden Jahre lang existieren und die Verschmelzung von Milchstraße und Andromeda durchaus miterleben. Ihr Schicksal ist allerdings noch nicht völlig klar. Selbstverständlich werden durch die Kollision die Bahnen und Positionen der Sterne ordentlich durcheinander geschleudert. Computersimulationen zeigen, dass wir dabei mit ziemlicher Sicherheit ein wenig nach außen rücken. Momentan befinden wir uns ja knapp 26.000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt. Nach der Verschmelzung werden wir ein Stück weiter vom Zentrum der neuen Galaxie entfernt sein. Es kann allerdings auch sein, dass wir deutlich weiter draußen landen, mehr als 50.000 Lichtjahre oder noch weiter. In 12 Prozent der Fälle sind wir bei den Simulationen auch komplett aus der Galaxie geworden worden. Für die Erde spielt das alles aber keine große Rolle. Denn einerseits wird das Sonnensystem selbst bei all dem nicht verändert; die Erde und die anderen Planeten werden weiterhin ihre Runde um die Sonne ziehen – egal wo die sich gerade rumtreibt. Und andererseits ist die Erde dann sowieso komplett unbewohnbar geworden. In den späteren Phasen ihres Lebens wird die Sonne deutlich heißer brennen als jetzt und die Temperaturen auf der Erde werden zum Zeitpunkt der Galaxienkollision schon weit über den lebensfreundlichen Werten liegen.

Es gibt übrigens doch etwas, was bei dieser Kollision tatsächlich zusammenstoßen wird. Sowohl unsere Milchstraße als auch die Andromedagalaxie haben in ihrem Zentrum ein supermassereiches schwarzes Loch. Dass in der Milchstraße ist circa 4 Millionen Sonnenmassen schwer; bei Andromeda sind es 100 Millionen Sonnenmassen. Nach der Verschmelzung werden diese beiden gewaltigen Objekte einandern im Zentrum der neuen Galaxie umkreisen. Ungefähr 17 Millionen Jahre lang, während der sich beiden schwarzen Löcher immer näher kommen und schließlich zusammenstoßen und zu einem noch gewaltigeren schwarzen Loch zu verschmelzen.

So siehts aus wenn wir in einer elliptuschen Galaxie leben würden… (Künstlerische Darstellung: NASA, ESA, Z. Levay and R. van der Marel (STScI), T. Hallas, and A. Mellinger)

Die Milkomeda-Galaxie wird das absolut dominierende Objekt der lokalen Gruppe sein. Ansonsten gibt es dort ja nur noch Zwerggalaxien. Mit der Ausnahme der „Dreiecksgalaxie“ M33. Die hat immerhin noch circa 5 Milliarden Sterne und ist 60.000 Lichtjahre groß. Momentan ist sie 3 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Und nach der Entstehung von Milkomeda wird sie diese neue Riesengalaxie als Satellit umkreisen. Obwohl es auch sein könnte, dass sie schon schon vorher mit der Milchstraße verschmilzt oder in den Wirren der Kollision komplett aus der Lokalen Gruppe rausgeworfen wird. So genau lässt sich das nicht vorhersagen. Was auf jeden Fall klar ist: In allerfernster Zukunft, irgendwann in weit mehr als 100 Milliarden Jahren, werden alle anderen Galaxien der Lokalen Gruppe mit Milkomeda verschmolzen sein. Dann wird dort nur noch eine enorme Riesengalaxie sein; scheinbar allein im Universum. Alle anderen Galaxien der anderen Galaxienhaufen werden sich dann mit der Expansion des Kosmos so weit entfernt haben, dass wir sie nicht mehr sehen können. Aber „uns“ wird es dann sowieso nicht mehr geben. Und einen Namen für die „letzte Galaxie des Universums“ haben wir uns übrigens auch noch nicht ausgedacht…

13 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 418: Milkomeda und die galaktische Kollision“
  1. Immer wieder interessant, diese Far Future Vorhersagen zu lesen.
    Für die Far Future Galaxis, deren „Eltern“ einst die Milchstraße, die Andromeda- als auch vielleicht die Triangulum Galaxie und deren Satelliten waren, würde ich den Namen:

    „Via-Lactea Domus-Ultima“ (Das letzte Heim)

    vorschlagen.

    Ansonsten gebe ich für die Anschaulichmachung kosmischer Distanzen gerne meine eigenen Vergleiche zum Besten:

    Erde zur Sonne in anschaulich:
    Man zappe mal so hypothetisch a’la Q aus Startrek eine schnurgerade Autobahn von der Erde zur Sonne.
    Um also zur Sonne zu fahren, bräuchte man mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 km/h fast 170 Jahre.

    Distanzen von Sternen:
    Ich habe mal wo gelesen, dass man, wenn man die Sonne auf die Größe einer Kugelschreiber-Kugel schrumpft, die nächsten drei Kügelchen für Alpha- und Proxima Centauri in einer Entfernung von 19 bis 21 Kilometern platzieren muss. Was also nicht mal ganz die Ost-West-Ausdehnung von München (meiner Heimatstadt) ist.

    Distanz Erde-Mond:
    Die is tso groß, so dass man alle sieben anderen vollwertigen Planeten plus, okay, gnadenhalber noch Pluto dazwischen aneinander reihen könnte und man noch immer etwas mehr als 2000 Kilometer zu vergeben hätte.

  2. „aus der Galaxis geworden“ – geworfen

    Da die schwarzen Löcher so „schnell“ verschmelzen, hätte ich jetzt nicht gedacht. Hätte gedacht, dass die sich auf „Ewigkeiten“ umkreisen. Welche Effekte führen denn zu der Abbremsung und Annäherung?

  3. @Skeptikskeptiker
    Ich finde das nicht gewagt. Die beiden Galaxien werden in 3,9 Milliarden Jahren kollidieren. So viel Zeit ist seit der Entstehung des Lebens bis heute vergangen. Das ist ein Zeitraum, der ca. 1000 mal länger ist, als die Zeit vom Auftreten von Australopithecus anamensis bis zur Entwicklung des modernen Menschen. Selbst wenn es irgendwo noch rechtzeitig ins All ausgewanderte Nachfahren von Menschen geben sollte, werden die keine große Ähnlichkeit mehr mit uns haben. Wir sagen von uns ja auch nicht, dass wir intelligente Amöben seien.

  4. Hier auch eine schöne Veranschaulichung der Entfernungen in unserem Sonnensystem:
    https://joshworth.com/dev/pixelspace/pixelspace_solarsystem.html

    Besonders schön: Wenn man nach kurzem Scrollen nach rechts auf das „C“ unten in der rechten Ecke klickt, bewegt man sich in Lichtgeschwindigkeit durch das virtuelle Sonnensystem (und wünscht sich einen Überlichtantrieb).

    Und wenn man sich dann überlegt, dass man mehr als 4 Jahre bräuchte, um so bis zu Alpha Centauri zu kommen, kriegt man langsam eine Vorstellung von der Leere des Raums, die man eigentlich gar nicht haben möchte.
    Diese Visualisierung kommt dem Totalen Durchblicksstrudel also schon recht nahe.

  5. @Skeptikskeptiker
    Ich bin zwar nur ein interessierter Laie, finde es aber durchaus plausibel: Das Doppelsystem wird Energie abstrahlen. Sei es in Form von Gravitationswellen, Jets, Gammastrahlen oder auch längerwelligen elektromagnetischen Wellen. Bei Energieabstrahlung von Doppelsystemen kommt es im Falle von z.B. Doppelpulsaren zu einer Annäherung. Das wird hier ( https://de.wikipedia.org/wiki/PSR_1913%2B16#Gravitationswellen ) beschrieben:

    Momentan sinkt die Orbitalperiode um 76,5 µs pro Jahr, wobei die große Halbachse der Umlaufbahnen um 3,5 m schrumpft.

    Wie gesagt, es handelt sich bei dem Beispiel um den Hulse-Taylor-Doppelpulsar. Aber das Phänomen Annäherung durch Energieverlust durch Strahlung dürfte sich ähneln.

  6. Ich bin natürlich auch Laie, dachte aber immer, dass schwarze Löcher, außer Hawking-Strahlung, eben NICHTS abstrahlen. Ändern dürfte sich im DoppelSL System eigentlich nur die Masse, durch noch mehr Akkretion. Vielleicht kann ja doch ein Fachmann das erklären.

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